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und der heiligen Schrift stützen, weist darauf hin, dass diese Instanz nicht erst für die Reformation Luthers und Zwinglis charakteristisch ist, sondern auch in anderen Bestrebungen mitgespielt hat, deren ceremonial-gesetzlicher Inhalt vermuten lässt, dass sie im Mittelalter wurzeln.

Das ekstatische und inspirirte Auftreten der andern Gruppe von Wiedertäufern hat ebenfalls nichts gemein mit der persönlichen Heilsgewissheit, welche der Glaube aus der Rechtfertigung durch Christus gewinnen soll. Vielmehr stehen jene pathologischen Erscheinungen, welche die willkürlichsten, wertlosesten oder frevelhaftesten Antriebe als göttliche Befehle darstellen, im äussersten Abstande von der Demut und Geduld, wie von der Treue im berufsmässigen Handeln, in denen sich die evangelische Heilsgewissheit darlegen wird. Der identische Inhalt aber, welchen die Wiedertäufer in ekstatischer Erregung aussprechen, nämlich die Nähe der Wiederkunft Christi und seines Gerichtes zur Aufrichtung seines Reiches, ist zwar der Voraussetzung des nahen Weltendes ähnlich, welche die Wirksamkeit Luthers und seiner Genossen begleitet; dieser Umstand ist aber niemals von denselben als ein besonders wichtiges Glied ihres Evangeliums, geschweige denn, wie bei diesen Wiedertäufern, als der Hauptinhalt und als das leitende Motiv der Busspredigt geltend gemacht worden. Ekstase und Inspiration sind nun solche Erscheinungen, die als mögliche Wirkungen asketischen Lebens ihre Heimat vielmehr im Mönchtum und eine besondere Achtung innerhalb des Mittelalters besitzen. Also auch dieses Merkmal der Wiedertäuferei weist auf dasselbe Feld hin, wie die bisher beurteilten Umstände. Die ekstatische Ankündigung der nahen Wiederkunft Christi findet ebenfalls ihre Analogien im Mittelalter; ihr besonderer Ort aber wird im weitern Verlauf dieser Untersuchung nachgewiesen werden.

Die Wiedertäuferei entspringt überall im Schosse der Handwerk treibenden städtischen Bevölkerung. Sie hat freilich auch manche Kleriker und Mönche für sich gewonnen, deren Bildungsgrad dieselben zur Führung der Partei und zur Verteidigung ihrer Grundsätze durch Wort und Schrift befähigte; indessen ist diese reformatorische Bewegung im Grunde

untheologisch. Denn an sich sind die z. B. durch Carlstadt und Denck vertretene mystische Theologie und die allgemeine Tendenz auf die Herstellung der vorgeblichen apostolischen Stufe der christlichen Gesellschaft gänzlich gleichgültig gegen einander. Nun steht ja freilich die Mystik in dem Rufe einer besonders nahen Verwandtschaft mit der lutherischen Reformation. Indessen sofern Luther an jener theologischen Richtung teilgenommen hat, hat sie ihn nicht auf diejenigen Gedanken geführt, durch welche er Reformator geworden ist; vielmehr verschwinden die Spuren der Mystik in seinen Schriften in dem Masse, als sein reformatorischer Gesichtskreis sich abgeklärt hat. Die Luther eigentümliche Anschauung des christlichen Lebens in der Schrift de libertate christiana ist sogar der Mystik grade entgegengesetzt. Diese lehrt die Weltflucht und Weltverneinung und stellt den Wert des sittlich guten Handelns und der Tugendbildung weit unter die ekstatische Einigung mit Gott. Luther lehrt, das die christliche Religion zur geistigen Herrschaft über die Welt führt, und stellt den Dienst des sittlichen Handelns gegen die Menschen in gleichem Werte mit jenen Functionen' dar, in denen der Charakter der Versöhnung mit Gott besteht. Die Mystik ist nun auch bekanntlich gar keine directe Art oder Stufe der christlichen Frömmigkeit, sondern ist lediglich ein Absenker des Neuplatonismus. Denn der leitende Gedanke, welcher dieser Philosophie und der Mystik gemeinsam ist, nämlich dass Gott nicht die Welt, oder dass er die Verneinung der Welt sei, ist zwar der Ausdruck des an seiner Grundlage verzweifelnden Heidentums, ist aber eben deshalb an sich unterchristlich. Die Frömmigkeit ferner, welche dieser Gottesidee entspricht, welche die ekstatische Vereinigung mit Gott sucht, um so die Welt überhaupt und die Creatürlichkeit in der eigenen Person zu verneinen, ist nur möglich, wenn die asketische Verneinung der körperlichen und der gesellschaftlichen Bedingungen des menschlichen Lebens vorhergegangen ist. Deshalb kann die Reformation Luthers, welche die mönchische Askese überhaupt für ungültig erklärt, in keiner besondern Verwandtschaft mit der Mystik stehen. Ja es schliesst sich gradezu aus, dass Luther das menschliche

Leben nach dem Gegensatz der Sünde, für die wir verantwortlich sind, und der göttlichen Gnade in Christus beurteilen lehrt, und dass die Mystik die Selbstbeurteilung des Menschen in den Gegensatz der Creatürlichkeit und des Aufgehens in das allgemeine, göttliche Sein hineinstellt. Die Mystik bietet auch nicht eine höhere religiöse Anschauung dar, als welche Luther eröffnet hat; und Luthers Theologie findet nicht etwa ihre folgerechte Vollendung in der Mystik von Carlstadt und von Denck. Denn Luthers Lehre von der Sündenschuld, von der Versöhnung und von der christlichen Freiheit ist so gewiss christlich, als die Mystik trotz allen Scheines neuplatonisch und unterchristlich ist. Findet also im Kreise der Wiedertäufer die mystische Theologie eine Heimat, so weist auch diese Erscheinung darauf hin, dass die wiedertäuferische Reformation ihr leitendes Motiv aus dem katholisch- asketischen Christentum des Mittelalters empfangen hat, welchem die Mystik mindestens wahlverwandt ist 1).

Welches ist nun aber das besondere Gebiet des mittelaltrigen Christentums, aus welchem die Wiedertäuferei entspringt? Um diese Frage zu beantworten, hat man zunächst darauf zu achten, dass diese vorgeblich gründlichere Reformation als solche ohne Zweifel erst durch das Beispiel Luthers und Zwinglis in Bewegung gesetzt worden ist, und dass die Anhänger jener Reformation mit geringen Ausnahmen erst durch die Reformation Luthers und Zwinglis angezogen worden waren, ehe sie sich auf die Verschiedenartigkeit ihrer Tendenzen von denen dieser Männer besannen. Aber wohl hätten die Lutheraner auf sie den Spruch (1 Joh. 2, 19) anwenden können: von uns sind sie ausgegangen, aber sie gehörten nicht zu uns. Woher also wäre zu erklären, dass

1) Cornelius (Gesch. des Münsterischen Aufruhrs, 2. Bd., S. 10 ff.) sucht die Wurzeln der Wiedertäuferei zu sehr an der Oberfläche, nämlich in der Art, wie die Ungebildeten sich des durch Luther eröffneten Zugangs zur Bibel annahmen. Erbkam (Protestantische Sekten im Zeitalter der Reformation, S. 485) rät hingegen auf die vor der Reformation vorhandenen Reste des mittelalterigen Sektenwesens, welche durch den Vorgang Luthers neu erregt worden seien. Jedoch ist dieses keine deutliche Auskunft.

die auf legale und ceremonielle Heiligkeit und auf Herstellung eines vollkommenen socialen Zustandes der Kirche gerichteten Menschen auch nur vorläufig Zutrauen zu Luther und Zwingli gefasst haben? Es ist zu vermuten, dass die Instanz der Predigt des göttlichen Wortes, welche diese Reformatoren erhoben, die späteren Wiedertäufer vorläufig gewonnen hat, weil dieselbe unter den städtischen Gewerbtreibenden schon immer als der höchste Massstab einer Verbesserung des christlichen Lebens galt. Wenn man dieses voraussetzen darf, so ist erklärlich, dass die Predigt Luthers und Zwinglis zunächst so schnell die Volksmassen in den Städten für sich gewann, und dann wieder von ihnen verlassen wurde, als es sich ergab, dass Luthers und Zwinglis Predigt des Evangeliums nicht den Zielen einer besondern asketischen Heiligkeit sich dienstbar machte, nach denen man gewohnt war die Bestimmung des Christentums zu beurteilen. Nun ist die ,,Predigt des Evangeliums" auch der Rechtstitel für die Reformation des heiligen Franciscus, und diese hatte eine von Luthers Bestrebungen ganz verschiedenartige Tendenz. Demgemäss führt die Frage nach der Herkunft der Wiedertäufer und nach der Möglichkeit ihrer wechselnden Stellung zur Reformation Luthers und Zwinglis auf die Vermutung, dass jene vorgeblich gründlichere Reformation des 16. Jahrhunderts eine durch die Nacheiferung gegen Luther und Zwingli angeregte Neubelebung der Reformation des heiligen Franz ist, und dass die Wiedertäufer aus dem Schosse der Tertiarier des Franciscanerordens, insbesondere der Observanten hervorgegangen sind. Ein directer urkundlicher Beweis dafür kann freilich nicht geführt werden; oder wenigstens ist bis jetzt kein Material zu solchem Beweise bekannt geworden. Wenn Bullinger über den Ursprung der Wiedertäufer berichtet, so meint er damit die ersten Erscheinungen der Richtung; die neueren Forscher, welche den Ursprung hinter den frühesten Erscheinungen suchen, sehen sich auf Hypothesen angewiesen. Etwas anderes als eine Hypothese wird auch jetzt nicht unternommen; aber die eben ausgesprochene Auskunft wird durch die Umstände und durch die directesten Analogien zwischen der Wiedertäuferei und der franciscanischen Reformation unterstützt. Vielleicht wird

die Evidenz dieser Hypothese auch dazu beitragen, dass der Blick in die Urkunden geschärft und bisher verborgene oder übersehene Beziehungen zwischen beiden Erscheinungen entdeckt werden.

Also die Wiedertäufer, deren Frömmigkeit das mönchische und ceremonial-gesetzliche Gepräge an sich trägt, verraten die religiöse Bildung, welche beim Beginn der Reformation des 16. Jahrhunderts dem Handwerkerstande in den deutschen Städten eigentümlich war. Dieser Stand aber ist damals seit dreihundert Jahren der Wirkungskreis der in den Städten angesiedelten Bettelorden. Diese zeigen nun zwar im 15. Jahrhundert allerlei Spuren von Verweltlichung, und an manchen Orten in Deutschland geben sie der weltlichen Obrigkeit den Anlass zu reformatorischem Einschreiten. Allein dadurch ist ihre Einwirkung auf das Volk im Ganzen nicht geschmälert worden. Sie lagen der Predigt und deshalb auch der Beschäftigung mit der heiligen Schrift ob, und behielten dadurch die Oberhand über den Pfarrklerus, welcher ungebildet war und schwelgerisch lebte. Während sie diesen Stand in Verachtung zu setzen verstanden, imponirten sie, nach dem Zeugnis des Erasmus dem Volke durch den Schein der Heiligkeit 1). Es steht nun fest, dass mit der Predigt auch die Bildung und Pflege der Tertiariercongregationen bei den Bettelorden Hand in Hand ging. Wenn also ferner evident ist, wie sehr die Sitte und die Absichten der Wiedertäufer mit der Regel der franciscanischen Tertiarier, ferner mit den in der ersten Regel des heiligen Franz formulirten Vorschriften evangelischen Lebens übereinkommen, so wird man nicht zweifeln können, dass hierin ein genetischer Zusammenhang vorliegt. Als einziger Abstand leuchtet ein, dass die Wiedertäufer als Laien nicht die Schranken des Tertiarierordens innehalten, sondern alle die Aufgaben vertreten, welche Franz in der ersten Regel seinen eigentlichen Klosterbrüdern vorgehalten hat, und welche in seinem Sinne das Evangelium Christi ausmachen. Entsprangen aber auch die Wiedertäufer nur aus dem Tertiarierorden des heiligen Franz, so ist es verständlich, dass sie sich des ganzen Evangeliums desselben bemächtigten, wenn sie

1) Vgl. Gieseler, K.-G. II. 4. S. 290-302.

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