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Drud von Karl Kirn in Stuttgart.

66. Das verschleierte Bild zu Bais.

1795.

In einem Briefe Humboldt's an Schiller vom 31. August 1795 findet sich folgende auf unser Gedicht bezügliche Stelle: „Heliopolis (so war das Gedicht, wie es scheint, ursprünglich überschrieben) hat mir viel Vergnügen gemacht, und ich begreife nicht, wie Herder den Sinn so mißverstehen konnte. Für mich liegt eine große und wichtige Wahrheit darin. Die Erfindung paßt sehr gut dazu, und die Erzählung ist sehr poetisch. Hätten Sie ihr, ohne zu großen Aufwand von Zeit und Mühe, noch den Reiz des Reimes geben können, so hätte ich es freilich noch vorgezogen. Indeß dient selbst dies zur Mannigfaltigkeit, die jezt dem Gehalt und der Form nach unter Ihren Beiträgen (zum Musenalmanach und zu den Horen) sehr groß ist." Weiter wird das Gedicht in einem Briefe Schiller's an Humboldt vom 7. September unter der Bezeichnung Das verschleierte Bild erwähnt, mit der Bemerkung, daß es bereits für das neunte Stüd der Horen abgeschickt sei. Hier findet sich denn auch das Gedicht, und zwar in einer der jezigen gleichlautenden Form.

Nach Gözinger's Vermuthung wäre Schiller durch nachstehende Stelle aus Plutarch's Schrift über Ifis und Osiris zu seiner Dichtung angeregt worden: „Das Heiligthum der Minerva

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zu Sais (welche von Einigen für die Isis gehalten wird) hatte folgende Inschrift: Ich bin das All, das gewesen ist, das ist, und das sein wird; noch nie hat ein Sterblicher meinen Schleier aufgedeckt." Dagegen bezeichnet Borberger als diejenige Schrift, durch welche Schiller die Anregung empfing, „Die ältesten hebräischen Mysterien“ von Br. Decius (Profeffor Reinhold), deren er in seinem Aufsaß Die Sendung Moses" (1790) gedenkt. Hier heißt es: „Unter einer alten Bildsäule der Isis las man die Worte: Ich bin, was da ist; und auf einer Pyramide zu Sais fand man die uralte merkwürdige Inschrift: Ich bin Alles, was ist, was war, und was sein wird; fein Sterblicher hat meinen Schleier aufgehoben“; - und weiterhin: „In dem Innern des Tempels stellten sich dem Einzuweihenden verschiedene heilige Geräthe dar, die einen geheimen Sinn ausdrückten. Unter diesen war eine heilige Lade, welche man den Sarg des Serapis nannte, und die ihrem Ursprunge nach vielleicht ein Sinnbild verborgener Weisheit sein sollte... Diese Lade herumzutragen, war ein Vorrecht der Priester oder einer eigenen Claffe von Dienern des Heiligthums, die man deßhalb auch Kistophoren nannte. Keinem als dem Hierophanten war es erlaubt, diesen Kasten aufzudecken, oder auch nur zu berühren. Von einem, der die Verwegenheit gehabt hatte, ihn zu eröffnen, wird erzählt, daß er plößlich wahnsinnig geworden sei." Am Schlusse des Auffages bezeichnet Schiller in einer Anmerkung die obengenannte Schrift von Br. Decius als eine von einem berühmten und verdienstvollen Schriftsteller verfaßte, „aus welcher er verschiedene hier zu Grunde gelegte Ideen und Daten gewonnen habe." Borberger fand denn auch in der Schrift von Reinhold die von Schiller hervorgehobenen Data. Der Verwegene, der den Kasten öffnete, war nach Pausanias (Antiq. I, 8; c.12) ein

gewisser Euripilus, welcher durch den Anblick des im Kasten eingeschlossenen Bacchusbildes den Verstand verlor. Hiernach bleibt wohl kein Zweifel übrig, aus welchen Elementen Schiller seine Dichtung zusammengesezt hat.

Fragt man nach dem Grundgedanken des Gedichtes, so geben die beiden Schlußverse die Antwort:

Weh' dem, der zu der Wahrheit geht durch Schuld!
Sie wird ihm nimmermehr erfreulich sein.

Wir sollen nach der Wahrheit, wie reizend und lockend sie sein mag, stets nur mit sittlicher Scheu und Selbstbescheidung streben und die Erkenntniß nicht voreilig zu ertrogen suchen, zumal wenn wir dadurch mit einem sittlichen Gesetz in Conflict gerathen. Wer treulich, aber bescheiden nach Erkenntniß ringt, dem wird die Gottheit, wenn die rechte Zeit gekommen ist, die Wahrheit erschließen; wer aber gewaltsam und mit Verlegung höherer Pflichten seine Wißbegierde zu befriedigen sucht, den wird das Erkannte so elend machen, wie Kassandra durch ihr prophethisches Schauen wurde. Schiller's Gedicht veranschaulicht also dieselbe Wahrheit, die der Volksglaube in der Sage von Faust, und die heilige Schrift in der Erzählung vom Baum der Erkenntniß versinnlicht haben, die ja beide auch aus einem zügellosen, hochmüthigen fündigen Streben nach Einsicht Elend und Verderben über den Menschen kommen lassen.

Hinsichtlich der metrischen Form unterscheidet sich unsere Parabel von den übrigen Stücken der Gedichtsammlung dadurch, daß sie in reimlosen Jamben gedichtet ist. Man fühlt beim lauten Lesen sogleich, daß diese Wahl des jambischen Fünffüßlers, des Verses der deutschen Tragödie, ein sehr glücklicher Griff war. Der Dichter gewann dadurch eine freiere epische Bewegung und die Möglichkeit eines lebendigern Wechsels von Erzählung und Dialog. Das Gedicht spricht uns wie eine jener in's

Epische hinüberspielenden längern Reden des Dramas an, in deren Klaffe die Botenberichte des antifen Dramas gehören, und fönnte etwa an die Parabel von den drei Ringen in Lessing's Nathan erinnern. Ganz verwandter Art ist Uhland's Gedicht „Die Bildsäule des Bacchus." Wenn aber der Dichter in fleinern Stücken sich den Reim und eine regelmäßige strophische Gliederung erläßt, so kann man verlangen, daß er uns durch Formschönheit anderer Art entschädige. Dies hat unser Dichter wirklich gethan, indem er namentlich in den Sazbau sehr viel Ausdruck und Mannigfaltigkeit brachte, und die Verse durch Wohllaut und häufig wechselnde Cäsur hob, so daß sich das Gedicht zu einem Declamationsstück vortrefflich eignet.

Das Poetische, das Humboldt an der Erzählung rühmt, tritt besonders in dem Abschnitt V. 50-58 (Hier steht er nun, und grauenvoll umfängt u. s. w.") hervor. Diese Stelle zeigt den Meister in Schilderungen romantischer Lagen und Empfindungen. Jeder Zug gibt hier der Phantasie einen neuen kräftigen Anstoß; zugleich ist eine schöne Steigerung beobachtet, und wie der ganze Eindruck, den die Todtenstille des Ortes, der schauerliche Wiederhall der Tritte, das gespenstisch bleiche Mondlicht machen, sich auf die weißverschleierte Riesenbildsäule, die aus dem dunkeln Gewölbe hervorschimmert, concentrirt: fo bildet auch den Culminationspunkt des ganzen Saßgefüges der mystisch unbestimmte Ausdruck die Gestalt.

Das Sachliche bedarf nur weniger Erläuterungen. Sais (V. 2) war im Alterthum die wichtigste Stadt Unterägyptens, seit Psammetich Residenz. Das Mysterienwesen hatten die Griechen wahrscheinlich von Aegytern überkommen. Schiller nimmt an, daß es zu Sais ähnlich wie in Griechenland gestaltet gewesen. Worin die geheime Weisheit" (V. 3) der Priester bestanden habe, ist nicht völlig gewiß; vermuthlich waren es aufgeklärtere Religions- und Sittenlehren, Aufschlüsse über ein

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