zehnjährige Schiller auf einem ländlichen Ausfluge mit seinem Schulkameraden Elwert, von einem Hügel herab, von dem man das Schlößchen Hartened und das Dorf Neckarweihingen überschauen konnte, in einer gereimten pathetischen Ergießung über das Schloß, das sie hungrig entlassen, seinen poetischen Fluch, über Neckarweihingen aber, das sie für zwei Kreuzer mit föstlicher Milch und Johannisbeeren gelabt, seinen feierlichen Segen ausgesprochen habe. Im Jahr 1772 entlodte ihm seine Con= firmation ein Gedicht. Seine Mutter, die ihn am Vorabend auf der Straße herumschlendernd fand, machte ihm Vorwürfe über seine Gleichgültigkeit gegen die heilige Handlung des folgenden Tages. Betroffen zog sich der Knabe zurück, und überreichte nach wenigen Stunden ein auf seinen Tauferneuerungsbund bezügliches Gedicht dem Vater, der ihn verwundert mit der Frage empfing: „Bist du närrisch geworden, Friz?" Petersen bemerkt dazu: „Von allen diesen seinen frühesten Jugendversuchen ist indeß nichts mehr übrig, als ein einziger Pentameter. Die Ludwigsburger Schule erhielt einen neuen Lehrer Namens Winter. Der Sitte gemäß mußte derselbe bei seinem Amtsantritte mit lateinischen Versen empfangen werden. Die Aufgabe traf dieses Mal Schiller. Er verfertigte also ein Begrüßungsgedicht und glaubte seinem Vorgeseßten im folgenden Wizspiel etwas sehr Schmeichelhaftes zu sagen: Ver nobis Winter pollicitusque bonum." Im vierzehnten Lebensjahre, am 17. Januar 1773, trat Schiller, nachdem er die Schule zu Ludwigsburg durchlaufen, in die militärische Pflanzschule auf der Solitüde. Er brachte, was seine Lebensanschauungen, insbesondere seine religiösen Ansichten betrifft, wahrscheinlich schon eine getheilte und schwankende Gesinnung, wenn gleich dem eigenen Bewußtsein noch verhüllt, in das Institut mit: warme Frömmigkeit, wie sie ihm von seinen Eltern eingeflößt war, und auffeimende Zweifel in Folge eines Eines derselben und zwar das erste Gedicht, welches Schiller drucken ließ, ist „Der Abend“ aus dem Jahr 1776. Es er-V schien in dem schwäbischen Magazin auf das Jahr 1776 von Balthasar Haug, der Professor an der Akademie war. Dieser verbesserte einige Reimfehler und fügte die prophetische Anmerfung bei: „Das Gedicht hat einen Jüngling von sechszehn Jahren zum Verfasser. Es dünkt mich, derselbe habe schon gute Autores gelesen und bekomme mit der Zeit ein os magna sonatorum." Es zeigt sich hier noch wenig von jenem ungestümen Feuer, das bereits in einem Gedicht des nächstfolgenden Jahres Lodert, sondern fast nur Aneignung fremder Gedanken in einer verständig maßvollen Form, was dem Stücke einen Schein von Reife gibt, der den meisten Gedichten der ersten Periode mangelt. Schiller legte auch später keinen Werth auf dieses Produkt, und als ein Jugendfreund desselben theilnehmend gedachte, erwiderte er abwehrend: „Damals war ich noch ein Sklave Klopstocks!" Mit der verständig maßvollen Form meine ich nicht die metrische, und am wenigsten die Reime, deren es besonders in der ersten Hälfte eine Menge durchaus fehlerhafter gibt, sondern den sprachlichen Ausdruck überhaupt, welcher sich mehr im Niveau des Gewöhnlichen hält, und die Beschaffenheit der Bilder und Tropen, worin sich noch wenig Originalität und Kühnheit zeigt. Wenn gleich der Dichter selbst auf Klopstock als Vorbild hingewiesen und auch viele Anklänge an Klopstock nicht zu verfennen sind: so möchte ich doch für das besondere Vorbild dieses Gedichtes die Morgengedanken von Haller halten, das älteste der uns von Haller überkommenen Gedichte und im gleichen Lebensalter vom Dichter verfaßt. Es ist ein vollkommener Pendant zum Schiller'schen Gedichte und genau wie dasselbe angelegt. Die erste Hälfte ist in beiden beschreibender Art; dann geht die Schilderung hier wie dort in eine Hymne über; auch in der Art des Abschlusses zeigt sich Uebereinstimmung. Der Schluß der beschreibenden Partie lautet bei Schiller: Vom Felsen rieselt spiegelhelle Ins Gras die reinste Silberquelle Und tränkt die Heerd' und tränkt den Hirt; Deß Lied das ganze Thal durchirrt Und wiederholt im Thale wird. Ihr Meisterlied macht alle Ohren lauschen. Wagt ist kein Blatt vom Baum zu rauschen, Der tühle Weft beweht die Rose, Und füllt damit die Abendluft. Dann stimmt das Gedicht einen andern Ton an und bekommt den Charakter einer Hymne. Die Schilderung des Abends tritt ganz in den Hintergrund. Der Dichter scheint zu vergessen, daß er von einer stillen Abendlandschaft umringt ist, worin kein Blatt vom Baum zu rauschen wagt; er gebietet der Natur umher, zu verstummen, dem Winde, nicht mehr durch's Laub zu sausen. Und so tritt hier schon die Eigenthümlichkeit unseres Dichters hervor, daß er sich nicht leicht auf die Dauer zum treuen Spiegel der Außenwelt zu machen vermochte. Oder hat er vielleicht das Ganze aus zwei ungleichzeitig entstandenen Stücken zusammengesezt und durch folgende Schlußverse, worin er wieder des Abends gedenkt, zu verknüpfen gesucht? Doch bald wirst du zum Thron die Purpurflügel schwingen, Und heller noch die Engelharfe klingen; Der Schluß erinnert an die Wendung, womit Klopstock von andern dichterischen Stoffen zur Messiade zurückzukehren pflegte. Die Ahnungen des Jünglings von einer künftigen glänzenden Dichterlaufbahn haben sich verwirklicht, wenn auch nicht ganz in der Weise, wie er es damals dachte. Sein kühner Blick ist tiefer gedrungen, seine Harfe hat er heller erklingen lassen; aber es war keine Engelharfe, es war die eines für Liebe und Freundschaft, für Schönheit und Wahrheit, für Freiheit und Menschenwürde hochbegeisterten Mannes. Aus dem Jahr 1777 hat sich nur Ein Gedicht Schiller's, „Der Eroberer“, erhalten, welches ebenfalls in Haug's schwäBichoff, Schiller's Gedichte. I. 2 bischem Magazin erschien und wie „Der Abend“ mit Sch. unterzeichnet ist. In einer Anmerkung dazu heißt es: „Von einem Jünglinge, der allem Ansehn nach Klopstocken liest, fühlt und beinahe versteht. Wir wollen sein Feuer bei Leibe nicht dämpfen; aber non sense, Undeutlichkeit, übertriebene Metathesen wenn einst vollends die Feile dazu kommt, so dürfte er mit der Zeit doch seinen Platz neben einnehmen und seinem Vaterlande Ehre machen." Klopstod's Einwirkung gibt sich hier schon in der metrischen Form zu erkennen; die Strophe, aus Horaz bekannt, besteht aus zwei Asklepiadeen, einem pherekratischen und einem glykonischen Verse; Schiller hat aber je drei solcher Strophen zu einem größern Ganzen von zwölf Verszeilen verbunden. Wir geben die erste Gesammtstrophe als Probe: Dir, Eroberer, dir schwellet mein Busen auf, Vor des Ewigen Angesicht! Wenn den horchenden Gang über mir Luna geht, Träume flattern Deine Bilder, o Sieger, mich, Und Entsegen um fie fahr' ich da wüthend auf, Stampfe gegen die Erd', schalle mit Sturmgeheul Deinen Namen, Verworfner, In die Ohren der Mitternacht. Wie die metrische Gestalt, so deutet auch das Thema auf Klopstod hin, der gleichfalls in der Ode „Für den König“ ein "Weh' dem Eroberer, welcher im Blute der Sterbenden geht", zuruft und anderswo mehrfach seinen Zorn gegen die Eroberer ausspricht; auch erinnern viele einzelne Gedanken und Ausdrücke noch an Klopstock; aber zugleich tritt doch Schiller's Eigenthümlichkeit hier bei weitem stärker, als in dem Gedicht „Der Abend“, |