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blühende Natur u. s. w."; die fliehende Zeit läßt Alles, was in der Natur aufblüht, verwelft und verwesend hinter sich. „Trümmernd" steht intransitiv (zu Trümmer werdend) wie in der Phantasie an Laura (Str. 5):

Trümmernd auseinander springt das All

Die lezten Verse sagen: Wenn das Weltgebäude in Trümmer zerfliegt, das sei dir ein Zeichen, daß der von mir verheißene Tag der Vergeltung angebrochen ist. In diesen Versen lag wohl der Grund, warum der Dichter die Strophe später unterdrückte. Das Götterkind bezeichnet hier das Ende der Zeiten und der Dinge als die Epoche, wo es seinen Schwur erfüllen werde; und doch tritt derjenige, dem sie diese Weisung gab, unmittelbar nach seinem Tode, bevor noch der Tag der allge= meinen Vergeltung erschienen ist, vor die Richterin und fordert seinen Lohn.

Die nächsten fünf (in der Thalia sechs) Strophen bilden ein contrastirendes Gegenstück zu den vorhergehenden fünf (in der Thalia sechs). In den leztern hob er die trostreichen Religionsansichten und die Ergebnisse philosophischer Speculation hervor, die sein Vertrauen auf eine jenseitige Vergeltung ge= stärkt hatten; in den folgenden läßt er die glaubenleeren, genußsüchtigen Weltkinder reden, die seine Hoffnungen verhöhnt und sein Vertrauen zu erschüttern gesucht haben.

St. 9. Die Schuldverschreibung, die man dir gegeben, sprachen höhnisch die Weltkinder ist auf die Todten ausgestellt, welche dieselbe natürlich nicht acceptiren können. Die Religionslehrer und Philosophen, denen du folgtest, sind von Despoten gedungen worden, die sich ihrer bedienen, um die Menge zu betrügen und zu zähmen; sie boten dir Wahnbilder und Trugschlüsse für Wahrheit. Wenn die Verfallzeit des dir auf

das Jenseits aufgestellten Schuldscheins herangekommen ist, hast du aufgehört zu sein.

Str. 10. Wie! du zitterst vor dem Wahne, daß es eine Vergeltung gebe? Nur sein Alter ist es, was diesem Wahne den Schein der Ehrwürdigkeit leiht. Die Götter hat man ersounen, weil man sich sonst nicht die Mängel des Weltplans, zumal nicht die Disharmonien der sittlichen Weltordnung auszugleichen und zu rechtfertigen wußte; der Mensch fühlte sich so nothdürftig, so ohnmächtig in der umringenden gewaltigen Natur, daß sein Scharfsinn zur Selbstberuhigung die Götter erdachte. In der Thalia folgt hier die später unterdrückte Strophe:

„Ein Gaukelspiel, ohnmächtigen Gewürmen
Vom Mächtigen gegönnt,

Schreckfeuer, angesteckt auf hohen Thürmen,
Die Phantasie des Träumers zu bestürmen,
Wo des Gesetzes Fackel dunkel brennt.

Die religiösen Vorstellungen von einem vergeltenden Jenseits mit dem sich daran schließenden Cultusgepränge sind ein Gaukelspiel, das der Herrscher dem armen Pöbel gönnt; zugleich benußt er sie als Schreckfeuer, auf hohen Punkten angezündet, die auf die Phantasie gedankenlos hinbrütender Menschen da wirken sollen, wo das staatliche Gesez unzulänglich ist, d. h. welche die Menschen von solchen Vergehen zurückschrecken sollen, die des Gesezes Fackel nicht zu beleuchten vermag. Das Weglassen dieser Strophe erklärt sich wohl aus der Unklarheit ihrer Bilder.

Str. 11. Was können wir von der Zukunft wissen, worauf du pochst, da sie uns durch das dunkle Grab verdeckt wird, da Niemand einen Blick in die Finsterniß des Todes geworfen hat? Nur dieser Hülle wegen ist uns die Ewigkeit ehrwürdig. Sie mit ihren Schrecknissen besteht nur aus den vergrößert reflectirten Bildern unsrer eignen Schreden; der reflectirende Spiegel ist

unsere Gewissensangst, die als Hohlspiegel die Bilder riesenhaft zurückstrahlt. V. 3 heißt in der Thalia:

Ehrwürdig nur, weil schlaue Hüllen fie verstecken.

Str. 12. Was du im Fieberwahn Unsterblichkeit, Ewigkeit nennst, ist nur ein Scheinbild („Lügenbild“), das lebendige, wirkliche Gestalten nachahmt, ohne selbst Leben und Wirklichkeit zu haben. Es ist gleichsam „die Mumie der Zeit"; denn wie die Mumie zwar noch einen Schein eines lebenden Körpers gewährt, in der That aber des Lebens ganz ermangelt, und, weil sie in dem Zustande einer Erstarrung, einer Firirung der Stoffe sich befindet, noch einen höhern Grad von Leblosigkeit hat, als selbst der verwesende Körper: so ist auch die Ewigkeit nur ein Scheinbild der Zeitlichkeit, äußerlich das Wesenhafte und Wirkliche nachahmend, innerlich aber wesenlos und hohl. Das Einbalsamirungsmittel (Balsamgeist"), welches der Ewigkeit noch diesen Schein von Leben erhält, ist die Hoffnung; ihr haben wir es zu danken, wenn wir uns das Jenseits, das Reich des Todes nicht ganz leer, sondern noch wenigstens mit Schatten des Lebens bevölkert denken.

Str. 13. Aber diese Hoffnung wird von der Verwesung Lügen gestraft; was wir vom Menschen wahrnehmen, das sehen wir schwinden, verwesen; was berechtigt ans denn zur Hoffnung ewiger Fortdauer? Und für solche Hoffnungen brachtest du „ge= wisse Güter“ zum Opfer, Güter, welche das Leben, der Augenblick, die Gegenwart bietet? So weit das Alter des Menschenge= schlechts hinauf reicht, ist keiner aus dem Grabe zurückgekehrt, deine Hoffnung zu bestätigen.

Mit dieser ganzen Partie (Str. 9-13) stimmt folgende Stelle aus Schiller's Geisterseher in vielen Hauptgedanken zusammen: Zukunft! Ewige Ordnung! - Nehmen wir hinweg, was der Mensch aus seiner eigenen Brust genommen und seiner

eingebildeten Gottheit als Zweck, der Natur als Gesez untergeschoben hat, — was bleibt uns dann übrig? Was mir vorherging und was mir folgen wird, sehe ich als zwei schwarze undurchdringliche Decken an, die an beiden Grenzen des menschlichen Lebens herunterhangen, und welche noch kein Lebender aufgezogen hat. Schon viele hundert Generationen stehen mit der Fackel davor, und rathen und rathen, was etwa dahinter sein möchte. Viele sehen ihren eigenen Schatten, die Gestalten ihrer Leidenschaft, vergrößert auf der Decke der Zukunft sich bewegen, und fahren schaudernd vor ihrem eigenen Bilde zusammen. Dichter, Philosophen, Staatenstifter haben sie mit ihren Träumen bemalt, lachender oder finsterer, wie der Himmel über ihnen trüber oder heiterer war; und von weitem täuschte die Perspective. Auch manche Gaukler nüßten diese allgemeine Neugier und sezten durch seltsame Vermummungen die gespannten Phantasien in Erstaunen. Eine tiefe Stille herrscht hinter dieser Dede; Reiner, der einmal dahinter ist, antwortet hinter ihr herbor. Alles was man hörte, war ein hohler Wiederschall der Frage, als ob man in eine Gruft gerufen hätte."

Str. 14 und 15 find zwei Uebergangsstrophen, welche die ein Ganzes bildenden drei Schlußstrophen vorbereiten. Der Ab= geschiedene legt darin sein eigenes Verhalten auf Erden gegen= über den streitenden Meinungen der Mitlebenden dar: er sah die Zeit unaufhaltsam nach den Ufern der Ewigkeit enteilen, jah überall Tod und Verwesung um sich her, sah keinen Gestorbenen aus dem Grabe wiederkehren, und baute dennoch vertrauensvoll auf das Wort des Götterkindes (Str. 14). Alles irdische Glück brachte er zum Opfer dar, und hielt, den Spott der Menge nicht achtend, nur die ewigen Güter hoch; und so fordert er denn von der verhüllten Ewigkeit, die er als „Vergelterin" auffaßt, seinen Lohn (Str. 15).

Str. 16-18. Statt ihrer antwortet ihm ein unsichtbarer

Genius, den wir uns wohl als den Schußgenius der Menschenwelt zu denken haben: Alle Menschen liebe ich mit gleicher Liebe und stelle ihnen die Wahl zwischen zwei Gütern, zwischen Hoffnung (oder Glauben) und Genuß (Str. 16). Wer das eine wählt, muß auf das andere verzichten. Wer nicht glauben kann, der möge den Genuß wählen; wer glauben kann, der entsage dem Genuß (Str. 17). Du, der du den Glauben gewählt, hast aber mit ihm auch deinen Lohn bereits empfangen; er war das dir zugewogne Glück. Die wahrhaft weisen Männer der Erde hätten dich belehren können, daß den Genuß, den man in der gegenwärtigen Minute versäumt, keine Ewigkeit zurückzubringen oder zu ersehen vermag (Str. 18). — Zwischen diese so einfach und klar sich aneinander reihenden Gedanken treten in Str. 13, V. 3-5 zwei ein, deren Zusammenhang mit dem Ganzen minder einleuchtend hervortritt:

Genieße, wer nicht glauben kann. Die Lehre

Ist ewig wie die Welt. Wer glauben kann, entbehre.
Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.

Das Anstößige und Irreführende der beiden durch den Druck hervorgehobenen Säße liegt meines Erachtens darin, daß man durch ihre Stellung verleitet wird, beide im Anschluß an den unmittelbar vorhergehenden Saß aufzufassen und ihnen ein gleiches Verhältniß zu demselben zuzuschreiben, während in der That nur der erstere (die Lehre ist ewig wie die Welt", d. h. diese Lebensmarime gilt, so lange die Welt dauert) sich an den vorhergehenden Sat („Genieße, wer nicht glauben kann") schließt, der zweite dagegen („Die Weltgeschichte u. s. w.“) auf den Inhalt der folgenden Strophe vorausdeutet. Die nächstliegende Auffassung dieses Sazes ist doch die: Für die Menschenwelt bildet ihre Geschichte auch ihr Gericht; der Mensch darf nur in dem, was auf Erden geschieht, was er hier erlebt und empfindet,

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