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mäßige Formulierung einer psychischen Gesetzmäßigkeit. Er stellte weiter die Dinge in einen großen Zusammenhang, brachte das anscheinend Kleine und Abgelegene in eine Verbindung mit den höchsten psychologischen Fragen und zwang dadurch auch die von der Philosophie herkommenden und von den sinnesphysiologischen Anregungen bis dahin wenig berührten Psychologen, von dem neuen Betriebe ihrer Wissenschaft Kenntnis zu nehmen. Und endlich bildete er für alle psychophysischen Untersuchungen sorgfältige Methoden aus, die den ersten vielfach ungenügenden Verfahrungsweisen der Physiologen überlegen waren und für das weitere Eindringen in die Kenntnis der Empfindungs- und Wahrnehmungsvorgänge von großer Bedeutung geblieben sind.

Ungefähr gleichzeitig mit den ersten Wirkungen der Psychophysik, in den sechziger Jahren, wurde ein dritter Anstoß für die Psychologie wirksam. Wenn auch schwächer als die beiden erwähnten trug er doch nicht wenig dazu bei, den Gesichtskreis für die der experimentellen Behandlung zugänglichen psychologischen Fragen zu erweitern. Er entstammte einer schon zwei Menschenalter vorher gemachten, aber lange Zeit weder beachteten noch verstandenen Beobachtung.

Im Jahre 1796 bemerkte der Direktor der Sternwarte zu Greenwich, der Reverend Maskelyne, daß die von seinem Assistenten Kinnebrook registrierten Sterndurchgänge durch den Meridian eine allmählich zunehmende und schließlich fast eine volle Sekunde betragende Differenz gegen die von ihm selbst, dem Direktor, ermittelten Zeiten zeigten. Er vermutete, der Assistent sei von der damals üblichen,,ausgezeichneten" Beobachtungsmethode, der sogenannten Auge- und Ohrmethode, abgewichen und irgend einem unzuverlässigen Verfahren eigener Erfindung gefolgt, und vermahnte den jungen Mann, sich zu bessern und zu der richtigen Methode zurückzukehren. Allein es half nichts, und so sah er sich zu seinem Bedauern gezwungen, den sonst sehr brauchbaren Assistenten zu entlassen. Kinnebrook hat seine Stelle dem Mangel psychologischer Kenntnisse jener Zeit zum Opfer bringen müssen. Erst zwei Jahrzehnte etwa später erkannte Bessel, daß solche Differenzen zwischen den Beobachtungsresultaten verschiedener Individuen etwas ganz Allgemeines und Normales seien, und daß sie im Fall Kinnebrook nur eine besondere Größe erreicht hätten. Sie werden bedingt durch die verschiedene Art und Weise, wie man es anfangen kann, einem Gesichtseindruck und periodisch wiederkehrenden Gehörseindrücken, wie den Pendelschlägen einer Sekundenuhr, gleichzeitig seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Und abermals einige Jahrzehnte später entwickelten sich dann aus dem Studium dieser Erscheinung, der sogenannten persönlichen Gleichung, das zunächst auf die praktischen Zwecke der Astronomie beschränkt geblieben war, zwei Reihen von psychologisch wichtigen Untersuchungen, wieder zugleich experimenteller und messender Natur. Die eine Reihe verfolgt verhältnismäßig einfache Fragen, nämlich nach der Zeitdauer einfachster psychischer Prozesse: so der bloßen Wahrnehmung von Eindrücken, der Unterscheidung einer

Mehrheit von ihnen, ihrer Beantwortung mit einer einfachen Handlung, oder auch der Reproduktion einer beliebigen Vorstellung, des Besinnens auf bestimmte Vorstellungen usw., alles wieder in seiner Abhängigkeit von der Verschiedenheit der Eindrücke, der begleitenden Umstände, der Individuen, ihrer Gedankenrichtung. Die andere Reihe führt hinein in das Studium höherer seelischer Tätigkeiten, des Aufmerkens und Wollens; zu ihr gehören z. B. Untersuchungen über das Verhalten der Aufmerksamkeit einer Mehrheit von Eindrücken gegenüber, über die Reihenfolge ihrer Auffassung, die Zahl der überhaupt noch in einem Akte zu umfassenden Eindrücke, über die Umsetzung von Vorstellungen in Bewegungen usw.

Die jüngste Förderung, die die Psychologie von seiten der Naturwissenschaft erfahren hat, ist ihr seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts von der Gehirnphysiologie und Gehirnpathologie gekommen, seit der Entdeckung des sogenannten Sprachzentrums durch Broca und der motorischen Rindenfelder durch Fritsch und Hitzig. Man hat diese Förderung bisweilen etwas geringschätzig beurteilt und aus den Fehlern und unfertigen Vorstellungen einzelner Beobachter gefolgert, daß die Psychologie aus ihren Arbeiten nichts Nennenswertes lernen könne. Mit großem Unrecht, scheint mir. Ganz abgesehen von zahlreichen Einzelheiten verdankt die Psychologie der Gehirnforschung zwei allgemeine Einsichten von der größten Bedeutung. Zunächst ist durch diese erkannt worden, daß das emsige Suchen mehrerer Jahrhunderte nach einem sogenannten Sitz der Seele im Gehirn, d. h. nach einer möglichst punktförmigen Stelle, an der die Seele zu dem materiellen Organ in Beziehungen tritt, gegenstandslos ist. Es gibt keinen Seelensitz in diesem Sinne; das Gehirn ist die Verkörperung einer absoluten Dezentralisation. Die Seele empfängt sozusagen die ihr aus der Außenwelt zugetragenen Erregungen an räumlich weit auseinander gelegenen Stellen des Gehirns, verschieden je nach den peripheren Organen, von denen sie herkommen. Und sie greift ein in das materielle Getriebe wieder von räumlich weit auseinander gelegenen Stellen des Gehirns, verschieden je nach den Muskelgruppen, die sie anzusprechen hat. Alle diese verschiedenen Stellen stehen untereinander in Verbindung, aber nirgendwo geschieht sie durch die Vermittlung eines gemeinsamen eng umschriebenen Zentrums. Die Einsicht in diesen Tatbestand aber ist selbstredend von großer Tragweite für die Vorstellungen, die wir uns über das Wesen der Seele zu machen haben.

Sodann ist der Psychologie aus den Arbeiten der Gehirnpathologen erst das rechte Verständnis erwachsen für die ungeheure reale Verwicklung selbst einfach erscheinender seelischer Vorgänge. Daß bei den Worten der Sprache akustische und motorische, unter Umständen auch optische und graphische Anteile unterschieden werden müssen, kann man auch durch unmittelbare Überlegung erkennen und hat es so erkannt. Ebenso, daß unsere Vorstellungen von den Dingen zunächst nichts sind als Nachbilder der verschiedenartigen sinnlichen Eindrücke, die wir durch den Gesichts-, Gehörs-, Geruchsinn usw. von ihnen erhalten, oder daß unser

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Hantieren mit den Dingen auf den Erfahrungen beruht, die wir bei ihrem Betasten mit den Händen und Fingern gewinnen. Aber daß nun alle diese verschiedenen Komponenten nicht bloß abstrakt unterscheidbare Gebilde sind, sondern eine reale Existenz und Bedeutung haben, und daß sie vor allem dieses reale Dasein auch dann noch betätigen, wenn das unmittelbare Bewußtsein nichts von ihnen weiß und es mit ganz einfachen Vorgängen zu tun zu haben glaubt — daß z. B. das Erkennen oder Benennen eines Gegenstandes dauernd selbständige Beziehungen behält zu jeder Art der von ihm herrührenden Sinneseindrücke (S. 99), ebenso das Greifen nach einem Dinge dauernd getrennte Beziehungen zu der rechten und der linken Hand Idas hat erst das Studium von Fällen gelehrt, in denen durch eigenartige Hirnläsionen eine Spaltung jener gewöhnlich harmonisch zusammenarbeitenden Faktoren und ein Ausfall einzelner von ihnen entstanden war. Die Psychologie hat damit vielfach erst die richtige Stellung zu den von ihr aufzuwerfenden Fragen gewonnen. Sie hat erkannt, daß gegenüber der tatsächlichen Verwicklung der Dinge die mit Hilfe der populären Vereinfachungen, wie Wille, Verstand, Gedächtnis, oder auf Grund der anscheinenden Einfachheit von Vorstellungen und Bewegungsakten gestellten Fragen vielfach direkt sinnlos werden, und jetzt erst, von richtigen und sachgemäßen Fragestellungen aus, kann sie hoffen, auch zu einem Verständnis der Erscheinungen vorzudringen.

Auch indirekt, muß hinzugefügt werden, ist die Gehirnforschung noch für die Psychologie von Bedeutung geworden, nämlich durch die starke Anregung, die sie der ihr nahestehenden Psychiatrie gegeben hat. Denn naturgemäß wurde die durch das Gehirnstudium neubelebte Erforschung des kranken Seelenlebens sogleich auch wieder fruchtbar für die Untersuchung und Erkenntnis der normalen Vorgänge. Da nun aber der Psychiater sich durchweg den verwickeltsten Äußerungen der Seele, wie dem Affektleben, der Intelligenz, dem Selbstbewußtsein, gegenübergestellt sieht, so bildeten zugleich die von dieser Seite kommenden Impulse eine glückliche Ergänzung der vorerwähnten übrigen, die vorwiegend dem Empfindungsund Wahrnehmungsleben zugute gekommen waren.

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurden — zuerst durch Wundt alle diese Schößlinge einer neuen Psychologie dem alten Stamme aufgepfropft und so zu einem einheitlichen Ganzen vereinigt. Sie haben den teilweise verdorrt erscheinenden Baum verjüngt und zu kräftigem Wachstum gebracht; nach allen Seiten hat er nun begonnen, neue Zweige zu treiben. Die Psychologie ist eine andere geworden, in den. Lehrbüchern und auf den Kathedern; in psychologischen Laboratorien sind ihr zudem neue Pflegestätten erstanden, die den völligen Umschwung der Arbeitsweise am deutlichsten zum Ausdruck bringen.

Zugleich hat sie damit begonnen, eine selbständige und zunächst um ihrer selbst willen betriebene Wissenschaft zu werden. Früher stand sie durchweg im Dienste anderer Interessen. Die Kenntnis des Seelenlebens

war nicht Selbstzweck, sondern nützliche oder notwendige Vorbereitung, um andere und für höher geltende Zwecke zu erreichen. Für die meisten war sie ein Zweig oder eine Dienerin der Philosophie. Man beschäftigt sich mit ihr, um vor allen Dingen herauszubringen, wie unsere Erkenntnisse zustande kommen oder wie die Vorstellungen von Dingen der Außenwelt sich bilden, und dies dann wieder, um sogleich metaphysische und ethische Rückschlüsse machen zu können, auf Geistigkeit oder Materialität der Welt, auf das Wesen der Seele, eine vernünftige Lebensführung u. a., oder auch wohl, um über alle diese Dinge willkommene Bestätigungen anderswoher stammender und bereits feststehender Meinungen zu erhalten. Für andere stehen praktische Zwecke im Vordergrund. Sie treiben Psychologie, weil ihre Lehrsätze dem praktischen Leben nahe liegen und für viele andere Wissenschaften von Bedeutung sind, weil sie z. B.,,möglichst deutliche Begriffe von der wahren Sittenlehre verschafft", oder weil sie den Menschen lehrt, was er aus sich machen kann, was er etwa tun muß, um sein Gedächtnis zu erweitern oder gewandt zu machen usw. Nun ist gewiß aufs innigste zu wünschen, daß der Psychologie die Verbindung mit der Philosophie niemals so weit verloren gehen möge, wie es zum Schaden beider Teile bei der Naturforschung vielfach der Fall ist. Die praktische Bedeutung der Psychologie ferner, ihre große Wichtigkeit für Erziehung, Irrenkunde, Recht und Moral, Sprache, Religion, Kunst ist sicherlich zu keiner Zeit lebhafter empfunden und die Ursache zahlreicherer Arbeiten geworden als in der Gegenwart. Aber die Gegenwart hat zugleich einsehen gelernt, daß es hier wie anderswo für die wahre und bleibende Förderung philosophischer und praktischer Zwecke fruchtbarer ist, nicht immer sogleich an sie zu denken und stets für sie etwas gewinnen zu wollen, sondern sich zuvörderst mit voller Hingebung in die Bearbeitung der Fragen selbst zu versenken, aus denen vielleicht einmal bedeutsame Folgerungen fließen können, als ob es einstweilen nur gälte, sie allein ins reine zu bringen. Und so hat sie denn angefangen, die Psychologie als eine sich selbst genügende und die Kräfte eines einzelnen vollauf in Anspruch nehmende Sonderwissenschaft zu betreiben.

Einige äußere Daten mögen erläutern, in welchem Umfange es der Fall ist. Bis in die letzten Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts hat die Psychologie es nicht zu einer lebensfähigen eigenen Zeitschrift zu bringen vermocht. Einzelne Anzätze dazu finden wir schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts, so ein,,Magazin zur Erfahrungsseelenkunde" und ein,,Psychologisches Magazin", aber beide sind nicht über wenige Bände hinausgekommen. Überhaupt waren psychologische Veröffentlichungen kleineren Umfangs noch in den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts ziemlich selten, und was derart gearbeitet wurde, erschien in philosophischen, physiologischen oder gar physikalischen Zeitschriften. achtziger Jahren des Jahrhunderts ist hierin ein Umschwung eingetreten wie vielleicht auf keinem anderen Gebiet in ähnlicher Weise. Zuerst in größeren Zwischenräumen, dann in immer rascherer Folge sind in den Haupt

kulturländern zahlreiche rein psychologische Zeitschriften ins Leben getreten, von denen noch keine einzige aus Mangel an Stoff oder wegen mangelnder Teilnahme der Leser wieder einzugehen genötigt war. Gegenwärtig bestehen ihrer fünfzehn, sechs davon in deutscher, vier in englischer, drei in französischer, eine in italienischer Sprache und eine für das skandinavische Sprachgebiet. Und das, ungerechnet noch fast ebensoviele periodische Veröffentlichungen einzelner Gelehrter oder einzelner Institute, ungerechnet auch zahlreiche wertvolle Arbeiten von psychologischer Bedeutung in philosophischen, physiologischen, psychiatrischen, pädagogischen, kriminalistischen u. a. Zeitschriften.

Literatur.

Zur Geschichte der neueren Psychologie: M. DESSOIR, Geschichte der neueren Psychologie, 1. Bd., 2. Aufl. (1902). R. SOMMER, Grundzüge einer Geschichte der deutschen Psychologie und Ästhetik von Wolff-Baumgarten bis Kant-Schiller (1892).

TH. RIBOT, La psychologie anglaise contemporaine, 2. éd. (1875). La psychologie allemande contemporaine, 2. éd. (1885; auch deutsch 1881). L. FERRI,

La psychologie de l'association depuis Hobbes jusqu'à nos jours (1883).

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Sensualistisch-materialistische Psychologie (Frankreich); J. O. DE LAMETTRIE, L'homme machine (1748). E. B. DE CONDILLAC, Traité des sensations (1754). CH. BONNET, Essai de psychologie (1755). Vermögenspsychologie (Deutschland): CHR. WOLFF, Psychologia empirica (1738). L. H. JAKOB, Grundriss der Erfahrungsseelenlehre (1791). (Hieraus die Zitate S. 6.) I. KANT, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798). Höher steht: J. N. TETENS, Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwicklung, 2 Bde. (1777.)

Anfänge der modernen Psychologie: J. F. HERBART, Lehrbuch zur Psychologie (1816). Psychologie als Wissenschaft neu gegründet auf Erfahrung, Metaphysik und Mathematik, 2 Bde. (1824/25). Anhänger: M. LAZARUS, Leben der Seele, 3. Aufl., 3 Bde. (1882). H. STEINTHAL, Einleitung in die Psychologie und Sprachwissenschaft, 1. Bd. (1871.)

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Sinnesphysiologie: FLOURENS, Expériences sur les canaux semi-circulaires de l'oreille dans les oiseaux. Mém. de l'Institut (183C). - E. BREWSTER, Treatise on Optics (1832). JOH. MÜLLER, Handbuch der Physiologie des Menschen, 2 Bde. (1833/40). E. H. WEBER, Annotationes anatomicae et physiologicae (1834). Tastsinn und Gemeingefühl. Wagners Handwörterb. der Physiol. Bd. III, 2 (1846). Erste Verwertung der neuen Kenntnisse bei H. LOTZE, Medicinische Psychologie (1852).

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