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Welt fester Gestalten, die sich in seiner Poesie in sichern Umrissen abspiegelten. Seine Einbildungskraft wirkte ruhig und besonnen und hielt treu ihre Gegenstände fest. Hierbei kam ihm sein Interesse an der bildenden Kunst zu Hülfe; und wenn vielleicht zu bedauern ist, daß durch seine langjährigen Bemühungen, selbst etwas in dieser Kunst zu produziren, manche schöne Stunde der Poesie entzogen wurde, so ist dagegen der große Vortheil in Anschlag zu bringen, der ihm aus jenen Bestrebungen für die Festigkeit und Klarheit seiner poetischen Gestalten erwachsen ist. Schiller wandte sich frühzeitig von der Wirklichkeit ab, und flüchtete sich in die Welt der Ideale; und je mehr er in diesem Gebiete Spielraum gewann, desto weniger vermochte ihn die enge Wirklichkeit zu befriedigen. Am sichersten wäre vielleicht seine Phantasie durch die Beschäftigung mit bildender Kunst und das Studium der Griechen, namentlich Homer's, zum Begränzten, Anschaulichen, Stetigen und Ebenmäßigen hingeleitet worden. Aber zu jener fehlte ihm Neigung und Gelegenheit, und statt des Homer waren Klopstock und andere sentimentale Dichter die Leitsterne seiner Jugend. So darf es uns nicht wundern, daß, während Göthe's Jugendgedichte schon eine bewundernswürdig reine und klare Form zeigen, Schiller's frühere Productionen eine geschmackvolle Gestaltung vermissen lassen. Unruhig springt seine Phantasie von einem Bilde zum andern und umschreibt keines mit festen Linien; und weil seine Einbildungskraft nicht durch die Anschauung des Lebens gezügelt und gemäßigt wird, treibt sie die Gestalten in's Unbestimmte und Grenzenlose.

Dazu kommt noch ein anderer bedeutender Unterschied, abweichende Art, wie sich bei Goethe und Schiller die Denk= kraft an der dichterischen Produktion betheiligte. Bei Goethe vollzogen Denkkraft und Phantasie abgesondert ihr Geschäft; bei Schiller war beider Thätigkeit auf's innigste verbunden, so daß

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seine philosophischen Erzeugnisse ein dichterisches Gepräge trugen, und seine Dichtungen von seiner Philosophie durchdrungen waren. Ueberdies war Schiller's Denken von frühe her philosophisch, speculativ, während Goethe's Denken mehr intuitiver Art war. Es verdeutlicht sich uns dieser Unterschied am leichtesten durch die Betrachtung der Jugendgedichte beider. Wir finden auch unter Goethe's früherer Poesie manche von didaktischem Charakter; allein er gewann diese Lieder, indem er das Menschenherz mit all den Räthseln, die es birgt, mit all den Leidenschaften, die es bewegen, sinnend beobachtete. Dahin gehören z. B. schon aus dem Leipziger Liederbüchlein die Gedichte: Der wahre Genuß, Glück und Traum, Mädchenwünsche, Kinderverstand, die Freude, Liebe und Tugend, Unbeständigkeit, Unschuld, der Misanthrop, welche sämmtlich einen Zug in's Reflectiren haben. Besonders aber beschäftigte ihn seine eigene Geistes- und Gemüthsentwickelung, sein besonderes Lebensschicksal, und aus diesem Interesse erwuchsen wieder mehrere kleinere didaktische Gedichte, namentlich im Anfange der Weimarischen Zeit. Alle diese Gedichtchen gin= gen aus der ruhigen Beobachtung eines bewegten geistigen Lebens hervor und sprechen die Ergebnisse dieser Beobachtung rein und einfach aus, während anderseits die eigentlichen lyrischen Poesien Goethe's, z. B. seine zahlreichen Liebeslieder, eben so rein und einfach gehalten sind und die Reflexion abwehren. Bei Schiller dagegen dringt nicht etwa blos die Reflexion, sondern seine philosophische Speculation bis in seine feurigsten der Liebe und Freundschaft gewidmeten Oden; und statt, wie man erwarten sollte, sie abzukühlen, trug sie noch dazu bei, seinen Liebes- und Freundschaftsliedern einen ungestümern Charakter zu geben. Er hatte sich schon früh ein pantheistisches System aufgebaut, welches er in den Philosophischen Briefen durch Julius entwickeln läßt. Von diesem sind jene Lieder ganz durchdrungen und haben daher, wie das Philosophem selbst, etwas Universelles, Pantheistisches, YA. 241,

Unermeßliches, womit leichte, einfache, klare Natürlichkeit sich nicht vereinigen ließ.

Das Dritte, was uns an Schiller's Jugendpoesien im Ver=\ gleich mit den Goethe'schen besonders auffällt, ist die Maßlofig= feit der Empfindungen, die freilich aus derselben Wurzel/ entsproß, wie die Schrankenlosigkeit seiner Phantasien und seiner speculativen Träume. Schiller war, wie Goethe, mit starkem und tiefem Gefühl ausgestattet; aber während Goethe's Empfindungen sich an der Erfahrung regelten und begrenzten, fachte Schiller die seinigen durch einsames Sinnen und Phantasiren zu hochlodernden Flammen auf. Wie maßvoll gehalten, wie an= muthig und gefällig sind schon die frühesten Liebeslieder von Goethe, und wie exaltirt und formlos dagegen die Lauralieder von Schiller! Der Dichter, sagt Hoffmeister, glüht für selbstgebildete Ideen und Phantasien, für eine Laura, die sein Geschöpf ist. Sein Gefühl wird durch seine Gedanken in's Grenzenlose fortgerissen und überfliegt seinen Gegenstand. Individuelle Empfindungen und Verhältnisse werden nicht vorgeführt und man erfährt von der Hochgefeierten selbst fast gar nichts.

Hiernach läßt sich schon von selbst erwarten, daß auch im Styl und in der ganzen sprachlichen und metrischen Form der Schiller'schen Jugendgedichte Ebenmaß, Anschaulichkeit, bestimmte Begrenzung, strenge Angemessenheit zum Gegenstande, feiner Geschmack vielfach vermißt werden. Seine Tropen und Figuren sind oft kühn und originell, aber auch eben so oft extravagant und dunkel. Sie participiren an dem universellen GesammtCharakter der Gedichte; daher werden unermeßliche Bilder und Vorstellungen wie die Ewigkeit, das Weltall, der Ocean allzuhäufig für leichter faßliche und näher liegende herangezogen. In der Wortstellung erlaubte Schiller sich damals Freiheiten, welche mitunter die Kraft der Sprache erhöhen, aber nicht selten das Verständniß erschweren; besonders machte er häufig von der

Ellipse den kühnsten Gebrauch. Im Strophenbau, wie in der Bildung der einzelnen Verse, gestattete er sich manche Unebenheiten, die Goethe's musikalisch gebildetes Ohr nicht geduldet haben würde. Ueberhaupt läßt sich leicht erkennen, daß Schiller's Poesie mehr für die Declamation, als für den Gesang berechnet war; und so finden wir denn auch bei ihm in dem eigentlich musikalischen Elemente, in den Reimklängen, Fehler so auffallender Art, wie wir sie nicht leicht bei einem andern Dichter antreffen. Er reimte z. B. spinntest mit trenntest, springt mit hängt, brennt mit Flammenwind, Minen mit Schönen, brennt mit Kind, Trauerbühne mit Scene, Monde mit Elysiumssecunde, Blume mit Glanzphantome, nun mit Orgelton u. s. w., abgesehen von vielen konsonantisch falschen Gleichflängen, wie Kleider und heiter, Rosenpfaden und Thaten u. s. w. In den plastischen Elementen der Sprache dagegen, in der rhythmischen und sprachlichen Malerei, in der ausdrucksvollen Darstellung eines Gegenstandes oder einer Handlung durch Versbewegung und Lautfärbung läßt er bereits an vielen Stellen seiner Jugendgedichte den künftigen, kaum von Andern erreichten Meister vorauserkennen.

Auch noch in einer andern, und zwar wichtigern Eigenschaft seiner Jugendpoesien blickt schon der Dichter hervor, der später so bewundernswürdige lyrische Productionen schaffen sollte; ich meine die kunstgerechte Anlage, den wohl durchdachten Plan der einzelnen Stücke. Wir werden unten bei näherem Eingehen auf dieselben erkennen, wie logisch streng in den meisten die Ideen= association und die ganze Dekonomie ist. Hoffmeister rühmt an dem dramatischen Erstlingswerke Schiller's, den Räubern, daß es mit einem für das damalige Alter des Dichters staunenswerthen Verstande angelegt sei. Dasselbe läßt sich von seiner lyrischen Jugendpoesie sagen. Auch ihre Grundanlage deutet meistens auf ein sehr richtiges Kunstverständniß oder wenigstens einen feinen

Kunstinstinct; und wenn der Dichter sich hier und da Verstöße gegen die rechte Reihenfolge der Ideen und Empfindungen zu Schulden kommen ließ, so geschah dies, weil die stürmische Aufregung der Phantasie und Gefühle seine künstlerische Besonnenheit auf Augenblide verdunkelte.

Wir berühren die in den frühern Ausgaben des Commen= tars näher betrachteten poetischen Erstlingsversuche Schiller's, so wie überhaupt die aus seiner Gedichtsammlung ausgeschlossenen Poesien, in dieser für weitere Leserkreise berechneten Ausgabe nur im Vorbeigehen. Der erste metrische Versuch, den wir von Schiller kennen, ist ein an seine Eltern gerichteter Glückwunsch Zum Neujahr 1769 mit beigefügter lateinischer Uebersezung in Proja. Hier hätten wir also, wenn es ihm nicht in die Feder diktirt worden ist, ein Gedicht des neunjährigen Knaben. Daß es die Form eines Gesangbuchliedes hat und von religiösem Geiste durchweht ist, kann uns nicht wundern, da Religiofität und Frömmigkeit der Lebensathem der Schiller'schen Familie war. Der Vater sprach jeden Morgen im Kreise der Seinen ein selbstverfaßtes metrisches Gebet, und er sowohl, als seine Gattin, las dem jungen Schiller häufig aus den geistlichen Dichtungen von Uz und Gellert vor; ja, wenn die Nachricht zu glauben ist, verstand es auch Schiller's Mutter, ihre frommen Empfindungen in Versen auszusprechen. Das Neujahrs-Carmen ist übrigens ziemlich gewöhnlicher Art:

Eltern, die ich zärtlich ehre,

Mein Herz ist heut voll Dankbarkeit;
Der treue Gott dies Jahr vermehre,
Was Sie erquickt zu jeder Zeit u. f. w.

Nach dem Eintritt in's zweite Lehensdecennium begannen sich die poetischen Keime in dem Knaben etwas stärker zu entwideln. So berichtet uns sein Jugendfreund Petersen, wie der

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