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Denn wer den Besten seiner Zeit genug

Gethan, der hat gelebt für alle Zeiten.

Und bezieht man die Regel speciell auf den Dichter, so erörtert Schiller in der Recension von Bürger's Gedichten, daß ein Volksdichter jezt die Wahl habe, entweder sich ausschließlich der Fassungskraft der Menge zu bequemen und auf den Beifall der Gebildeten zu verzichten, oder den ungeheuren Abstand zwischen beiden durch die Größe seiner Kunst aufzuheben, sich an den Kinderverstand des Volkes zu schmiegen, ohne der Kunst etwas von ihrer Würde zu vergeben. Dieses nennt er das Allerschwerste, Jenes das Allerleichteste. Zwischen beiden liegt das Wenigen gefallen.

160. Lonkunft.

Ueber die Entstehungszeit s. die Vorbemerkung zu Nr. 151. Es ist dies das einzige Epigramm, worin Schiller eine andere Kunst, als die seinige, erhebt. Das einzige Object der Tonkunst ist die Form der Empfindung; ihrem Inhalt nach sind Empfindungen nicht darstellbar. Schiller erörtert dies in der Recension der Matthisson'schen Gedichte: Nun besteht aber der ganze Effect der Musik darin, die innern Bewegungen des Gemüthes durch analoge äußere zu begleiten und zu versinnlichen u. s. w." Ist es hiernach nun wahr, daß die Tonkunst allein die Seele ausspricht? Ist nicht auch beim Dichter und beim bildenden Künstler Stimmung des Gemüths zu einer ge= wissen Empfindungsart ihr leßter Zwed? Der Dichter strebt nach diesem Ziel, indem er mittelst der Sprache und der in ihr ausgedrückten Gedanken (Geist") unsre Einbildungskraft in ein reges Spiel zu seßen sucht, der plastische Künstler, indem er die Erscheinungen des Lebens durch äußere Stoffe nachahmend auf unsre Einbildungskraft wirft. Der Schlußvers kann demnach nur so gefaßt werden: Polyhymnia allein spricht die Seele

auf eine indirectere, weniger vermittelte Weise aus, wenn gleich auch sie nur die Form der Empfindung, nicht die Empfindung selbst übermittelt.

161. Sprache.

Das Epigramm schließt sich seinem Inhalt nach an das vorige an. Boas vergleicht folgende, früher dem Don Carlos angehörige, aber später weggefallene Stelle:

...

Schlimm, daß der Gedanke

Erst in der Worte todte Elemente

Zersplittern muß, die Seele sich im Schalle

Verkörpern muß, der Seele zu erscheinen u. s. w.

Unser Distichon beklagt jedoch nicht sowohl, daß der Geist sich dem Geiste nur durch körperliche Sprachzeichen, durch den Schall mittheilen könne, als vielmehr, daß der Tausch der Seelen durch Gedanken, in Worte gekleidet, vermittelt sei. „Der lebendige Geist" ist dem Dichter, wie der folgende Vers zeigt, die Seele, gegenüber dem Verstande, dem eigent= lichen Sprachbildner. Will die Seele sich mittheilen, d. h. wollen wir unsere Empfindungen äußern, so müssen wir den Weg durch Begriffe und Gedanken nehmen, die in ihren allgemeinen Formeln für den eigensten Empfindungsgehalt keinen Plak haben. Einen unmittelbarern Weg zur fremden Seele deutet das vorhergehende Epigramm an. - Nach V. 1 ist ein Ausrufungszeichen zu sehen.

162. An den Dichter.

Beklagt das vorhergehende Epigramm, daß die Sprache oft eher eine Scheidewand, als eine Brücke für die Seelen bilde, indem sie den todten Begriff zwischen die lebendig schlagenden Herzen schiebt: so wird hier nun dem Dichter zur Aufgabe ge= macht, seine Sprache zum flaren Spiegel der Empfindung zu machen, sie mit Empfindung gleichsam zu durchdringen, daß sie

dem Körper der Liebenden gleiche, der zwar auch ihre Geister trennt, aber durch das sprechende Auge, durch das ganze seelenvolle Antlig das Herz zum Herzen reden läßt. In der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichtung nennt Schiller vorzugsweise diejenige Schreibart genial, worin die Sprache aus dem Innern wie durch innere Nothwendigkeit hervorspringt, und so sehr Eins mit demselben ist, daß selbst unter der körperlichen Hülle der Geist wie entblößt erscheint.

163. Der Meister.

Im Jahr 1796 schrieb Dalberg an Schiller, jeder Schriftsteller oder Redner müsse dem Leser oder Hörer eine gewisse Mitwirkung offen lassen; der Genuß derselben bestehe im Bewußtsein eigener, durch das Kunstwerk geweckter und selbst angewandter Kräfte; daraus erkläre er sich den Ausspruch Voltaires: Le secret d'ennuyer est celui de tout dire. Besonders aber gilt unser Denkspruch dem Dichter. Dieser soll nur productive, d. H. den Leser zu geistiger Selbstthätigkeit anregende Züge auswählen; er soll zwar, wie Schiller in der Recension der Matthison'schen Gedichte auseinandersetzt, der fremden Einbildungskraft eine bestimmte Richtung geben, aber nicht vergessen, daß die Einmischung in ihr Geschäft eine Grenze hat. Jede allzu genaue Bestimmung wird hier als eine lästige Schranke empfunden; denn eben darin liegt das Anziehende bloß angedeuteter ästhetischer Ideen, daß wir in den Inhalt derselben wie in eine grundlose Tiefe blicken. Der wirkliche und ausdrückliche Gehalt, den der Dichter hineinlegt, bleibt stets eine endliche Größe; der mögliche Gehalt, den er uns hineinzulegen überläßt, ist eine unendliche Größe.

164. Der Gürtel.

In Betreff der Entstehungszeit s. Nr. 151. Die Einreihung des Epigramms an dieser Stelle deutet darauf hin, daß im An=

schluß an die im vorigen Epigramm gegebene Lehre, hier dem Dichter Züchtigkeit des Styls, Vermeidung allzu üppiger bildlicher Darstellung, bescheidenes Mashalten empfohlen wird. Als Symbol der Züchtigkeit wird hier der Gürtel Aphrodites aufgefaßt.

165. Dilettant.

Dem Inhalt nach ist dieses Epigramm mit Nr. 153 verwandt (An Gebildetem nur darfst du, Nachahmer, dich üben"). Eine gebildete Sprache dichtet für den Dilettanten, indem sie ihm eine Menge bereits fertiger und gangbarer Bilder, Tropen und Figuren, eine Menge dichterischer Wendungen und Formen darbietet, die er nur anders zu combiniren braucht, um etwas Leidliches zu Stande zu bringen; sie denkt für ihn schon deßhalb, weil mit der wachsenden Cultur eines Volkes auch das Hauptinstrument derselben, die Sprache, sich vervollkommnet, was nun natürlich dem Einzelnen zu gut kommt. Borberger weist hierzu auf einen Brief Schiller's an Göthe (II, 331) hin, wo es heißt: „Von dem Stücke, das Sie mir zugesendet, ist nicht viel Gutes zu sagen; es ist abermals ein Beleg, wie sich die hohlsten Köpfe können einfallen lassen etwas Scheinbares zu produciren, wenn die Literatur auf einer gewissen Höhe ist, und sich eine Phraseologie daraus ziehen läßt." Ursprünglich lautete die Ueberschrift „Poetischer Dilettant" und in V. 2 stand „rühmst du dich“ (st. glaubst du schon).

166. Die Kunstschwäßer.

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Das Genie hat keinen schlimmern Feind, als das Geschwäß über Kunst. Wenn der geniale Kunstjünger alle die Fehler zu meiden sucht, vor denen die Kunstrichter warnen, so droht ihm, wie eine ausgeschiedene Votivtafel („Lehre an den Kunstjünger“) sagt, gerade „der Fehler schlimmster, die Mittelmäßigkeit.“ Also

uur, indem er sich der Kunstschwäher erwehrt, kann er das Gute, d. h. das Kräftige, Originelle, Geniale erzeugen.

167. Die Philosophien.

Wie unser Dichter in Nr. 145 alle besondern Religionen für unzulänglich erklärt, so sind ihm auch alle philosophischen Systeme vorübergehend. Was er dagegen für unvergänglich hält, das ist (das Wort Philosophie etymologisch aufgefaßt) jenes unauslöschliche Streben des Menschengeistes, zur Wahrheit zu gelangen, welches den Sturz aller Systeme überdauern wird. Im Pentameter stand ursprünglich „immer“ (st. ewig).

168. Die Gunft der Musen.

Dieses Epigramm ist eines der wenigen Gedichte, worin Schiller des Nachruhms gedenkt (vgl. die Ideale, Str. 7, V. 7, das Siegesfest, Str. 9, V. 5 ff.). „Philister" nennt er nicht etwa nur diejenigen, welche keinen Sinn für die Kunst haben, sondern auch den „gelehrten Arbeiter" (vgl. das Epigramm Nr. 129, ursprünglich Philister, jezt Der gelehrte Arbeiter überschrieben). Borberger bezieht dieses Epigramm, wie auch Nr. 129, auf F. A. Wolf. Dieser hatte sich einen groben Ausfall gegen einen Herder'schen Aufsatz im 9. Horenstück 1795 er, laubt, der die Horen indirect mittraf. Schiller schrieb darüber an Göthe, es könne nicht wohl etwas anderes geschehen, als den Philister zu persifliren (Briefwechsel I, 103), und an einer andern Stelle (1, 105): „Da ich es nicht für rathsam halte, ganz zu schweigen und dem Philister gleich anfangs das lezte Wort zu lassen, so will ich es lieber thun (als Redacteur etwas über den Ausfall sagen), als daß ganz geschwiegen wird." Mnemosyne, Personification des Gedächtnisses, Mutter der Musen, wird hier als Göttin des Nachruhms aufgefaßt. Ursprünglich war das Distichon Das ungleiche Schicksal überschrieben.

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