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2. Die Jungfrau von Orleans.

Die Vorgeschichte des Drama.

Die geschichtlichen Ereignisse, welche Schiller in der Jungfrau von Orleans behandelt, gehören der lezten Zeit der langen und blutigen Kriege zwischen Frankreich und England an und fallen in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Der Kampf zwischen den beiden Völkern hat mit größeren wie mit kleineren Unterbrechungen und mit abwechselndem Glück Jahrhunderte hindurch gewährt. Er bekam für die Franzosen schließlich eine glückliche Wendung, als das wunderbare Hirtenmädchen aus Dom Remy mit glühender Aufopferung sich dem Kampfe weihete, die Gemüter der Feldherren und Fürsten unter seinen Willen beugte und die Kriegsheere voll Begeisterung in die Schlachten führte. Der Kampf endete 1453; der König Karl VII. starb im Besitz von ganz Frankreich; nur Calais verblieb den Engländern. Später ward auch diese Stadt ihnen genommen.

Den Grund zu all' den Kämpfen legte die Eroberung Englands durch den Herzog Wilhelm von der Normandie im Jahre 1066, wodurch die englischen Herrscher für ihr Stammland abhängige Lehensträger der Könige von Frankreich wurden, was notwendiger Weise zu Zerwürfnissen führen mußte, je mehr der nationale Charakter beider Völker sich entwickelte und die kräftigeren englischen Herrscher das Ziel verfolgten, Frankreich unter ihr Scepter zu beugen. Der energische König Eduard III. glaubte als Schwestersohn des französischen Königs Philipp um so mehr ein Recht dazu in der Erbfolge zu haben und legte sich den Titel König von Frankreich bei, den die englischen Könige bis zum Frieden von Amiens 1801 ge= führt haben. Er gewann die furchtbaren Schlachten bei Crecy 1346 und Poitiers 1356. Nach seinem Tode entbrannte unter dem französischen Könige Karl V. der Krieg von neuem. Frankreich war jezt glücklich und nahm den Engländern fast alle Errungenschaften bis auf wenige Küstenpläße wieder ab. Aber mit dem Glücke fam auch den französischen Königen wieder das Gelüst nach unumschränkter

Gewalt über die Großen des Reichs, und so brach unter dem noch unmündigen Karl VI. ein schrecklicher Bürgerkrieg aus, der Krieg der Häuser Orleans und Burgund, die sich um die Regentschaft Frankreichs bekämpften, und dieser Krieg wurde auch nach der Thronbesteigung Karls VI. fortgesezt, da derselbe bald nach seinem wirklichen Regierungsantritte in eine unheilbare Geisteskrankheit verfiel (1392), welche das unglückliche Land der wüsten Herrschgier der Parteien vollends preisgab und an den Rand des Verderbens brachte. Die Gemahlin Karls VI., Isabella, eine Bayernfürstin, deren Aufgabe es gewesen wäre, das Anrecht ihres jüngsten Sohnes, dessen drei Brüder gestorben waren, zu vertreten, hatte sich auf die Seite des Herzogs von Orleans, des Königs Bruder, gestellt. Statt die Zwietracht zu bannen, schürte sie dieselbe noch mehr und entfremdete außerdem durch einen zügellosen Lebenswandel und durch den Haß, mit welchem sie jeden verfolgte, der ihren Gelüsten entgegentrat, die Anhänglichkeit des Volks an den Thron. Schon glaubte ihr Günstling, der Herzog von Orleans, im Alleinbesig der Gewalt zu sein, da der Herzog von Burgund gestorben war, als der Nachfolger des lezteren, Johann, den verhaßten Gegner auf offener Straße zu Paris ermorden ließ, wodurch die Flamme der Zwietracht abermals aufloderte, was den englischen Heldenkönig Heinrich V. bewog, sein Anrecht auf die Krone Frankreichs von neuem geltend zu machen. Er brach in Frankreich ein, gewann die große Schlacht bei Azincourt 1415 und nahm den jungen Herzog von Orleans gefangen, kehrte aber nach England zurück, da er nicht stark genug war, den Sieg zu verfolgen. Die Orleans suchten sich in Paris zu behaupten, wurden aber von dem Burgunder Herzog Johann vertrieben, während der Dauphin Karl VII. nach Poitiers ging und sich zum Regenten von Frankreich erklärte. England rüstete von neuem, der Herzog von Burgund warb um ein Bündnis mit demselben; da hielten es die Orleans für geraten, sich zu verständigen. Der Dauphin Karl veranstaltete eine Zusammenkunft der Parteien auf der Yonnebrücke zu Montereau. Kaum aber hatten die Fürsten auf der Mitte der Brücke sich genähert, als einer aus dem Gefolge Karls, man bezeichnet Du Chatel als den Thäter, den Herzog von Burgund mit einer Streitart zu Boden streckte. Der Mörder blieb nach der That unge= straft am Hofe des Dauphin. Das trieb den Sohn des Getöteten, den Herzog Philipp, mit dem Beinamen des Guten, den Engländern in die Arme; auch stellte sich der größte Teil des Adels auf die Seite dieser. Bald war fast der ganze nördliche Teil Frankreichs in ihren Händen. Die Stände erkannten Heinrich V., der die Tochter des geistesschwachen Königs von Frankreich hei= ratete, als König an und schlossen den Dauphin ausdrücklich vom

Throne aus. Die Lage wurde nicht besser, als Heinrich V. und Karl VI. rasch hintereinander starben. Für den erst neun Monate alten Heinrich VI. führte sein Oheim, der Herzog von Bedford, die Regierung. Für ihn erklärte sich auch Isabella, die ihren Sohn tödlich haßte, da dieser sich zum Richter ihrer Sitten aufgeworfen und sie vom Hofe entfernt hatte. Das Waffenglück blieb den Engländern, die mit Burgund sich vereinigt hatten, während der nächsten Jahre treu. Überall erlitten die vereinigten fran= zösisch-schottischen Heere die schwersten Niederlagen, namentlich in den beiden großen Schlachten bei Crevaut und bei Vernauel, bis die Jungfrau von Orleans das mit den goldenen Lilienblumen befäete Banner von Frankreich wieder siegen machte. Mit diesem Wendepunkte in dem Geschicke Frankreichs beginnt Schillers Drama. Der Dichter hat demselben ein Vorspiel voraufgeschickt, ähnlich wie in Wallenstein, welches wir zuerst zu betrachten haben.

Das Vorspiel.

Das Vorspiel verseßt uns zunächst in den häuslichen Kreis, welchem die wunderbare Heldin unseres Stückes entsprossen ist, und in die geschichtliche Zeit ihres Auftretens. Beides ist von großem Einfluß auf ihre Entwicklung gewesen und bildet als Ausgangspunkt die Grundlage des Drama. Das Vorspiel verläuft in allen seinen Scenen an derselben Örtlichkeit, läßt in allen Scenen die trostlose Lage Frankreichs erkennen und zerfällt in zwei Teile. In dem ersten tritt der Vater der Johanna in den Vordergrund, in dem zweiten seine bis dahin stumm gebliebene Tochter. Den Übergang bildet das Erscheinen des Helms, welcher von Bertrand gebracht wird. Mit wenigen Strichen zeichnet der Dichter gleich in den ersten Auftritten nicht nur die bürgerliche Stellung, welche die Eltern der Johanna einnehmen, sondern auch die geistige Atmosphäre des Hauses, in welcher die Jungfrau aufgewachsen ist. Selbst die Lage des Staats spiegelt sich in dem engen Rahmen der vorgeführten Familienscene schon so bestimmt ab, daß kein Zweifel bleibt, Frankreich ist verloren, wenn kein außergewöhnlicher Retter erscheint. Wir ersehen aus den drei ersten Auftritten schon, daß die Engländer, von bedeutenden Heerführern geleitet, den ganzen Norden von Frankreich inne haben, daß die Mutter des Königs und der mächtigste Vasall des Reiches auf der Seite des Feindes stehen, daß die Stadt Orleans, dieser Schlüssel zum Süden des Landes, hart bedrängt wird, und daß sich der treu gebliebenen Landesteile infolge der vielen Niederlagen ein solcher Schreck bemächtigt hat, daß nur eine schwache Mannschaft hat aufgebracht werden können, mit welcher ein Ritter dem Könige, der in Chinon

bei Tours Hof hält, zu Hilfe eilen will. Wir erfahren ferner, daß zwar die Bewohner von Dom Remy, dem Geburtsorte unserer Heldin, dem rechtmäßigen Könige treu geblieben sind, daß aber die nächsten Orte schon im Begriff stehen, sich dem Burgunder, dem Verbündeten Englands, zu unterwerfen, und daß überall Dörfer und Landschaften niedergebrannt worden sind.

Dieser jammervolle Zustand Frankreichs liegt wie ein Alp auf den Bewohnern Dom Remys, welche in diesem Augenblick nicht wissen, ob sie morgen noch Herr ihres Bodens sind. Auch wirft er seine dunkeln Schatten gleich auf die Eingangsscene des Stücks. Thibaut fann bei des Vaterlandes Unglück der bevorstehenden Hochzeit seiner Töchter nicht recht froh werden. Und noch ein anderer Druck lastet auf ihm, fast noch schwerer als jenes Unglück, nämlich der Gram über seine Tochter Johanna, die seinem lang gehegten Wunsche, sich zu verheiraten, entschieden widerstrebt. Beides trübt die an sich idyllische Eingangsfeier. Der Dichter hat dieselbe nicht in die Enge des Hauses, sondern vor das Dorf, in die Nähe einer Marienkapelle verlegt, weil dieser Ort die bedeutsamste Stelle für Johannas Entwicklung und endgiltige Bestimmung ist. Hier weilte. sie am liebsten, hier empfing sie den Auftrag zu ihrer Sendung, hier sollte sie auch das verheißene, zum Handeln auffordernde Zeichen empfangen.

In den Vordergrund tritt in den ersten Scenen des Vorspiels, wie schon gesagt, der Vater der Jungfrau. Betrachten wir zunächst dessen Persönlichkeit. Thibaut ist ein schlichter, alter Landmann, der mit redlichem Fleiß, wozu er auch seine Kinder angehalten hat, durch Ackerbau und Viehzucht in Besitz verschiedener Ländereien, Höfe und Herden gekommen ist. Seinen durch Mühe und Ausdauer erworbenen Besig betrachtet er aber nicht ausschließlich als das Werk seiner Kraft und Einsicht; er ist sich vielmehr bewußt, daß ohne eine höhere und mächtigere Hand, welche Regen und Sonnenschein spendet und das Samenkorn zur Frucht reifen läßt, sein Thun umsonst gewesen wäre. Gott hat mich gesegnet," spricht er zu seinen Schwiegersöhnen, als er wie ein alttestamentliches Familienhaupt Herden und Äcker unter seine Kinder als Mitgift verteilt. Er schließt diesen Akt auch ganz biblisch mit den Worten: „So segne er euch!" „Mit Gott" hat er ferner den Entschluß gefaßt, seine Töchter gerade zu einer Zeit, in welcher der Feind immer weiter vorwärts dringt, zu vermählen, und hat sein eigenes Ermessen, daß „das Weib in Kriegesnöten mehr denn je des Beschüßers bedarf", nicht allein maßgebend sein lassen. Diese Gottesfurcht hat ihn bei seinem Wohlstande auch vor einem hochfahrenden Sinn gegen andere bewahrt. Als der unbegüterte Claude Marie, welcher in der Stille ein Herzensbündnis mit einer von den

Schwestern Johannas geschlossen hat, dies dem Vater seiner Braut nicht zu gestehen wagt, sagt er: Ihr schweigt! Werd' ich zwei Herzen trennen, die sich fanden, weil ihr nicht Schäße mir zu bieten habt?" - Höher als diese stellt er ein braves, festes Herz, das zumal in der jezigen Zeit, wo Städte und Dörfer niederbrennen, wo jeder Tag die Nichtigkeit und den Unbestand der irdischen Güter predigt, dem Manne um so mehr not thue.

„Die treue Brust des braven Mann's allein

Ist ein sturmfestes Dach in diesen Zeiten.“

Sein gottesfürchtiger Sinn ist um so mehr von dem Gefühle der Demut durchdrungen, da die Bibel ihn gelehrt, daß der Hochmut von Anfang der Welt an zum Abfall von Gott verleitet hat. „Der Hochmut ist's, wodurch die Engel_fielen,

Woran der Höllengeist den Menschen faßt.“

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Mit kummervollem Herzen schüttet er in diesen schweren Worten zugleich seine Sorge über das Seelenheil seiner jüngsten Tochter Johanna aus, die Gott" vor allen Hirtenmädchen des Thals mit reicher Schönheit geschmückt und mit hohen Wundergaben gesegnet hat, in deren Herzen er aber die Demut vermißt. Viele Jahre wirbt schon einer der trefflichsten Jünglinge im Dorfe, Raimond, um ihre Hand; aber weder dieser, noch ein anderer von den Hirten hat ihr je ein gütiges Lächeln abzugewinnen vermocht. Selbst jezt, wo die Schwestern sie bitten, den Vater zu erfreuen und ihrem Beispiele zu folgen, bleibt sie falt und stumm. Dem alten Thibaut erscheint solche Kälte eines Mädchenherzens als eine schwere Verirrung der Natur, als ein Abfall von der Ordnung Gottes. ist ihm ein unzweifelhaftes Zeichen von dem Stolze und dem Hochmute seiner Johanna. Die Schönheit, die so leicht ein Mädchen zur Überhebung verleitet, hat, wie er meint, auch das Herz seiner Tochter verstrickt, daß sie höher hinaus will, ihres Standes sich schämt und ein Hirt als Werber ihr zu gering erscheint. Ihre Kälte gegen Raimond und gegen die übrigen Jünglinge des Dorfes ist indes dem besorgten Vater nicht der einzige Beweis ihres Hochmuts; ihre Neigung, sich abzusondern von dem geselligen Verkehr mit den Schwestern, die öden Berge aufzusuchen, um dort einsam zu weilen, ist ihm nicht minder ein Zeichen ihres hochfahrenden Sinnes, und da sie selbst in der Schreckensstunde der Mitternacht das Lager heimlich verläßt, ganze Stunden unter einem alten, gefürchteten und sagenreichen Zauberbaume sißt, so hat der ängst= liche, die Gewalt dämonischer Mächte im hohen Grade fürchtende Mann sie sogar im Verdacht, daß sie auch Umgang mit bösen Geistern pflege. Befangen in dem Aberglauben seiner Zeit, wel= chen die aufregenden Schrecknisse und Leiden des Krieges noch steigerten, fann er sich das absonderliche, von dem gewöhnlichen Gude, Erläuterungen. III. 9. Aufl.

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