ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

eigenmächtigen Willen unterordnend, kann sie tausend Bedürfnisse des Geistes und Herzens befriedigen, die der Mann zum Schweigen bringen muß. Und so ist sie auch reicher als er, ungeachtet ihm die endlosen Felder der Wissenschaft zu Thätigkeit und Genuß offen stehen. Der Beruf der Frau nimmt alle Kräfte des Geistes und Gemüthes gleichmäßiger in Anspruch und gewährt somit eine größere Mannigfaltigkeit von Anregungen, als der des Mannes. Ist doch schon das Haus, ihr Herrschgebiet, ein kleiner Staat, der seinen Gesetzgeber, Richter und Verwalter erfordert. An Varianten aus dem Musenalmanach

sind zu bemerken:

V. 31. Pflegen sie sorgsam mit liebendem Fleiß,

V. 33. Reicher als er in des Denkens Bezirken.

Nach V. 34 folgt im Musenalmanach zunächst folgende später ausgeschiedene Doppelstrophe:

Seines Willens Herrschersiegel

Drückt der Mann auf die Natur;
In der Welt verfälschtem Spiegel
Sieht er seinen Schatten nur.
Offen liegen ihm die Schätze
Der Vernunft, der Phantasie;
Nur das Bild auf seinem Netze,
Nur das Nahe kennt er nie.

Aber die Bilder, die ungewiß schwanken
Dort auf der Fluth der bewegten Gedanken
In des Mannes verdüstertem Blick,
Klar und getreu in dem sanfteren Weibe
Zeigt sie der Seele krystallene Scheibe,

Wirst sie der ruhige Spiegel zurück.

Daß Schiller diese Doppelstrophe wegließ, war wohl darin begründet, daß ihm später der ganze Gedanke und noch mehr einzelne Ausdrücke mißfielen. Besonders tadelnswerth scheinen.

"

mir die Verse In der Welt verfälschtem Spiegel u. f. w." und „Nur das Bild auf seinem Neze." Mit Recht fragt Jean Paul in Beziehung auf das Lettere: „Was ist denn jedes Sehen Anderes?" Und die Welt, als ein verfälschter Spiegel gedacht, worin nur des Mannes Schatten erscheint, ist doch ein unflarer Gedanke; der Mann erblickt vielmehr die Welt in dem verfälschenden Spiegel feines aufgeregten Innern, und daher sieht er sie verzerrt, während die flare Seele des Weibes sie tren wiederspiegelt. Der Sinn des Ganzen ist offenbar: Der Mann ist nicht im Stande, Natur und Welt rein objectiv aufzusassen, er sieht sie, wie er sie zu sehen wünscht, drückt ihnen das Gepräge seines Willens, seines Strebens, seiner Ideale auf. Er, der in Wissenschaft und Kunst, in Speculation und Poesie einen so eminenten Scharfblick und eine so reiche Fülle des Geistes zeigt, ist doch unfähig, die Wirklichkeit und Gegenwart, die alltägliche nächste Umgebung richtig und unparteiisch zu würdigen. Die reinere, ruhigere Seele des Weibes aber ist ein getreuer Spiegel der Welt und ihrer Erscheinungen.

V. 35-48. Dritte Doppelstrophe: Der Mann kennt nicht die Süßigkeit der Sympathie, und sein von Natur schon härter angelegtes Herz wird durch die Lebenskämpfe, die er zu bestehen hat, nur noch mehr gehärtet; während die Frau zartes Mitgefühl und besonders Theilnahme an fremden Leiden bewahrt. Wenn auch der Dichter in der Stimmung begeisterter Vorliebe für die Frauen, der das Gedicht entfloß, dem Manne Unrecht thut, indem er ihm alles Mitgefühl abspricht, so ist es doch wahr, daß beim Manne nicht, wie beim Weibe, fremdes Leiden, fremder Schmerz sich sogleich der ganzen Sinnlichkeit bemächtigt (,,Nicht in Thränen schmilzt er hin"). Er würde es als eine Entwürdigung seines Wesens ansehen, wenn seine sinnliche Erregbarkeit so wenig dem falten, ernsten Vernunftgefeß unter geordnet wäre, daß ihm sogleich, und wäre es auch durch das

Leiden theurer Angehörigen, Thränen entpreßt würden. Dazu
fommt, daß sein Beruf, seine Beschäftigungen, seine ganze Lebens-
richtung immer mehr die Sympathie in ihm abstumpfen. Wie
oft begegnen ihm starr wider ihn auftretende Charaktere, gegen
die er sich rüsten und wehren muß, indeß die Frau in ihrer
Lebenssphäre, die sich nicht weit über Angehörige und Freunde hin-
aus erstreckt, mehr Liebe gibt und findet! Wie oft muß der Mann,
wenn er bei seinen Entwürfen ein großes Ganze im Auge hat,
für das Wohl und Wehe der Einzelnen, selbst der Seinen, das
Herz verschließen! Auch wird oft die Einseitigkeit seiner Beschäf-
tigung, die niederdrückende Einförmigkeit seines Berufs, der ewig
nur eine oder ein paar Geisteskräfte in Anspruch nimmt, während
er die übrigen Anlagen des Innern ohne Nahrung läßt, immer
mehr dazu beitragen, die Fülle des Gemüths und die Empfäng-
lichkeit des Herzens zu zerstören. Bei der Charakteristik der
Frau hat der Dichter absichtlich die körperliche Aeußerung
des Mitgefühls („Wallet der liebende Busen u. s. w.") hervor-
gehoben, weil die größere Anlage des weiblichen Geschlechts zur
Sympathie auf seiner feinern und zartern Organisation beruht.
„Der zärtliche weibliche Bau empfängt jeden Eindruck schneller“
sagt Schiller anderswo (. unten die Stelle aus der Abhandlung
über Anmuth und Würde); „die zarte Fiber des Weibes neigt
sich wie dünnes Schilfrohr unter dem leisesten Hauch des Affec-
tes."
Den ersten, trochäischen Theil der Doppelstrophe hat
Schiller später größtentheils umgebaut; im Musenalmanach
lautet er:

Immer widerstrehend, immer
Schaffend, kennt des Mannes Herz
Des Empfangens Wonne nimmer,
Nicht den süß getheilten Schmerz,
Kennet nicht den Tausch der Seelen,
Nicht der Thränen sanfte Lust;

Selbst des Lebens Kämpfe ftählen
Fester seine feste Brust.

V. 49-62. Vierte Doppelstrophe: In der Männerwelt herrscht das Recht der Stärke, herrscht leidenschaftliche Fehde, waltet Eris, die Göttin der Zwietracht. Wo aber die Frauenwelt Zutritt hat im Gesellschaftsleben, da waltet Charis, die Huldgöttin, da gelten die Geseße der Sitte, da wird die entglimmende Zwietracht durch sanft überredende Bitte niedergehalten, und die Gegenfäße der Gesinnungen und der Charaktere verbergen sich in den freundlichen Formen des Anstandes und der conventionellen Sitte. Im Musenalmanach lautet V. 2 dieser Strophe (V. 50):

Gilt der Stärke stürmisch Recht.

An den jezigen Schluß des Gedichtes reihen sich im Musenalmanach noch folgende drei Doppelstrophen :

Seiner Menschlichkeit vergessen,
Wagt des Mannes eitler Wahn
Mit Dämonen fich zu messen,
Denen nie Begierden nahn.

Stolz verschmäht er das Geleite

Leise warnender Natur,

Schwingt sich in des Himmels Weite

Und verliert der Erde Spur.

Aber auf treuerem Pfad der Gefühle
Wandelt die Frau zu dem göttlichen Ziele,
Das sie still, doch gewisser erringt,
Strebt auf der Schönheit geflügeltem Wagen
Zu den Sternen die Menschheit zu tragen,
Die der Mann nur ertödtend bezwingt.

Auf des Mannes Stirne thronet
Hoch als Königin die Pflicht;

Doch die Herrschende verschonet
Grausam das Beherrschte nicht.
Des Gedankens Sieg entehret
Der Gefühle Widerstreit ;
Nur der ew'ge Kampf gewähret
Für des Sieges Ewigkeit.

Aber für Ewigkeiten entschieden

Ist in dem Weibe der Leidenschaft Frieden:
Der Nothwendigkeit heilige Macht
Hütet der Züchtigkeit köstliche Blüthe,
Hütet im Busen des Weibes die Güte,
Die der Wille mur treulos bewacht.

Aus der Unschuld Schooß gerissen,
Klimmt zum Ideal der Mann
Durch ein ewig streitend Wissen,
Wo sein Herz nicht ruhen kann,
Echwankt mit ungewissem Echritte,
Zwischen Glück und Recht getheilt,
Und verliert die schöne Mitte,
Wo die Menschheit fröhlich weilt.
Aber in findlich unschuldiger Hülle
Birgt sich der hohe geläuterte Wille
In des Weibes verklärter Gestalt.
Aus der bezaubernden Einfalt der Züge
Leuchtet der Menschheit Vollendung und Wiege,
Herrschet des Kindes, des Engels Gewalt.

Die Unterdrückung dieser Strophen erklärt sich nicht genügend aus späterer Mißbilligung einzelner Ausdrücke, die nicht hin reichend bezeichnend sind. Eher könnte man vermuthen, daß dem Dichter das Parallelisiren oder vielmehr Contrastiren zu Lange fortgesetzt schien. Es läßt sich auch nicht läugnen, eine durch ein ganzes Gedicht in genau gleichbleibender Form durchgeführte Antithese, wie wir eine ähnliche in dem Gedicht Das

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »