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178. Die schönste Erscheinung.

1796.

Nücksichtlich der metrischen Form vgl. Nr. 85 Jlias. Die Schönheit, d. h. die Schönheit des Gemüthes, erscheint am schönsten im Leiden, wo selbst im schweren Streit der Empfin= dungen sich das Herz ohne Schwanken für das entscheidet, was das Sittengesetz gebietet, nicht weil das Sittengeset, sondern weil die Neigung es dazu treibt; vgl. Nr. 181, V. 5 f.:

Schwimmt auch die Wolke des Grams um die heiter glänzende Scheibe, Schöner nur malt sich das Bild auf dem vergoldeten Duft.

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Unter dem schönen Gesichte" (V. 3) ist nicht ein (wie Schiller sich ausdrückt) bloß architektonisch schönes“ zu verstehen, sondern eines, worin sich Seelenschönheit ausspricht. Nur in einem solchen Gesicht kann Freude der edelsten Art, Freude, woraus der innere Einklang von Vernunft und Neigung hervorblickt, sich äußern.

179. Forum des Weibes. 180. Weibliches Urtheil.

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1796.

Gilt es, einzelne Thaten" zu beurtheilen, so handelt es sich darum, inwiefern jede den Vernunftgefeßen gemäß ist. Eine solche Beurtheilung ist Sache des Verstandes, also der Männer, denn sie richten nach Gründen". Bei der Abschäzung des Gesammtwerthes eines Mannes aber fragt es sich, wie sehr sich sein Charakter dem Ziel der Vollkommenheit, d. h. dem Einklang der fittlichen und sinnlichen Natur, genähert hat. Ein solcher Einklang wird eher empfunden, als aus Gründen erkannt, gehört also vor das Forum des Weibes, Viehoff, Schiller's Gedichte. III.

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das, wie Schiller sagt, „im Reiche der Empfindung Muster und Richterin" ist, und „als treu gebliebne Tochter der frommen Natur" selbst jene Harmonie der Vernunft und Sinnlichkeit bewahrt hat. Selbst harmonisch gestimmt, fühlt es sich zu harmonischen Gemüthern liebend hingezogen; wo diese Anziehung fehlt, wo es nicht liebt," hat es eben durch diesen Mangel an Liebe sein Urtheil gefällt. - Ein neuerer Interpret tadelt an dem Pentameter von Nr. 180, daß er „sehr schwach mit einem Trochäus und einem starken Sinnabschnitt beginne." Das Getadelte ist gerade eine Schönheit des Verses; der Begriff, auf dem hier der Hauptnachdruck liegt, wird durch die vorangehende Versschlußpause und den nachfolgenden Sinnabschnitt wirkungsvoll hervorgehoben.

181. Das weibliche Ideal. An Amanda.

1796.

Dem Dichter hat ohne Zweifel hierbei Amanda in Wielands Oberon vorgeschwebt. Ueberall, im Reiche des Verstandes wie der Thaten, sagt er, steht das Weib dem Manne nach; „das Höchste" aber (V. 1 und 3), worin der Mann dem Weibe nachsteht, erklärt Schiller durch „des Sieges ruhige Klarheit". Treffender ließe es sich vielleicht noch durch des Friedens, der Eintracht ruhige Klarheit bezeichnen; denn der Sieg sezt Entzweiung und Kampf voraus, im Weibe aber find nach Schiller's Auffassung Vernunft und Sinnlichkeit noch im Einflang. Er dachte aber wohl an die auch in der Abhandlung über den Grund des Vergnügens am Tragischen hervorgehobene Partie des Oberon, wo Amanda, an den Marterpfahl gebunden, aus Liebe zu Hyon den Feuertod zu sterben bereit ist, und an den Sieg, den hier ihre Liebe über den Selbsterhaltungs

trieb gewinnt. V. 5 f. erklärt sich aus Nr. 178 (Die schönste Erscheinung) und dem dort zu V. 1 f. Bemerkten. Der Mann dünkt sich frei, wenn er in seinen einzelnen Handlungen mühsam dem Vernunftgeseß die Oberherrschaft bewahrt; die Frau ist frei, weil in ihr Vernunft und Sittlichkeit frei zusammenstimmen; an Allem, was sie thut, haben Vernunft und Neigung gleichen Antheil, daher sich in ihrem Handeln die volle Menschheit ausspricht (V. 7 ff.). Das Schlußdistichon erläutert sich durch das zu Nr. 150 (Die Mannigfaltigkeit) Bemerkte. Wo das liebende Herz", wo die Schönheit herrscht, da rauscht es von Leben und Lust, und mit der Frucht des Sittlichguten wird zugleich die Blume des Genusses gebrochen.

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182. Erwartung und Erfüllung.

1796.

In den Idealen klagt schon der Mann, daß von dem kreisenden All, welches des Jünglings Brust dehnte, sich nur wenig, und dies Wenige so klein und farg entfaltet habe. Der Greis hat noch mehr Hoffnungen zu Grabe getragen, und muß froh sein, wenn er nur etwas gerettet, woran das Herz noch mit Liebe hängt, wenn nur ein ganz kleiner Theil seiner Jugendideale sich verwirklicht hat.

183. Das gemeinsame Schicksal.

1796.

Mitten in der Streitlust des Xenienjahrs überkam den Dichter der elegische Gedanke, daß die durch Meinenund Strben Getrennten doch alle durch ein gemeinsames Schicksal, das unausweichlich herannahende Alter, verbunden seien. Man hat

fes neuerdings auffallend gefunden, daß der Dichter nicht die Folgerung daraus gezogen habe, es könne der Mensch sein Leben würdiger als in Haß und Hader verbringen. Schiller konnte das nicht aussprechen; er wußte gar zu wohl, daß einem rüstig strebenden Mann Gegenwirkung und Kampf nicht erlassen werden.

184. Menschliches Wirken.

1796.

Mit der ganzen Fülle einer noch nicht durch Arbeit verfümmerten Kraft, mit der ganzen Freudigkeit eines noch nicht durch ernste Tagespflichten gedämpften Muthes tritt der Jüngling in's Leben; das Höchste und Fernste hält er für erreichbar und will es erreichen (vergl. Nr. 182, V. 1). Aber je mehr Lebenserfahrungen er macht, desto mehr überzeugt er sich, daß man, wie es im Gedicht Breite und Tiefe (Nr. 104) heißt, um Treffliches zu leisten, im kleinsten Punkte die höchste Kraft sammeln müsse.

185. Der Vater.

1796.

Durch segensreiches Wirken reiht zwar auch der Einzelne, wie Schiller sagt, sein flüchtiges Dasein an eine Kette, die durch alle Menschengeschlechter sich windet"; allein der Verdienstvolle, wie vielfach er sich durch seine Thaten mit der Mit- und Nachwelt verkettet, fühlt sich doch so lange einsam, bis ihn die Bande der Natur auch durch das Herz an das All knüpfen.

186. Liebe und Begierde.

1796.

Man hat in dem Distichon einen „nichts weniger als feinen und treffenden Spott" auf Joh. Georg Schloffer, den Schwager Göthe's, gefunden, und zwar in Beziehung auf folgende Stelle seiner Schrift Fortsetzung des platonischen Gesprächs von der Liebe: „Hätten Sokrates und seine Diotima nicht die Liebe selbst mit der Begierde zur Liebe verwechselt, so würde weder diese fragen können, was dann dem wird, der da liebt, noch würde jener in Verlegenheit gekommen sein, was er antworten sollte; denn beide würden dann gesehen haben, daß, wer liebt, schon wirklich Alles hat, und daß nur, so lange er noch zu lieben begehrt, ihm etwas werden kann." Wo liegt denn nun in Schiller's Distichon der Spott? Indem er dem von Schlosser Gesagten beistimmt, bleibt er ja seiner alten schon in den Briefen Julius an Raphael entwickelten Lehre getreu, daß, „wer liebt, um das reicher ist, was er liebt", und daß „Egoismus Armuth sei“. Nur bezeichnet er hier bestimmter Reichthum und Fülle des Gemüths als die Quelle der Liebe; nur ein großes und weites Herz ist im Stande, das Wohl und Wehe Anderer mit innigster Theilnahme zu umschließen.

187. Güte und Größe.

1796.

Hoffmeister nennt die Güte eine objective, absolute Tugend, die Größe eine subjective, relative, und seht jene in die Unterwerfung unter das Sittengeseß, diese in Kraft, Lebendigkeit des Geistes und Besonnenheit. Sollte Schiller nicht hier beide Begriffe populärer gefaßt haben? Unter Güte scheint er mir nicht

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