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die Schuld der Häresie zur Folge gehabt. Wir wissen ja, wie viel oder wie wenig bei G. zur Censur „Härefie“ noch fehlte: wie kann man also derartiges behaupten? Oder sollten wir etwa annehmen, daß die römische Kirche sofort nach dem Proceß ihr Vorgehen bereut und gegen andere und unbedeutendere Personen eine Milde walten ließ, die sie dem großen Gelehrten von Florenz versagte? Das ist gewiß nicht wahrscheinlich. Die Aeußerungen von Theologen aber, die Grisar zur weiteren Begründung seiner Ansicht beibringt (S. 232 f.), beweisen nur, daß sie entweder unrichtig oder wenigstens anders zu deuten sind, weil sie den Thatsachen nicht gerecht werden, und sie haben daher in unserem Fall nichts zu besagen. Dabei soll gar nicht betont werden, daß der Jesuite Inchofer, wie Grisar selbst (S. 233) bemerkt, ausdrücklich den entgegengeseßten Standpunkt vertritt. Wo die Thatsachen so klar zu Tage treten, da sind sie nicht nach den Theorien von Theologen zu deuten, sondern es müssen sich umgekehrt diese nach jenen richten.

Was endlich die Censur „temerär“ anlangt, so begegnen wir ihr in den officiellen Documenten nirgends, und dieser Umstand entscheidet schon allein über ihr Schicksal. Außerhalb der Acten kommt sie meines Wissens zur Zeit des Galileiprocesses zwar zweimal vor. Die Aeußerungen des anglikanischen Bischofs Wilkins von Chester und des Augustinerchorherrn Eusebius Amort (Grisar S. 237) dürfen füglich außer Betracht gelaffen werden. Der Löwener Theologe Fromond schrieb 1631, die kopernikanische Lehre dürfe zwar nicht der Häresie geziehen werden; aber sie sei temerär und mit einem

Fuß betrete sie die Schwelle der Härefie; daran sei festzuhalten, so lange der hl. Stuhl nicht etwas Anderes festgestellt habe. Galilei schreibt am 8. Juni 1624 an den Fürsten Cesi, Urban VIII habe im Gespräch mit dem Cardinal Hohenzollern, Bischof von Osnabrück, bemerkt, die Kirche habe die kopernikanische Lehre nicht als häretisch verdammt, noch werde sie dieselbe als häretisch verdammen, sondern nur als temerär; aber es sei nicht zu fürchten, daß jemand sie als nothwendig wahr erweisen werde (Grisar S. 230 f.). Aber kann man über den Werth der Behauptung des Löwener Theologen gegenüber der Aussage der Acten auch nur einen Augenblick im Zweifel sein? Die Aeußerung Urban's VIII verdient an sich allerdings etwas mehr Beachtung. Aber bei näherer Prüfung kann auch sie keine ernstliche Schwierigkeit machen. Der Papst wollte ja nach dem Zusammenhang die getroffene Entscheidung als eine möglichst milde und unverfängliche darstellen. Der Cardinal sprach nämlich mit ihm zu Gunsten G.'s; er mahnte zur Vorsicht und machte zu diesem Behufe geltend, daß alle Häretiker seiner Meinung 1) feien, und auf diese Bemerkung folgte die angeführte Erklärung. Sie kann also das aus den Acten sich ergebende Resultat unmöglich umstoßen. Zudem muß man ja fragen, wie auch Grisar (S. 238) leise thut, ob die Worte richtig

1) Es läßt sich fragen, wessen Ansicht näherhin gemeint ist, die des Cardinals oder die des Papstes. Der Wortlaut des italienischen Textes (Opere ed. Albèri VI, 296) läßt die Sache unentschieden. Nach dem Context und nach der allgemeinen Sachlage scheint mir das Lettere anzunehmen zu sein. Reusch S. 182 nimmt wenigstens nach dem Wortlaut seiner Uebersehung das Erstere an.

überliefert sind, und spricht Urban von der Kirche selbst, während es sich im Grunde nur um die Entscheidung der Congregationen der Inquisition und des Inder handelt. Die Censur „temerär“ ist daher wegen mangelnder Be- . zeugung unbedingt fallen zu lassen. Und davon, daß sie als Ergebniß oder Folge der von der Congregation gebrauchten Note „durchaus schriftwidrig“ zu fassen sei, wie Grisar S. 235 zu sagen scheint, kann vollends gar keine Rede sein, da in den Acten gerade die Censur „häretisch“ die fragliche Stellung einnimmt.

Wenn die kopernikanische Lehre als durchaus schriftwidrig für Härefie erklärt wurde, so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß die bezügliche Entscheidung als eine irreformable angesehen wurde. Ich wenigstens kann mir die Sache nicht anders vorstellen. Grifar ist zwar auch in dieser Beziehung anderer Ansicht. Er meint, das Decret v. J. 1616 sei als ein widerrufliches betrachtet worden. Allein seine Gründe sind nicht stichhaltig. Den kirchlichen Congregationen kommt allerdings nicht die Gabe der Unfehlbarkeit zu. Aber deßwegen können sie in einzelnen Fällen und über gewisse Gegenstände doch ein unbedingt sicheres Urtheil zu besigen glauben. Die Zeugen ferner, auf die sich Grisar stüßt (S. 164 ff.), dürften in dieser Frage schwerlich die erforderlichen Eigenschaften haben. Es sind fast lauter Freunde der neuen Weltanschauung und Männer außerhalb Roms, und es versteht sich daher von selbst, daß sie so wenig als 6. ihre Sache für immer verloren gaben. Sie hofften naturgemäß von Anfang an auf eine Remedur, weil sie nun einmal ihre Ansicht für die richtige hielten und nicht glauben konnten, ihre Unter

drückung werde ewig dauern. Ihre Stimme hat also hier nichts zu bedeuten. Wir sollten vielmehr die Auffassung der an der Entscheidung betheiligten Personen, · der römischen Theologen und der Cardinäle erfahren. Aber von diesen wurde nichts beigebracht, was entschieden gegen unsere Ansicht sprechen würde. Die Sache dürfte sich nur dann anders verhalten, wenn die Entscheidung, wie einige Theologen in der Neuzeit gewollt haben, blos disciplinärer Art wäre. Diese Auffassung ist indeffen nicht haltbar, wie Grisar selbst bewiesen hat. Daß endlich die Galileifrage bei unserer Ansicht etwas schwieriger wird als bei der anderen, indem zu der materiellen Unrichtigkeit der Entscheidung noch der irrthümliche Glaube kommt, die Entscheidung sei irrefor= mabel, ist kein Grund, vor ihr zurückzuschrecken, wenn so starke Momente für sie sprechen. Wollten wir so verfahren, so müßten wir ja auch den doctrinellen Charakter der Entscheidung aufgeben. Zudem sind die Schwierigkeiten auch so nicht unlösbar, da ja in keinem Fall eine päpstliche Definition ex cathedra vorliegt.

Die Frage nach der über die kopernikanische Lehre und ihren Vertheidiger erhängten Censur dürfte durch die vorstehenden Ausführungen erledigt sein. Demge= mäß ist die ältere oder früher wenigstens vorherrschende Ansicht die richtige. Da aber diese Ansicht bei ihren älteren katholischen Vertretern doch schwerlich auf Abneigung gegen die Kirche beruht, so hätte Grisar es in seinem eigenen Interesse unterlassen sollen, gegenüber ihren neueren Vertretern von der Liebhaberei zu reden, dem Inder eine Verdammung des kopernikanischen Systems mit der Censur „Härefie“ aufzubürden (S. 233). Es

mag sein, daß eine derartige Liebhaberei da und dort bei dem Urtheil wirksam war. Aber so lange die frühere Anschauung nicht besser widerlegt ist, als es bisher geschehen ist, müssen wir uns hüten, ihre Aufrechterhaltung auf subjective Momente zurückzuführen. Die Jnsinuation enthält überdieß gegenüber den Alten den Vorwurf einer gewissen Leichtfertigkeit oder Unkenntniß. Sie verräth zugleich bezüglich der eigenen Sache das Bewußtsein einer gewissen Schwäche. Grisar bemerkt S. 152 den Vertretern des disciplinären Charakters unserer Indexentscheidung ebenso richtig als treffend, man dürfe niemals auf Kosten der Wahrheit nach Erleichterung der eigenen Stellung streben. Nach dem Bisherigen und verschiedenen seiner Aeußerungen dürfte das Wort zum Theil auch ihm gelten. Ich schenke zwar seiner Versicherung einen rückhaltslosen Glauben, daß ihm nichts mehr ferne gelegen sei, als irgend etwas zu vertuschen, indem er überzeugt sei, die einfache unverhüllte Wahrheit gereiche unserer Kirche zur besten Vertheidigung. Aber wenn es ihm auch nicht zum Bewußtsein kam, so so dürfte das Streben, seine Sache zu erleichtern, ihn doch namentlich in der vorliegenden Frage über Gebühr beeinflußt haben. Bei voller Unbefangenheit konnte er schwerlich zu seinen Resultaten gelangen.

Es bleibt noch ein Punkt zu besprechen. Wie ist die fehlerhafte Entscheidùng der römischen Congregationen geschichtlich zu würdigen? Wenn man die ein= schlägigen Ausführungen Grisar's liest, so könnte es fast scheinen, sie sei gut und nothwendig und mehr oder weniger das Werk der Vorsehung selbst gewesen. Schon S. 123 wird der Gedanke ausgesprochen, es sei gar kein

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