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Brenz, dass die Disciplin in der alten Kirche nach der Vorschrift des Paulus nur deshalb geübt worden sei, weil damals noch keine christliche Obrigkeit vorhanden war. Seitdem also die allgemeine Rechtsgewalt in den Händen von Christen ist, falle die Notwendigkeit kirchlicher Disciplin im Ganzen weg. Wenn dieselbe aber für gewisse Fälle auch von Brenz vorbehalten wird, so geschieht es nur im Sinne des Surrogates, weil und so lange die Obrigkeit geschlechtliche Vergehen, obgleich sie gegen göttliche und kaiserliche Gesetze verstossen, nicht für strafbar achtet.

In dieser Erörterung ist deutlich der Gedanke ausgedrückt, dass die Kirche, sofern sie die Gemeinschaft aus der göttlichen Gnade und die Trägerin der Gnadenverkündigung ist, grundsätzlich keine strafrechtliche Competenz über ihre Angehörigen haben könne. Wenn also dieses Attribut an der Kirche vorkommt, so ist es nur durch ein zufälliges Misverhältnis zwischen Kirche und Staat in einer gewissen Zeit zu erklären. Wenn jedoch der Staat der sittlichen Bestimmung seiner Strafgewalt im Sinne des Christentums sich bewusst wird, so hat die Kirche sich ihrer Disciplinargewalt zu entledigen, um ihren Charakter als Religionsgemeinschaft um so ungetrübter auszuprägen. Diese Deduction der bloss bedingten Notwendigkeit der Disciplin für die Kirche stammt zwar von einem Genossen Luthers her, welcher nur den zweiten Rang einnimmt, und keine der

und Juden war, so hat Christus die Ordnung des Bannes nach Matth. 18 eingesetzt. Die Ausübung desselben kommt in die Hände der Aeltesten der Gemeinde, zu denen der Episcopus als Verkündiger des Wortes Gottes gehört. S. 46: Weil aber jetzt das Schwert nicht mehr in der Hand der Ungläubigen ist, so ist es viel leichter, ein christlich ehrbares Leben unter dem christlichen Volk zu erhalten. Denn eine solche Obrigkeit trägt nicht allein Sorge, dass eine weltliche Ehrbarkeit an den Untertanen erzogen werde, sondern sie hilft auch, dass die christliche Ehrbarkeit ihren Fürgang habe. Jedoch giebt es Vergehen, deren sich die weltliche Obrigkeit nicht annimmt, z. B. Verführung von Jungfrauen oder Wittwen und Ehebruch, obgleich dieselben nicht bloss im mosaischen, sondern auch im kaiserlichen Recht für strafbar erklärt werden. Um nun diesen Sünden, welche die Obrigkeit ungestraft lässt, entgegenzuwirken, ist der Bann durch eine Synode von Prediger und Bürgern zu üben, damit nicht die heiligen Sacramente vor die Hunde geworfen und die frommen Christen nicht geärgert werden.

späteren Kirchenordnungen enthält ähnliche Gedanken. Nichts desto weniger ist diese Erörterung für den Verlauf der Sache m Gebiete der lutherischen Reformation als massgebend zu achten, weil sie auf das genaueste zu dem leitenden Begriff von der Kirche passt. Man hat, ohne es zu wissen, das calvinische Ideal im Sinne, wenn man ein Merkmal der Schwäche der deutschen Reformation darin erkennt, dass sie die kirchliche Disciplinargewalt teils direct dem Staate überliess, teils der Cognition der staatskirchlichen Behörden unterwarf. Dieser Verlauf wird vielmehr principiell gerechtfertigt durch den lutherischen Gedanken, den Aepinus und Brenz vertreten, dass die Kirche als Organ der göttlichen Gnade nicht zugleich grundsätzlich Organ des Strafrechtes sein könne. Und dieser Standpunkt wird auch noch durch andere Zeugnisse indirect bestätigt.

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In der zweiten Generation der lutherischen Kirchenbildung nämlich hat Erasmus Sarcerius, Superintendent der löblichen Grafschaft Mansfeld, einen Folianten ,,Von einer Disciplin, dadurch Zucht, Tugend und Ehrfurcht mögen gepflanzet und erhalten werden" (1556) — geschrieben, worin er das dringende Bedürfnis nach dieser Einrichtung und die Mittel zu ihrer Herstellung erörtert. Es fällt nun auf, dass er von vornherein nicht die kirchliche Genossenschaft, sondern das deutsche Volk als das Subject der Disciplin ins Auge fasst. Diesem wird zunächst das Gewissen wegen des Verfalles der Sitten geschärft, indem die Gegenwart mit der taciteischen Schilderung der Deutschen verglichen wird. Demgemäss wird die weltliche Obrigkeit als die Statthalterin Gottes zur Herstellung einer Disciplin in Anspruch genommen; und indem dazu übergegangen wird, dass auch die Kirchendiener dazu berufen sind, so lautet der Ausdruck dahin, dass dieselben ihrem Amte schuldig sind, eine Disciplin helfen aufzurichten. Man glaubt ferner in dem Buch gar nicht mit einer Aufgabe des kirchlichen Lebens beschäftigt zu sein, wenn die staatlichen Functionen der Gesetzgebung und Rechtsübung gemäss den Beispielen aus christlicher und heidnischer Zeit, und wenn Reichstage, Landtage, Städteordnungen und alle Arten der Gerichte als die Mittel zur Auf

richtung einer Disciplin empfohlen werden. Dieses Verfahren wird manchen Theologen der Gegenwart umsomehr befremden, wenn er mit diesen Vorschlägen die dazwischen laufenden Klagen über die Moralität der Höfe und der Juristen vergleicht, welche gegen das Interesse der Kirche gleichgültig sind. Dieses Gefüge von Forderungen und Ratschlägen, in welchem die weltlich-rechtlichen und die kirchlichen Motive für die Disciplin zusammengefasst werden, würde völlig unverständlich sein, wenn man bei man bei,, einer Disciplin" an das calvinische Institut der Absonderung der offenbaren Sünder von der Cultusgemeinschaft denken müsste. Allein diese Bedeutung des Wortes kommt bei Sarcerius nur gelegentlich zur Geltung. Regelmässig versteht er unter einer Disciplin die viel umfassendere Aufgabe der guten Sitte, welche die Frucht der wahren Busse, und zu deren Herstellung neben Gesetzen des Staates hauptsächlich die Predigt des Evangeliums wirksam ist. Was die Disciplin gewöhnlich bedeutet, nämlich die Strafen der Kirche gegen die öffentlichen Uebertreter des göttlichen Willens,, zu ihrer selbst Besserung und andern Leuten zum Exempel des Abschreckens", wird von Sarcerius nur angehängt an die Mittel und Wege, in denen das göttliche Gesetz zur Ausführung im Volke gebracht wird.,, Ein schöner und löblicher Anfang wäre es zu einer Disciplin, dass ein jeder Untertan einen Mann besserte; alsdann würden sie mit der Zeit alle gebessert. Item dass ein jeder Hausvater in seinem Hause erstlich für sich und die Seinen einen Grund zur gemeinen Disciplin legte, indem ein jeder sein Weib, Kinder und Gesinde zum Besten anhielte. Alsdann wäre es der Obrigkeit und den Kirchendienern desto leichter, eine gemeine und öffentliche Disciplin (nämlich durch Strafgewalt) anzustellen." Auch indem Sarcerius den Kirchendienern vorschreibt, mit welchen Mitteln sie eine Disciplin herzustellen haben, so beziehen sich zehn Capitel auf ihre persönliche Haltung, ihre gute Hauszucht, ihre Treue in der Predigt von der Busse und der Gnade, den Lastern und Tugenden, auf Abhaltung von Synoden und Visitationen; und erst danach werden ihnen die Kirchenstrafen und die Auflegung öffentlicher Busse angeraten. Die beiden Schlusscapitel des ganzen Buches aber sind höchst

charakteristisch, indem als die sonderlichen und kräftigen Mittel zu Anstellung und Erhaltung einer Disciplin die Einrichtung guter Schulen und wiederum die gemeine und brüderliche Ermahnung angegeben werden.

Wenn man sich erinnert, in welchem Sinne die Reformatoren des 16. Jahrhunderts die Aufgabe der kirchlichen Disciplin aus der allgemeinen Ueberlieferung übernommen haben, und in welchem Sinne sie die gleichzeitige Lebensaufgabe Calvins bildete, so erkennt man, dass Sarcerius die Aufgabe erheblich verschoben hat. Er meint unter der Disciplin, die er durchsetzen will, die moralische Erziehung des ganzen Volkes. Zu diesem Zweck konnte er die staatliche Gesetzgebung und Verwaltung mit den Lebensmotiven der christlichen Religion zusammenfassen, und zwar in der Ordnung, dass jene Mittel der weltlichen Obrigkeit den Vortritt haben. Sofern er nun aber auch den ursprünglichen Sinn der kirchlichen Strafdisciplin im Auge behalten hat, konnte er mit Recht behaupten, dass dieses Mittel zur Herstellung der öffentlichen Moralität nur auf jener Unterlage der moralischen Erziehung des Volkes ausführbar und zweckmässig sei. Jedoch nicht undeutlich taucht die Ueberzeugung auf, dass in dem Masse, als diese Aufgabe gelöst wird, jenes kirchliche Strafverfahren als überflüssig erscheinen muss.,,Denn wo eine Disciplin ist, da gehen alle Dinge in seiner Ordnung recht und wohl zu; da tut ein jeder Untertan in seinem Beruf, was er zu tun schuldig und pflichtig ist; da ist Gehorsam und alles Gutes; da ist Friede und Einigkeit; da wird Gott gegeben, was Gottes ist, der Obrigkeit was ihr ist."

Wenn man wissen will, welches die Haltung des Luthertums in Hinsicht der kirchlichen Disciplin ist, so darf man sich nicht auf die Wahrnehmung beschränken, dass dieselbe durch ihre Uebertragung auf staatliche Organe verkümmert sei. In der Gegenwart schliesst diese Ansicht meistens das Urteil in sich, dass dadurch der lutherischen Kirche eine wesentliche Function verloren gegangen sei, in deren Beibehaltung der Calvinismus sie übertreffe. In dieser Stimmung pflegt man sich darüber hinwegzusetzen, dass die Disciplin im Calvinismus nicht minder unausführbar geblieben ist, wie in

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der lutherischen Kirche. Man darf aber, um die Stellung des Luthertums zu der Sache authentisch und vollständig zu erkennen, von Sarcerius lernen, welche viel umfassendere und gesundere Aufgabe er an die Stelle der kirchlichen Strafgewalt gesetzt hat. Und diese Aufgabe ist in dem evangelischen Deutschland trotz aller Schwierigkeiten nicht ungelöst geblieben. Wenn man aber in Sarcerius' Buche die tiefdunkeln Schilderungen der sittlichen Zustände seiner Zeit, sowie die Klagen über das Treiben der staatlich hervorragenden Gesellschaft liest, welcher er doch zumutet, auf seine Ratschläge einzugehen, so muss man die Kraft seines praktischen Idealismus und die Geduld bewundern, in welcher er an die Ausführung der Aufgabe glaubt. Auch an der Hand dieses Zeugen also ergiebt sich, dass die lutherische Anerkennung der kirchlichen Disciplin nur eine bedingte ist. Sie ist in folgender Formel auszudrücken. Wenn kirchliche Strafgewalt stattfinden soll, so ist sie nur möglich unter Voraussetzung der staatlichen und religiösen Erziehung des Volkes zur Moralität. Indes wird dagegen eingewendet werden, dass Sarcerius nicht genügend legitimirt sei, um auf diesem Felde als Vertreter des Luthertums zu gelten. Als ob den Anhängern Luthers, zu welchen Sarcerius gehört, zuzutrauen wäre, dass sie über eigene Gedanken verfügt hätten! Der Kern seiner Ansicht nämlich kann grade bei Luther nachgewiesen werden.

In der Erklärung des Propheten Joel, welche Veit Dietrich nach den Vorträgen Luthers 1547 herausgegeben hat 1), bezieht sich Luther auf die verbreitete Ansicht, dass der Bann, als die Ausschliessung vom Abendmahl teils durch die Nachlässigkeit der Kirchendiener, teils durch die Ungunst der Obrigkeit in Abgang gekommen sei. Hiegegen aber macht er geltend, dass die Schuld daran bei der ganzen christlichen Gesellschaft sei. Jeder lasse es daran fehlen, seinen Nachbar wegen Unrecht und Zuchtlosigkeit zu warnen uud zu ermahnen, um ihn zu bessern. Man hüte sich davor aus Menschenfurcht und aus Besorgnis, in gleicher Weise von den anderen behandelt zu werden. Die eigentliche Ursache des Verfalles

1) Opp. latina, ed. Witeb., Tom. IV, fol. 514 b; Walch VI, 2404.

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