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In dunkeln Zeiten wurden die Völker am besten durch die Religion geleitet, wie in stockfinstrer Nacht ein Blinder unser bester Wegweiser ist; er kennt Wege und Stege beffer, als ein Sehender Es ist aber thöricht, sobald es Tag ist, noch immer die alten Blinden als Wegweiser zu gebrauchen. xx, 200.

Bei den früheren Religionen wurde der Geist der Zeit durch Einzelne ausgesprochen und durch Mirakel bestätigt. Bei den jezigen Religionen wird der Geist der Zeit durch Viele ausgesprochen und bestätigt durch die Vernunft. Jetzt giebt es keine Mirakel mehr, nachdem die Physik ausgebildet worden, Oken sieht dem lieben Gott auf die Finger, und dieser will nicht mit Bosko rivalisieren. XXII, 200.

Vielleicht wird Gott von jezt an bei allen neuen Religionen, die er auf dieser Erde einführt, sich auf gar keine heiligen Kunststücke mehr einlassen, und die Wahrheiten der neuen Lehren immer durch die Vernunft beweisen, was auch am vernünftigsten ist. v, 81.

Jede Religion gewährt auf ihre Art Trost im Unglück. Bei den Juden die Hoffnung: „Wir sind in der Gefangenschaft, Jehova zürnt uns, aber er schickt einen Netter." Bei den Muhamedanern Fatalismus:,,Keiner entgeht seinem Schicksal, es steht oben geschrieben auf Steintafeln, tragen wir das Verhängte mit Ergebung, Allah il Allah!“ Bei den Christen spiritualistische Verachtung des Angenehmen und der Freude, schmerzsüchtiges Verlangen nach dem Himmel, auf Erden Versuchung des Bösen, dort oben Belohnung Was bietet der neue Glauben? XXII, 201.

Die Moral der neuen Religion.

Unsere Moralbegriffe schweben keineswegs in der Luft; die Veredlung des Menschen, Recht und Unsterblichkeit haben Realität in der Natur. Was wir Heiliges denken, hat Realität, ist kein Hirngespinst. XXII, 201.

Ich wünschte, wir besäßen ein anderes Wort zur Bezeichnung Deffen, was wir jetzt Sittlichkeit nennen. Wir könnten sonst verleitet werden, die Sittlichkeit als ein Produkt der Sitte zu betrachten. Die romanischen Völker sind in demselben Falle, indem ihr morale von mores abgeleitet worden. Aber wahre Sittlichkeit ist, wie von Dogma und Legislation, so auch von den Sitten eines Volks unabhängig. Letztere sind Erzeugnisse des Klimas, der Geschichte, und aus solchen Faktoren entstanden Legislation und Dogmatik. Es giebt daher eine indische, eine chinesische, eine christliche Sitte, aber es giebt nur eine einzige, nämlich eine menschliche Sittlichkeit. Diese lässt sich vielleicht nicht im Begriff erfassen, und das Gesetz der Sittlichkeit, das wir Moral nennen, ist nur eine dialektische Spielerei. Die Sittlichkeit offenbart sich in Handlungen, und nur in den Motiven derselben, nicht in ihrer Form und Farbe, liegt die sittliche Bedeutung. XII, 69 u. 70.

Das religiöse Princip und die Moral find Speck und Schweinefleisch, Eins und Dasselbe. Die Moral ist nur eine in die Sitten übergegangene Religion (Sittlichkeit). Ist aber die Religion der Vergangenheit verfault, so wird auch die Moral stinkicht. Wir wollen eine gesunde Neligion, damit die Sitten wieder gesunden, damit sie beffer basiert werden, als jezt, wo sie nur Unglauben und abgestandene Heuchelei znr Basis haben. XX, 46.

Bei meinen Handlungen auf dieser Welt kümmert mich nicht einmal die Existenz von Himmel und Hölle, ich bin zu groß und stolz, als daß der Geiz nach himmlischen Belohnungen, oder die Furcht vor höllischen Strafen mich leiten sollten. Ich strebe nach dem Guten, weil es schön ift und mich unwiderstehlich anzieht, und ich verabscheue das Schlechte, weil es häßlich und mir zuwider ist. Schon als Knabe, wenn ich den Plutarch las, gefiel mir die Erzählung von dem Weibe, das durch die Straßen Alexandriens schritt, in der einen Hand einen Wasserschlauch, in der andern eine brennende Fackel tragend, und den Menschen zurief, daß sie mit dem Waffer die Hölle auslöschen und mit der Fackel den Himmel in Brand stecken wolle, damit das Schlechte nicht mehr aus Furcht vor Strafe unterlassen und das Gute nicht mehr aus Begierde nach Belohnung ausgeübt werde. Alle unsre Handlungen sollen aus dem Quell einer uneigennützigen Liebe hervorsprudeln, gleichviel ob es eine Fortdauer nach dem Tode giebt oder nicht. II, 369.

Die Herrlichkeit der Welt ist immer adäquat der Herrlichkeit des Geistes, der sie betrachtet. Der Gute findet hier sein Paradies, der Schlechte genießt schon hier seine Hölle.

XXII, 201.

Ich sehe die Wunder der Vergangenheit klar. Ein Schleier liegt auf der Zukunft, aber ein rosenfarbiger, und hindurch schimmern goldene Säulen und Geschmeide und klingt es süß. XXII, 202.

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V.

Staat und Gesellschaft.

der Weltgeschichte ist nicht jedes Ereignis die unmittelbare Folge eines anderen, alle Ereignisse bedingen sich vielmehr wechselseitig. VI, 84.

Man muß den Schlüffel der lärmenden Tagesräthsel zunächst in der Vergangenheit suchen. Die Salons lügen, die Gräber find wahr. Aber ach! die Todten, die kalten Sprecher der Geschichte, reden vergebens zur tobenden Menge, die nur die Sprache der Leidenschaft versteht. vIII, 161.

In der Geschichte hat Jeder Recht, der seinem inwohnenden Principe getreu bleibt. III, 163.

Kein Volk, als ein Ganzes gedacht, verschuldet Etwas; sein Treiben entspringt einer innern Nothwendigkeit, und seine Schicksale sind stets Resultate derselben. Dem Forscher offenbart sich der erhabenere Gedanke: daß die Geschichte (Natur, Gott, Vorsehung u. s. w.), wie mit einzelnen Menschen, auch mit ganzen Völkern eigene große Zwede beabsichtigt, und daß manche Völker leiden müssen, damit das Ganze erhalten werde und blühender fortschreite.

XIII, 160.

Um die Menschen zu beglücken, muß man sie lenken können, und die Mittel zu diesem ernsten Zweck erlangt man nur durch Verbündung mit den herrschenden Gewalten.

IX, 160.

Der Schriftsteller, welcher eine sociale Revolution befördern will, darf immerhin seiner Zeit um ein Jahrhundert vorauseilen; der Tribun hingegen, welcher eine politische Revolution beabsichtigt, darf sich nicht allzu weit von den Massen entfernen. Überhaupt, in der Politik, wie im Leben, muß man nur das Erreichbare wünschen. VIII, 257.

Jede Zeit ist eine Sphinx, die sich in den Abgrund stürzt, sobald man ihr Räthsel gelöst hat. VI, 21.

Einst waren die Verhältnisse in der Welt weit einfacher, und die sinnigen Dichter verglichen den Staat mit einem Schiffe und den Minister mit dessen Steuermann. Jetzt aber ist Alles komplicierter und verwickelter, das gewöhnliche Staatsschiff ist ein Dampfboot geworden, und der Minister hat nicht mehr ein einfaches Ruder zu regieren, sondern als verantwortlicher Engineer steht er unten zwischen dem ungeheuern Maschinenwerk, untersucht ängstlich jedes Eisenstiftchen, jedes Rädchen, wodurch etwa eine Stockung ent stehen könnte, schaut Tag und Nacht in die lodernde Feueresse, und schwitzt vor Hiße und Sorge sintemalen durch das geringste Versehen von seiner Seite der große Kessel zerspringen, und bei dieser Gelegenheit Schiff und Mannschaft zu Grunde gehen könnte. Der Kapitän und die Paffagiere ergehen sich unterbeffen ruhig auf dem Verdecke, ruhig flattert die Flagge auf dem Seitenmast, und wer das Boot so ruhig dahinschwimmen sieht, ahnet nicht, welche gefähr

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