ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Daneben besteht ein zweites Hemmnis. Die ihrem eigentlichen Wesen und Zusammenhang nach so schwer zu ergründenden seelischen Dinge sind uns nach ihrer bloßen Oberflächengestaltung sozusagen überaus vertraut und geläufig. Lange vor jeder wissenschaftlichen Betrachtung hat die Sprache für die praktischen Zwecke der Menschen behandlung und der Verständigung über menschliches Wesen den im täglichen Leben wichtigsten Gesamtbetätigungen der Seele Namen geben müssen, wie Verstand, Aufmerksamkeit, Phantasie, Leidenschaft, Gewissen usw., und mit diesen hantieren wir unablässig wie mit den bekanntesten Größen. Das Gewohnte und Alltägliche aber wird uns zu einem Selbstverständlichen und ruhig Hingenommenen; es weckt keine Verwunderung über seine Eigenart und reizt die Neugier nicht zu seiner näheren Betrachtung. Daß solche Äußerungen des Seelenlebens wie die genannten Wunder und Rätsel enthalten, bleibt der populären Psychologie daher durchweg verborgen; über die in ihnen enthaltenen Verwicklungen wird sie durch die Einfachheit der Worte hinweggeführt, und wenn sie die seelischen Vorgänge in bestimmten Einzelfällen jenen geläufigen Bezeichnungen untergeordnet und etwa gesagt hat, daß jemand seine Aufmerksamkeit angespannt oder seiner Phantasie freien Spielraum gelassen habe, so hält sie sie für erklärt und alles, was sich über sie sagen läßt, für erledigt.

Endlich aber hat noch ein dritter Umstand verzögernd auf das Fortschreiten der Psychologie eingewirkt und wird voraussichtlich noch lange fortfahren es zu tun. Einer Anzahl ihrer wichtigsten Probleme gegenüber sind wir nicht unbefangen genug, wir hängen mit allzu starken Interessen an einem bestimmten Ausfall der Antworten mehr als an einem anderen. Die Vorstellung einer strengen Gesetzmäßigkeit alles seelischen Geschehens und also auch der völligen Determiniertheit unserer Handlungen, die doch die Grundvoraussetzung aller ernsthaften psychologischen Forschung bildet, ließ sich nicht nur dem König Friedrich Wilhelm I. mit Erfolg darstellen als eine alle Grundlagen der Ordnung in Staat und Armee untergrabende Lehre, nach der er nicht mehr berechtigt sein würde, die Desertionen seiner großen Grenadiere zu bestrafen, sie gilt auch heute noch zahlreichen Denkern als,,gefährlich". Sie zerstöre alle Möglichkeit von Strafen und Belohnungen, mache alles Erziehen, Ermahnen, Beraten zu einem sinnlosen Tun, wirke lähmend auf die Energie unseres Handelns und sei wegen solcher Konsequenzen durchaus verwerflich. Ganz ähnlich wird durch ihren Zusammenhang mit den tiefsten Gemütsbedürfnissen und dem stärksten Sehnen der Menschen die ruhige Erörterung anderer Grundfragen beeinträchtigt und verwirrt, so der Frage nach dem eigentlichen Wesen der Seele, nach ihrem Verhältnis zum Leibe und seinem Leben und Sterben, neuerdings namentlich der Frage nach der Entwicklung des Seelenlebens aus niederen tierischen Gestaltungen zu der höheren menschlichen. Was allein als wahrscheinlichste Deutung der erfahrbaren Tatsachen, als rein auf sich gestellte wissenschaftliche Theorie gelehrt und baechtet werden sollte, wird zu einer Sache des Glaubens und der guten Gesinnung, oder

1

auch umgekehrt zu einem Zeichen mutvoller Unabhängigkeit des Geistes und der Erhabenheit über Aberglauben und hergebrachte Vorurteile. Alles sehr begreiflich bei der ungeheuren praktischen Wichtigkeit jener Fragen. Aber doch eben alles sehr wenig förderlich für die Auffindung der rein sachlich zutreffendsten Antworten und zugleich ablenkend von der mühevollen und stetig fortschreitenden Einzelforschung.

Allein nun hat doch die Psychologie, wie gleich zu Eingang betont, immerhin angefangen, in eine aufsteigende Entwicklung einzutreten. Welche günstigen Umstände haben es ihr denn ermöglicht, die entgegenstehenden besonderen Schwierigkeiten wenigstens teilweise zu überwinden?

Es sind ihrer viele, aber im wesentlichen führen sie alle auf einen zurück: den Aufschwung und den Fortschritt der Naturwissenschaften seit dem 16. Jahrhundert. Indes auf zwei ganz verschiedene Weisen hat dieser sich geltend gemacht; die Wirkung einer ersten Welle wurde erst durch eine hinterher laufende zweite zu voller Höhe gesteigert. Zunächst wirkte die Naturforschung wenn wir absehen von der unklaren Gleichsetzung des Geistigen mit dem Materiellen, die sie freilich auch hervorbrachte als ein glänzendes Vorbild und befruchtendes Beispiel auf die Psychologie. Sie führte zu der Ausbildung von Vorstellungen nach Analogie der für die materiellen Dinge als maßgebend erkannten oder rief Versuche hervor, nach ähnlichen Methoden Ähnliches zu leisten, wie sie selbst aufzuweisen hatte. So vorwiegend im 17. und 18., aber auch hinterher noch im 19. Jahrhundert. Danach trat eine direktere Wirkung hinzu: ein unmittelbares Eindringen und Übergreifen der Naturforschung in einzelne Gebiete der Psychologie. Im Verlauf ihrer natürlichen Weiterentwicklung wurde jene an mehreren Stellen zu Untersuchungen geführt, die gleichzeitig auf den ihr vorgezeichneten Wegen und in der Interessensphäre der Psychologie lagen. Indem sie sie in Angriff nahm und schöne Erträge daraus gewann, empfingen nun auch die Psychologen kräftige Anstöße, nicht abseits zu stehen, sondern jene Probleme gleichfalls aufzunehmen und für ihre doch andersartigen Zwecke selbständig zu verfolgen. So im 19. Jahrhundert, vornehmlich in seiner zweiten Hälfte.

Einige besondere Gestaltungen und Ergebnisse dieser zweifachen allgemeinen Einwirkung seien etwas eingehender erörtert.

Als erste bedeutende Frucht jener in direkten, durch Analogien wirkenden Förderung ist zu nennen die Wiedergewinnung der soeben erwähnten Vorstellung von der durchgängigen unverbrüchlichen Gesetzmäßigkeit alles seelischen Geschehens, von der ich sagte, daß sie die Grundlage alles ernsthaften Betriebes der Psychologie bilde. Sie war schon dem späteren Altertum geläufig, aber dann von den theologischen Vertretern der Philosophie und Psychologie im Mittelalter wieder zurückgedrängt worden. Zwar fühlten sich diese immer wieder zu ihr hingezogen durch die Betrachtung der Allmacht und Allwissenheit Gottes. Denn wenn Gott allmächtig ist, so gibt es auch in der Zukunft kein Geschehen, weder

in der äußeren Natur noch in der Menschenbrust, das nicht allein von ihm abhinge, und wenn er zugleich allwissend ist, oder auch wenn in der zeitlosen Gottheit der menschliche Unterschied von Gegenwart und Zukunft überhaupt verschwindet, so muß die Zukunft von Gott bereits jetzt gekannt sein, also unabänderlich festliegen. Aber noch stärker wurden sie jederzeit immer wieder von solchen deterministischen Gedanken hinweg und zu der Behauptung einer Freiheit (d. h. einer nicht vollständigen Bestimmtheit) des Geistigen getrieben, sowohl durch das populäre psychologische und ethische Denken wie namentlich durch die Versenkung in die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes. Denn wie könnte Gott auch das sündhafte Tun der Menschen gewollt und, sei es auch nur indirekt, verursacht haben? Oder wie könnte er die Menschen strafen für Dinge, die sie nun einmal nach unabänderlichen und von ihm doch geschaffenen Gesetzen zu tun gezwungen wären? Die Menschen, so folgerte man, obwohl ganz und gar von Gott stammend, sind offenbar durch das Göttliche in ihnen nicht unbedingt gebunden, sie können sich rein willkürlich und ursachlos davon abwenden.

Die junge Betrachtung des Geschehens der Natur führte zu einer anderen Entscheidung. Hobbes und Spinoza vertreten sie mit einer noch heute imponierenden Klarheit und Schärfe; mit dem Streben nach einer etwas schonenden Bemäntelung tritt doch auch Leibniz für sie ein; sie ist seitdem für die Psychologie nicht mehr verloren gegangen. Die Vorgänge des geistigen Lebens, so lehren jene Männer, sind in einer Hinsicht völlig gleichartig denen der äußeren Natur, mit denen sie ja enge verbunden sind: sie sind jederzeit durch ihre Ursachen vollkommen eindeutig bestimmt und können niemals anders sein, als wir sie tatsächlich finden. Freiheit im Sinne von Ursachlosigkeit ist ein leerer Begriff. Wovon man einzig mit Recht sprechen kann, ist Freiheit im Sinne der Abwesenheit von Zwang, Bestimmtwerden eines Dinges oder Wesens allein durch seine eigene Natur, durch die ihm selbst innewohnenden Eigenschaften. So wie man vom Wasser sagt, daß es frei dahinfließe, wenn es durch Felsblöcke oder Wehre nicht gehemmt wird, oder von einem Pferde, daß es frei herumläuft, wenn es nicht angebunden oder im Stalle eingesperrt ist, so kann man auch das Wohltun eines Menschen oder sein Zusammenleben mit anderen seine freie Tat nennen, wenn es aus seinen eigenen Überlegungen und Trieben hervorquillt und nicht durch Gewalt oder Drohungen erzwungen wird. Gesetzmäßige Wirkungen bestimmter Ursachen aber sind darum doch alle diese Erscheinungen, das Fließen, das Herumlaufen wie das Wohltun. Was die Menschen immer wieder zu der Verkennung dieser Gleichartigkeit und dem Glauben an jene falsch verstandene Freiheit verleitet, ist lediglich ihre Unkenntnis. Von der Fülle der sich durchkreuzenden Motive für ihre Handlungen sehen sie meist nur einige; für ihr unmittelbares Bewußtsein erfolgt daher die Entscheidung in der Tat oft grundlos.,,Ein hölzerner Kreisel," sagt Hobbes,,,der von den Jungen gepeitscht wird und herumläuft, bald an die eine Wand bald an eine andere

wenn er seine eigene Bewegung empfände, so würde er denken, sie würde von seinem eigenen Willen hervorgebracht, es sei denn, er fühlte, was ihn peitschte." Nicht anders ein Mensch, der hierhin um eine Pfründe, dorthin um ein Geschäft läuft und dabei denkt, er tue es allein vermöge seines Willens: er sieht die Peitschen nicht, die diesen Willen bestimmen. Um die Gedanken und Triebe der Menschen wahrhaft zu begreifen, muß man daher von ihnen ganz ebenso handeln wie von natürlichen Körpern oder auch wie von den Linien und Flächen der Mathematik. Die angeblichen Gefahren einer solchen Auffassung der Dinge verschwinden, sobald man ihr ohne Voreingenommenheit begegnet und sie zu verstehen sucht. MiBbraucht mag sie werden, von unreifen Geistern nämlich, aber,,wozu die Wahrheit auch immer gebraucht werden möge, wahr bleibt doch wahr," und es handelt sich nicht darum,,,what is fit to be preached, but what is true."

Getragen von dieser Anschauung der allgemeinen Gesetzmäßigkeit des Seelenlebens entwickelt sich dann die Würdigung einer wichtigen besonderen Gesetzmäßigkeit, gleichfalls in Anlehnung an die Naturwissenschaft. Für die gewöhnliche Vorstellung ist das Kommen und Gehen unserer Gedanken ein völlig regelloses und jeder Berechnung spottendes Spiel. Daß hier gleichwohl eine Ordnung walte, daß der Lauf der Gedanken beherrscht werde von Beziehungen der Ähnlichkeit zu den gerade gegenwärtigen Eindrücken oder von ihrem früheren Zusammensein mit diesen Eindrücken, findet sich schon bei Plato und Aristoteles deutlich erkannt und ausgesprochen. Aber dieses Wissen war nicht viel anderes als die Kenntnis einer Kuriosität geblieben; theoretisch war es in keiner Weise verwertet worden. Jetzt wurde es in Verbindung gebracht mit neu gewonnenen physikalischen Einsichten. Jene Gesetzmäßigkeit der Gedankenfolge, denkt sich Hobbes, beruht darauf, daß unsere Vorstellungen mit materiellen Bewegungen in den Nerven und anderen Organen innig zusammenhängen, und daß diese Bewegungen nun, wenn einmal erregt, sobald nicht wieder zur Ruhe kommen können, sondern erst durch Widerstände allmählich aufgezehrt werden müssen. Die Reproduktionsgesetze sind ihm auf geistigem Gebiete etwas Ähnliches wie das Trägheitsgesetz auf materiellem. Für Hume 100 Jahre später beruhen sie auf einer Art Attraktion; wohl begreiflich nach dem Auftreten New tons. Und indem man nun Trägheit und Attraktion als wichtigste Grunderscheinungen des materiellen Geschehens erkannt hatte, lag es nahe, die ihnen an die Seite gesetzte reproduktive Gesetzmäßigkeit als das Fundamentalphänomen des geistigen Lebens aufzufassen und aus ihr ebenso mannigfache und bedeutende Folgen für dieses abzuleiten, wie es aus jenen für die physische Welt gelang. So entstand die englische Assoziationspsychologie, der Versuch, die verschiedenen, von alters her halb hypostasierten und zusammenhanglos nebeneinander gestellten Fähigkeiten der Seele, wie Gedächtnis, Phantasie, Verstand, und ebenso die großen begrifflichen Ergebnisse ihrer Betätigung, wie namentlich das Bewußtsein

des Ich und das der Außenwelt, sämtlich als natürliche und sozusagen mechanische Ergebnisse des von den Assoziationsgesetzen beherrschten Vorstellungsgetriebes zu begreifen. Keine Frage, daß dieses Streben, das in etwas anderer Form auch in der sensualistischen Psychologie Frankreichs zum Ausdruck gelangt, trotz bedeutender Mängel und Einseitigkeiten doch im ganzen einen ungeheuren Fortschritt gegen die Vergangenheit darstellt.

Wie der erklärenden Naturwissenschaft der Galilei und Newton die Assoziationspsychologie, so entspricht der beschreibenden Naturwissenschaft der Linné und Buffon die Erfahrungsseelenlehre der deutschen Aufklärung. Indes ihre Bedeutung, darf man sagen, ist vorwiegend d. h. also einzelne Ausnahmen wie z. B. Tetens abgerechnet negativ. Der Absicht nach will sie zwar auch die seelischen Erscheinungen erklären, sie zunächst in sorgfältiger Selbstbeobachtung erfassen und dann durch ihre Zergliederung die einfachsten Kräfte aufsuchen, aus denen sie hervorgehen. Aber ihre tatsächliche Leistung verharrt fast ganz bei dem bloßen Beschreiben der der ersten Beobachtung sich darbietenden Vorgänge, und die erzielten Resultate lehren eindringlich, daß das Beschreiben, wenn es nicht, wie neuerdings bisweilen, z ugleich im Sinne von Erklären verstanden wird, ein unfruchtbares Tun bleibt. Die zahlreichen verschiedenen Äußerungen der Seele, die schon die volkstümliche Psychologie unterscheidet, werden lediglich in einer gewissen Gruppierung nebeneinander und übereinander geordnet, und das Erklären besteht darin, daß jede als Wirkung eines besonderen Vermögens erscheint. So erhalten wir eine große Fülle verwickelter und innerlich in mannigfacher Weise verwandter seelischer Leistungen als völlig selbständige und einander fremde Vermögen nebeneinander stehend, wie Wahrnehmung, Verstand, Vernunft, Einbildungskraft, aber auch Abstraktionsfähigkeit, Witz, Bezeichnungsvermögen usw.; und rein äußerlich, wie lauter kleine homunculi in dem einen großen homo, operieren diese nun bald miteinander, bald gegeneinander. Das Dichtungsvermögen z. B.,,ist eine Äußerung der Einbildungskraft in Verbindung mit dem Verstande". In Verbindung mit der Vernunft dagegen liefert die Einbildungskraft das ,,Vorhersehungsvermögen".,,Der Witz tut der Urteilskraft oft Abbruch und verführt diese zu falschen Urteilen... Die Urteilskraft muß daher gegen den Witz sehr auf ihrer Hut sein." Der Fortschritt geschah hier nicht durch Weiterbildung, sondern durch Opposition. Diese richtete sich aber auch gegen die Assoziationspsychologie.

Zu den Mängeln der Assoziationspsychologie gehört vor allem dieser: sie gibt kein Verständnis für die Erscheinung der Aufmerksamkeit. Der eigenartige Vorgang, daß von einer größeren Fülle von sinnlichen Eindrücken oder Vorstellungen, die der Seele gleichzeitig sozusagen nahegelegt werden, stets nur einige wenige sich für sie durchzusetzen und in ihr wirksam zu werden vermögen, ist aus der assoziativen Verknüpfung der Vorstellungen nicht zu erklären. Die Assoziationspsychologen gehen

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »