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damit geschieht ein dritter Schritt-, das Sprechen der Erwachsenen willkürlich nachzuahmen. Einerseits die von ihnen gebrauchten Worte rein als solche, vielfach ganz mechanisch und spielerisch, ohne Verständnis oder nur mit sehr geringem Verständnis ihres Inhalts. Anfänglich sind seine Nachahmungen natürlich äußerst unvollkommen, da es noch bei weitem nicht alle Laute spontan hervorzubringen gelernt hat und keine Bewegungen nachahmen kann, deren kinästhetische Empfindungen es nicht kennt. Aber bei dem fortwährenden Plappern findet es allmählich durch allerlei Zufälle und Entgleisungen auch die schwierigen Laute, findet ferner die für die Sprache seiner Umgebung charakteristische und für die Aussprache besonders wichtige Ruhelage der Sprachorgane, und nach Ablauf einiger Jahre ist es in den Lautschatz seiner Muttersprache in der Regel vollständig hineingewachsen. Andererseits aber ahmt es auch die ganze Tätigkeit der Erwachsenen nach, die Dinge und Vorgänge mit Worten zu bezeichnen. Unter ökonomischer Verwendung der ihm bereits zur Verfügung stehenden und verständlichen Worte und nach Analogie ihrer ihm bekannten Verwendung schafft es selbständig neue Wortformen und Wortverbindungen. Zum Teil wieder rein spielerisch, namentlich wenn die Umgebung an diesem Tun und seinen für sie oft komischen Produkten Gefallen zeigt, zum größeren Teil aber in bewußter Benutzung der Sprache als eines Mittels der Mitteilung. So entstehen Bildungen wie gegeht statt gegangen, messern für schneiden, Geburtstagsladen für Konditorei u. a.

Indem das Kind nachahmt, entfernt es sich also doch auch wieder vermöge der Mannigfaltigkeit der in ihm waltenden geistigen Kräfte von der Sprache seiner Umgebung. Die bei allem Sprechen sich geltend machende Eigenart der Seele hat aber zugleich noch eine andere Wirkung. Das Verstehen der Sprache der Erwachsenen, d. h. das Hören ihrer Worte und das richtige Erfassen der von den Sprechenden damit gemeinten Dinge, ist eine Wahrnehmung in dem oben (S. 97) bezeichneten Sinne. Das Wahrnehmen aber hängt, wie wir sahen, von mannigfachen Umständen ab, so namentlich von den Interessen der Wahrnehmenden und den Erfahrungen, die sie gemacht haben. Nun sind die Interessen des Kindes völlig verschieden von denen der Erwachsenen, seine Erfahrungen bei weitem eingeschränkter; wie soll es da mit den Worten der Erwachsenen den gleichen Sinn verbinden können wie diese? Es ist zunächst völlig unmöglich. In einem späteren Stadium seiner Sprachfertigkeit kann man diesem Mangel mit Hilfe der Sprache selbst bis zu einem gewissen Grade abhelfen durch sprachliche Erläuterung des mit den Worten zu verbindenden Sinnes. Aber davon kann natürlich erst die Rede sein, wenn eine Übereinstimmung der Verständnisses für einen großen Teil des Sprachschatzes bereits erreicht ist. Und so versteht denn das Kind anfänglich, auch wenn es schon spricht, eine überaus große Zahl der von den Erwachsenen gebrauchten Worte überhaupt nicht: die Abstrakta, Beziehungsworte (heute, hier, ich), das seinem Anschauungskreise Fremde. Auch diejenigen aber, die sich. auf Gegenstände seiner Erfahrung beziehen und die es zu verstehen scheint,

versteht es durchweg ganz anders als der Erwachsene. Eine Uhr ist für das Kind etwas Tickendes und Glänzendes. Was der Erwachsene mit dem Worte meint, ist ihm auf keine Weise klar zu machen, und zwischen Taschenuhren und Sanduhren oder Sonnenuhren würde es keinerlei Gemeinschaft finden. Bekannt ist, wie die Kinder die von ihnen anscheinend mit richtigem Verständnis gelernten Worte oft in der auffallendsten Weise weiter verwenden, wie sie durch vermeintliche seltsame Übertragungen der Wortbedeutung den Erwachsenen vielfach in Erstaunen setzen. Der Name irgend eines eßbaren Gegenstandes z. B. wird als Bezeichnung gebraucht für alles Eßbare überhaupt, daneben noch für das Essen, den Hunger u. a.; bei einem Knaben hieß Vater, Mutter, Wärterin, Schwester, Milchflasche, endlich jeder auffallende Gegenstand dada. Man hat wohl gesagt, das Kind brauche seine Worte in einer allgemeineren Bedeutung als der Erwachsene, oder es habe eine Tendenz zu begrifflicher Verallgemeinerung. Aber der Nimbus einer besonderen logischen Befähigung, mit dem man auf solche Weise die Kindesseele umgibt, ist gänzlich unberechtigt. Freilich sind die Worte des Kindes zumeist wohl allgemeiner als die des Erwachsenen. Denn bei der beschränkten Auffassungsfähigkeit des Kindes assoziieren sich die von ihm gebrauchten Namen in der Regel mit weniger Eigentümlichkeiten der Dinge als bei dem Erwachsenen, und diese finden sich dann naturgemäß bei einem größeren Umfange von Dingen wieder. Aber das eigentlich Charakteristische des kindlichen Wortgebrauchs wird damit nicht getroffen. Oft genug gebraucht das Kind seine Worte auch in engerem Sinne als der Erwachsene; es wird schwerlich so leicht Würmer, Vögel und Pferde mit demselben Worte Tier bezeichnen. Das Wesentliche ist vielmehr dies: das Kind gebraucht das Wort für eine ih m auffällige Seite der Sache oder einen ihm wichtigen Eindruck, den sie hervorruft, und trifft damit durchweg etwas völlig anderes, als der Erwachsene mit dem gleichen Worte bezeichnet. Wo aber nun die von dem Kinde gemeinte Eigentümlichkeit oder jeder ihm wesentliche Eindruck wiederkehrt, da gebraucht es auch wieder dasselbe Wort, nicht geleitet von einem aus der Vergleichung der Dinge hervorgegangenen Bewußtsein ihrer Ähnlichkeit in irgend einer Hinsicht, sondern lediglich weil nach der allgemeinen assoziativen Gesetzmäßigkeit der Seele das gleiche Ausgangsglied auch das gleiche Folgeglied reproduzieren muß. Und für den Erwachsenen ist die Sache nur deshalb verwunderlich, weil er den für das Kind maßgebenden Sinn des Wortes gar nicht kennt und ihn naiverweise gleichsetzt dem Sinn, den es für ihn hat.

Auch wenn das Kind also den Worten nach die Sprache seiner Umgebung nachahmt, ist doch das, was es zustande bringt, zum guten Teil seine eigene Schöpfung: es verwendet die durch Nachahmung gewonnenen Worte zu selbständigen Neubildungen und verfährt ebenfalls selbständig in der Verknüpfung jener Worte mit den Sachvorstellungen. Soweit nun dabei die Kinder einer bestimmten Sprach- und Kulturgemeinschaft ähnliche Interessen und Erfahrungen haben, sind natürlich auch diese ihre Ebbinghaus, Abriß

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Schöpfungen einander ähnlich: neben der Sprache der Erwachsenen gibt es eine allgemeine, innerhalb der ganzen Sprachgenossenschaft verständliche Kindersprache. Soweit dagegen die Interessen und Erfahrungen. der einzelnen Kinder verschieden sind, sind es auch ihre Sprachen, und genau genommen ist daher die Kindersprache eines Hauses nicht in allen Einzelheiten in einem anderen verständlich; ein deutlicher Hinweis auf einen der Gründe, die das weite Auseinandergehen der verschiedenen Volksund Stammessprachen bewirkt haben. Natürlich aber können alle diese Verschiedenheiten sich auf die Dauer gegen den erdrückenden Einfluß der einheitlichen Sprache der Erwachsenen nicht behaupten. Das Sprechenlernen des Kindes durchläuft also ein viertes und letztes, langdauerndes Stadium, in dem sich seine Sprache nach der der Umgebung allmählich zurechtschiebt. Es merkt aus Mißverständnissen, die es begeht oder zu denen es durch sein eigenes Sprechen Veranlassung gibt, oder es erfährt aus besonderer Belehrung, in welchem Sinne die von ihm benutzten Worte verstanden werden müssen, um dem allgemeinen Gebrauch zu entsprechen, und kommt so nach und nach mit diesem in immer bessere Übereinstimmung.

Freilich, vollkommen wird diese niemals erreicht. Die Sprache jedes Individuums behält dauernd in ihrem Wortschatz, in der Bedeutung zahlreicher Worte, namentlich in der feineren Bedeutungsfärbung, auch in der Art der Verwendung der Worte etwas Eigenartiges. Es gibt mithin auch streng genommen nicht eine einzige und schlechthin identische Sprache aller Angehörigen einer Sprachgenossenschaft, sondern nur eine im großen und ganzen übereinstimmende Vielheit zahlreicher individueller Sprachen. Für praktische Zwecke ist ihre Gleichheit bei weitem ausreichend; aber wie zahllose Mißverständnisse, Erörterungen, Streitigkeiten beruhen doch auch auf ihrer Verschiedenheit! Vom Standpunkte des großen praktischen Zweckes, dem die Sprache dient, dem der Mitteilung und Verständigung, mag das als ein Nachteil erscheinen. Aber man kann nur sagen: sit ut est aut non sit. Die Natur des geistigen Lebens, das die Sprache trägt und gestaltet, bringt diese Art des Zustandekommens und ihres Charakters notwendig mit sich, und erst auf einer höheren Stufe ihrer Entwicklung gelangen die Sprechenden dazu, sich mit bewußter Absicht und für bestimmte Zwecke eine für alle nahezu absolut übereinstimmende und sozusagen überindividuelle Sprache zu schaffen, wie in den Formelsprachen der Mathematik und Chemie. An denen erkennt man dann aber auch, daß jene Unvollkommenheit nicht nur Unvollkommenheit ist. Alle Kraft und Kunst und Schönheit der Sprache hängt zusammen mit ihrer individuellen Gestaltung im Munde ihrer einzelnen Träger.

3. Wandlungen der Sprache. So wenig aber die Sprache etwas völlig Identisches ist für die Gesamtheit der sie Sprechenden, so wenig ist sie etwas völlig Beharrliches. Jene von den einzelnen Individuen allmählich erreichte und im ganzen für eine bestimmte Zeit doch übereinstimmende Gestaltung behält sie nicht dauernd bei. Sie lebt und ent

wickelt sich weiter mit dem weiteren Leben ihrer Träger, und je nach deren Schicksalen wandelt sie sich bald schneller bald langsamer zu neuen und immer wieder neuen Formen. Und zwar gleichzeitig in den beiden Hauptbestandteilen, deren Verknüpfung ihr Wesen ausmacht. Die Worte samt ihren Beugungsformen und Verbindungen, die zur Bezeichnung bestimmter Dinge, Beziehungen und Vorgänge dienen, werden allmählich andere, und zugleich verschieben sich zahlreiche Bedeutungen allmählich, die an bestimmte Worte geknüpft sind. Bei jenem ersten Vorgang, dem Lautwandel und Formen wandel, spielen zum Teil mehr äußere Vorgänge, wie Bequemlichkeiten des Sprechens, Aufnahme einer fremden Sprache durch eine Sprachgenossenschaft mit anderen Sprachgewohnheiten, eine verursachende Rolle. Aber zum guten Teil sind es schon hier und ausschließlich sind es bei dem anderen Vorgang, dem Bedeutungswandel, die verschiedenen Gesetzmäßigkeiten des Seelenlebens, die die Veränderungen bewirken. Dieselben Kräfte, die im Zusammenhang mit bestimmten Erfahrungen, Gedanken, Interessen, Bedürfnissen die Sprache zuerst in bestimmter Weise gestalteten, bedingen mit Notwendigkeit ihre Umgestaltung in der Anpassung an andere Erfahrungen, Gedanken und Bedürfnisse.

Besondere Umstände können z. B. dazu führen, daß von den vielen Eigentümlichkeiten einer Person oder Sache einzelne besonders wichtig werden und die Aufmerksamkeit besonders in Anspruch nehmen, wie bei Julius Cäsar die Herrschaft, zu der er gelangte, bei dem Gutsverwalter Boycott die allgemeine Ächtung, der er wegen seiner Strenge verfiel. Dann drängen sich naturgemäß bei der Nennung der Namen diese Merkmale vielfach in den Vordergrund; der Sprechende denkt vorwiegend an sie, und wenn einmal die Notwendigkeit erwächst, den Inbegriff eben dieser bedeutungsvollen Merkmale auch anderswo mit einem Wort zu bezeichnen, ohne Rücksicht auf die sonstige Begleitung, in der sie auftreten, so bietet sich dazu zwanglos jener ursprünglich individuellere Name, dessen gedachte Bedeutung sich ja schon verschoben hat. Er verliert einen Teil, den minder wichtig gewordenen Teil seines Inhalts, um dafür seinen Umfang zu erweitern. Auf ganz gleiche Weise aber kommt es auch zu Verengungen des Umfangs. Aus einer größeren Mehrheit von Dingen, die mit demselben Worte bezeichnet werden, werden einzelne besonders wichtig für die Sprechenden, etwa weil sie mit ihnen überwiegend häufig zu tun haben. Bei dem Gebrauch des Wortes treten dann diese einzelnen besonders lebhaft ins Bewußtsein; unterscheidende Zusätze für sie werden weggelassen, zumal es ja bei gleichen Interessen der Mitunterredner ihrer nicht bedarf, und der Umfang des Wortes schränkt sich ein. So bedeutet Stadt für jeden Landbewohner vor allem die nächstbenachbarte Stadt, Gas für den Nichtphysiker das Leuchtgas; zahlreiche Beamtennamen wie Minister, General, Oberst sind nichts als Verengungen von Worten sehr allgemeiner Bedeutung. Etwas andere Resultate eines solchen Zusammenwirkens der assoziativen Gesetzmäßigkeit mit einer Ver

schiebung der Aufmerksamkeit sind die Metaphern, bei denen ein Wort von dem ursprünglichen Gegenstand auf einen in irgend einer Hinsicht ähnlichen übertragen wird, wie Fuchs auf ein der Farbe nach ähnliches Pferd oder einen der Verschlagenheit nach ähnlichen Menschen, Bein von dem tierischen Körper auf Tische und Stühle, sowie die Me tony mien, bei denen die Übertragung auf etwas zeitlich Verbundenes stattfindet, wie Messe von einer Kultushandlung auf den bisweilen damit verbundenen Jahrmarkt übergeht, Toilette der Reihe nach von einem kleinen Leinentuch auf den damit bedeckten Tisch, die daran vorgenommene Handlung des Anziehens, die dazu gebrauchten Kleidungsstücke usw.

Mannigfache und besonders interessante Verschiebungen sodann verdanken gewissen Nebenabsichten der Sprechenden ihre Entstehung. Man redet vielfach, um von anderen etwas zu erlangen. Dazu muß man ihr Wohlwollen gewinnen und dazu wiederum sie entsprechend behandeln, ihnen z. B. ihre Ehren und Würden unverkürzt zukommen lassen, in Zweifelsfällen eher etwas mehr tun als zuwenig. Daher haben alle ehrenden Anreden, Standesbezeichnungen, Titulaturen usw., namentlich für das weibliche Geschlecht, in allen Sprachen die Tendenz zu sinken und an Wert zu verlieren. Herr ist ursprünglich nur der Höherstehende, der anderen zu befehlen hat, heute fast jeder erwachsene Mann. Fräulein ist noch bei Lessing nur das Mädchen von Adel, heute jedes unverheiratete weibliche Wesen. Man redet ferner, um gehört zu werden, nicht nur physisch, sondern namentlich geistig, um beachtet zu werden und womöglich Beifall zu finden für das, was man sagt. Bei der ungeheuren Fülle der Redenden aber ist es sehr schwer, sich Geltung zu verschaffen, ganz besonders schwer für die jeweils heranwachsende Generation, für die Jugend, von der die große Masse noch nichts weiß und der sie wohl gar noch nichts Rechtes zutraut, während sie doch so enorm viel und Wichtiges und Neues zu sagen hat. Offenbar darf sie nicht einfach reden wie die andern und bloß, um verstanden zu werden; sie muß zugleich sorgen, daß sie durchdringt und die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Das geschieht in verschiedener Weise. Entweder begibt sie sich sozusagen in den Schutz eines schon Anerkannten, indem sie ihn nachahmt. Sie redet witzig wie Heine oder leidenschaftlich-empfindsam wie Goethes Werther oder in blendenden Antithesen wie Nietzsche. Sie bringt auf solche Art die Sprechweise und Ausdrucksweise eines Einzelnen in die Mode und bewirkt ihre weitere Verbreitung. Oder sie redet auffallend, befremdend, gebraucht nicht, wie Schopenhauer empfiehlt, gewöhnliche Worte, um ungewöhnliche Dinge zu sagen, sondern sagt gewöhnliche Dinge in ungewöhnlichen Worten, in Worten, die zwar das Gemeinte noch erkennen lassen, aber doch in diesem Zusammenhange nicht üblich sind. Möglichst extreme Ausdrücke z. B. werden gewählt zur Bezeichnung des Mittleren und Durchschnittlichen, und da nun doch durch die Bezeichnung als himmlisch und höllisch, entzückend und schauderhaft die Dinge selbst nicht andere werden, so geben die Worte nach; sie werden herabgezogen und

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