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Sprache an sich. Den durch das Ganze durchgeführten Hauptgedanken kann man als vorübergehende Stimmung eines leidenschaftlich bewegten Gemüthes ansehen; aber er ist darin so meisterhaft geschildert, daß die Leidenschaft ganz in Betrachtung aufgegangen, und der Ausspruch nur Frucht der Erfahrung und des Nachdenkens zu sein scheint."

Man kann nicht umhin, an der Aufrichtigkeit dieser Erklärungen zu zweifeln, wenn man erwägt, wie genau Humboldt durch mehrjährigen vertrauten Umgang mit Schiller und durch tiefes Eindringen in seine Schriften den Entwickelungsgang des Dichters mit seinem unbefangenen und scharfen Blicke durchschaut haben mußte. Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß Rücksicht auf einen großen und achtbaren Theil der Lesewelt, deffen Zuneigung er seinem geliebten Freunde ungern entzogen gesehen hätte, ihn verleitete, seine wahre Ansicht von dem in beiden Stücken herrschenden Geiste zu verhüllen; und dazu mochte er sich um so eher bewogen finden, als Schiller selbst durch die Erklärung, die er in der Thalia der Resignation und der Freigeisterei der Leidenschaft beifügte (s. die Vorbemerkungen zu Nr. 27), der nächstliegenden und wahren Deutung dieser Gedichte zu begegnen gesucht hatte. Allein offene Wahrheit frommt in der Regel am meisten. Hiervon überzeugt, hat denn auch Hoffmeister sich über die Resignation unumwunden so ausgesprochen: „Dies Gedicht ift Schiller's mit tiefstem Gefühl ausgesprochenes Glaubensbekenntniß, es spricht die Gesammterfahrung seines bedrängten Lebens aus. Früher glaubte er des äußern Glücks nicht zu bedürfen, es sich machen, es erstürmen zu können. Jezt, nach den herbsten Erfahrungen, beklagt er die Unzulänglichkeit der menschlichen Natur, welche Glück und Tugend. Genuß und Glauben, Reales und Ideales nicht miteinander zu verbinden vermöge, so daß der Mensch sich entweder für das Eine, oder Biehoff, Schiller's Gedichte. I.

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für das Andere entscheiden müsse. Auf diesem hier zuerst hervorbrechenden Ueberzeugungsgefühl wuchs seine ganze spätere Lebensansicht hervor. Hatte er bisher seine Angriffe nur gegen die Mißbräuche der Gesellschaft, als der gemeinschaftlichen Quelle aller Uebel, gerichtet, so gewahrte er nun, daß in der Natureinrichtung selbst ein ursprünglicher Riß und Mißstand sei. Der ideal strebende Mensch muß den Freuden des Lebens entsagen, und hat für seine Entbehrungen auch keinen zukünftigen Ersah zu erwarten. Es gibt keine höhere vergeltende Gerechtigkeit, schon deßwegen, weil es jenseits keine sinnlichen Freuden mehr geben kann. Diese Ideen hat der Dichter an die Leiden eines Individuums geknüpft, in welchem jeder sinnige Leser das Lebensschicksal des Verfassers deutlich genug erkennen wird.“

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Wenn dann Hoffmeister noch hinzufügt: Wie im Gedicht an die Freude der Sänger das Glück bewillkommt, nimmt er hier nach kurzer Selbsttäuschung schon wieder Abschied von ihm“, so ging dies aus der irrigen Annahme hervor, die Resignation sei im Jahr 1786 entstanden. Wir wissen aber jezt, daß das Gedicht 1784 aus seinen damaligen äußern und innern Bedrängnissen in Mannheim und besonders aus seinem leidenschaftlichen Verhältnisse zu Charlotte von Kalb entsprungen ist. Diese berichtet von einem im Herbst 1784 stattgefundenen heitern Mahl, woran außer ihr und ihrem Gatten sich Schiller und ein Major Hugo betheiligten. Indem hierbei Letterer einen Toast auf die ewige Jugend des Dichters ausbrachte, knüpfte er an den Vers der Resignation (Str. 2, V. 1) an: „Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder."

Was das Metrum betrifft, so hat Schiller hier, wie im vorhergehenden Gedichte, es mit der Zahl der Füße nicht ge= nau genommen; dies zeigt sich hier besonders im zweiten und im lezten Verse jeder Strophe. Der zweite in der Regel kurze Vers ist mehrmals sehr ausdrucksvoll angewandt, um einen be

deutsamen Gedanken oder eine inhaltschwere Anrede kurz und traftvoll hinzustellen, z. B. in Str. 2, 3, 4, 7, 8.

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Str. 1. Auch ich war mit der Aussicht, glücklich zu werden (V. 1) und mit Ansprüchen auf Glück (V. 2) geboren; doch Kummer und Entsagung waren das Loos meines kurzen Lebensfrühlings. Der erste Ursprung des geflügelten Wortes „Auch ich in Arkadien“, das Göthe auch seiner italiänischen Reise vor- let sezte, ist noch nachzuweisen; nach einem Briefe Schiller's an Körner (vom 8. Dezember 1787), worauf Borberger hinweist, scheint es lateinischen Ursprungs; „Er malt jeßt“, heißt es dort, I „eine Landschaft in Del zu dem et ego in Arcadia." Die Bewohner des alten Arkadien, der gebirgigen mittlern Provinz des Reise Peloponnes, lebten in glücklicher Unabhängigkeit und Einfachheit; sie waren leidenschaftliche Freunde von Poesie, Musit, Tanz und Festen.

Str. 2. Dem Menschen ist nur ein einmaliges Leben beschieden; das meinige neigt sich zum Ende, und der Todesgott löscht schon die Fackel meines Erdendaseins. Es liegt am nächsten, „des Lebens Mai“, wie vorher „der kurze Lenz“ (Str. 1, V. 5) auf die Jugendzeit zu beziehen; doch scheint der Dichter dabei an das ganze Leben gedacht zu haben, da als Abschluß das Niedertauchen der Lebensfackel hervorgehoben wird. stille Gott" (V. 3) ist der Genius des Todes, deffen Bilder bei den Alten das Gepräge der Ruhe und des Schweigens tragen. „Die Erscheinung“ (V. 5) ist das Leben, das dem Abscheidenden sich wie eine Traumerscheinung darstellt.

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Str. 3. Der Abgeschiedene steht bereits vor der geheimnißvollen, furchtbaren Ewigkeit und bringt ihr seinen Vollmachtsbrief zum Glücke unerbrochen zurück, d. h. er kommt aus dem Leben, ohne daß er die Ansprüche auf Glück und Genuß, die er beim Eintritt in dasselbe, wie jedes lebende Wesen, empfing (vgl. Str. 1, V. 3), zur Geltung hat bringen können. Was

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hier (V. 1) als der Ewigkeit „finstere Brücke“ bezeichnet wird, heißt im Geheimniß der Reminiscenz (Str. 2, V. 4) „meines Lebens Brücke" und in Kabale und Liebe (V, 1): „Die schreckliche Brücke zwischen Zeit und Ewigkeit“. In der Thalia lauten die beiden ersten Verse:

Da steh' ich schon auf deiner Schauerbrücke,
Ehrwürd'ge Geistermutter Ewigkeit!

und der lezte:

Mein Lauf ist aus; ich weiß von keiner Seligkeit.

Die Auffassung der Ewigkeit als Geistermutter motivirt besser den V. 3 Ich bring' ihn.. dir zurücke“. Dagegen ist das jezige Glückseligkeit" (V. 4) dem ältern Seligkeit" vorzuziehen; und die Kürzung der beiden correspondirenden Verse gibt dem Bau der Strophe etwas Ansprechenderes.

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Str. 4. Indem er vor dem Thron der geheimnißvoll verhüllten Ewigkeit seine Klage über die Entbehrung jedes Lebensgenusses anstimmt (V. 1 f.), hebt er zunächst die auf Erden („auf jenem Stern" V. 3) verbreitete, für den Entbehrenden trostreiche Lehre (frohe Sage") von einer Vergeltung in der Ewigkeit hervor. (V. 4 f.)

Str. 5. Hier in der Ewigkeit

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so lehrt man dort auf der Erde werde der Böse bestraft, der Redliche belohnt (V. 1 f.); selbst das in den tiefsten Herzenswinkeln verborgene Gute und Böse werde aufgedeckt (V. 3), das räthselhafte Walten der Vorsehung, die oft den Lasterhaften zu begünstigen, den Tugendhaften zu verfolgen scheint, werde hier im rechten Licht erscheinen, und dem Leidenden der gebührende Lohn nicht vorenthalten werden (V. 4 f.).

Str. 6. Hier, in seiner ursprünglichen Heimath (vgl. Str. 3, V. 2, wo die Ewigkeit nach der alten Lesart Geistermutter"

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genannt wird), ende so glaubt man auf der Erde - des dortigen Pilgers dornenvolle Bahn (V. 1 f.).

Bis dahin

(V. 2 einschließlich) spricht der Dichter von den herrschenden Ansichten über Unsterblichkeit und jenseitige Vergeltung. Mit V. 3 geht er zu der philosophischen Forschung über, „dem Götterkinde, das sie ihm Wahrheit nannten", womit nur wenige Menschen sich ernstlich befaffen und bekannt werden, das ihn aber auf seinem Lebenspfade schon im Jugendlenze nachdenkend stille stehn hieß. - Das Adjectiv rasch in V. 5 ist vom Leben auf den Zügel übertragen: Die Philosophie hielt den Zügel seines unbesonnen dahin eilenden Lebens an.

Str. 7 und 8. Auch das philosophische Nachdenken führte ihn zu dem Resultat, das Genuß und ideales Streben, Glück und Tugend nicht zu vereinigen sei, und der Mensch nur zwischen beidem die bange Wahl habe, daß aber desjenigen, der das bessere Theil wähle, für seine Opfer eine reiche Vergeltung harre. Er selbst hat auf die Mahnung des Götterkindes diese Opfer gebracht, hat seine Jugendfreuden (Str. 7) und sogar seine Jugendliebe (Str. 8) hingegeben. - „Weisung" (Str. 7, B. 3 f.) bezeichnet Anweisung, Schuldverschreibung. — „Wuchern“ (Str. 8, V. 3), reichliche Zinsen tragen, wie sie nur der Wucherer begehren kann.

In der Thalia schließt sich an Str. 8 noch folgende in die Gedichtsammlung nicht mit aufgenommene Strophe, die ganz dem Götterfinde in den Mund gelegt ist:

„Du fiehst die Zeit nach jenen Ufern fliegen,

Die blühende Natur

Bleibt hinter ihr, ein welker Leichnam, liegen.

Wenn Erd' und Himmel trümmernd auseinander fliegen,
Daran erkenne den erfüllten Schwur.“

Nach jenen Ufern" heißt: nach den Ufern der Ewigkeit. „Die

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