ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

169. Der Homeruskopf als Siegel.

Sonderbar genug ist dieses Epigramm, das ursprünglich nicht zu den Votivtafeln gehörte, denselben später eingereiht worden. Nach Keller, Beiträge zc. (S. 63) besaß Schiller einen solchen Siegelring. Daß die Liebenden ihr Glück der Welt verbergen müssen, lehren die Erwartung und das Geheimniß; der Sänger aber ist, wie es in den vier Weltaltern heißt, durch ein enges zartes Band" mit den Liebenden verbunden und darf somit in ihr Geheimniß eingeweiht werden. Indem Homer's Bild als Siegel dem Brief aufgeprägt wird, steht er als Wächter an der Schwelle des Heiligthums, welches das zarte Geheimniß umschließt.

170. Die beste Staatsverfassung.

1796.

„Gut denken" steht hier in dem Sinne das Rechte wollen (f. Nr. 171). Bei Aufstellung einer Staatsform auf das Sittengesetz als eine wirkende Kraft zu rechnen, hielt Schiller für gefährlich, weil auf den freien Willen als Faktor in einem Ganzen, worin Alles mit strenger Nothwendigkeit zusammenhangen solle, sich nicht zählen lasse (s. die ersten Briefe über die ästhetische Erziehung). Eine gute Staatsverfassung soll die Entwickelung der Sittlichkeit unter den Staatsbürgern erleichtern, aber nicht das Wohl des Ganzen auf dieses „Ungefähr von Tugend" bauen.

171. An die Gesetzgeber.

1796.

Dem Inhalt nach mit dem vorigen enge zusammenhangend. Der Gesetzgeber mag immerhin voraussehen, daß der Menschheit

"

im Ganzen das Streben nach Sittlichkeit inwohne; aber er darf nicht darnach für die einzelnen Fälle des Lebens die Geseze bemessen. Von der menschlichen Natur", sagt Schiller, so lange sie menschliche Natur bleibt, läßt sich nie und nimmer erwarten, daß sie ohne Unterbrechung und Rückfall als reine Vernunft handle und nicht gegen die sittliche Ordnung verstoße" (Ueber den moralischen Nußen ästhetischer Sitten); und anderswo (dritter Brief über die ästhetische Erziehung): „Auf den sittlichen Charakter kann, weil er frei ist, und weil er nie erscheint, von dem Gesetzgeber nie gewirkt, und nie mit Sicherheit gerechnet werden."

172. Das Ehrwürdige.

1796.

Hoffmeister findet in diesem Epigramm denselben Sinn, wie in der Majestas populi Nr. 139, worauf es auch im Musenalmanach unmittelbar folgt. Nicht das Ganze, nicht den großen Haufen, sondern nur Einzelne, „die Treffer" (wie es in Nr. 189 heißt), kann ich achten, weil nur in ihnen sich mir die volle Menschheit darstellt. Körner, der es zuerst nach den beiden vorhergehenden Epigrammen einreihte, scheint darin einen andern, dem der vorhergehenden sich anschließenden Sinn gefunden zu haben: Der Staatsmann, der Gesetzgeber mag immerhin bei seinen Maßnahmen sich durch Achtung für das Ganze leiten lassen; ich kann nur die Individuen achten, aus denen sich das Ganze zusammensetzt. Und Achtung für die Individuen verlangte Schiller auch vom Staat, wie der vierte Brief über die ästhetische Erziehung zeigt: „Der Staat soll nicht bloß den objectiven und generischen, er soll auch den subjectiven und speci= fischen Charakter in den Individuen ehren. Wenn der mecha

nische Künstler seine Hand an die gestaltlose Maffe legt, so trägt er kein Bedenken, ihr Gewalt anzuthun; denn die Natur, die er bearbeitet, verdient für sich selbst keine Achtung, und es liegt ihm nicht an dem Ganzen um der Theile willen, sondern an den Theilen um des Ganzen willen. Ganz anders verhält es sich mit dem politischen Künstler, der den Menschen zugleich zu seinem Material und seiner Aufgabe macht. Hier kehrt der Zweck in den Stoff zurück, und nur, weil das Ganze den Theilen dient, dürfen sich die Theile dem Ganzen fügen.“

173. Falscher Studirtrieb.

1796.

Das Epigramm ist dem Inhalte nach mit Nr. 155 verwandt; es gilt besonders der Menge von Unberufenen, welche damals die Lehrfäle der Philosophen füllten. Von solchen fürchtete Schiller eher Verdunkelung als Aufhellung der Wahrheit, da sie, nach mühsamer Aneignung der Worte des Meisters, nun auf des Meisters Worte zu schwören und sich jedem Fortschritt der Wissenschaft zu widersezen pflegen. Gegen den Pentameter hat ein neuerer Interpret allerlei Ausstellungen gemacht: die Eule, der Vogel der Weisheitsgöttin, passe nicht zur Bezeichnung eines unfähigen Kopfs, auch dränge sie sich nicht zum Lichte, man werde dabei an die Mücken erinnert, die zu ihrem Verderben in die Flammen fliegen u. dergl. Ich denke, das Distichon drückt sehr glücklich den Gedanken aus, daß Leute, die ihren Naturanlagen nach das helle Tageslicht der Wahrheit nicht vertragen, sich nicht dazu herandrängen sollten.

"

174. Quelle der Verjüngung.

"

1796.

Der Gedanke fehrt mehrmals bei unserm Dichter wieder. Aus noch so divergirenden Bahnen", heißt es in der Recension der Bürger'schen Gedichte, findet sich der Geist bei der Dichtkunst wieder zurecht, und in ihrem verjüngenden Licht entgeht er der Erstarrung eines frühzeitigen Alters" (vrgl. die Bemerfung zu Nr. 128). Anderswo sagt er, daß „ein durch die Schönheit veredeltes Gemüth in sich selbst eine unversiegbare Fülle des Lebens trage." In folgendem später unterdrückten Epigramm, Die Jugend überschrieben, parallelisirt er die aus der Dichtkunst fließende unvergängliche Jugend mit der Jugend im eigentlichen Sinne, der vergänglichen physischen:

Einer Charis erfreuet sich Jeder im Leben; doch flüchtig,
Hält nicht die himmlische fie, eilet die irdische fort.

Von einer Quelle der Verjüngung berichtet bekanntlich die persische Mythe von Chiser, dem Gott der Jugend; desgleichen die deutsche Sage (im Wolfdietrich badet sich die reiche Els darin).

175. Der Naturkreis.

1796.

Wie das Jahr mit Recht vom Ringe den Namen führt, wie die Erscheinungen des Pflanzenlebens einen Kreislauf bilden, wie nach Schiller's Auffassung sogar die vollendete Bildung des Menschen dahin zurückführt, wovon die Cultur zuerst ausging, zur Einheit des ganzen innern Menschen: so bilden auch die Lebensalter einen geschlossenen Ring; der Greis wird wieder zum Kinde, und sanft nahet ihm nun:

176. Der Genius mit der umgekehrten Fackel.

1796.

In den Göttern Griechenlands pries der Elegifer den zarten Sinn der Hellenen, der über das ernste Schicksal den Schleier sanfter Menschlichkeit zog; der Epigrammatifer ist realistischer gesinnt, er läßt sich nicht durch den milden ästhetischen Schein für die Härte der Wirklichkeit blenden.

177. Tugend des Weibes.

"

1796.

Der Mann verliert in den Kämpfen des Lebens „die schöne Mitte, wo die Menschheit fröhlich weilt", die Eintracht der beiden Grundprincipien. Aus der Unschuld Schooß gerissen" (heißt es im ältern Schluß der Würde der Frauen), „muß er mühevoll zum Ideal emporklimmen". Bei ihm kann dann nur von Tugenden, nicht von Tugend, nur von sittlichen Handlungen, nicht von einem sittlichen Charakter die Rede sein. Anders beim Weibe, welches jene innere Einheit noch nicht verloren hat. Von ihr gilt, was Schiller von der schönen Seele sagt: „Nicht die einzelnen Handlungen sind bei ihr sittlich, sondern der ganze Charakter; man kann ihr auch keine darunter zum Verdienst anrechnen, weil eine Befriedigung der Neigung nicht verdienstlich sein kann. Die schöne Seele hat kein anderes Verdienst, als daß sie ist." Der Eindruck einer solchen Gemüthsverfassung auf unser Herz ist der der Anmuth; möge der innern Anmuth auch eine äußere entsprechen!

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »