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Einleitung.

Der

I. Das Gebet als das zentrale Phänomen der Religion: Religiöse Menschen und Religionsforscher, Theologen aller Konfessionen und Richtungen stimmen in dem Gedanken überein, daß das Gebet das zentrale Phänomen der Religion, der Feuerherd aller Frömmigkeit sei. Der Glaube ist nach Luthers Urteil nichts anderes ,,denn eitel Gebet". Wer nicht betet noch Gott anruft in seiner Not, der hält ihn gewißlich nicht für einen Gott, gibt ihm auch nicht seine göttliche Ehre."1 Der große evangelische Mystiker Johann Arndt betont immer wieder: ,,Ohne Gebet findet man Gott nicht; das Gebet ist ein solches Mittel, dadurch man Gott suchet und findet." 2 Restaurator der der evangelischen Theologie des 19. Jahrhunderts, Schleiermacher, sagt in einer Predigt:,,Fromm sein und Beten, das ist eigentlich ein und dasselbe." 3 Der romantische Dichter Novalis bemerkt:,,Beten ist in der Religion, was Denken in der Philosophie ist. Beten ist Religion-machen. Der religiöse Sinn betet, wie das Denkorgan denkt."4 Denselben Gedanken spricht der geniale evangelische Dogmatiker Richard Rothe in theologischer Formulierung aus:,,Der religiöse Trieb ist wesentlich Gebetstrieb. Es ist in der Tat gerade das Beten, worauf wesentlich der religiöse Lebensprozeß des Individuums beruht, der Prozeß der sich allmählich vollziehenden reellen Einwohnung Gottes in dem menschlichen Individuum und das religiöse Leben des letzteren. Deshalb wird mit Recht der Nichtbetende als religiös tot betrachtet." 5 Einer der hervorragendsten evangelischen Theologen der Gegenwart, Adolf Deißmann, urteilt:,,Religion ist überall da, wo sie im Menschen lebendig ist, Gebet."6 Der tiefreligiöse Philosoph Gustav Theodor Fechner sagt in eindrucksvoller Weise:,,Nimm das Gebet aus der Welt, und es ist, als hättest du das Band der Menschheit mit Gott zerrissen, die Zunge des Kindes gegenüber dem Vater stumm gemacht." ? Cornelius Petrus Tiele, einer der Väter der vergleichenden Religionsgeschichte, äußert sich ähnlich:,,Wo das Gebet gänzlich verstummt ist, da ist es um die Religion selbst geschehen." 8 Mit diesem Urteil deckt sich der Satz des berühmten Religionsphilosophen Auguste Sabatier:,,Wo das Herzensgebet nicht ist, da ist auch keine Religion." Der bahnbrechende Religionspsychologe William James pflichtet dieser Äußerung Sabatiers bei. 10 Ein gefeierter katholischer Apologet (Hettinger) bezeichnet das Gebet als,,die erste, höchste und feierlichste Erscheinung und Betätigung der Religion" 11, ein volkstümlicher katholischer Erbauungsschriftsteller (Alban Stolz) nennt es,,das Blut und den

Das Gebet

1

Für

Blutumlauf im religiösen Leben" 12, ein Theologe der Gesellschaft Jesu (M. Meschler) heißt es,,die Seele des öffentlichen Gottesdienstes und das Hauptgnadenmittel für das innere Leben“ 13. Ein scharfsinniger Bibelkritiker (Julius Wellhausen) sieht im Gebet ,,die einzig adäquate Form des Glaubensbekenntnisses" 14; ein anderer alttestamentlicher: Forscher,,die schlechthin notwendige Betätigung des religiosen Lebens, das unbewußte, unentbehrliche Atmen der religiösen Seele" .(E. Kautzsch) 15, ein dritter ,,die natürliche und notwendige Lebensäußerung jeder Religion" (R. Kittel) 16. Ein neutestamentlicher Theologe charakterisiert es als ,,den Höhepunkt des religiösen Prozesses im Menschen",,,den unmittelbarsten Ausdruck des religiösen Verhältnisses zwischen Mensch und Gott" (Paul Christ) 17. Ein Kirchenhistoriker, der dem Gebet im Frühchristentum sorgfältige Studien widmete, redet vom Gebet als dem,,Atem aller Frömmigkeit“ (Eduard von der Goltz) 18, ein anderer, der die Gebetsliteratur des Reformationsjahrhunderts untersuchte, nennt es,,die Seele und den eigentlichen Pulsschlag der Religiosität" (Paul Althaus) 19. einen konservativen evangelischen Dogmatiker ist das Gebet,,das spezifische Mittel um religiöse Lebenskräfte zu schöpfen, die spezifische Arzenei gegen die religiöse Ohnmacht" (Richard Rothe) 20, eines der Grundstücke aller echten Frömmigkeit", der ,,Herzpunkt des persönlichen Christentums" (Kähler) 21; für einen modernen Dogmatiker ist es,,die wesentliche und charakteristische Äußerung des religiösen Bewußtseins" (Samuel E c k) 22,,,das Urphänomen der Religion",,,die Urtatsache des religiösen Lebens" (Fernand Méné go z) 23. klassischer Philologe bezeichnet das Gebet als ,,die einfachste und unmittelbarste Weise, wie sich der Mensch in Beziehung zur Gottheit setzt" (Karl Friedrich Hermann) 24. Ein Religionshistoriker nennt es,,die natürlichste Äußerung des religiösen Menschen, der die Gemeinschaft der Gottheit sucht" (Tiele) 25; ein Religionsphilosoph erblickt in ihm,,die Seele der Religion"; durch das Gebet unterscheidet sich nach seiner Anschauung das religiöse Phänomen von andern ihm ähnlichen oder verwandten, wie dem moralischen oder ästhetischen Gefühl (Auguste Sabatier) 26. Und selbst der radikalste unter den Religionskritikern, Feuerbach, der alle Religion zur Illusion stempelte, erklärt:,,Das tiefste Wesen der Religion offenbart der einfachste Akt der Religion das Gebet" 27.

Ein

So besteht nicht der leiseste Zweifel darüber, daß das Gebet das Herz und der Mittelpunkt aller Religion ist. Nicht in den Dogmen und Institutionen, nicht in den Riten und ethischen Idealen, sondern im Beten erfassen wir das eigentlich religiöse Leben. In den Gebetsworten dürfen wir die tiefsten und intimsten Regungen der frommen Seele belauschen.,,Betrachtet die Gebete der Heiligen aller Zeiten, und ihr habt ihren Glauben, ihr Leben, ihre Triebfeder, ihr Werk", sagte der berühmte calvinische Prediger Adolphe Monod 28. Die bunte Welt der religiösen Vorstellungen und Handlungen ist stets nur der Reflex des persönlichen religiösen Lebens. All die verschiedenen Gedanken von Gott, Schöpfung, Offenbarung, Erlösung, Gnade und

Jenseits sind Kristallisationsprodukte, in denen das reich flutende religiöse Erleben, das Glauben, Hoffen und Lieben, feste Gestalt gewinnt. All die mannigfachen Riten und Sakramente, die Weihen und Reinigungen, die Opfer und heiligen Mahlzeiten, die heiligen Tänze und Prozessionen, all die Werke der Askese und Sittlichkeit sind nur der mittelbare Ausdruck des inneren frommen Erlebens: der Ehrfurcht und des Vertrauens, der Hingabe, Sehnsucht und Begeisterung. Im Gebet hingegen enthüllt sich dieses Erleben unmittelbar; das Gebet ist, wie Thomas von Aquin sagte,,,im eigentlichen Sinn die Betätigung der Religion" (oratio est proprie religionis actus) 29, oder wie Sabatier sich treffend ausdrückte,,,Religion in Aktivität, d. h. wirkliche Religion" 30 oder wie Biedermann es formulierte,,der religiöse Prozeß in seiner unmittelbarsten Wirklichkeit" 31.

Das Verhältnis von Religion und Gebet wird treffend von dem katholischen Theologen Joseph Zahn umschrieben:,,Religion und Gebet fallen nicht zusammen, aber sind miteinander verbunden wie Leben und Atmen, wie Geist und Sprache. So wenig es eine echte Religion gibt ohne die Gottesidee und ohne den Ewigkeitsgedanken, so wenig gibt es ein echtes religiöses Leben ohne Gebetsleben. Das Gebet ist das Offenbarwerden des Gottesbesitzes, der im Jenseits sich vollendet, im Diesseits aber sich anbahnt in Glauben, Hoffen, Lieben. Gottesglauben, Gottvertrauen, Gottesliebe, in heiliger Gemeinsamkeit verbunden und lebendig geworden in Geist und Gemüt, ausgesprochen laut vor der Gemeinde oder still vor Gott allein, mit oder ohne Wortsprache das ist das Gebet, wie es als heilige Übung in ununterbrochener Kette von den Gottesfreunden aller Zeitenfolge ist gepflegt worden. Und wenn es gilt, den Weg anzugeben, auf welchem die Religion ihren Segen an die Menschheit vermittelt, so kann auch die höchste theologische Spekulation und die glänzendste Form der religiösen Beredsamkeit sich nicht vergleichen mit dem echten, schlichten, herzenswarmen Gebete. Im Gebete kommt die Erkenntnis der religiösen Wahrheit zu unmittelbarer Fruchtbarkeit, fließt der Strom der Tröstung über die Erde, quillt die sittliche Kraft, die dem religiösen Gedanken innewohnt, in die Seelen, besiegelt sich das Band, welches die Menschen mit ihrem Gott vereint, aber zugleich auch miteinander zu einer großen Familie zusammenschließt. Wer darum in keiner Weise betet, von dem ist zu sagen, daß er aus dem Vaterlande der Menschheit, aus dem Quellenbereiche der religiösen und sittlichen Hoheit fortgegangen ist in die Fremde. Wem aber der Begriff des Gebetes ungeläutert oder halbverstanden ist, der ist notwendigerweise mit seinen religiösen Begriffen noch nicht ins reine gekommen. Und wenn sich wirklich, wie oben gesagt wurde, Religion und Gebet verhalten wie Leben und Atem, Geist und Sprache, und wenn zweifelsohne gesundes Leben und gesundes Atmen, hohes Geistesleben und edle, reiche Sprache sich zusammenfinden, dann darf wohl die rechte Auffassung und Übung des Gebets als ein Gradmesser des religiösen Lebens gelten und es kann von der wahren Höhenstufe des Gebetslebens ein Schluß gezogen werden auf die Vollendung des ganzen religiösen Standes." 32 Dieselben Gedanken spricht der evangelische Dogmatiker A. Schlatter in knappen und kraftvollen Worten aus:,,Da das Gebet derjenige Akt ist, durch den wir unser Wollen zu Gott wenden, besteht die Religion vor allem im Gebet. Religiös sein heißt beten können; irreligiös sein heißt unfähig zum Gebet sein. Der Kampf um die Religion ist der Kampf um das Gebet; die Theorie der Religion ist die Philosophie des Gebets. Normales Gebet ist normale Religion, verdorbenes Gebet verfälschte Religion.“ 3a Weil also das Gebet die elementare und notwendige Äußerung des religiösen Lebens ist, darum ist es nach einem Worte des evangelischen Theologen Palmer,,für Personen und Systeme immer der vollkommen richtige Maßstab, woran das Dasein oder Nichtdasein der Religion, sowie der Grad, in welchem Religion ihnen innewohnt oder bei ihnen

möglich ist, gemessen werden muß" 34. Dasselbe betont Karl Girgensohn in seinen tiefsinnigen Reden über die christliche Religion: „Das Gebet ist ein völlig zutreffender Gradmesser für das religiöse Leben der Seele. Wenn man wüßte, was und wie ein Mensch betet, so würde man seinen ganzen Besitz an Religion klar überschauen können. Wenn der Mensch ohne Zeugen mit seinem Gott redet, dann steht die Seele unverhüllt vor ihrem Schöpfer. Was sie dann zu sagen hat, zeigt ganz deutlich, wie arm oder reich sie ist" 35. Im Gebet enthüllen sich aber nicht nur die religiösen Unterschiede einzelner Menschen, sondern ganzer Völker, Zeiten, Kulturen, Kirchen und Religionen. Auguste Sabatier bemerkt:,,Nichts offenbart uns besser den sittlichen Wert und die geistige Würde eines Kultus als die Art des Gebets, welches er auf die Lippen seiner Anhänger legt" 36. Althaus schreibt in der Einleitung zu seiner Studie über die Gebetsliteratur im Reformationszeitalter:,,Das Gebet ist wie kaum etwas anderes das zuverlässigste Erkennungsmerkmal der spezifischen Frömmigkeit.“ „Nächst dem geistlichen Liede spiegelt sich im Gebete die Eigenart des religiösen Lebens einer bestimmten Entwicklungsstufe am deutlichsten wider." 37 Farnell, wohl der hervorragendste englische Religionshistoriker der Gegenwart, schickt seiner Skizze über die Entwicklung des Gebets den Satz voraus:,,Keine religiöse Äußerung des Menschen offenbart so klar die verschiedenen Auffassungen vom göttlichen Wesen, welche die einzelnen Völker in den verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung hatten, keine spiegelt so lebendig die äußere und innere Geschichte des Menschen wider als die Gebetsformeln." 38 Eben deshalb gibt es nach einem treffenden Worte Deiß manns,,für den Erforscher der Religion und der Religionen keine lehrreicheren Quellen als die Gebete und die Zeugnisse über das Gebet. Sie charakterisieren eine Religion, eine religiöse Schicht, einen Frommen besser als Mythologie, Legende, Dogma, Moral oder Theologie." Man könnte geradezu ,,Religionsgeschichte schreiben als Geschichte des Betens" 39. Derselbe Gedanke wurde schon früher von Auguste Sabatier ausgesprochen:,,Eine Geschichte des Gebets wäre wohl die beste Geschichte der religiösen Entwicklung des Menschen." 40 Und Montalembert hat in der Einleitung zu seinem berühmten Werk über die Mönche des Abendlandes den Satz geschrieben: ,,Ich kann mir keine schönere Aufgabe denken als die Geschichte des Gebets, d. h. die Geschichte dessen, was die Kreatur zu ihrem Schöpfer gesprochen hat, eine Geschichte, die uns lehren würde, wann und warum und wie der Mensch dazu gekommen ist, Gott all sein Elend und sein Glück, all sein Bangen und Sehnen zu enthüllen." 41

II. Die bisherige religionswissenschaftliche Untersuchung des Gebets.

Aus der zentralen Stellung, welche das Gebet im religiösen Leben der Menschheit einnimmt, sollte man schließen, daß die Untersuchung des Gebets einen der hauptsächlichen Gegenstände theologischer und religionswissenschaftlicher Forschung bildete. Wer das glaubt, wird, wenn

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er die theologische Literatur durchmustert, sich bitter enttäuscht fühlen. Deißmann erhebt mit beredten Worten darüber Klage, daß Jesu Gebet so gut wie niemals zum Gegenstand der Untersuchung gemacht worden sei.,,Als sei es etwas Selbstverständliches, jedenfalls nichts Charakteristisches, haben die Forscher das Gebetsleben Jesu zwar nicht ignoriert, aber fast ganz in den Hintergrund gestellt. Es gibt über dieses wenn wir uns auf dem Boden der Religionsgeschichte befinden zentrale Thema nicht den hundertsten Teil der wissenschaftlichen Literatur, die über bestimmte Einzelheiten aus dem Leben Jesu vorliegt.... Die Forschung über den Begriff ,Menschensohn' in allen Ehren! Wer aber das Beten Jesu ignoriert oder bloß in einer Anmerkung abmacht, der bleibt vor dem Vorhange stehen, anstatt das Sanctissimum zu betreten." 42 Was die großen kirchlichen Väter und die Reformatoren über den einen und dreieinigen Gott, über Gnade, Erlösung, Rechtfertigung, Kirche und Sakramente grübelten und stritten, ist in zahllosen Abhandlungen untersucht worden; aber nur selten kam jemand auf den Gedanken, ihrem eigentlichen Frömmigkeitsleben, ihrem Glauben und Beten, ihrem Meditieren und Kontemplieren nachzugehen. Über die Konzilienbeschlüsse und die päpstlichen Bullen, über die endlosen Kontroversen zwischen Staat und Kirche, über die Entstehung und die Schicksale der Sekten, über die Entwicklung der Riten, Sakramente und Liturgien, über die Echtheit von Legenden existiert eine unübersehbare Literatur; aber das Gebetsleben der großen Heiligen wie das Gebet der Volksfrömmigkeit haben die Kirchenhistoriker beider Konfessionen nahezu ganz vergessen. Gewiß erklärt sich diese auffällige Vernachlässigung der Untersuchung des Gebets zum Teil aus der relativen Spärlichkeit primärer Zeugnisse und aus der außerordentlichen Schwierigkeit der Quellenverwertung; der Hauptgrund scheint jedoch in einem unbemerkten Nachwirken des scholastischen Intellektualismus wie des aufklärerischen Rationalismus zu liegen, die beide in einseitiger Weise auf die religiöse Vorstellung und theologische Lehre, nicht auf das religiöse Erleben in seiner Ursprünglichkeit und Unmittelbarkeit, gerichtet sind; die religiöse Vorstellung ist ja nur die eine Komponente des religiösen Erlebens, der theologische Begriff die logische Klärung des religiösen Vorstellungsinhalts. In diesem Intellektualismus ist ja auch ein Grund dafür zu suchen, daß wir bis heute nur eine christliche Kirchen- und Dogmengeschichte, aber keine christliche Religions- und Frömmigkeitsgeschichte besitzen.

Hans Preu B leitet seine feinsinnige Studie über Luthers Frömmigkeit mit den treffenden Worten ein:,,Die Geschichte der christlichen Frömmigkeit ist noch nicht geschrieben worden. Ja es fehlen, während es schon längst klassische Darstellungen der Geschichte des Dogmas, der christlichen Kunst, des Kirchenrechts gibt, für eine Geschichte der christlichen Frömmigkeit sogar noch die wichtigsten Vorarbeiten. Dies ist um so verwunderlicher, als die Frömmigkeit doch die Quelle aller dieser anderen Stücke christlicher Kultur gewesen ist. Man vergaß angesichts des breitflutenden, Schiffe tragenden und Werke treibenden Stromes, nach seinem Ursprung hoch droben im Gebirge zu fragen, wo seine Anfänge versteckt und überwuchert aus dem Sande sickerten oder aus dem Felsen sprangen."

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