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tum der Spiritualen unterdrücken wollten, dem Antichrist angehörten. Sie beschränkten sich nun aber darauf, die Reformation, welche dieser Höhe des Verderbens in der Kirche gewachsen sein würde, der Zukunft anheimzustellen, wenn das ewige Evangelium des Geistes wirksam werden werde. Es ist das vielleicht ein stilles Eingeständnis davon, dass auch die Steigerung ihrer asketischen Reformmittel für die unmittelbare Einführung der Vollkommenheit der Kirche nicht zureiche. Direct freilich richtet sich die Hoffnung auf die zukünftige Reformation durch das ewige Evangelium danach, das auch das verdammende Urteil über die antichristliche Verderbnis der Kirche an der Apokalypse des Johannes orientirt war. Dieser Bewegung ist nun die mittelaltrige Kirche mächtig geworden. Nach den Stürmen und Conflicten, welche die Spiritualen im 13. und 14. Jahrhundert erregt haben, liessen sie sich zur Ruhe bringen, indem das Concil von Constanz sie als Fratres regularis observantiae anerkannte. Von da an dringt, soweit das Mittelalter reicht, von ihrer Abgeneigtheit gegen die römische Kirche nichts mehr an die Oberfläche. Dass jedoch diese Stimmung im Kreise des genannten Ordens völlig versiegt sein sollte, ist schwer zu glauben. Der schweigende Gehorsam von Mönchen verhüllt dem ferner Stehenden manche Regungen, welche auch nur durch halbe Andeutungen im engern Kreise zum Gemeingute Vieler werden können. Also wenn auch das 15. Jahrhundert kein Document davon darbieten sollte, dass die Franciscaner - Observanten ihren gründlichen Widerspruch gegen die Verweltlichung des römischen Papsttums unter sich und ihren Tertiariern fortgepflanzt haben, so folgt daraus nicht, dass derselbe in jenem Zeitraume vollständig ausgestorben war.

Die Erscheinungen des Mittelalters, welche in kurzem Ueberblicke vorgeführt worden sind, fallen unter einen Begriff von Reformation, der einen viel weitern Umfang hat, als derjenige ist, von welchem die protestantische Geschichtsbetrachtung sich leiten lässt. Reformation ist die Herstellung des richtigen Verhältnisses zwischen Christentum und Welt, unter der Voraussetzung, dass dasselbe in eine Vermischung des Christentums mit der Welt übergegangen ist. Innerhalb dieses

allgemeinen Begriffes kommt ebenso die Rücksicht auf das christliche Personleben wie die auf die Weltstellung der Kirche in Betracht. Nun sind aber die beiden bezeichneten reformatorischen Epochen dadurch besonders bedingt, dass sie von der katholischen Schätzung des christlichen Lebens als des Mönchtums und der Kirche als der Rechtsanstalt beherrscht sind. Deshalb bezwecken diese Fälle von Reformation teils die immer wiederkehrende und immer gesteigerte Ablösung der mönchischen Vollkommenheit von dem Leben in der Welt, teils die mögliche Ausbreitung der mönchischen Vollkommenheit auf die Laien, die in der Familie und im bürgerlichen Berufe bleiben sollen. Ebenso betrifft die Reformation der Kirche, welche Gregor VII. unternimmt, die Ablösung des göttlichen Rechtsinstituts von den Einflüssen des weltlichen Staates, der als Organismus der Sünde ausgegeben wird. Die Reformation der Kirche aber, welche die Spiritualen in Aussicht nehmen, bedeutet die Befreiung derselben von der Verweltlichung; das Mass und der Umfang, in welchem dieses erstrebt wird, bleiben freilich im Dunkeln, da das Geschäft einem übernatürlichen Eingreifen Gottes in der Zukunft anheimgestellt und von keinem Menschen unmittelbar in die Hand genommen wird.

Wird es nun möglich sein, unter jenem allgemeinen Begriff von Reformation auch die von Luther und Zwingli beabsichtigte Herstellung der christlichen Kirche zu beurteilen? und zwar so, dass dabei grade der Gegensatz ihres Unternehmens gegen jene Erscheinungen des Mittelalters zur Geltung kommt? Zunächst fällt in die Augen, dass die Reformatoren des 16. Jahrhunderts mit dem heiligen Franz in dem Zwecke übereinstimmen, die Spannung zwischen dem vollkommenen Christentum der Mönche und dem unvollkommenen christlichen Leben der Laien aufzuheben. Sie erreichen aber diesen Zweck durch den Grundsatz, dass die mönchische Vollkommenheit überhaupt ungültig und überflüssig sei, und dass man das christliche Leben innerhalb der Welt, ohne die asketische Entweltlichung, vielmehr in der positiven Beherrschung der Welt zu führen habe. Deutlicher ist diese Aufgabe in dem lutherischen als in dem zwinglischen Wirkungskreise zum

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Zeitschr. f. K.-G. II, 1.

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Ausdrucke gelangt. Auf Grund der Schriften Luthers über die christliche Freiheit und über die Mönchsgelübde wird im 27. Artikel der Augsburgischen Confession die christliche Vollkommenheit aufgezeigt in den religiösen Tugenden, welche aus der Versöhnung mit Gott oder aus der Rechtfertigung im Glauben entspringen, nämlich der Demut, dem vollständigen Gottvertrauen, der Geduld und dem Gebet, ferner der Treue des sittlichen Handelns in dem bürgerlichen Berufe. Diese Lebensführung bewegt sich in allen weltlichen und natürlichen Beziehungen, welche für die Menschen gegeben, also unvermeidlich sind, aber so, dass, die geistige Herrschaft über die Welt geübt wird, die der religiösen und sittlichen Bestimmung im Christentum entspricht 1). Eine Reformation mit diesem Ziele also fällt unter den oben gefundenen Gemeinbegriff von der Reformation, trotz des den vorangegangenen Fällen grade entgegengesetzten Charakters. Analog ist nun auch die Art, wie Luther und Zwingli die Stellung der Kirche zum Staat bestimmen. Derselbe wird nicht mehr als der Organismus der Sünde, sondern als die göttliche Ordnung des Rechtes anerkannt. Grade um die Kirche vor Verweltlichung und um ihre Bestimmung als Gnadenanstalt zu bewahren, soll der Staat die Rechtsordnung für die Kirche darbieten, entweder in der directen Weise, wie Zwingli es einrichtete, oder nach dem Grundsatze Luthers, dass, soweit die Kirche Rechtsinstitut sei oder Rechtsorgane besitze, sie unter die Cognition des Staates falle. In dieser Auffassung erscheint eine ähnliche Versöhnung zwischen Christentum und Welt, wie in der Nachweisung der Möglichkeit eines christlich vollkommenen Lebens innerhalb der Welt. Dabei ist natürlich vorbehalten, dass die Gnadenfunctionen der Kirche um so wirksamer werden sollen, je weniger die Kirche mit eignen Rechtsfunctionen behelligt ist, und dass die Versöhnung des christlichen Lebens mit der Welt in der Versöhnung mit Gott wurzelt. Deshalb ist auch diese Gestalt des Christentums von der Gefahr der Verwelt

1) Vergl. meinen Vortrag über die christliche Vollkommenheit. 1874. Christl. Lehre von der Rechtf. u. Versöhnung III, S. 143–169, 573-598.

lichung begleitet. Aber welche christliche Lebensform ist überhaupt dieser Gefahr entzogen ?

Die hiemit angedeutete Gliederung der Geschichte der abendländischen Kirche durchzuführen, ist hier nicht der Ort. Es käme noch darauf an, auch die katholische Contrareformation des 16. Jahrhunderts nach jener Formel zu bestimmen, und dann die halben und unvollkommenen Ansätze oder Nachwirkungen der einen oder der andern reformatorischen Epoche richtig zu gruppiren. Ein Fall von solchem Zusammenhang ist grade die Frage nach der Art und der Herkunft der Wiedertäuferei, um welche es sich gegenwärtig handelt. Indessen soll zum Abschluss dieser Erörterung nur noch daran erinnert werden, dass die morgenländische Kirche von reformatorischen Bestrebungen der Art, wodurch die abendländische stets in Bewegung gesetzt ist, nichts darbietet. Dieselbe ist in ihrer Liturgie und ihrer kirchlichen Sitte seit dem 6. Jahrhundert zur Ruhe gelangt. Auf ihrem Gebiete sind Kirche und Staat eng verflochten, weil die kirchliche Sitte zugleich Volkssitte ist, und weil die Kirche, der es bloss auf die Stetigkeit der liturgischen Ordnung und Sitte ankommt, entweder sich mit dem patriarchalischen Despotismus im Staate identificiren kann, oder so neutral gegen ihn ist, dass keine Collisionen erfolgen. Auf diesem Gebiete ist es vielmehr möglich gewesen, dass wie früher die byzantinischen so jetzt die russischen Kaiser die Kirche ihrer Reiche indirect regieren, und dass umgekehrt der Patriarch von Constantinopel innerhalb des türkischen Reiches als das politische Haupt seiner Kirchengenossen mit Gerichtsbarkeit und Steuererhebung ausgestattet gewesen ist. Das Problem des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche, welches im Abendlande seit Jahrhunderten immer wieder die Kirche bewegt und den Staat beschäftigt, ist für die morgenländische Kirche gar nicht vorhanden 1). Ebenso wenig hat

1) Die Absonderung der Starowerzen von der russischen Staatskirche und die fanatische Abneigung gegen dieselbe, welche bei einem Teile jener Partei vorkommt, ist nur die accidentelle Folge davon, dass jene Altgläubigen die unter dem Schutze der russischen Staatsgewalt durchgeführte Reform der liturgischen Bücher zu Gunsten ihres überlieferten corrumpirten Bestandes abgelehnt haben.

man dort je einen Anlass zur Reform des Mönchtums oder zur Stiftung neuer Orden gefunden, noch ist die Stellung desselben zum Laienchristentum oder die des Weltklerus zu den Mönchen jemals in Frage gekommen. Dort giebt es keine besonderen asketischen Congregationen von Laien, und die Ehe der Priester ist nie angetastet worden. Dagegen haben auch nie die beweibten Priester dem Privilegium der Klostergeistlichkeit, dass aus ihr die Bischöfe hervorgehen, sich widersetzt. Weil diese Dinge in der morgenländischen Kirche stets in ihrer festen Ordnung geblieben sind, oder weil man die daran haftenden Unordnungen nicht tief empfunden hat, kommen dort keine Reformationen im Sinne des Abendlandes vor.

Scheinbar hat die abendländische Kirche zu dem Reiche Karls des Grossen in demselben Verhältnis gestanden, wie die morgenländische zu den byzantinischen Kaisern. Die Kirche erscheint als eingegliedert in dem fränkischen Staat; die Organe der Kirche stehen dem Oberhaupte des Staates zur Verfügung für Sittenzucht und Schule; selbst die Kirchenversammlungen unterliegen dem leitenden Einfluss und der Bestätigung des Kaisers, der als der Regent der heiligen Kirche bezeichnet wird. Erst der Zerfall der Karolingischen Monarchie hat es dem Papsttum möglich gemacht, auf den Weg zur Selbständigkeit und zur Herrschaft der Kirche über den Staat einzulenken. Allein diese Bewegung ist nicht zufällig bloss durch den Zerfall des Karolingischen Reiches herbeigeführt worden; und nicht richtig wäre die Annahme, dass, wenn derselbe hätte unterbleiben können, die abendländische Kirche in einer den byzantinischen Verhältnissen gleichen Abhängigkeit vom Staate verharrt wäre. Denn die abendländische Kirche besass in Augustins Lehre von der Ueberordnung des Gottesstaates über den weltlichen ein geistiges Vermächtnis, das zur Durchkreuzung der byzantinischen Combination von Staat und Kirche drängte. Eine solche ethisch-politische Grundanschauung fehlt dem byzantinischen Christentum. Deshalb ist dasselbe indifferent gegen den Wechsel der Combinationen von Christentum und Welt, in welchem die abendländische Kirche sich zu den wiederholten Reformationen aufschliesst, deren Wirkungen und Wechselwirkungen die Geschichte jener Kirche ausfüllen.

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