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schaften" namentlich in Babylonien überaus rege war und erstaunliche Ergebnisse gezeitigt hat, so vor allem in der Astronomie, Astrologie und Mathematik, und sicherlich war auch das Studium der Schriftgeschichte, die Paläographie, und die Beschäftigung mit der sumerischen Sprache von einem im besten Sinne,,wissenschaftlichen" Geiste getragen. Wissenschaftlichen Bestrebungen verdanken vielleicht auch, wenigstens zum Teil, die Synonymenlisten und die Kommentare zu alten Literaturwerken ihre Entstehung. Auch die oben § 56 besprochenen historiographischen Texte sind zweifellos als Früchte wissenschaftlicher Betätigung zu würdigen. Für die Heilkunde haben wir unmißverständliche Belege, die bekunden, daß sie in wissenschaftlichem Sinne geübt und gepflegt worden ist, wenn ihre Grundlage und Methode auch grundsätzlich denen der modernen Medizin widersprechen und sie selbst den engen Zusammenhang mit Magie und Beschwörungskunst nie verloren hat.

Wir dürfen freilich in keinem einzigen Falle die babylonischassyrische,,Wissenschaft" nach Voraussetzungen, Motiven und Zielen ebensowenig wie nach ihren Methoden mit der modernen vergleichen. Jene hatte ihre eigentümlichen erkenntnistheoretischen Voraussetzungen ebenso wie diese, jene war genau wie diese durch eine Weltanschauung gebunden. Ein wesentlicher Unterschied liegt auch in den Motiven der wissenschaftlichen Forschung hier und dort. Die moderne Wissenschaft ist wenigstens grundsätzlich von aller Tendenz losgelöst, sie hat die stärkste Wurzel ihrer Kraft in ihrer prinzipiellen Absolutheit, die keine Marschrichtung anerkennt, die sich ihr nicht aus ihrer eignen Entwicklung heraus von selbst aufzwingt. Der babylonisch-assyrischen Wissenschaft, deren literarische Zeugnisse wir vor uns haben, war der Gedanke einer Wissenschaft um der Erkenntnis willen vollständig fremd. Sie war lediglich ein Mittel zum Zweck, nie Selbstzweck. Sie arbeitete mit bestimmten Voraussetzungen und erschöpfte sich in der Begründung und Verdeutlichung dieser Voraussetzungen. Die Voraussetzungen selbst waren ihr unantastbar, standen außerhalb aller Diskussion als das schlechthin Gegebene, als der eine feste Punkt, zu dem alles, was zu allen Zeiten im Weltenraum vor sich ging, eine Beziehung haben mußte, wenn es einen Sinn haben sollte. Diese Beziehung aufzuweisen, diesen Sinn auszulegen war ihre Aufgabe.

So mußte alle Astronomie ganz von selbst zur Astrologie

werden. Die Erkenntnis der kosmischen Erscheinungen gewann nur dann Bedeutung, wenn sie in Beziehung zu der göttlichen Weltregierung gesetzt waren.

Eine weitere Anwendung erfuhren die astronomischen Kenntnisse im Kalender, dessen Bedeutung für das bis ins Kleinste wohlgeordnete Staatswesen, für Ackerbau, Handel und Wandel allein hingereicht hätte, die Pflege der Astronomie auf der Höhe zu erhalten.

Wie die Astronomie, so mußten in größerer oder geringerer Unmittelbarkeit auch alle anderen Wissenszweige einem letzten Endziele oder einer ersten Voraussetzung, immer aber praktischen Zwecken dienen.

Die Geschichtswissenschaft hatte die Aufgabe, die im Sinne der Weltanschauung folgerichtige Entwicklung alles Weltgeschehens im einzelnen nachzuweisen, die Entsprechung der irdischen Ereignisse mit den präexistenten Normen darzutun, aufzuzeigen, wie sich im Völkerschicksal der von Urbeginn an festgelegte,,Kreislauf" der „Bestimmungen" vollzog. Ihr lag es ob, immer wieder den Zusammenklang der sich vor den Augen der Mitlebenden abspielenden Geschehnisse mit den ewigen Ratschlüssen der Götter, die Legitimität aller irdischen Ordnung aufzuzeigen und in Anerkennung zu erhalten. Freilich ein theoretisches Werk hat diese Geschichtswissenschaft nicht hinterlassen, kein Kompendium, das alle ihre Grundsätze und die Methoden ihrer Anwendung in unmiẞverständlichen Sätzen überlieferte. Wir vermögen sie lediglich aus einigen Spuren ihrer praktischen Betätigung zu erschließen. Die Beispiele Nabunaids, Sargons, Nabonassars, Senacheribs sind oben S. 207 f. besprochen. Ein besonders lehrreiches Beispiel der von dieser ,,Wissenschaft" inspirierten Geschichtskonstruktion hat uns Berosus in seinem Geschichtswerk überliefert. Vgl. auch oben S. 200f. Auch die Übertragung bestimmter legendarischer Stoffe auf gewisse Herrscher, vornehmlich auf die Dynastiengründer, geht im letzten Sinn auf diese babylonische,,Wissenschaft“ zurück. Das Studium der Vergangenheit hatte ausschließlich die Interessen der Gegenwart im Auge. Nicht wie die Vergangenheit war, sondern wie die Gegenwart sein mußte, wenn sie ihre Bestimmung erfüllen wollte das zu erkennen war die treibende Kraft aller Bemühungen der babylonischen Wissenschaft um die Geschichte der Vorzeit.

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Wie Astronomie und Geschichtswissenschaft nicht um ihrer selbst willen gepflegt wurden, so waren auch beim Studium der Schrift und der Sprache der sumerischen Sprachdenkmäler vor allem praktische Interessen maßgebend, die ihrem Wesen nach wiederum stark von der Weltanschauung des alten Orients beeinflußt waren. Die Kontinuierlichkeit der religiösen Übung war das stärkste Band, das die jeweilige Gegenwart im alten Orient mit der Vergangenheit, mit dem Anfang aller Dinge in Verbindung und Beziehung erhielt. Das Verständnis der religiösen Urkunden, vor allem der Zauberformeln und Beschwörungstexte hatte aber eine genaue Kenntnis der altgeheiligten Sprache zur unabweisbaren Voraussetzung. Daher war ihr Studium ebensosehr eine sittliche Pflicht, wie eine Forderung des persönlichen Interesses.

Besonders deutlich liegt der Zusammenhang des wissenschaftlichen Betriebes in Babylonien mit den Grundlehren der Religion und Weltanschauung in der Medizin zutage. In anmutiger Form kommt dieser Zusammenhang in der Legende vom Zahnschmerzwurm (vgl. § 17) zum Ausdruck. Der Gedanke, daß alle Krankheit Wirkung unheilvoller Dämonen ist, zieht sich durch die ganze Literatur der Beschwörungsformeln hindurch. Für die Beziehungen, die zwischen den Krankheitserscheinungen und den Vorgängen im Kosmos aufgespürt wurden, bieten die Ominatexte zahllose Belege.

Wenn man nun freilich von einer babylonisch-assyrischen Geographie, Zoologie, Mineralogie u. drgl. spricht, so hat das in den erhaltenen Texten keinerlei Stütze, die meist lediglich als Zusammenstellungen von Vokabeln, nach sachlichen Gesichtspunkten gruppiert, aufzufassen sind. Mit demselben Rechte könnte man dann auch in den Götter- und Tempellisten Zeugnisse einer theologischen Wissenschaft erblicken. Daß auch diese Zusammenstellungen eine geistige Tätigkeit voraussetzen und bekunden, gibt noch kein Recht, sie als Ergebnisse eines wissenschaftlichen Betriebes anzuerkennen. Die Beurteilung des babylonischen Geisteslebens kann eines so stark verkürzten Maßstabes wohl entraten.

Dagegen darf man als eine ganz spezifisch babylonische Wissenschaft die Ominologie bezeichnen im Hinblick auf die bis zur denkbar höchsten Virtuosität ausgebildete Fähigkeit der Anwendung der aus dem System der Weltanschauung gewonnenen Erfahrungssätze auf alle Vorkommnisse am Himmel und auf der

Erde. Bei der Besprechung der Ominatexte wurde gelegentlich auf die subtile Spezialisierung aller „Vorzeichen" hingewiesen. Uns fehlt heute noch in den meisten Fällen der Schlüssel zum Verständnis der in den großen Ominawerken niedergelegten Deutungen. Es kann aber keine Frage sein, daß wir es hier mit den Zeugnissen einer eigenen, in jahrtausendelanger Übung bis ins Kleinste ausgebildeten,,Wissenschaft" zu tun haben. Eine Sparte dieser Wissenschaft ist die Astrologie, eine andere die Leberschau, eine andere die Becherwahrsagung. Für jedes Beobachtungsfeld galt es, eine fast unerschöpfliche Fülle von Variationen festzustellen und für jeden einzelnen Fall die Beziehung zu den aus der Weltanschauung" gewonnenen Erfahrungssätzen herzustellen. So fremdartig eine solche,,Wissenschaft" unseren Begriffen ist, so haben wir doch kein Recht, ihr diesen Ehrentitel zu weigern, da sie alle formalen Forderungen erfüllt, die man an die Wissenschaft zu stellen berechtigt ist.

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$ 72. Philologische Texte.

I. Syllabare.

Unter Syllabaren versteht man Zeichenerklärungen in Tabellenform. Aber nur die Syllabare der sog. I. Klasse (S a) führen ihren Namen mit Recht, denn bei den anderen handelt es sich nicht um Erklärung von Silbenzeichen, sondern von Wortzeichen oder Ideogrammen.

1. Die Syllabare der I. Klasse (Sa).

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Publiziert zuletzt in CT XI. pl. 1 ff. Die verschiedenen Fragmente sind zusammengearbeitet von Delitzsch AL S. 83 ff. Bearbeitung: Hommel, Sumerische Lesestücke, S. 66 ff. Über die Anordnung von Sa vgl. Peiser, ZA I, 95 ff.; II. 316ff. und Zimmern in ZDMG. 50, 667. Bestehend aus 3 Kolumnen, von denen die mittlere das zu erklärende Zeichen, die linke die Aussprache, und zwar sowohl die semitische wie die sumerische, die rechte den Namen des Zeichens enthält. Z. B.:

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d. h. das Zeichen X, das in der Sprache der Grammatik tukullum heißt, hat die Lautwerte ku, zi, dur, tukul.

Hatte der angehende babylonische oder assyrische Gelehrte mit der Absolvierung der Syllabare Sa sich der Anfangsgründe

der Schriftlehre bemächtigt, so führten ihn die Syllabare Sb bis Sd in die tieferen Geheimnisse der Schrift und speziell in den Wortschatz der sumerischen Sprache ein.

2. Die Syllabare der 2. Klasse (Sb).

CT XI pl. 14 ff.; Delitzsch, AL S. 91 ff., jetzt ergänzt durch das neubab. Fragment bei Weißbach, Babylonische Miszellen, S. 27 ff. pl. 10f. Bearbeitung: Hommel, Sum. Lesestücke, S. 74 ff.

Bestehend aus 3 Kolummen, von denen die mittlere das zu erklärende Ideogramm, die linke dessen sumerische Aussprache, die rechte dessen semitische Übersetzung enthält. Z. B.1:

ni-e X ki-nu-nu (Kohlenbecken)

i-zi

bi-il

X
X

i-scha-tum (Feuer)
qa-lu-ú (verbrennen)

d. h. das Ideogramm X bedeutet in der (sumerischen) Aussprache ne: Kohlenbecken, in der Aussprache izi: Feuer, in der Aussprache bil: verbrennen.

Eine eigenartige Variante zu Sb bilden die Listen, die CT XII, pl. 24ff. veröffentlicht sind. Während sich Sb mit der Aufführung der wichtigsten Ideogramme und immer nur einem semitischen Äquivalent begnügt, werden hier die ganzen Materialien in der denkbar erschöpfendsten Vollständigkeit vorgeführt, und zwar unter strenger Einhaltung der Anordnung nach Zeichenformen. Soweit die erhaltenen Fragmente einen Einblick gestatten, scheint es sich ausschließlich um solche Zeichen zu handeln, denen andere Zeichen eingeschrieben werden können. Nach der Erörterung des Grundzeichens nach allen seinen sumerischen Lautwerten und sämtlichen semitischen Bedeutungsnüancen werden alle Modifikationen durch Einschreibung anderer Zeichen ebenso abgehandelt. Daß der maßgebende Gesichtspunkt bei diesen Zusammenstellungen die Möglichkeit eingeschriebener Elemente ist, geht daraus hervor, daß jedesmal das eingeschriebene Zeichen neben dem Kompositum wiederholt wird.

Eine Grenzlinie zwischen Sb und den durchgehends mit Glossen versehenen Vokabularien (vgl. S. 289) ist kaum streng durchzuführen. Streng genommen gehört auch Sb zu den Vokabularien, da hier das charakteristische Merkmal der übrigen Syllabare, die Anführung der Zeichennamen, fehlt und nicht Silben-, sondern Sinnzeichen erklärt werden. Doch ist, um Verwirrung zu vermeiden, die übliche Bezeichnung beibehalten worden.

1 Weißbach, 1. c. S. 28.

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