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als milder Todtenrichter gedacht wird. Daneben spricht er Muth und Trost ein, faßt einzelne Ideen der vorhergehenden Strophen mit gesteigerter Empfindung auf und universalisirt sie.

Hoffmeister macht auf die praktische Tendenz und den daraus fließenden rhetorischen Charakter des Stücks aufmerksam, die sich in mehreren früheren Dichtungen Schiller's, besonders im Don Carlos fund geben. Schiller will über diese Ideen, von denen er durchglüht ist, nicht allein belehren, aber er will sie auch nicht allein darstellen, er will sie befolgt wissen." Daher nennt er, mit Bezug auf das dramatische Element des Chors, diese Ode ein dramatisch-rhetorisches Gemälde", im Gegensatz zu Jean Paul, der sie als ein bloßes Lehrgedicht bezeichnet. Auch der Ausdruck Gemälde ist treffend, da uns das Gedicht den Kreis hochbegeisterter Freunde, wie sie sich in allumfassender Liebe umarmen, wie sie Nahen und Fernen, Guten und Bösen, Lebenden und Todten, ja selbst dem höchsten Wesen einen Becher der Liebe und Freude weihen, auf's lebhafteste vergegenwärtigt.

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Wäre uns hier eine Vergleichung von Schiller's übrigen Gesellschaftsliedern (Gunst des Augenblicks, vier Weltalter, an die Freude, Punschlied u. s. w.) gestattet, so würde sich zeigen, wie sie alle des Dichters hohen Ernst und universalen Sinn bekunden; doch nöthigt uns Rücksicht auf Raumersparung zur Erläuterung der einzelnen Strophen überzugehen.

Str. 1. Die erste Strophe denkt sich der Dichter als beim Eintritt in das Festlokal, den Tempel der Freude, vorgetragen:

Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligthum.

Die personificirte Freude wird als eine „Himmlische“, oder nach der ersten Form des Gedichtes Göttliche“, als eine Tochter

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aus Elysium", das heißt hier nur als Spröfting einer glüdlichern, schönern Welt, als „Götterfunken", als ein Strabl göttlicher Glückseligkeit aufgefaßt. An dem Ausdrud „feuertrunken" (V. 1) nimmt Vetterlein als an einem zusammengefeßten und daher falschen Tropus Anstoß; er bezeichnet: von feuriger Begeisterung trunken. Man darf bei diesem jugendlichen Dithyrambus, wenn man sich den Genuß nicht verfümmern will, die einzelnen Ausdrücke nicht streng auf der ästhetischen und sprachlichen Goldwage prüfen; dazu ist auch noch in dieser zweiten Periode des Dichters Empfindung und Einbildungskraft zu stürmisch und aufgeregt. V. 6 hieß ursprünglich:

und V. 7:

Was der Mode Schwert getheilt;

Bettler werden Fürstenbrüder.

Betterlein hat Recht, wenn er sagt: „Der Mode und Convenienz, die nicht fämpft und Gewalt braucht, sondern überredet und sich einschleicht, kann kein Schwert beigelegt werden"; aber die alte Lesart ist dem Charakter des ganzen Liedes entsprechender, sowohl bei V. 6 wie bei dem folgenden. Hätte Schiller später alle stark hyperbolischen Ausdrücke mit gleicher Strenge ausgemerzt, so wären wenige Verse unverändert geblieben. - Der Chor faßt den Gedanken, daß alle Menschen Brüder seien, mit Enthusiasmus auf und knüpft daran die Hinweisung auf dos höchste Wesen, welches allen ein gemeinsamer lieber Vater ist. Es heißt wohl die Kritik zu sehr auf's Kleine ausdehnen, wenn Jean Paul dem Dichter vorrückt, daß er hier den Vater über'm Sternenzelt, und im nächsten Chorgesang auf den Sternen thronen läßt. Borberger hebt hervor, wie nach der ursprünglichen Form des Gedichtes in jedem Chorgesange (mit Ausnahme des lezten) die Hinweisung auf die Sterne sich wiederholt. Es erhöht dies den refrainartigen Charakter des Chors.

Str. 2. Wunderlich genug hat ein neuerer Interpret an den Versen:

Ja, wer auch nur Eine Seele

Sein nennt auf dem Erdenrund

Anstoß genommen. Da der Freundschaft mit einem Freunde und der Frauenliebe schon Erwähnung geschehen, könne hier, meint er, nur an das innige Verhältniß zu einer Freundin gedacht werden. Der Sinn ist doch offenbar: Ja, wer nur ein ein= ziges menschliches Wesen, sei es Mann oder Weib, oder ein innig liebendes Kind, oder ein treu anhänglicher Diener, oder wer sonst, wahrhaft sein nennen fann, der darf sich mit dem hier versammelten Kreise freuen. Ebenso hat jener Interpret das Nächst= folgende misverstanden. „Wer's nie gekonnt" jagt nicht: „wer von Natur zu inniger Hingabe stets unfähig gewesen“, sondern: wem es (troh allem Liebesbedürfniß) nicht gelungen, einen Freund, ein holdes Weib, oder sonst eine Seele, die er sein nennen kann, zu erringen. Der Schluß der Strophe: „Der stehle weinend sich aus diesem Bund" hat zu vielfachem Tadel Anlaß gegeben und kann allerdings auf den ersten Anblick an diesem liebeglühenden Gesange befremden, der das ganze Universum in den Kreis der Freude und Sympathie hereinruft, der alle Sünder begnadigt wissen will. Wie poetischer und menschlicher", sagt Jean Paul, würde der Vers durch drei Buchstaben: Der stehle weinend sich in unsern Bund. Denn die liebewarme Brust will im Freudenfeuer eine arme erfaltete sich andrücken." Aber der Sänger der Strophe denkt nicht an eine erfaltete", sondern an eine für Liebesglüd empfängliche und über versagte Gegenliebe trauernde Brust („weinend“), und heißt den Unglücklichen sich still entfernen, damit ihm nicht in dem liebebeglückten Kreise das Gefühl seiner Verwaistheit sich steigere. Ter Chor greift, den Gedanken universalirend, die

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Berherrlichung der Sympathie, der Liebe, auf, und schlägt somit das Thema jener ältern Hymne „Triumph der Liebe“ an. Wie es hier heißt:

Zu den Sternen leitet sie,

Wo der Unbekannte thronet,

so sang der Dichter dort:

Liebe, Liebe leitet nur

Zu dem Vater der Natur,
Liebe nur die Geister,

Aehnlich läßt der Dichter in den philosophischen Briefen den Julius sagen: „Liebe ist die Leiter, worauf wir emporklimmen. zur Gottähnlichkeit." Und eine andere Stelle der Briefe behauptet sogar: „Die Anziehung der Elemente brachte die körperliche Form der Natur zu Stande; die Anziehung der Geister (die Sympathie oder Liebe), in's Unendliche vervielfältigt und fortgesezt, müßte endlich zur Aufhebung jener Trennung (des gött- lichen Ich in zahllose empfindende Substanzen) führen und Gott hervorbringen." An dem Ausdruck „den großen Ring“, für Erdkreis (orbis), Erdenrund, hat man unnöthiger Weise Anstoß genommen.

Str. 3. Des Dichters unruhige Phantasie gibt sich hier wieder recht kund: die Freude, die oben ein Götterfunken, ein Sprößling Elysiums, eine Göttin, der man Heiligthümer baut, ein Genius mit Flügeln war, ist hier zu einem Labetrank ge= worden, den alle Wesen an den Brüsten der Natur trinken, und ist gleich darauf wieder ein wandelndes Wesen, das Rosen auf seiner Spur zurückläßt. Pölig findet das Bild in den beiden ersten Versen unedel. Dilschneider entgegnet mit Recht: „Das heilige Bild der säugenden Mutter, nach altdichterischer Weise auf die große Mutter Natur übertragen, ist so herrlich, daß es mir unbegreiflich scheint, wie Pöliz es nicht edel genug nennen

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Schiller hat, wie Borberger nachgewiesen, dieses Bild vielfach angewandt: Die an den Brüsten der Majestät trinken (Kabale und Liebe, II, 1); Er sog sich schwelgend voll an meiner Liebe Brüsten (Wallenstein's Tod, III, 18), Ihr müßtet... an den Brüsten des Glücks gelegen haben (Don Carlos in Hoffmeister's Nachlese II, S. 15)". Vgl. Jef. 16,11. Gözinger bemerkt nicht unrichtig, daß der Mensch bei der Vertheilung der freudebringenden Gaben durch die Ausstattung mit Küssen, Reben und Freundschaft etwas dürftig bedacht sei. Freilich liegen. dem frohen geselligen Kreise diese Vorstellungen am nächsten; allein der Gegensatz von Wurm und Cherub hätte vom Begriff der frohen Zecher zur Idee der freudebeglückten Menschheit überhaupt emporführen sollen, und so bleibt es auffallend, daß Schiller hier keiner andern erfreulichen Himmelsgabe, besonders, daß er nicht der Kunst Erwähnung thut, wovon er in den vier Weltaltern singt:

Denn ohne die Leier im himmlischen Saal

Ist die Freude gemein auch beim Nektarmahl.

Der Chorgesang, der wieder die Gemüther des frohen Kreises zum höchsten Wesen erhebt, hatte schon in der Thalia seine jezige Form, begann aber in der Pölig vorliegenden *) ursprünglichen Fassung:

Werft euch nieder, Millionen!

Deinem Schöpfer jauchze, Welt!

Zu den dafür eingeführten Fragefäßen bestimmte den Dichter wohl das nächstfolgende Such' ihn. Aber wie gewöhnlich spätere Nachbesserungen an Gedichten mit Opfern verbunden

*) Heinr. Kurz, sonst überaus umsichtig, hat in seiner kritischen Ausgabe von Schiller's Werken diese ältesten Varianten sich entgehen lassen.

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