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Beruf ebensowenig einen strengen Begriff, wie z. B. mit dem Worte Segen, segensreiches Wirken, das von vielen Thätigkeiten prädicirt wird, welche mit dem Segen von oben wenig zu thun haben. Wollen wir den Beruf als ein wirklich reelles und definirbares Wesen faffen, so seht er eine gewisse Ausschließlichkeit voraus, einen geschlossenen Stand, am Ende gar eine Zunft. Und dagegen, so scheint es, müßte von zwei Seiten Einsprache erhoben werden. Von der einen Seite wird man die Frage erheben, ob denn wirklich, neben Wenigen, wahrhaft Berufenen, die Vielen, welche auf den großen Markt unsrer heutigen Presse mit geistigen Erzeugnissen treten, Eindringlinge genannt werden müßten? Soll der Beruf zur Schriftstellerei eine Aufgabe für sich allein ausmachen und das Leben eines Mannes ausfüllen, oder ist er nur eine Zugabe zu einer öffentlichen Stellung und Lebensarbeit? Soll das Genie oder die geistige Begabung nur da zum literarischen Ausdruck kommen dürfen, wo zuvor eine Zunftprüfung bestanden oder ein Freibrief erworben worden? Läßt sich Geist und Talent und der innere Drang nach Offenbarung seiner Ueberzeugungen irgend einem der vorhandenen Berufsstände absprechen und an einen anderen Stand binden? Das freie Wort verbieten zu wollen würde ja wohl als ein Majestätsverbrechen gegen den Geist unsrer Zeit angesehen werden, und es ist ja schon zum geflügelten Worte geworden, daß nicht an wenige stolze Namen die Kunst gebannt sei. Diejenigen, welche sich nach der Vorstellung von einer besonders auserwählten Geistesaristokratie in erster Linie für Berufene erachten würden, kann man sich fast nicht anders als mit dem Gelehrten

talar, die Studierlampe vor dem geschwächten Auge und das Zöpfchen im Nacken, vorstellen; und von diesen „Berufenen“, so sagt man, seien gerade am allerwenigsten die rechten Lichtfunken der Aufklärung und die Meisterwerke der Literatur ausgegangen. Es wäre ein eitles Bemühen, einen aristokratischen Bann über die geistige Produktivität zu legen.

Wir anerkennen die Berechtigung dieser Einreden, obgleich wir schon hier zur Abschwächung des Gewichts derselben einige kezerische Bemerkungen gegen die liberale Orthodoxie unserer Zeit aubringen möchten. Offen ge= standen, wir wünschten etwas mehr aristokratische Zurückhaltung und etwas weniger demokratische oder ochlokratische Freiheit in der Presse, nur in einem besseren Sinne. Muß denn überhaupt so viel geschrieben werden? Je mehr Literatenthum, je mehr Tageslektüre, je breiter der Etatssag für den öffentlichen Bedarf an Lesestoff, desto mehr Abnahme ernster Studien, desto mehr Verflachung auf der einen, Uebersättigung auf der andern Seite. Gewiß kann man nicht sagen, daß, wie im Haushalt der Natur, so auch im Haushalt der menschlichen Gesellschaft jedes Ding seine Berechtigung habe. Es gibt hier eine Ueberfülle, die man im Ganzen für schädlich ansieht, so sehr auch jedes einzelne und kleinste Erzeugniß seine Vertheidiger und Freunde finden mag. Daß die Masse des Mittelmäßigen der Verbreitung der wahrhaft guten Literatur hinderlich in den Weg trete und daher auch lähmend auf die gesunde Productivität zurückwirke; daß das Unbedeutende sich breit aufdränge, den Geschmack der Menge verderbe und ihr Urtheil irre führe, dieß wird nicht erst zu beweisen sein. Welches

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wird einstens das Schicksal aller der Bücher in unseren Bibliotheken, aller der Zeitschriften, Broschüren, Pamphlete und Tagesblätter sein, welche das Studierzimmer der Gelehrten und die Lesezimmer der Museen überfluthen und in jede Bürgerstube dringen! Wer es verstünde, die richtige Auswahl zu treffen, wie viel Procent der jährlichen Production dürfte er, ein besserer Omar, verbrennen, daß er noch ein Wohlthäter der Menschheit genannt würde!

Muß denn überhaupt alles geschrieben und gedruckt werden, was man für eine neue Wahrheit oder Weisheit ansieht? Es gehört zu den naivsten Vorurtheilen unserer Zeit, daß man sich einbildet, eine ersprießliche öffentliche Wirksamkeit müsse mit literarischer Thätigkeit verbunden sein, und das Talent könne sich nur auf dem Wege der Schriftstellerei volle Geltung verschaffen. Es war vielleicht in den Schulen beffer bestellt, als noch nicht jeder Professor Schriftsteller sein mußte; ganz ge= wiß aber war es um das Staatswesen besser bestellt, als noch nicht die Staatsmänner unter die Schriftsteller giengen oder die Literaten in den Staatsrath berufen wurden; eine glücklichere Zeit war es, wo man Ruhm und glänzenden Namen noch anders als mit der Feder suchte; selbst das eiserne Zeitalter ist immer noch größer als das papierne; es ist in mehr als einem Sinne wahr geworden, daß, was die Herren vom Schwert gut ge= macht, durch die Herren von der Feder wieder verdorben worden. Allein wir sind nun einmal auf einer Culturstufe angelangt, wo der Austausch der Gedanken vorherrschend durch die Presse vermittelt wird, und wo dem Geiste das Hilfsmittel der literarischen Mittheilung am

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nächsten liegt für Auswerthung seiner Arbeit und für die Verbreitung von Ideen; und es steht ja nichts im Wege, daß man die sokratische Lehrweise mit schriftlichem Vortrag nach Platons und Aristoteles' Beispiel verbinde.

Da nun doch die Literatur einen so großen Umfang, und die Presse eine so hohe Bedeutung für unser ganzes öffentliches Leben und für jede Seite unsrer geistigen und sittlichen Bildung gewonnen hat, so können wir der oben erwähnten Einrede gegen eine exclusive Berechtigung weniger Berufenen zur Schriftstellerei eine beachtenswerthe Seite nicht absprechen. Die Literatur wird der menschlichen Gesellschaft ihre besten Dienste leisten, wenn sie sich möglichst frei bewegen kann. Ob eine größere Gefahr für das allgemeine Beste in dem etwaigen Mißbrauch der Freiheit liege, oder in der Fesselung des freien Wortes und Unterdrückung der Presse durch irgendwelchen politischen oder socialen Zwang, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben; es liegt uns unter allen Umständen näher, die Freiheit, die wir für uns bean= spruchen, auch Anderen einzuräumen.

Nicht weniger Gewicht scheint uns eine Einwendung von einer zweiten Seite her zu haben. Nicht nur die Sache, sondern am meisten die Schriftsteller selbst müßten darunter leiden, wenn man ihnen eine von andern Berufsständen abgeschloffene Lebensstellung anwiese, eine geistige Adelspartei oder gar eine Kaste aus ihnen machte. Der Schriftsteller „von Profession“ würde erst recht den sicheren Boden innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft verlieren und nirgends ein Bürgerrecht gewinnen; ihm fiele bei der Vertheilung der Erde kein Loos zu, und indem man ihn scheinbar emporheben möchte

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in die Region der höheren Sphären, würde man ihn thatsächlich erniedrigen, und mit ihm die Literatur selbst. Denn die höchste intellectuelle Anspannung des menschlichen Geistes erträgt den Zwang, die Regelmäßigkeit und den abgemessenen Pulsschlag des Handwerks oder der Profession nicht; Werkstattarbeit wird immer tiefer stehen als freies Kunstgebilde. Den Schriftsteller zum Zunftgenossen stempeln, heißt ihn erniedrigen, sein Schaffen hemmen, die Literatur auf ein tieferes Niveau herabdrücken. Die Probe davon liegt ja zu Tage, wo Kunst oder literarische Thätigkeit zur gewöhnlichen Tagesarbeit, zur nothgedrungenen, wird. Wenn wir von einigen besonders auserwählten und vorgezogenen Geistern absehen, wie Wenigen wird der Dienst der Musen überhaupt zum Lebensglück! Und gar wenn dieser Dienst ein ausschließlicher, durch besonderes Menschenschicksal aufgenöthigter und unabweisbarer wäre! Wie wenig zu glücklicher Harmonie entwickeln sich so viele Künstlernaturen und Künstlercharaktere! Oft scheint es, daß man aufhören müsse, ein normal denkender und normal lebender Mensch zu sein, um wirklich die Inspirationen des Genius zu erfahren oder das Walten jenes Dämonion zu vermehren, von welchem ein Sokrates seine Lebensführung erhielt und von welchem der Dichter jubelte: Est Deus in nobis, agitante calescimus illo! Manchem, so scheint es, ist der Götterfunke zur verzehrenden Flamme geworden, die das Glück und die Freude seines Lebens versengt hat. Welche traurigen Schicksale müssen vorausgehen und einen berühmten Schriftsteller zum interessanten Manne machen, bis man ihm aus Mitleid eine Subvention votirt und nach dem

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Theol. Quartalschrift. 1888. Heft 1.

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