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handen, und die seelische Ausdeutung verfehlt also die objektive Wirklichkeit. Das ist der Fall in den, wie man sie nennen könnte, ergänzenden Sinnestäuschungen. Wenn ich die Farben der Dinge sehr klar und die Einzelheiten ihrer Gestaltung in großer Schärfe sehe, so bin ich als Bewohner des Flachlandes durchweg in geringer Entfernung von ihnen; wenn ich auf sie zugehe, so habe ich sie nach verhältnismäßig kurzer Zeit in greifbarer Nähe. Allein wenn nun die Staubteilchen der Atmosphäre in ungewöhnlich wasserreicher und dadurch leichter Luft einmal rascher zu Boden sinken als gewöhnlich, oder wenn ich ins Hochgebirge gehe, wo der Staubgehalt der Atmosphäre ein sehr viel geringerer ist, so sehen die Gegenstände auch in großen Entfernungen noch klar und deutlich aus, und wenn ich nun auf Grund meiner weit überwiegenden Alltagserfahrungen ihnen eine geringe Entfernung andenke und andenken muß, so täusche ich mich. Ein Widerspruch also zwischen der durch die Gesetzmäßigkeit des Seelenlebens bedingten Vorwegnahme der objektiven Wirklichkeit und der durch die Gesetzmäßigkeit der Natur ausnahmsweise einmal abweichend gestalteten objektiven Wirklichkeit: das ist der allgemeine Typus dieser Art von Täuschungen.

Neben ihnen gibt es noch eine andere Art. Wenn bestimmte Vorstellungen die Seele erfüllen und zugleich die objektiven Reize für die jenen Vorstellungen entsprechenden Empfindungen auf sie einwirken, so gelangen diese Empfindungen besonders leicht zum Bewußtsein (S. 77). Alles Beobachten, namentlich alles Bewußtwerden feinerer Einzelheiten oder Unterschiede beruht auf dieser Gesetzmäßigkeit; zugleich wird durch sie die jedesmalige Umgebung in zweckmäßige Verbindung gebracht mit dem jedesmaligen Innenleben der Seele. Allein die enge Beziehung zwischen Vorstellungen und Empfindungen, die in diesem Verhalten zum Ausdruck kommt, hat auch eine Kehrseite. Wenn nämlich äußere Reize auf die Seele einwirken, deren Empfindungswirkung an und für sich jenen Vorstellungen nicht genau, sondern nur annähernd entsprechen würde, so setzen sie sich gleichfalls besonders leicht durch im Bewußtsein. Aber die hervorgerufenen Eindrücke sind nun durchweg etwas abgeändert und verschoben nach den bestehenden Vorstellungen hin, so daß dieselben objektiven Reize je nach den inbezug auf sie vorhandenen Gedanken oder Kenntnissen verschieden wahrgenommen werden.

,,Nein, wie schwer das ist“, sagte ein Freund Davys, als er ein Körnchen des von diesem entdeckten Metalls Kalium auf dem Finger abschätzte. Kalium schwimmt auf dem Wasser, aber die durch den metallartigen Anblick geweckte Vorstellung von etwas Schwerem drängte auch der Empfindung diesen Charakter auf, Lege ich zwei objektiv nahezu gleichhelle Stückchen graues Papier von etwas verschiedener Färbung nebeneinander und frage mich, ob nicht das Gelbliche entschieden heller sei als das Bläuliche, sogleich erscheint es mir heller. Indes ich werde zweifelhaft, ob ich mich nicht durch den gelblichen Farbenton habe täuschen lassen, und ob es nicht,,in Wirklichkeit“ doch dunkler sei; sogleich bin ich mir bewußt,

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es dunkler zu sehen. Man darf nicht sagen, daß man sich diese Änderungen,,bloß einbilde", wenn man damit meint, daß erstens der objektiv richtige Eindruck vorhanden sei, und zweitens daneben eine unrichtige Vorstellung über ihn. Von solcher Zweiheit existiert für das Bewußtsein wenn man absieht von gelegentlich sich anschließenden Reflexionen über das Wahrgenommene gar nichts; es findet sich in ihm nur ein einiges ungeteiltes Erlebnis. Die auf dessen Zustandekommen gerichtete Betrachtung bringt heraus, daß es zwei Wurzeln hat, eine durch periphere Erregungen bedingte sinnliche und eine durch zentrale Erregungen bedingte gedankliche. Das den beiden entstammende Resultat aber, die Wahrnehmung, verrät davon so wenig wie ein Fluß an der Mündung von der Verschiedenheit seiner Quellbäche. Es ist eben eine allgemeine Eigenschaft aller Wahrnehmungen, nicht nur durch die an ihrer Hervorbringung allerdings in erster Linie beteiligten objektiven Reize, sondern auch durch die darauf gerichteten Vorstellungen und Erwartungen bedingt und mitbestimmt zu werden. Je lebhafter solche Vorstellungen sind, desto größer die Beeinflussung, Abänderung oder auch Verfälschung des Objektiven. Erreicht die Wirkung höhere Grade, so bezeichnet man sie neuerdings als Suggestion; bei den höchsten hat das fertige Erlebnis noch einen besonderen Namen, es heißt Illusion.

§ 16. Erinnerung. Abstraktion.

Wenn die geeigneten Ursachen in der Seele wirksam werden, um frühere, assoziativ mit ihnen verbundene Wahrnehmungen als Vorstellungen zu reproduzieren, so geschieht ganz das gleiche wie bei der Einwirkung äußerer Reize. Jene Ursachen setzen die ihnen an sich mögliche Wirkung, nämlich die getreue Wiederbelebung des früheren Erlebnisses, immer nur durch unter gleichzeitiger Mitbestimmung durch die Eigenart der Seele, d. h. die Erinnerungen sind geradeso wie die Wahrnehmungen selbst, die in ihnen in gewisser Weise wiederkehren, durchgängig mitbedingt durch die verschiedenen Gesetzmäßigkeiten des Seelenlebens.

Sie sind also zunächst lückenhafter und eingeschränkter als die Wahrnehmungen und entfernen sich mithin in bezug auf Vollständigkeit noch mehr als diese von dem Reichtum der objektiven Reize, die ihre letzte äußere Ursache bilden. Man vergegenwärtige sich in Gedanken eine Landschaft, eine Straßenszene, eine bekannte Person; stets fehlen eine große Menge von Einzelheiten, auch von solchen, die bei der Wahrnehmung selbst sicher zum Bewußtsein kamen; sowohl real ablösbare Teile wie real nicht ablösbare einzelne Züge oder Eigenschaften. Zugleich aber sind die Erinnerungen auch wieder reicher als die Wahrnehmungen. Sie enthalten Zusätze und Ausdeutungen, die aus anderen ähnlichen Wahrnehmungen assoziativ in sie hineingetragen werden, wie wenn das Erinnerungsbild einer Landschaft durch einen Turm, das eines Menschen durch einen Bart bereichert wird, die in Wirklichkeit an diesen Stellen nicht vorhanden waren. Und endlich werden sie beeinflußt und mehr oder weniger um

gewandelt durch anderweitige in der Seele hervorgerufene Vorstellungen, so durch Fragen über das Wahrgenommene, in denen bestimmte Vorstellungen nahegelegt werden (Suggestivfra gen), durch den Wunsch, Eindruck zu machen, zu imponieren u. a. Auch ohne jedes Mitspielen bewußter Übertreibung, etwa nach Art der Kampfschilderungen Falstaffs, verschieben sich die Erinnerungsbilder allmählich so, daß das Ungewöhnliche, Bedeutende, Auszeichnende in ihnen stärker hervortritt und dafür das Gewöhnliche, Kleine oder Unbequeme immer mehr verwischt wird. Und wo sie lückenhaft und unbestimmt sind, vermögen sie der Einwirkung fragend geweckter Vorstellungen (war der Herr wohl so groß wie Sie?) nur schwer Widerstand zu leisten. Erinnerungsbilder sind also nicht nur gelegentlich und ausnahmsweise, sondern wie man neuerdings auch durch direkte Versuche über Erinnerungstreue bestätigt hat - ganz naturgemäß und gesetzmäßig ungenaue Wiedergaben des Wahrgenommenen, und obschon sie natürlich nur selten ganz und gar unzuverlässig sind, pflegt man doch mit Recht in wichtigeren Fällen den Erinnerungen eines einzelnen nur so weit voll zu vertrauen, wie sie mit den Angaben anderer und von ihm unabhängiger Beobachter übereinstimmen. Es kann ja auch nicht wundernehmen, daß, wenn die von dem vergleichsweise festen Boden der äußeren Reize getragenen sinnlichen Eindrücke durch die Eigenbetätigung der Seele so mannigfach beeinflußt werden, wie oben dargelegt, dies bei den jener Unterlage fernergerückten Vorstellungen erst recht geschieht. Besonders ist es in der jungen Seele, beim Kinde, der Fall. Die Erfahrungen über den wirklichen, d. h. den wahrnehmbaren Zusammenhang der Dinge, die durch ihre Wiederholung doch ein immer getreueres Reproduzieren erzwingen, waren bei ihm noch nicht so häufig wie bei den Erwachsenen, auch hat es die Bedeutung getreuen Erinnerns noch nicht so schätzen gelernt wie diese; seine Erinnerungen haben daher nur geringe Zuverlässigkeit.

Bei höheren Graden jener Ausdeutungen und Umgestaltungen der Erinnerungsbilder durch hineinassoziierte oder neben ihnen bestehende Vorstellungen pflegt man von Phantasie zu sprechen und sie dieser als ihr Werk zuzuschreiben. So z. B. von der Phantasie des Kindes, die seine Vorstellungen von den Dingen ins Ungeheure und Wunderbare verschiebe, von der des Künstlers, die die alltäglichen Erlebnisse zur vollkommeneren Erweckung ästhetischer Freude umgestalte. Mit Recht verlangt man auch von dem Forscher, daß ihm etwas von der Phantasie des Dichters innewohnen müsse, damit er die Dinge durch die Hineintragung entlegener Ähnlichkeiten und Beziehungen verständlicher mache. Aber man erkennt, die Phantasie ist keine neue und von den anderen abzulösende Grundfunktion der Seele, sondern ein Resultat derselben elementaren Betätigungen, die in etwas anderen Stärkeverhältnissen zusammenwirkend die ihr insgemein entgegengesetzte Erinnerung liefern. Hier soll indes nicht diese Seite der Sache, sondern vielmehr die zuerst erwähnte Lückenhaftigkeit der reproduzierten Vorstellungen etwas weiter verfolgt werden.

Sie beruht zunächst wie die der Wahrnehmungen auf der auswählenden Tätigkeit des Aufmerkens. An den Dingen, die in der Wahrnehmung zum Bewußtsein kommen, interessiert nicht alles in gleicher Weise. An einer Taschenuhr z. B. ist dem Kinde, wenn es auch manches andere daran bemerkt, vor allem das Ticken interessant und das Glitzern des goldenen Gehäuses, an einem Hunde das furchterweckende Bellen oder die Vierbeinigkeit, an einer Uniform das leuchtende Scharlachrot und die blanken Knöpfe. Wenn nun die Wahrnehmungen der Uhr oder des Hundes zugleich häufig mit irgend einem anderen und stets gleichen Eindruck verbunden vorkamen und dann später einmal durch die Wiederkehr dieses Zeichens als Vorstellungen reproduziert werden, so werden diese Reproduktionen unter dem Drange zahlreicher konkurrierender Anforderungen bei weitem nicht alles enthalten, was da in der Wahrnehmung aus dem größeren Reichtum der objektiven Reize noch bewußt wurde, sondern sozusagen einen Auszug daraus, eben jene vorwiegend interessierenden Einzelheiten, die bloße Vorstellung des Tickens z. B. oder der roten Farbe.

In ähnlicher Weise aussondernd aber wirkt ein anderer Umstand: die oben (S. 100) erwähnte Tatsache, daß die Reizgruppen der Außenwelt und damit auch die von ihnen hervorgerufenen Wahrnehmungen weder immer genau dieselben noch auch immer völlig andere sind, sondern in einer gewissen Mischung von Gleichheit und Verschiedenheit wiederkehren. Die verschiedenen Tannen eines Waldes, an dem ich entlang gehe, die verschiedenen Hunde, denen ich auf der Straße begegne, verschiedene Wiesen bei verschiedener Beleuchtung, verschiedene Töne einer Geige sie alle unterscheiden sich genau betrachtet in vielen Einzelheiten voneinander, gleichwohl aber sind manche Dinge an ihnen auch nahezu identisch. Die übereinstimmenden Züge solcher Gebilde aber werden selbstverständlich ungleich häufiger wahrgenommen, als die nicht übereinstimmenden, da jene immer vorhanden sind, diese nur in einzelnen Fällen. Nun kommt das in einer bestimmten Verbindung Wahrgenommene, wie oben (S. 100) gezeigt, bei erneuter Wahrnehmung immer leichter in eben dieser Verbindung zum Bewußtsein. Naturgemäß drängen sich daher auch bei der Reproduktion einer Wahrnehmung die ihr mit anderen gemeinsamen Züge stärker in den Vordergrund, sie werden leichter vorgestellt als die übrigen. Außerdem: wenn mehrere ähnliche Wahrnehmungen häufig in Verbindung mit ein und demselben anderweitigen Bewußtseinsinhalt erlebt werden (wenn z. B. ähnliche Dinge mit dem gleichen Wort bezeichnet werden), so wird die Assoziation zwischen dieser anderen Vorstellung und den übereinstimmenden Gliedern jener Wahrnehmungen immer stärker und sicherer, denn jeder einzelne Wahrnehmungsfall bildet für sie eine Wiederholung und vermehrt ihre Festigkeit. Die nicht übereinstimmenden Glieder dagegen stören sich wechselseitig wegen ihrer großen Anzahl, und feste Assoziationen zwischen ihnen und jener stets vorhandenen Begleitvorstellung können sich nicht

leicht bilden. Auf jede Weise wird also bei der Wiederkehr eines mit ähnlichen Wahrnehmungen assoziierten gleichen Zeichens die Reproduktion der übereinstimmenden Glieder dieser Wahrnehmungen begünstigt und die der nicht übereinstimmenden beeinträchtigt; jene werden mehr und mehr von diesen abgetrennt und für sich allein vorgestellt.

Die Gesetzmäßigkeiten des Seelenlebens, Aufmerksamkeit, Übung und Gedächtnis, bewirken somit im Verein mit einer einfachen Eigentümlichkeit des äußeren Geschehens für das Vorstellen der Seele einen eigenartigen Effekt: sie lösen es ab in unvergleichlich höherem Maße, als bei der Wahrnehmung der Fall ist, von den zufällig gegebenen Verbänden der äußeren Eindrücke und bringen Vorstellungen hervor sei es bloß von einzelnen hervorstechenden Zügen der wahrgenommenen Dinge (abstrakte Vorstellungen), sei es von den einer Gruppe objektiver Dinge gemeinsamen Zügen (Allgemein vorstellungen), was beides häufig auf dasselbe hinauskommt. Die Seele bildet allmählich, und zwar nicht etwa willkürlich und in bewußter Erstrebung irgend eines Zwecks, sondern in völlig absichtsloser Betätigung ihrer Eigenart, Vorstellungen, die in der tatsächlich gedachten Einfachheit und Isolierung objektiv gar keine Vorbilder haben, deren Dasein in ihr selbst aber doch keinen Moment zweifelhaft sein kann, so die Vorstellung einer bloßen Länge oder der bloßen Farbe rot oder von Farbe im allgemeinen, von einem Hunde, einem Baum im allgemeinen usw.

Diese Bildungen sind für alle höhere geistige Entwicklung von außerordentlicher Bedeutung. Die Seele entfernt sich in ihnen von dem objektiv Gegebenen, aber nur, um dadurch bei der Eigenart ihrer Mittel seine Aneignung und Beherrschung um so besser zu erreichen. Das abstrahierende Denken hat zwei wichtige Folgen in dieser Hinsicht.

Erstlich wird dadurch jene sachliche Gliederung der sinnlich gegebenen Komplexe, auf deren Anfänge oben (S. 100) bei der Wahrnehmung hingewiesen wurde, weitergeführt. Die uns umgebenden und von uns wahrgenommenen Dinge bilden zumeist eine für unsere Einsicht zufällig zusammengeratene, bunte und verwirrende Vielheit. Indem uns nun bei der gedanklichen Wiederbelebung der Eindrücke nur einzelne Züge bewußt werden, die zugleich durchweg einer Mehrheit von Dingen gemeinsam sind, indem wir also das Allgemeine an den Dingen herausdenken, ordnen wir sie geistig nach Klassen und Arten. Wir lösen sie heraus aus den Zufälligkeiten der Umgebung und den Besonderheiten des einzelnen Falles und bringen sie zusammen nach ihren inneren Beziehungen, nach ihrer Verwandtschaft, wie wir sagen. Das schlechthin unübersichtliche Nebeneinander wird geklärt durch ein Über- und Untereinander; je nach der größeren oder geringeren Ähnlichkeit bilden sich einander näherstehende oder fernerstehende Gruppen, und wir gelangen allmählich dazu, die ungeheure Mannigfaltigkeit des hier und da und zusammenhanglos Gegebenen mit dem geistigen Auge in geordneten Systemen zu überschauen. Zugleich aber haftet an dem Allgemeinen für uns zum guten

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