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Aber hast du die Alpenwand des Jahrhunderts gespalten,
Die zwischen dir und mir finster und traurig sich thürmt?
Hast du von deinem Herzen gewälzt die Wolke des Nebels,
Die von dem wundernden Aug' wälzte der fröhliche Strahl?
Ewig umsonst umstrahlt dich in mir Joniens Sonne;

Den verdüsterten Sinn bindet der nordische Fluch.

Man sieht, es spielt durch diese Distichen zugleich der Gedanke hindurch, daß die uns von der Antike trennende Weltanschauung unserer Tage auf der uns umgebenden nordischen Natur beruhe. A. W. Schlegel fragt in seiner Beurtheilung des Gedichtes: „Sollten die Einflüsse des Himmels, wie sehr auch die menschliche Organisation im Allgemeinen von ihm abhängen mag, für den einzelnen Menschen wirklich so ganz unüberwindlich sein?" Ohne Zweifel statuirte Schiller für Einzelne eine Ausnahme; diès zeigt schon sein Epigramm Der griechische Genius an Mayer in Italien. Er glaubte aber, daß sich für solche nur auf rationalem Wege" der nordische Fluch lösen lasse, und das spätere Bekanntwerden mit griechischer Kunst und Natur die Befreiung vollenden, nicht aber allein bewirken könne. Etwas Anderes sei es, wenn man die entscheidenden Jahre der ersten Geistesentwickelung auf claffischem Boden verlebt habe. „Wären Sie als ein Grieche“, schrieb er den 23. August 1794 an Göthe, „ja nur als ein Italiener geboren, und hätte schon von der Wiege an eine auserlesene Natur und eine idealisirende Kunst Sie umringt, so wäre Ihr Weg unendlich verkürzt, vielleicht ganz überflüssig geworden. Schon in die erste Anschauung der Dinge hätten Sie dann die Form des Nothwendigen aufgenom= men, und mit Ihren ersten Erfahrungen hätte sich der große Styl in Ihnen entwickelt. Nun, da Sie ein Deutscher geboren find, da 3hr griechischer Geist in diese nordische Schöpfung ge= worfen wurde, so blieb Ihnen keine andere Wahl, als entweder selbst zum nordischen Künstler zu werden, oder Ihrer Imagi

nation das, was ihr die Wirklichkeit vorenthielt, durch Nachhülfe der Denkkraft zu erseßen, und so gleichsam von innen heraus und auf einem rationalen Wege in Griechenland zu gebären. In derjenigen Lebensepoche, wo die Seele sich aus der äußeren Welt ihre innere bildet, von mangelhaften Gestalten umringt, hatten Sie schon eine wilde und nordische Natur in sich aufgenommen, als Ihr siegendes, seinem Material überlegenes Genie diesen Mangel von innen entdeckte und von außen her durch die Bekanntschaft mit der griechischen Natur davon vergewissert wurde; und so mußten Sie die alte, Ihrer Einbildungskraft schon aufgedrungene schlechtere Natur nach den bessern Mustern, welche Jhr bildender Geist sich erschuf, corrigiren."

88. Die Sänger der Vorwelt.

1795.

Im lezten Viertel des Jahres 1795 entstanden, erschien unser Gedicht im zwölften Stück der Horen jenes Jahrs unter dem Titel: Die Dichter der alten und neuen Welt, wodurch bestimmter, als durch die jetzige Ueberschrift, auf den Contrast hingedeutet wurde, auf dem dieses Gedicht, wie so manches andere von Schiller, aufgebaut ist. Da jedoch die Betrachtung des Alterthums darin vorwiegt, so durfte später die schon durch ihre Kürze gefälligere jezige Ueberschrift um so eher substituirt werden, als bei der Umarbeitung des Stücks noch einige den neuern Dichter charakterisirende Züge weggefallen

waren.

Das Gedicht rühmt das glückliche Verhältniß des Sängers der Vorwelt zu seinem Volke im Vergleich mit der freud- und anregungslosen, einsamen Stellung des neuern Dichters. Es

lehnt sich gewissermaßen an die Abhandlung über naive und sentimentalische Dichtung an, worin Schiller aus der Eigenthümlichkeit beider Dichtungsarten nachweist, warum die alte oder naive Poesie ein Kind des Lebens, die neuere oder sentimentalische ein Sprößling der Einsamkeit sei. Unser Dichter sieht sich jezt vergebens nach den Sängern um, die, wie jene des Alterthums, nicht für Leser ihre Gedichte schrieben, sondern sie mündlich einem oft aus mehreren Völkerstämmen zusammengesezten Kreise begierig lauschender Zuhörer vortrugen (V. 1 f.), welche die Götter durch ihren Gesang vom Olymp herunterlockten und die Menschen zu himmlischen, idealischen Genüffen erhoben (V. 3 f.). Ist etwa das ächte Dichtergenie von der Erde verschwunden, daß jezt solche Begeisterung nicht mehr aufkommt? Nein, es fehlt nicht an Sängern, sondern an würdigen Gegenständen des Gesanges und an Empfänglichkeit von Seiten des Volkes (V. 5 f.). Warum jezt nicht mehr Volksdichter (V. 7 f.) in jenem Sinne, wie es Homer seinem Weltalter war, zu finden sind, hat Schiller in seiner Recension über Bürgers Gedichte entwickelt: „Unsere Welt ist die Homerische nicht mehr, wo alle Glieder der Gesellschaft im Empfinden und Meinen ungefähr dieselbe Stufe einnahmen, sich also gleich in derselben Schilderung erkennen, in denselben Gefühlen begegnen konnten. Jezt ist zwischen der Auswahl der Nation und der Masse derselben ein sehr starker Abstand u. s. w." Den Alten galt die Begeisterung des Künstlers für unmittelbare Einwirkung einer Gottheit (èvGovoraoμòs), und somit sein Werk für ein göttliches, daher es denn in religiöser Stimmung mit der Ehrfurcht, die man den Göttern selber zollte, aufgenommen wurde (V. 9 f.). Wie der Kreis der Zuhörer damals von des Sängers Lied begeisternd angeregt wurde, so wirkte hinwieder die Begeisterung der Zuhörer anregend auf den Sänger zurück (V. 11 f.). Die lebhaften Aeußerungen der Theilnahme, die mit der Wärme jugendlich empfindender, mit

der Energie füdlicher Nationen ausgedrückten Beifallsbezeugungen entflammten des Dichters Gefühle zu höherer Gluth, wirkten aber zugleich reinigend (V. 13 f.). Denn wo, wie im alten Griechenland, die Dichter für das ganze Volk fangen, wo die Poesie jedes Volksfest verherrlichte, wo die Meisterwerke der bildenden Kunst nicht in Museen verschlossen waren, sondern auf öffentlichen Pläßen, in Tempeln und Hainen dem Volke zur Schau standen, und wo so der Sinn für's Schöne im ganzen Volke geweckt und entwickelt war: da brauchte der Dichter seine Zuhörer nicht erst, wie der neuere, zu sich zu erheben; er konnte seinen Geschmack, sein Urtheil an dem gefunden, allgemeinen Volksgefühl prüfen, bilden und läutern. Klarer wird noch dies ungleiche Verhältniß des alten und neuern Dichters zu seinem Publikum aus dem Unterschied der naiven und sentimentalischen Dichtung. Da die Dichter des Alterthums, als naive Dichter, bloß der einfachen Natur und der Empfindung zu folgen hatten, so durften sie auch die unverdorbene Natur ihrer Umgebung als Richterin anerkennen (V. 15), wogegen der neuere Poet, als sentimentalischer Dichter, gerade in seinen eigensten und erhebendsten Schönheiten der einfältigen Natur nichts zu sagen und von ihr nichts zu erwarten hat, sondern die Normen der Schönheit, die reinen Geseze derselben, die Ideale, „die himmlische Gottheit" (V. 16) in seinem tiefsten Busen suchen und inmitten der völlig undichterischen Wirklichkeit sich mühsam verdeutlichen muß.

Die Horen bieten folgende Varianten, respect. Zusäße:

V. 5 f.

V. 8.
V. 9.

V. 11.

Ach, die Sänger leben noch jezt; nur fehlen die Thaten,
Würdig der Leier, es fehlt ach! ein empfangendes Ohr.
Flog, von Geschlecht zu Geschlecht, euer empfundenes Lied!
Jeder, als wär' ihm ein Sohn geboren, empfing mit
Entzücken,

An der Glut des Gesanges entbrannten des Hörers Gefühle,

Stimme der weisen Natur neues Orakel noch klang,

Dem noch von außen das Wort der richtenden Wahrheit erschallte,

V. 14.
V. 15 f.

Das der Neuere faum

kaum noch im Busen vernimmt.

Dann folgen in den Horen noch die zwei Distichen:

Weh ihm, wenn er von außen es jetzt noch glaubt zu vernehmen,
Und ein betrogenes Ohr leiht dem verführenden Ruf!
Aus der Welt um ihn her sprach zu dem Alten die Muse,
Kaum noch erscheint sie dem Neu'n, wenn er die seine

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vergißt.

Das erstere dieser Distichen beklagt die neuern Dichter, die thöricht genug sind, auf die Stimme des Publikums viel zu geben, ein Gedanke, der bei Schiller mehrfach wiederkehrt. „Vielen gefallen ist schlimm," sagt er in einem Epigramm, und der sicherste Weg zur Mittelmäßigkeit, lehrt er in einem andern, sei ängstliche Vermeidung all der Fehler, vor denen die Kunstrichter warnen.

89. Die Antiken zu Paris.

1800.

Dieses Gedicht, der metrischen Form nach ein Pendant zu dem ungefähr gleichzeitig entstandenen Die deutsche Muse (Nr. 76), dem Grundgedanken nach mit Nr. 87 verwandt, hing mit dem Interesse für bildende Kunst, welches Göthe auf einige Zeit in Schiller weckte, und mit des Letztern Theilnahme an Göthe's Propyläen zusammen. Es ist ein Zornwort gegen die siegreichen französischen Republikaner, welche damals, nicht sowohl aus Liebe zur Kunst als aus Nationaleitelkeit, Kunstschäße aus allen besiegten Ländern, besonders aus Italien wegschleppten, um sie zu Paris in prächtigen Museen aufzustellen. Schon früher, den 23. Januar 1798, schrieb Schiller an Göthe:

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