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Neuerdings hat man an dem Gedicht Manches ohne Grund getadelt und Klares durch Interpretation verdunkelt. So soll V. 2 sagen, daß die Mutter das Kind bald in den rechten, bald in den linken Arm nehme; man will es nicht gelten lassen, daß die Mutter das Leben des Kindes mit ihrem eigenen Leben“ nähre (V. 7) und erklärt den „schönen Ring“ (V. 11) als den „von der Natur bestimmten Kreis". Nur in V. 8 läßt sich mit Recht der Ausdruck „bis bei der Leidenschaft Ruf u. s. w.“ als auffällig bezeichnen, da er auf eine zu weit entlegene Entwickelungsperiode hinweist. In den Horen 1795, worin das Gedicht zuerst erschien, lauten V. 5-7:

Hast du eine Mutter gesehn, wenn sie Schlummer dem Kinde
Kauft mit dem eigenen Schlaf, und für das Sorglose sorgt,
Nährt mit ihrem eigenen Leben die zitternde Flamme u. s. w.

100. Die Worte des Glaubens.

1797.

In Betreff der strophischen Form dieses gegen die Mitte des Jahrs 1797 entstandenen Gedichtes weisen wir auf die Vorbemerkungen zu Nr. 75 „Hoffnung" zurück. Im vorliegenden Stück werden, wie Hoffmeister sagt, „die Resultate einer tiefsinnigen Philosophie dem Kindersinne faßlich gemacht." Kant hatte nachgewiesen, daß für Willensfreiheit, Tugend, Unsterblichkeit der Seele und Dasein Gottes keine Beweise möglich find, aber unabweisliche Forderungen unseres Gemüthes diese Ideen mit Nothwendigkeit hervorrufen. Daher spricht der Dichter hier von Worten des Glaubens, nicht des Wissens. Die Unsterblichkeit der Seele hat er ausgeschlossen, was Niemeyer veranlaßte, in seinen Briefen an christliche Religionslehrer als viertes Wort noch folgendes beizufügen:

Und Leben bleibt und Unsterblichkeit,

Ob auch, was Staub ist, vermodert;
Die Asche verglimm', in die Lüfte zerstreut,
Die himmlische Flamme doch lodert.

Was denkt und liebet und forscht und späht,
Der Geist im Menschen nicht untergeht.

Gözinger bemerkt dazu: „Der edle Niemeyer scheint den Dichter nicht recht verstanden zu haben. Dieser redet von den Ideen, welche Existenz haben, aber in diesem Leben nur im Gemüthe, welche sich nie den Sinnen offenbaren, und zu welchen wir uns nur erheben, wenn wir die Wirklichkeit verlassen und in's Ideale flüchten. Wir sollen nach diesen Idealen - Freiheit, Tugend, Gottähnlichkeit - streben, obgleich wir sie nie ganz verwirklichen können. Wie paßt nun die Idee der Unsterblichkeit hieher? ... Es wäre ein Widerspruch an sich selbst, wenn der gute Mensch die Idee der Unsterblichkeit in diesem Leben realisiren wollte." Allein Gözingers Räsonnement ist nicht ganz richtig und löst nicht die Frage, warum Schiller die Unsterblichkeit der Seele unberührt gelassen. Denn auch die Idee Gottes ist hier nicht als eine solche, nach der wir streben sollen, dargestellt; nicht von Gott ähnlichkeit ist im Gedicht die Rede, sondern von Gott selbst; und so hätte denn auch, sollte man denken, der Dichter wohl die Idee der Fortdauer über das Grab hinaus als eine Vorstellung, die den Menschen zu gutem Streben befeuert, mit aufnehmen können. Noch weniger will es heißen, wenn ein Neuerer sagt, Schiller habe die Unsterblichkeit nicht hinzugefügt, weil diese schon in der Idee der in allem Wechsel beharrenden Gottheit liege. Ist denn mit der Idee Gottes auch zugleich die der persönlichen Unsterblichkeit der Menschenseele gegeben? In der That aber ist es nicht sowohl auffallend, daß Schiller die Unsterblichkeit ausgeschlossen, als vielmehr, daß er Gott nicht auch unerwähnt gelassen. Denn theils durch eine zu scharfe Durch

führung der auf den Freiheitsbegriff sich beschränkenden Kantschen Theorie des Erhabenen verleitet, theils durch seine eigene überwiegend sittliche Natur fortgezogen, nahm er sowohl die Idee der Gottheit als die der Unsterblichkeit nie als bewegende Kräfte in seine Weltansicht auf. „Seine Religion war die Freiheit", sagt Hoffmeister, und alles Ideale, was diese zu Tage fördert". Daß er jedoch die Idee der Unsterblichkeit nicht immer abgewehrt hat, zeigen die Gedichte Hoffnung und Thekla.

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Str. 1 charakterisirt im Allgemeinen die zu besprechenden drei Ideen als hochwichtige (V. 1), allverbreitete (V. 2), durch die Forderungen unseres Gemüthes in uns hervorgerufene, nicht von außen her uns zugetragene (V. 3 f.) und als solche, auf denen der sittliche Werth des Menschen beruhe (V. 4 f.).

Str. 2. Jeder Mensch ist frei, sagt der Dichter. Man könnte freilich dagegen behaupten: jeder Mensch wandelt in Ketten zeitlebens, insofern ihn jeden Augenblick zahllose physische Kräfte, denen er nicht gewachsen ist, umringen. Aber inmitten dieser physisch überlegenen Gewalten kann des Menschen Wille seine Unabhängigkeit, seine Freiheit behaupten (V. 1 f.). Man sage nicht, daß diese Freiheit eine bedenkliche Gabe des Himmels sei; die Freiheit, die der schreiende Pöbel im Munde führt, nach der, wie es im Spaziergang heißt, die wilde Begierde ruft“, ist eine andere; sie und der mit ihr getriebene Mißbrauch wahnsinniger Demagogen darf euch nicht an der wahren Freiheit irre machen (V. 3 f.). Vor dem freien Menschen habt ihr nicht zu zittern, nur vor dem Sklaven, der dic Kette zerreißt; denn wenn er des physischen Zwangs sich entledigt hat, beherrschen ihn seine zügellosen Triebe nur um so verderblicher für ihn selbst und Andere (V. 5 f.).

Str. 3. Die Tugend ist kein inhaltleeres Wort (vgl. den Anfang von Haller's Gedicht Die Tugend: Freund, die Tugend ist kein leerer Name"); der Mensch kann in vielen ein

zelnen Fällen des Lebens ihren Geboten gemäß handeln (V. 1 f.); und wenn gleich von der menschlichen Natur nicht zu erwarten ist, daß sie ohne Unterbrechung und Rückfall gleichförmig und beharrlich als reine Vernunft handle und nie gegen die sittliche Ordnung verstoße, so kann der Mensch doch diesem Ideal der Tugend sich immer mehr nähern (V. 3 f.); und dazu bedarf es nicht gerade einer hohen intellectuellen Bildung (V. 5 f.), denn wie es im Faust heißt:

Ein guter Mensch in seinem dunkeln Drange

Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.

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Zu V. 5 vergl. 1. Kor. 1, 19: Und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen."

Str. 4. Es gibt ein höchstes Wesen, einen Willen, der unwandelbar und stetig auf das Gute gerichtet und daher heilig ist, während der menschliche Wille oft durch die sinnlichen Triebe von der Richtung auf das Gute abgelenkt wird (V. 1 f.). Zeit und Raum sind die Formen, in denen der Mensch die Dinge aufzufassen genöthigt ist; dem absolut Seienden kommen diese Schranken nicht zu (V. 3). „Gedanke“ (V. 4) läßt sich entweder objectiv als die höchste Idee, deren der Menschen fähig, oder subjectiv als die höchste Intelligenz fassen. Gözinger glaubt, daß Schiller es in jenem Sinne verstanden habe; ich halte das Gegentheil für wahrscheinlicher. In der Natur ist Alles in ewigem Wechsel begriffen, Gott ist das einzig wechsellose, beharrliche Wesen (V. 5 f.).

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Str. 5 gibt, indem sie mit geringer Variation im Ausdruck den Inhalt der Anfangsstrophe wiederholt, dem Ganzen eine schöne Zurundung. Im Musenalmanach für 1798, wo das Gedicht zuerst veröffentlicht wurde, so wie in der ersten Ausgabe der Gedichte sind die beiden Schlußverse gleichlautend mit denen der ersten Strophe.

101. Die Worte des Wahns.

1799.

Hoffmeister weist in der Charakteristik Schiller's als Profaifers nach, daß die antithetische Betrachtungsweise ein hervorstechender Zug in seinem Geiste war. Hieraus erklärt sich auch, warum er nicht nur manche Gedichte (wie Würde der Frauen, Das Ideal und das Leben u. a.) ganz nach der ) Figur der Antithese anlegte, sondern auch bisweilen, wenn es nicht gut anging, den Gegensaß in Einem Gedicht auszuführen, denselben in zwei Parallelgedichten behandelte. So dichtete er im Jahr 1799 einen zweiten Spruch des Confucius (vom Raum) als Seitenstück zu dem frühern aus dem Jahr 1795, und fügte ebenfalls im Jahre 1799 dem so eben besprochenen Gedicht ein Gegenstück in den Worten des Wahns bei. Ueber die in beiden leztern angewandte Strophenform vgl. die Vorbemerkungen zu Nr. 75 Hoffnung".

Str. 1. Auch hier werden uns wieder drei Worte" genannt, bedeutungsschwer," aber nicht inhaltsschwer, wie die Worte des Glaubens; wohl sind sie von hoher Bedeutung für unser Lebensglück und verdienen, daß man sich über sie verständigt; aber sie sind ein leerer Schall, denen nichts Wirkliches entspricht, sind wesenlose Schatten, nach denen man vergebens greift. Schade, daß gleich die Anfangsstrophe durch mangelhafte Reime (Besten, trösten; Frucht, sucht) entstellt ist.

Str. 2. Der erste Wahn ist der Glaube, daß dereinst die Zeit komme, wo das Rechte und Gute siegreich in der Welt herrschen werde. In der Abhandlung über das Erhabene sagt Schiller: „Es ist ein Kennzeichen guter und schöner, aber jederzeit schwacher Seelen, immer ungeduldig auf die Existenz ihrer moralischen Ideale zu dringen und von den Hindernissen derselben

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