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scheucht. In seiner Erzählung tritt der Refrain: „Die Sonne bringt es an den Tag", nur einmal auf. Derselbe ist an dieser Stelle am erschütterndsten, da es die lezten Worte des Gemordeten sind. Fest haben sie sich dem Mörder mit allen sie begleitenden Umständen eingeprägt; er hat sie nicht los werden können und hat sie sicherlich schon öfter als heute für sich gesprochen. Was nach der ausführlichen Erzählung des Meisters noch geschehen ist, wird vom Dichter mit Recht kurz abgethan. Nur zwei Strophen widmet er dem Schluß. Der Meister hat seine Erzählung mit den Worten geschlossen: Sie bringt es doch nicht an den Tag. Aber das lang bewahrte Geheimnis ist verraten, und die Sonne, die alles geschauet, vermag nun das leßte Wort des Sterbenden, mit dem er sich in seiner Todesangst an sie gewendet, zu erfüllen, und zwar durch das Weib des Mörders selbst, wodurch die Entdeckung um so tragischer wird. Dem Mörder hat die alles Schauende das Geheimnis abgepreßt, in der Frau desselben die Zunge" gefunden, die nicht zu schweigen vermag, und die alsbald das Anvertraute „der Gevatterin“ mitteilt, die noch weniger schweigen wird. Daher schließt die vorleßte Strophe: Nun bringt es die Sonne an den Tag“, und die leßte mit der Bestätigung, daß das Wort des Gemordeten in Erfüllung gegangen ist.

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Chamissos Gedicht erinnert in macher Beziehung an Schillers „Kraniche des Jbykus". In beiden Gedichten kommt ein im Verborgenen verübter Mord an das Licht des Tages; in beiden verraten die Mörder sich selbst; in beiden tragen die leßten Worte des Gemordeten zur Entdeckung der Mörder bei. Aber Ton und Ausführung sind in beiden Dichtungen wesentlich verschieden. Schiller hat alles in großem Stil gehalten und mit dem seiner Muse eigenen Ernst ausgeführt. Chamissos Ausführung dagegen ist pikant, streift ans Ironische und ist bis ins einzelnste dramatisch. Selbst die Erzählung des Mordes bewegt sich in Rede und Gegenrede, der Darstellungsweise ungebildeter Naturen ganz gemäß. Die dramatische Spannung giebt sich auch in den hastigen Fragefäßen und Antworten kund und seßt sich selbst bis in den Refrain fort, der nicht, wie es gewöhnlich der Fall ist, in unveränderter Form durch das Gedicht hinzieht. Es ist diese Art der Behandlung des Kehrreims Chamisso vorzugsweise eigen und wohl ein Ausfluß seines lebendigen, französischen Wesens, das sich auch sonst in seinen Dichtungen geltend macht, namentlich in seinen komischen Romanzen, wie z. B. Hans im Glück, der rechte Barbier, tragische Geschichte zc. die plötzlich aus dem heiteren, fecken Tone in eine tief schwermütige Resignation umschlagen und mit Recht Lieblingsstücke des deutschen Volkes geworden sind. Wie er die poetische Erzählung, die man seit Gellert fast ganz hatte fallen lassen, in eine höhere Sphäre als dieser gehoben hat, mag das folgende Gedicht, „Calas y Gomez", zeigen.

Thema.

,,Die Sonne bringt es an den Tag“ und „die Kraniche des Jbykus“. Eine Parallele.

In mancher Beziehung wird man beim Lesen des Chamissoschen Gedichts an Schillers Kraniche des Jbykus erinnert. Wie dort, so wird auch hier ein Mord, obschon nur die Thäter davon wissen, an das Tageslicht gebracht; dort und hier verraten ferner die Mörder gegen ihren Willen die verübte That, bei Schiller vor einer festlich versammelten Menge, bald nachdem sie geschehen, bei Chamisso nach einem Zeitraume von 20 Jahren in der Stille des Hauses. Beide Dichter haben die Stoffe zu ihren Dichtungen überlieferten Sagen entnommen, Schiller dem Plutarch, Chamisso einer Sage aus den Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm. Während aber Chamisso die überlieferte Sage im ganzen so gelassen hat, wie er sie vorfand, auch ihre Absicht, daß nämlich unvorsichtiges Geschwäß ein begangenes Verbrechen gar oft an den Tag bringt, beibehielt, hat Schiller dagegen den dürftigen, kärglichen Inhalt, den die Sage ihm bot, nicht nur erweitert, er hat derselben auch eine ganz andere Tendenz und einen tieferen, poetischen Gehalt gegeben. Abweichend von der überlieferten Fabel, hat er weniger an den rechtzeitig erscheinenden Kranichzug, als an die erschütternde und überwältigende Macht der dramatischen Dichtkunst das Geständnis geknüpft. Der Ermordete erscheint bei ihm in der heiligen Hut der Götter, die einen Frevel gegen denselben um so weniger ungestraft lassen, da er ihr Sänger, ihr auserwählter Gesandter ist. Der Chor der Eumeniden, die erschütternde Wirkung desselben, die Schilderung des Theaters füllen daher einen großen Teil seiner Ballade aus und sind ganz sein Werk. In Chamissos Gedicht geht alles ohne Scenenwechsel vor; Schiller dagegen führt uns zuerst in einen abgelegenen, schweigenden Götterhain, der durch den Frevel entweihet wird, dann durch das Gewühl der Völker Griechenlands zu ihrem Theater, wo die Götter durch ein glänzendes Zeugnis vor der ganzen Nation die Wahrheit des Sages bestätigen, daß kein Frevel ungerächt bleibt. Der Scenenwechsel in dem Schillerschen Stücke macht auch eine künstlerische Komposition notwendig, und diese ist dem Dichter so vortrefflich gelungen, daß troß der Verschiedenheit des Raumes und der Zeit alles so fest ineinander gefügt, jede Scene so unmerklich in die andere hinübergeleitet ist, daß das Ganze wie aus einem Guß erscheint. Bei Chamisso sind die Strophen lockerer aneinander gereihet und haben durch den Kehrreim einen bindenden Zusammenhang und eine hervorragende Pointe erhalten. Die Sprache ist in den Kranichen des Jbykus durch das ganze Gedicht hindurch feierlich, an den bedeutungsvollsten Stellen steigert sie sich zur hochpoetischen Ausdrucksweise; bei Chamisso ist sie gleichmäßiger, der Roheit und Verwilderung der Personen entsprechend, auch im niederen Tone gehalten und der Erzählungsform ganz angepaßt.

Salas y Gomez.

1.

1. Salas y Gomez raget aus den Fluten

Des stillen Meers, ein Felsen kahl und bloß,
Verbrannt von scheitelrechter Sonne Gluten,

2. Ein Steingestell' ohn' alles Gras und Moos,
Das sich das Volk der Vögel auserkor
Zur Ruhstatt im bewegten Meeresschoß.
3. So stieg vor unsern Blicken sie empor,

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Als auf dem Rurik: Land im Westen! Land!" Der Ruf vom Mastkorb drang zu unserm Ohr. 4. Als uns die Klippe nah vor Augen stand, Gewahrten wir der Meeresvögel Scharen Und ihre Brütepläße längs dem Strand. 5. Da frischer Nahrung wir bedürftig waren,

So ward beschlossen, den Versuch zu wagen, In zweien Booten an das Land zu fahren. 6. Es ward dabei zu sein mir angetragen.

Das Schrecknis, das der Ort mir offenbart, Ich werd' es jezt mit schlichten Worten sagen. 7. Wir legten bei, bestiegen wohlbewahrt

Die ausgesezten Boote, stießen ab,

Und längs der Brandung rudernd ging die Fahrt. 8. Wo unterm Wind das Ufer Schuß uns gab, Ward angelegt bei einer Felsengruppe,

Wir seßten auf das Trockne unsern Stab.
9. Und eine rechts und links die andre Truppe,
Verteilten sich den Strand entlang die Mannen,
Ich aber stieg hinan die Felsenkuppe.

10. Vor meinen Füßen wichen kaum von dannen
Die Vögel, welche die Gefahr nicht kannten
Und mit gestreckten Hälsen sich besannen.
11. Der Gipfel war erreicht, die Sohlen brannten
Mir auf dem heißen Schieferstein, indessen
Die Blicke den Gesichtskreis rings umspannten.
12. Und wie die Wüstenei sie erst ermessen

Und wieder erdwärts sich gesenket haben, Läßt eines alles andre mich vergessen: 13. Es hat die Hand des Menschen eingegraben Das Siegel seines Geistes in den Stein, Worauf ich steh', - Schriftzeichen sind's, Buchstaben. 14. Der Kreuze fünfmal zehn in gleichen Reih'n, Es will mich dünken, daß sie lang bestehen, Doch muß die flücht'ge Schrift hier jünger sein. 15. Und nicht zu lesen! deutlich noch zu sehen Der Tritte Spur, die sie verlöschet jast; Es scheint ein Pfad darüber hinzugehen. 16. Und dort am Abhang war ein Ort der Rast, Dort nahm er Nahrung ein! dort Eierschalen! Wer war, wer ist der grausen Wildnis Gast?

17. Und spähend, lauschend schritt ich auf dem kahlen Gesims einher zum andern Felsenhaupte,

Das zugewendet liegt den Morgenstrahlen. 18. Und wie ich, der ich ganz mich einsam glaubte, Erklomm die lezte von den Schieferstiegen,

Die mir die Ansicht von dem Abhang raubte, 19. Da sah ich einen Greisen vor mir liegen,

Wohl hundert Jahre, möcht' ich schäßen, alt, Des Züge, schien es, wie im Tode schwiegen. 20. Nackt, langgestreckt die riesige Gestalt,

Von Bart und Haupthaar abwärts zu den Lenden Den hagern Leib mit Silberglanz umwallt, 21. Das Haupt getragen von des Felsen Wänden, Im starren Antlig Ruh', die breite Brust Bedeckt mit übers Kreuz gelegten Händen. 22. Und wie entseßt, mit schauerlicher Lust,

Ich unverwandt das große Bild betrachte, Entflossen mir die Thränen unbewußt. 23. Als endlich, wie aus Starrkrampf, ich erwachte, Entbot ich zu der Stelle die Gefährten,

Die bald mein lauter Ruf zusammenbrachte. 24. Sie lärmend herwärts ihre Schritte fehrten

Und stellten, bald verstummend, sich zum Kreis, Die fromm die Feier solchen Anblicks ehrten. 25. Und seht! noch reget sich, noch atmet leis,

Noch schlägt die müden Augen auf und hebt Das Haupt empor der wundersame Greis. 26. Er schaut uns zweifelnd, staunend an, bestrebt Sich noch zu sprechen mit erstorb'nem Munde, Umsonst! er sinkt zurück, er hat gelebt. 27. Es sprach der Arzt, bemüh'nd in dieser Stunde Sich um den Leichnam noch: „Es ist vorbei." Wir aber standen betend in der Runde.

28. Es lagen da der Schiefertafeln drei

Mit eingerißter Schrift; mir ward zu teile Der Nachlaß von dem Sohn der Wüstenei. 29. Und wie ich bei den Schriften mich verweile, Die rein in span'scher Zunge sind geschrieben, Gebot ein Schuß vom Schiffe her uns Eile. 30. Ein zweiter Schuß und bald ein dritter trieben Von dannen uns mit Hast zu unsern Booten. Wie dort er lag, ist liegen er geblieben. 31. Es dient der Stein, worauf er litt, dem Toten Zur Ruhestätte wie zum Monumente,

Und Friede sei dir, Schmerzenssohn, entboten.

32. Die Hülle giebst du hin dem Elemente, Allnächtlich strahlend über dir entzünden

Des Kreuzes Sterne sich am Firmamente, 33. Und was du littest, wird dein Lied verkünden.

2.

Die erste Schiefertafel.

1. Mir war von Freud' und Stolz die Brust geschwellt, — Ich sah bereits im Geiste hoch vor mir Gehäuft die Schäße der gesamten Welt. 2. Der Edelsteine Licht, der Perlen Zier

Und der Gewänder Indiens reichste Pracht, Die legt' ich alle nur zu Füßen ihr. 3. Das Gold, den Mammon, diese Erdenmacht, An welcher sich das Alter liebt zu sonnen, Ich hatt's dem grauen Vater dargebracht; 4. Und selber Ruhe hatt' ich mir gewonnen,

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Gefühlt der thatendurst'gen Jugend Glut Und war geduldig worden und besonnen; 5. Sie schalt nicht fürder mein zu rasches Blut; Ich wärmte mich an ihres Herzens Schlägen, Von ihren weichen Armen sanft umruht. 6. Es sprach der Vater über uns den Segen,

Ich fand den Himmel in des Hauses Schranken Und fühlte keinen Wunsch sich fürder regen. 7. So wehten thöricht vorwärts die Gedanken. Ich aber lag auf dem Verdeck zur Nacht Und sah die Sterne durch das Tauwerk schwanken. 8. Ich ward vom Wind mit Kühlung angefacht, Der so die Segel spannte, daß wir kaum

Den flüchtgen Weg je schnellern Laufs gemacht. 9. Da schreckte mich ein Stoß aus meinem Traum, Erdröhnend durch das schwache Bretterhaus; Ein Wehruf hallte aus dem untern Raum. 10. Ein zweiter Stoß, ein dritter; krachend aus Den Fugen riß das Plankenwerk, die Welle Schlug schäumend ein und endete den Graus. 11. Verlorner Schwimmer in der Brandung Schwelle! Noch rang ich jugendkräftig mit den Wogen. Und sah noch über mir die Sternenhelle. 12. Da fühlt' ich in den Abgrund mich gezogen, Und wieder aufwärts fühlt' ich mich gehoben Und schaute einmal noch des Himmels Bogen.

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