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nun mit den Zuschauern im Theater noch eine Zeit lang dem Eindruck des grausig prächtigen Chorgesanges hin, und werden durch den plöglich in die Stille hereinschallenden Ruf des Mörders um so mehr überrascht, je tiefer wir uns in die ernsten Gefühle versenkt hatten.

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Str. 20. Ehe ich Schiller's Briefwechsel mit Göthe kannte, hegte sich, obwohl der Ton des Zurufs V. 3 f. mich befremdete, keinen Zweifel, daß der Ausruf des Mörders ihm durch die Seelenangst, in die ihn der Erinyenchor in Verbindung mit den zufällig erscheinenden Kranichen versehte, entrissen worden sei. Um so mehr überraschte mich Schiller's eigene Erklärung über die Gemüthsstimmung des Mörders: „Das Stüd hat ihn zwar nicht eigentlich gerührt und zerknirscht, das ist meine Meinung nicht; aber es hat ihn an seine That und also auch an das, was dabei vorgekommen, erinnert; fein Gemüth ist davon frappirt, die Erscheinung der Kraniche muß ihn also in diesem Augenblicke überraschen. Er ist ein roher, dummer Kerl, über den der momentane Eindruck alle Gewalt hat; der laute Ausruf ist unter diesen Umständen natürlich." Ich gestehe, daß durch eine solche Auffassung diese Partie des Stücks für mich an Interesse und Bedeutung viel einbüßt. Macht es nicht einen unangenehmen Eindruck, gerade in dem Mörder, auf dessen Zerknirschung das Chorlied berechnet scheint, eine Ausnahme von der ergreifenden Wirkung des Gefanges wahrzunehmen, welche der Dichter vorher als so allgemein dargestellt hat („Jede Bruft bebet und huldiget der furchtbarn Macht u. s. m.")? Ja, es scheint, daß sich der Dichter den Mörder nicht sowohl durch die Macht der Poesie in dem erhabenen Chorgesange, als durch die dramatische Handlung (er sagt „das Stück“) getroffen, oder vielmehr an die Mordthat erinnert“ dachte, als habe er eines Raubmörders Herz nothwendig zu verhärtet geglaubt, um für den Zauber der Poesie empfänglich zu sein. Aber wird dadurch

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(nicht unser Begriff von der Macht des Gesanges, vor der „jede Larve fällt, jedes Werk der Lüge schwindet," herabgestimmt? Steigert es nicht dagegen unsere Idee von den Wirkungen der dramatischen Kunst zu einer erhabenen Höhe, wenn wir selbst den rohen Raubmörder durch die Lebendigkeit und Kraft verwirrt und zermalmt sehen, womit sie den in seinem Busen ge= feffelten Furien ihm vor die äußern Sinne führt? Mag Schiller immerhin des Mörders Gemüthszustand in der oben angegebenen Art sich vorgestellt haben, so weit meine Beobachtung reicht, fand ich bei unbefangenen Lesern keine andere Auffassung, als daß finnverwirrende Herzensangst, durch den „markverzehrenden“ Gefang der Erinyen erzeugt, dem Mörder den verrätherischen Ruf entpreßte. „Auf den höchsten Stufen" (V. 1) hat · der Dichter mit besonderer Absicht gesagt. Da ich," schrieb er an Göthe, den Mörder oben sizend annehme, wo das gemeine Volk seinen Plaz hat, so kann er erstlich die Kraniche früher sehen, ehe sie über der Mitte des Theaters schweben; dadurch gewinne ich, daß der Ausruf der wirklichen Erscheinung der Kraniche vorhergehen kann, woran hier viel ankommt, und daß also die wirkliche Erscheinung derselben bedeutender wird. Ich gewinne zweitens, daß er, wenn er oben ruft, besser gehört werden kann; denn nun ist es gar nicht unwahrscheinlich, daß ihn das ganze Haus schreien hört, wenn gleich nicht Alle seine Worte verstehen." Den zweiten Gewinn möchte ein Akustiker schwerlich gelten lassen; die Stille, die „wie des Todes Schweigen" in diesem Augenblick über dem ganzen Hause ruht, läßt Alle den Schrei des Mörders bernehmen.

Str. 21. Wir sehen hier, daß Schiller Göthe's Wünsche in Betreff der Art, wie das Volk auf die Mörder aufmerksam zu machen sei, unerfüllt gelassen hat. „Laffe ich," antwortete den Ausruf des Mörders nur von den nächsten

er Göthe'n,

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Zuschauern gehört werden, und unter diesen eine Bewegung entstehen, die sich dem Ganzen nebst ihrer Veranlassung erst mittheilt, so bürde ich mir ein Detail auf, das mich hier, bei so ungeduldig forteilender Erwartung, gar zu sehr embarrassirt, die Masse schwächt und die Aufmerksamkeit theilt." Später fügte er noch hinzu: „Dem Eindruck selbst, den seine Exclamation macht, habe ich noch eine Strophe gewidmet; aber die wirkliche Entdeckung der That, als Folge jenes Schrei's, wollte ich mit Fleiß nicht umständlicher darstellen."

Str. 22 ist die eben erwähnte neu hinzugekommene Strophe, die den Eindruck der Exclamation" des Mörders auf die Hörer schildert.

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Str. 23. Man hat neuerdings den Schluß als ganz übereilt" bezeichnet. Schiller gibt auf diesen Vorwurf selbst die Antwort in dem zuletzt angegebenen Briefe: Sobald der Weg zur Auffindung des Mörders geöffnet ist und das leistet der Ausruf nebst dem darauf folgenden verlegenen Schrecken so ist die Ballade aus; das Andere ist nichts mehr für den Poeten."

"So ist also," schließen wir mit Hoffmeister's Worten, „das zur Wahrheit geworden, was der Dichter schon vor acht Jahren in den Künstlern:

Vom Eumenidenchor geschrecket,

Beigt sich der Mord, auch nie entdecket,
Das Loos des Todes aus dem Lied

von der Dichtkunst rühmte; und er hat diese lang in ihm schlummernde Idee in der Ballade auf eine herrliche Weise dargestellt." Gewiß, Welker schlägt den Werth des Stüdes nicht hoch genug an, wenn er es unterhaltend, rührend, aber (weil es das Wunderbare in's Natürliche herabziehe) nicht mehr an sich bedeutsam, noch erschütternd und warnungsvoll"

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nennt. Schiller hat freilich auf das Wunderbare im gewöhnlichen Sinne des Wortes verzichtet, aber das ächte Wunderbare in der Menschenbrust, das auch der gereifte Verstand, das aufgeklärteste Zeitalter anerkennen muß, aber nicht deuten kann, die Herzensunruh, die den am Leben seines Mitmenschen Frevelnden ergreift und foltert, bis sie ihn zum Geständniß der Unthat zwingt, dasjenige Wunderbare, welches doch zulezt die Wurzel des Wunderbaren im Volkssinne ist, hat der Dichter um so wahrer und treffen, der veranschaulicht. Das Gedicht ist bedeutsam, indem es zeigt, daß Alles, was die Tiefe des menschlichen Herzens aufzuregen im Stande ist, wie Musik, Poesie, Kunst überhaupt, auch die tiefversenkte Blutschuld an die Oberfläche lockt und verräth; das Gedicht ist erschütternd, indem es die Qualen des schuldbeladnen Gemüthes furchtbar versinnlicht; es ist warnungsvoll, indem es darthut, daß dasjenige, worin der reine Mensch einen erhabenen Genuß findet, den Frevler mit der höchsten Gefahr bedroht.

Auch Körner's Ausstellungen an dem Gedicht darf man nicht gelten lassen. Wie am Ring des Polykrates, so tadelt er auch hier eine gewiffe Trockenheit" und vermißt eine menschliche Hauptfigur, welche die Beleuchtung auf sich concentrire. Den armen Jbykus, meint er, habe man über der lebendig geschilderten griechen Volksversammlung und dem tragischen Chor ganz vergessen, wenn seine Kraniche gezogen kommen. Vielmehr hat Schiller unser Interesse für den Jbykus hinreichend lebhaft zu erregen und zu unterhalten gewußt, wenn er ihn gleich bald nach seinem Auftreten sterben läßt. Auf ächt poetische Weise hat er seine Bedeutsamkeit durch den Eindruck veranschaulicht, den die Todeskunde auf alle Griechen macht. Und der tragische Chor entrückt ihn keineswegs ganz unserm Gefühl; besteht doch dieser Chor aus den bluträchenden Eumeniden, die ein drohendes Wehe ausrufen über den, der des Mordes schwere That vollbracht.

Abweichender Lesarten sind nur wenige zu bemerken. Im Manuscript der projectirten Prachtausgabe der Gedichte ist der Zusah zur Ueberschrift „Ballade“ ausgestrichen. Ebendaselbst hat Schiller eigenhändig in Str. 12, V. 8 Von Theseus Stadt" in Von Kekrops Stadt," und in Str. 15, V. 4 ,,um den Sünder" in um den Frevler" verändert. Im Musenalmanach für 1789 beginnt Str. 1, V. 7 „So wandert er" (statt „So wandert' er“) und in Str. 8, V. 3 steht bei Neptunus (statt Poseidons) Feste."

57. Hero und Leander.

1801.

Die in der ersten Ausgabe dieses Commmentars ausgesprochene Vermuthung, daß unsere Ballade um die Mitte Juni 1801 entstanden sei, hat sich seitdem durch Schiller's Notizenbuch` bestätigt. Hiernach wurde sie am 17. Juni beendigt und am 19. an Cotta als Beitrag zum Taschenbuch für Damen abge= fandt. Am 28. schrieb Schiller an Göthe: „Das kalte Wetter vor vierzehn Tagen hat meine Gesundheit angegriffen und meinem Fleiß gefchadet. Für Cotta habe ich indeß doch eine Ballade Leander und Hero wirklich zu Stande gebracht.“ Göthe antwortete: „Auf Hero und Leander bin ich recht neugierig -" und dies begreift sich um so leichter, als er selbst vor Jahren (im Mai 1796) eine poetische Bearbeitung der betreffenden Sage beabsichtigt hatte.

Schiller war vermuthlich schon längst durch Ovid's Heroiden und Virgil's Georgifa (III, 258 ff.) auf den Stoff aufmerksam geworden. Die Ovid'schen Heroiden Hero an Leander und Leander an Hero sind nach der Weise dieses Dichters breit, üppig, voller Wigeleien, aber auch reich an schönen Ein

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