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verständlich, daß dem rasseverwandten Volke, das ohne weiteres die Sprache des Kulturvolkes verstand und im ganzen Verlauf seiner Geschichte in denkbar engster politischer, wirtschaftlicher und geistiger Berührung mit jenem geblieben ist, an allen Errungenschaften der ganzen Kulturentwicklung in Babylonien alsbald der mühelose nachbarliche Mitgenuß zufiel.

Selbständig weitergebildet haben die Assyrer diese Kultur nicht, wenigstens nicht auf literarischem Gebiet, während man in der bildenden Kunst wohl eher von einem spezifisch assyrischen Stil reden kann. In literarischen Dingen sind es namentlich zwei Spezies, welche unter der Pflege des assyrischen Volkes eine eigenartige Entwicklung nehmen: 1. die Schrift, und 2. die offizielle Geschichtschreibung einzelner Könige, welche sich in Assyrien zur Annalenform versteinert. Wenn wir auf dem Gebiete der religiösen Literatur in manchen Fällen ganz deutlich ein assyrisches Stück als solches erkennen, so gründet sich das nicht auf eine selbständige Entwicklung der dichterischen Form oder des Gedankeninhalts, sondern auf rein äußerliche, lediglich redaktionelle Zutaten und Abänderungen (Ersetzung babylonischer Götternamen durch assyrische u. a.), die besser als alles andere dartun, daß die Assyrer der babylonischen Literatur gegenüber lediglich als Empfangende sich gefühlt haben.

§ 3. Die Erfindung der Keilschrift.

Die Alten haben, wie alle Fragen, deren Beantwortung jenseits ihres Wissens und ihrer Erfahrung lag, auch die Frage nach dem Ursprung der Keilschrift auf sehr einfachem Wege gelöst: sie haben sie auf göttlichen Ursprung zurückgeführt. Gelegentlich wird die Erfindung der Tafelschreibkunst allen Göttern zugeschrieben; von Adapa heißt es, daß er „den geheimen Schatz der Tafelschreibkunst lehrt"; Nusku ist der Griffelträger, der Schreiber im Rat der Götter zu Nippur, und noch in assyrischer Zeit heißt er ,,der Gott mit dem glänzenden Schreibgriffel"; von Senacherib wird Cha-ni als „Gott der Tafelschreiber" erwähnt. In ganz besonderer Weise aber gilt Nebo, der Stadtgott von Borsippa, als der Gott der Tafelschreibkunst, als Schutzherr der Schreiberzunft. Er ist der „Schreiber des Alls", der „,Schreiber von Esagil", der Gott, „der den Tafelstift hält, den Schreibschaft ergreift"; auch in der späteren Überlieferung wird bei den Mandäern Nabu-Merkur als der ,,Schriftkundige und Weise", bei den Arabern der 'Utharid

Merkur als der ,,Stern des Schreibers" bezeichnet. Der größte Literaturfreund des Altertums, der Sammler literarischer Schätze der Vorzeit, Assurbanipal, bezeichnet den ganzen Inhalt der auf seinen Befehl abgeschriebenen Tafeln als ,,Weisheit Nebos" und rühmt sich am Schlusse fast jeder Tafel, daß ihm Nebo und dessen Gemahlin Taschmêtu das Verständnis der Tafelschreibkunst geöffnet haben; nach Berosus führen die Babylonier die Kenntnis der Schrift auf die Offenbarung des Oannes (= Ea?) zurück.

Mit dieser Lösung der Frage nach dem Ursprung der Keilschrift können wir uns freilich nicht zufrieden geben; wir müssen versuchen, aus dem Charakter der Schrift ihre Vorgeschichte zu lesen. Dabei lassen sich folgende Tatsachen sofort und unwiderleglich feststellen:

1. Die Keilschrift kann nicht von Semiten ausgebildet worden sein, ihre Ausdrucksmöglichkeiten werden der Eigenart des semitischen Lautbestandes schlechterdings nicht gerecht; sie muß vielmehr ursprünglich das Ausdrucksmittel für die nichtsemitische Sprache, von der uns zahlreiche umfängliche Proben in Keilschrift erhalten sind, die die Babylonier selbst als Sprache von Sumer bezeichnen, gewesen sein.

2. Die Keilschrift geht im letzten Grunde auf Bilderzeichen zurück. Diese beiden Thesen sind aber auch die einzigen festen Punkte, die wir aus der Prüfung des uns vorliegenden Materials für die Frage nach dem Ursprung der Keilschrift gewinnen. Darüber hinaus können uns nur allgemeine ethnologische Erwägungen und Vergleichung anderer Bilderschriftsysteme, wie des ägyptischen, chinesischen, hethitischen, mexikanischen führen insoweit uns aber die Kontrolle an keilschriftlichen Denkmälern unmöglich ist, natürlich ohne die Gewähr wirklicher, unanfechtbarer Richtigkeit der auf diesem Wege gewonnenen Lösungen.

Die Versuche, aus der Entwicklung der Keilschrift in den Jahrtausenden, aus denen uns Schriftproben vorliegen, auf die treibenden Kräfte zu schließen, welche bei der Schaffung der Schrift bestimmend gewesen sein mögen, sind von vornherein bedenklich, weil die Entwicklung der Schrift vielfach an Äußerlichkeiten, wie das Material, gebunden war, die bei den ersten Schreibversuchen überhaupt noch gar keine Rolle gespielt haben, sodann weil die berufenen Pfleger der Schreibkunst, die Priester, hinreichend verdächtig sind, bei ihren Studienversuchen, die auf den ersten Blick als die natürlichen Führer für die Untersuchung der Frage erscheinen, sich von Spekulationen haben. leiten zu lassen, deren Verfolgung uns von dem Ziel der Aufgabe nur ablenken kann.

Anderseits muß aber doch davor gewarnt werden, die Bemühungen der babylonischen Schriftgelehrten um die Ergründung des Ursprungs und Wesens der Keilschrift allzu gering zu schätzen.

Solange wir nicht Denkmäler einer naiveren Gestalt der Keilschrift haben, haben wir auch kaum Aussicht, dem „,Schaffenstrieb der werdenden Schrift" auf die Spur zu kommen, denn von irgendwelchen Merkmalen einer „,werdenden" Schrift tragen auch unsere nachweisbar ältesten Inschriften nichts an sich. Das sicherste Zeichen einer im Fluß befindlichen, nach festen Ausdrucksformen strebenden Entwicklung ist eben doch immer die Anschaulichkeit, und diese ist bei vielen Zeichen in den ältesten Texten nicht größer als in viel jüngeren, bei mindestens ebensovielen aber eher geringer.

Die Traditionsketten, an denen sich die Kunde von der Vergangenheit in den priesterlichen Bildungszentren Babyloniens den späteren Geschlechtern vermittelt hat, haben sich mehr und mehr als zuverlässig erwiesen; es geht bei allem Recht zur Kritik - nicht mehr an, eine ,,wissenschaftliche" Meinung der späteren babylonischen Archäologie von vornherein als Spintisiererei abzutun. Die Möglichkeit bleibt immer zu erwägen, daß solche „,Spekulationen" tatsächlich den Kern der Sache treffen auch dann, wenn sie für unsere Begriffe von folgerichtiger Entwicklung abstrakt oder gekünstelt erscheinen. Wir kennen jetzt die geistige Entwicklung Babyloniens gut genug, um auch einem hohen Altertum, ja der vorhistorischen Zeit ein recht reichliches Maß von Abstraktion und Spekulation, von Künstelei und Unnatürlichkeit zuzutrauen.

Es ist daher wissenschaftlich vielleicht ergiebiger, sich vorläufig an das Tatsächliche zu halten und die vorhandenen Materialien immer eingehender zu erforschen - zunächst ohne den Ehrgeiz, immer gleich auch den letzten Grund und die letzte Form jeder Erscheinung zu erkennen, die reichen Sammlungen der babylonischen Schriftgelehrten dankbar zu benützen und zu ergänzen. Wenn wir zunächst auf diesem Wege auch nur dazu kommen, zu erfahren, wie sich in der Überlieferung der babylonischen Schriftgelehrsamkeit die Entstehung der Zeichen ausnimmt, so ist das ein keineswegs gering zu schätzendes wissenschaftliches Ziel. Die Zukunft, die Erschließung neuer, ursprünglichere Zeichen aufweisender Denkmäler mag dann weiter führen.

§ 4. System und Entwicklung der babylon. Keilschrift. Literatur: Die Untersuchungen über die Entstehung der Keilschrift sind eröffnet worden mit den für alle Zeit grundlegenden Ausführungen J. Opperts im 2. Bd. der Expédition en Mésopotamie (1859). Er hat zum ersten Mal die These: „Alle Keilschriftzeichen sind aus Bildern entstanden" im einzelnen zu begründen versucht. Eine Reihe von Urbildern hat er definitiv richtig bestimmt. W. Houghton hat in dem Aufsatz:,,On the Hieroglyphic or Picture Origin of the Characters of the Assyrian Syllabary" (TSBA VI, 1879, S. 454–483) zum ersten Mal den Gedanken verfochten, daß die Zeichen als ursprünglich aufrecht

stehend zu denken sind, er ist aber vor der Inkonsequenz, statt die Zeichen immer mit der Spitze beginnend nach rechts aufzurichten, auch gelegentlich gerade umgekehrt zu verfahren, nicht zurückgeschreckt. Seine Erklärungsversuche haben sich überhaupt nur wenig förderlich erwiesen. Auch F. Hommel hält von Anfang an die vertikale Richtung für die ursprüngliche bei allen Zeichen (Geschichte Babyloniens und Assyriens, 1884, S. 35 ff.). In seiner Schrift: Der Babylonische Ursprung der ägyptischen Kultur 1892 S. 61 ff., vergleicht er überdies 34 vertikal gestellte babylonische mit ,,entsprechenden" ägyptischen Zeichen.

Oppert hatte sich bei der Erklärung der Schriftzeichen auf das Babylonische beschränkt. Seit Houghton wurden alle erreichbaren anderweitigen Bilderschriftsysteme, das chinesische, ägyptische, mexikanische zur Vergleichung herangezogen. Dabei wurden aber die mannigfachen Fingerzeige, die die Schriftentwicklung auf dem Boden Mesopotamiens, besonders aber die Überlieferung der einheimischen Schriftgelehrten bieten, so gut wie völlig außer acht gelassen.

F. Delitzsch hat durch gründliche Ausbeutung dieser beiden Erkenntnisquellen in seinem Werke,,Die Entstehung des ältesten Schriftsystems oder der Ursprung der Keilschriftzeichen" 1897, Nachwort 1898, die Erforschung des Keilschriftsystems auf eine völlig neue Grundlage zu stellen versucht. Die Hoffnung, daß durch diese Veröffentlichung die Frage nach dem Ursprunge der Keilschriftzeichen so in Fluß kommen würde, daß sie kaum wieder ganz zum Stillstand kommen werde (Zimmern), ist freilich leider nicht in Erfüllung gegangen. Das Ergebnis der leidenschaftlichen Diskussion war nach der positiven wie negativen Seite ein außerordentlich dürftiges. Die Nachprüfung der einzelnen Aufstellungen Delitzschs ist nur sporadisch erfolgt, die vielen Punkte, an denen Delitzschs Ausführungen zur Ergänzung und Weiterverfolgung auffordern, sind kaum beachtet. Hauptsächlich mit der ,,Methode" Delitzschs setzt sich auseinander F. E. Peiser in MVAG 1897, 4, S. 21 ff. (Zur Frage nach der Entstehung der Keilschrift), der manche recht einleuchtende allgemeine Gesichtspunkte bietet, ohne, was sehr wünschenswert gewesen wäre, aufs einzelne einzugehen. Durch Delitzschs Publikation veranlaßt waren die vorläufigen Mitteilungen F. Hommels auf dem Pariser Orient. Kongreß Sept. 1897, denen als Erläuterung 4 Seiten 4° in Autographie:,,Der hieroglyphische Ursprung der Keilschriftzeichen" beigegeben waren, eine Zusammenstellung der nach Hommel auf Bilder zurückzuführenden Zeichen.

Von besonderer Wichtigkeit ist noch die Einleitung von ThureauDangins Recherches sur l'origine de l'Écriture Cuneiforme (1898), der eine Klassifikation der ältesten Denkmäler nach epigraphischen Gesichtspunkten durchgeführt hat.

Eine weitere Darstellung hat das Problem erst in jüngster Zeit wieder erfahren von Ch, Fossey, Manuel de l'Assyriologie Bd. 1 (1904) S. 245 ff. Leider behandelt er gerade die Frage der Schriftentwicklung nur wenig eingehend. In einigen Punkten, so bezüglich der Zeichengruppen, der Gunierung schließt er sich Delitzsch an, glaubt aber doch, daß die von Delitzsch befolgte Methode nicht zum Ziel führen könne.

Zeichensammlungen:

Eine das gesamte epigraphische Material vorführende und allen wissenschaftlichen Gesichtspunkten, so vor allem der babylonischen Tradition gerecht werdende Sammlung der Keilschriftzeichen aus allen Perioden besitzen wir noch nicht. Als vorzügliche Vorarbeiten dazu sind zu nennen A. Amiaud et L. Méchineau, Tableau comparé des Écritures Babylonienne et Assyrienne, archaiques et modernes, 1887 und die obengenannten Recherches von Thureau-Dangin, welche vor dem erstgenannten Werke die Verwertung der epigraphisch überaus ergiebigen alten Nippurtexte und der ältesten Inschriften von Telloh voraus haben, aber nur die Denkmäler bis zur 1. babyl. Dynastie ausschließlich berücksichtigen. In kleinerem Maßstabe bietet F. Delitzsch in der 4. Aufl. seiner Assyrischen Lesestücke eine vergleichende Darstellung des Zeichenmaterials in den verschiedenen Entwicklungsstadien. Auch das „,Verzeichnis der alt- und neubabylonischen und assyrischen Zeichen" in R. Brünnows ,,Indices" zu seiner „,Classified List", 1897, S. 303 ff. ist zu erwähnen.

1. Zeichen und Zeichennamen.

Wir kennen im ganzen rund 400 einheitliche Schriftzeichen; von diesen dienen etwa 100 vorwiegend zur Bezeichnung der einfachen Silben (der Vokale und der Verbindung eines Vokales mit einem Konsonenten), etwa 140 vorwiegend zur Bezeichnung geschlossener Silben, etwa 160 werden als Silbenzeichen überhaupt nicht gebraucht, sondern dienen ausschließlich als Ideogramme, als Begriffszeichen. Die meisten Schriftzeichen sind vieldeutig, sie haben mehrere Lautwerte; die vorwiegend für einfache Silben gebräuchlichen Zeichen dienen sehr oft auch zur Bezeichnung geschlossener Silben (Ud = tu, tam, par, pir, lach, lich, chisch; Be= bad, mit, til, ziz, bit, but, mut, zuz). Sehr selten werden Zeichen, die vorwiegend für geschlossene Silben gebräuchlich sind, auch für offene gebraucht (tum = ib; kak = da; char ur;). Fast alle Silbenzeichen aber dienen außerdem auch als Begriffszeichen, als Ideogramme und zwar haben viele Zeichen außer mehreren syllabischen, auch eine ganze Anzahl und oft sehr verschiedenartige ideographische Werte.

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Was das Verhältnis der Silbenzeichen zu dem Lautbestand anlangt, so fällt vor allem die Tatsache auf, daß die verschiedenen Arten der Gutturale, Labiale, Dentale, und Sibilanten wohl im Anlaut, nicht aber im Auslaut unterschieden werden. So gibt es besondere Zeichen für ba, pa; du, tu, thu; ga, ka, qa; zi, si, çi, nicht aber für ab, ap; ud, ut, uth; ag, ak, aq; iz, is, iç etc. Bei den Zeichen für geschlossene Silben werden die verschiedenen

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