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konnte, sich zur Oberherrschaft über denselben aufschwingen musste. Indem also die Kirche sich auch als die ursprüngliche Inhaberin des weltlichen Schwertes darstellte, verrät sie, dass sie durch Gregor erst recht auf den Weg der Verweltlichung geführt worden war. Dieser Erfolg hat nun aber auch schon im Mittelalter seine factische Berichtigung gefunden. Freilich nicht durch die Reformconcilien des 15. Jahrhunderts, aber durch das System der Landeskirchen. Es ist eine directe Abschaffung der gregorianischen Reform, dass in England, Spanien und Frankreich, in den beiden letztern Ländern sogar durch förmliche Concession des Papstes, die Ernennung der Bischöfe in die Hand der Könige gelangte. Selbst in Deutschland wurde ein landeskirchliches System in dem Masse erreicht, als das römische Reich deutscher Nation sich in einen Bund weltlicher und geistlicher Fürsten verwandelte, und die Besetzung der Bistümer in Deutschland den socialen und politischen Ansprüchen des hohen und mittlern Adels dienstbar gemacht wurde.

Indessen grade in der Zeit, als das gregorianische System seine am weitesten gehenden Folgerungen entfaltet hatte, bezeichnet die Reformation des heiligen Franz von Assisi eine neue Epoche der abendländischen Kirche. Als Stifter eines neuen Ordens scheint er sich freilich nur der Reihe seiner Vorgänger anzuschliessen, und dass er die Entfremdung seiner Ordensbrüder von der Welt durch das starke Mittel der völligen Armut zu sichern suchte, scheint ihn nur dem Grade nach von den früheren Ordensstiftern zu unterscheiden. Jedoch hat er die unverkennbare Absicht gehabt, in der Form seines Ordens das ächte Christentum, sozusagen die Religion Jesu, zu erneuern, und der Erfolg seines Lebens ist von den Zeitgenossen grade in diesem Sinne verstanden worden. Die ältere ausführlichere Regel des heiligen Franz in 23 Capiteln wird im Eingange dahin bestimmt: vivere in obedientia et in castitate et sine proprio, et domini nostri Jesu Christi doctrinam et vestigia sequi, qui dicit Mth. 19, 21; 16, 24; Luc. 14, 26; Mth. 19, 29. Die jüngere von Honorius III. genehmigte Regel (in 12 Capiteln) bestimmt die vita fratrum minorum dahin, evangelium d. n. J. Chr. observare vivendo, in

obedientia, sine proprio et in castitate. Es kommt also darauf an, dass die mönchischen Enthaltungen bis dahin gesteigert, aber auch in dem Sinne beabsichtigt werden, dass sie den allgemeinen Anforderungen Jesu an seine Jünger und seinem eigensten Vorbilde entsprechen. Deshalb wird auch in den einzelnen Ordensvorschriften stets Rücksicht genommen auf die Grundsätze der allgemeinen Dienstfertigkeit und Nachgiebigkeit, welche das Evangelium aufstellt. Inbesondere werden die Vorschriften Jesu an seine Jünger, dass sie ohne Tasche, Geld, Stab durch die Welt gehen, überall mit dem Friedensgrusse einkehren und Gastfreundschaft suchen sollten, wörtlich auf die Ordensgenossen des heiligen Franz übertragen. Dazu aber kommt die Verpflichtung zum Predigen vor dem Volk, in der Absicht, dass die christlichen Grundsätze allseitiger Selbstverleugnung so viel wie möglich auch in dem bis dahin durch die Kirche vernachlässigten Laienstande zur Geltung und Uebung gebracht würden. Das war schon das Bestreben des Petrus Waldus gewesen; ihm aber hatte es die kirchliche Auctorität nicht zugestanden. Indes gleichzeitig wird die Aufgabe von Franciscus und von Dominicus wieder aufgenommen; und ihrem Antriebe wie ihren Einrichtungen zu diesem Zwecke wird die kirchliche Genehmigung zu Teil. Die Predigt der Busse aber, oder die Empfehlung des asketischen Lebens an die Laien hat den Sinn, dass innerhalb der katholischen Kirche selbst eine Ausgleichung des Abstandes zwischen der christlichen Vollkommenheit des Mönchtums und dem bloss passiven Christentum der Laien versucht werden soll. Dass nun diese Unternehmungen, insbesondere die des heiligen Franz auf Reformation der Kirche, d. h. auf die Herstellung des ursprünglichen Christentums hinauskommen, ist von gleichzeitigen und nachfolgenden Zeugen ganz ausdrücklich anerkannt worden 1). An dem Reformator aus Assisi ist auch

1) Jacobus a Vitriaco († 1244) Historia occidentalis cap. 32: Addidit dominus in diebus istis quartam religionis institutionem (nämlich den Franciscanerorden). Si tamen ecclesiae primitivae statum et ordinem diligenter attendamus, non tam novam addidit regulam, quam veterem renovavit; relevavit iacentem et paene mortuam suscitavit religionem in vespere mundi tendentis ad occasum, imminente tempore filii

nicht der warme Puls des frommen Herzens zu vermissen,
auch nicht die ernste Wertlegung auf die Instanz des Evan-
geliums; vielmehr verbürgt die ganze Lebensführung des
ausserordentlichen Mannes eine Höhe und Innerlichkeit der
christlichen Gesinnung, sowie einen Umfang der Menschen-
liebe, an welche keiner von denjenigen hinanreicht, welche
sonst durch den Titel eines Reformators der Kirche ausge-
zeichnet werden. Die reformatorische Absicht des heiligen
Franz ist auch nichts weniger als erfolglos gewesen; man
muss nur nicht den Anspruch machen, dass seine Wirkungen
denen Luthers und Zwinglis gleichartig sein müssten, um
überhaupt als Erscheinungen reformirten Christentums gelten
zu können. Denn der Zweck, das asketische Leben aus den
Mauern der Klöster in die Gesellschaft der Weltleute zu über-
tragen, ist den Bestrebungen der Reformatoren des 16. Jahr-
hunderts gänzlich ungleich, und ebenso ist das specifische
Mittel, welches Franz angewendet hat, jenen Männern fremd.

Es wird erzählt, dass die Busspredigt des heiligen Franz
einen gewaltigen Drang zum Klosterleben unter dem Volke
erregt hat; und das ist sehr verständlich, da die Grundsätze,
welche Franz als den Inhalt des allgemeinen Christentums
verkündigte, bisher nur in der besondern Form des Mönch-
tums zur Ausübung gekommen waren. Es kam aber dem Re-
formator darauf an, die asketische Lebensweise auch in die
bürgerliche Gesellschaft einzuführen. Zu diesem Zwecke hat
er nun neben dem männlichen Orden der fratres minores und
dem weiblichen der Clarissinnen den ordo tertius de poeni-
tentia, nämlich Laiencongregationen von Männern beziehungs-

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perditionis, ut contra antichristi periculosa tempora novos athletas prae-
pararet et ecclesiam praemuniendo fulciret." Ubertinus de Casali
(Minorit um 1312) Arbor vitae crucifixae lib. V
cap. 3: Jesus ultimam
citationem ad ecclesiam quinti temporis destinavit, suscitans viros veri-
tatis excelsae, qui et exemplo suae vitae fortissime arguerunt defor-
matam ecclesiam, et verbo praedicationis excitarunt plebem ad poeni-
tentiam
Inter quos in typo Heliae et Enoch Franciscus et
Dominicus singulariter claruerunt Quia vero totum malum quinti
temporis fuit in depravatione vanitatis multiplicis, quae ex cupiditate et
abundantia temporalium trahit fomentum, idcirco ille, qui temporalia
radicalius a se et a suo statu exclusit, ille (Franciscus) principalis dicitur
huius temporis reformator." Bei Gieseler, K.-G. II, 2. S. 325. 350.

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weise von Weibern ins Leben gerufen, und mit einer 20 Artikel umfassenden Regel versehen. In dieser halbmönchischen Verbindung von Laien, welche in ihrer weltlichen Lebensstellung bleiben, hat man den directen Erfolg seiner Wiederherstellung des ursprünglichen Christentums zu erkennen. Der nach bestimmter Prüfung erreichbare Eintritt in diese Tertiariergesellschaften soll so verpflichtend sein, dass man nur austreten kann, wenn man in einen vollständigen Orden übergeht. Ehefrauen bedürfen zur Aufnahme der Einwilligung ihrer Männer. Die Mitglieder sollen alsbald nach dem Eintritt ihr Testament machen, um in dieser Form der Sorge um ihr Eigentum zu entsagen. Die Teilnahme an Gelagen und Tänzen, namentlich aber an Schauspielen, sogar die indirecte Unterstützung solcher Vergnügungen wird ihnen verboten. Der Eid wird den Tertiariern nur in genau bestimmten Fällen erlaubt, das Schwören im täglichen Leben dagegen verboten; das Tragen von Waffen nur zur Verteidigung der römischen Kirche und des Vaterlandes gestattet. Denn im Allgemeinen werden sie zur völligen Friedfertigkeit angehalten. Zur Kleidung wird geringes Tuch von weder weisser noch schwarzer, also von grauer Farbe vorgeschrieben. Ausserdem werden die Tertiarier zu fleissigem Besuch des Gottesdienstes, Abhaltung der kanonischen Stunden, häufiger Beichte, regelmässiger Communion, zu vier wöchentlichen Fasttagen, zum Besuch der Kranken aus ihrer Genossenschaft, zur Teilnahme an der Beerdigung verstorbener Genossen, endlich zur Unterwerfung unter die regelmässige Visitation durch ihre Vorsteher (ministri) angehalten. Gleichartige Gemeinschaften entstanden auch als Anhänge des Dominicanerordens und der spätern Orden der Augustiner, Minimen, Serviten und Trappisten. Auch die Jesuiten haben solche Congregationen von Laien gebildet. Der Antrieb des heiligen Franz wirkt also in dieser Beziehung durch die ganze Epoche der katholischen Kirche, welche seit ihm verflossen ist. Was aber das Mittelalter betrifft, so bewährt die franciscanische und dominicanische Predigt ihre reformatorische Absicht in der Ausbreitung einer an das eheliche und an das bürgerliche Berufsleben accommodirten Askese, welche den Abstand zwischen Mönchen und Laien wenigstens vermindert. Im

Allgemeinen entspricht dieses Unternehmen dem Anspruche der Gleichheit und Gemeinschaftlichkeit des Christentums mehr, als die Beschränkung der Reform auf das Mönchtum in der ersten Hälfte des Mittelalters. Im Besondern aber ergiebt sich der bloss relative Wert der franciscanischen Reformation aus dem Mittel zu jenem Zweck. Es kam nämlich doch nur zur Gründung einer neuen Art von Orden.

Absichtlich steht die franciscanische Reformation im Dienste des mittelaltrigen Systems der abendländischen Kirche, wie sie sich in der katholischen Anschauung vom christlichen Leben hält. Allein in dem Grundsatze der vollkommenen Armut und Eigentumslosigkeit, welchen Franz von Assisi für seinen Orden aufstellte, lag ein Anlass zur Collision zwischen der asketischen Reform der Kirche und der päpstlichen Weltherrschaft. Die Vertreter des Papsttums waren sich wohl bewusst, dass dem geistlichen Schwerte das Uebergewicht über das weltliche nicht zu gewinnen oder zu erhalten war, wenn nicht die Masse von weltlichem Eigentum mit der geistlichen Auctorität verbunden war. Die entgegengesetzte Ansicht, dass der Klerus und die Mönche, welche Eigentum besässen, nicht selig werden könnten, hatte Arnold von Brescia mit dem Leben büssen müssen. Deshalb ist es verständlich, dass die Päpste den Grundsatz der vollständigen Besitzlosigkeit auch nicht in dem beschränkten Gebiete des Franciscanerordens dulden wollten. Denn sie mussten darin einen stillen Vorwurf gegen ihr System erkennen, und befürchten, dass daraus ein allgemeiner Widerstand gegen die Eigentumsrechte der Kirche an weltliche Güter hervorgehen werde. Diese Opposition haben ihnen nun auch die Spiritualen im Franciscanerorden gemacht, und zwar in einem Masse, dass sie nicht schärfer gedacht werden kann. Hier findet sich also die Erscheinung, dass eine so katholisch-geartete Reformation wie die franciscanische wenigstens teilweise in die Opposition gegen das kirchliche System umgeschlagen ist. Denn die Spiritualen urteilten nur in der Folgerichtigkeit des reformatorischen Princips ihres Meisters, dass das Papsttum und die Kirche, welche nicht auf das Vorbild der apostolischen Form des christlichen Lebens zurückgehen, sondern das wahre Christen

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