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es kommt auch vor, daß man hingeworfen zur Erde, liegend betet; die Prosternation wird hier zur Gebetsgrundstellung. Diese merkwürdige Gebetshaltung ist von einigen Naturvölkern wie von den Israeliten und Römern bezeugt.

Statt der Prosternation kann die Inklination dem Gebet vorausgehen oder es begleiten, die Verbeugung des Oberkörpers oder das N e ig en des Hauptes, eine bei manchen kulturarmen Völkern und bei den Sumerern, Babyloniern, Hebräern, Indern, Römern und Germanen übliche Gebetssitte. Das altindische und avestische Wort für ,Anbetung' (namas) leitet sich etymologisch vom,Sichneigen' (nam) ab, die Bezeichnung des islamischen Pflichtgebetes (salât) vom ,,Krümmen des Rückgrats“ (salaj).

Neben der Prosternation und Inklination steht als dritte Form der das Gebet einleitenden Körperbewegung die Ganzdrehung des Körpers (circumagere corpus), eine besonders bei den Römern und Kelten übliche Gebetssitte. Die Drehung erfolgte bei den Römern nach rechts, bei den Galliern nach links. Dieses circumagere corpus beim Gebet geht zweifellos auf eine ältere, weitverbreitete Adorationssitte zurück, das Umkreisen eines Kultobjekts. Das Sichumdrehen ist im Grunde nur ein „verkleinerter Umgang". In Indien, Griechenland und Rom spielt der sakrale Rundgang eine bedeutsame Rolle. Spuren des Umgangs bzw. der diesen ersetzenden Körperdrehung lassen sich auch in der babylonischen Religion aufweisen.

Eine seltsame, aber sicher sehr alte Gebetssitte ist das Hüpfen während des Gebetes. Bei den Trisagion des Schmone 'Esre springen die Juden dreimal in die Höhe; dasselbe geschieht an einer bestimmten Stelle des Morgengebetes". Clemens von Alexandrien erklärt (Strom. VII 7, 40):,,Wir heben die Füße in die Höhe bei dem das Gebet beendenden gemeinsamen Ausrufe". Es handelt sich ohne Zweifel um den Rest einer primitiven Gebetssitte, die im Spät judentum beibehalten und vom Frühchristentum übernommen wurde.

Unter den mannigfaltigen Händehaltungen beim Gebet erscheint als die häufigste und ursprünglichste das Erheben, Hochhalten oder A u sbreiten, Ausstrecken der (meist geöffneten) Hände: die Handflächen werden dabei stets dem angerufenen Wesen zugekehrt. Die australischen Yuin heben bei den Initiationsmysterien Hände und Waffen zum Himmel empor9. Die dem betenden Häuptling respondierenden Kikuyuleute halten die Hände hoch1o. Die Massai beten zu Ngai mit erhobenen Händen, in denen sie Grasbüschel halten". Die Siouxindianer,,erheben beim Gebet die Arme, indem sie die Handflächen gegen das Objekt oder das angeredete Wesen richten; hierauf senken sie die Hände abwärts gegen die Erde zu, ohne jedoch das Objekt oder die Person zu berühren."" Die ägyptischen Determinative für,anbeten' (Sw3, ¿zw) zeigen einen Mann mit erhobenen Händen. Auf zahlreichen ägyptischen Tempelbildern halten die Beter beide Hände in der Höhe des Gesichtes erhoben, die Handflächen sind stets der angerufenen Gottheit zugekehrt13. In einer Serie babylonischer Hymnen kehrt regelmäßig die Aufforderung wieder, bei der Rezitation die Hand zu erheben (šu-il-la · semitisch niš kâti)". In den assyrischen Königsinschriften begegnet uns häufig die Wendung:,,ich erhob meine Hände und betete zu N. N."15 Ausdruck,,Handerhebung" (niš kâti) bekommt die Bedeutung von,Gebet". Die geöffneten Handflächen werden dem angerufenen Gott zugekehrt; so heißt es in einer Inschrift:,,es öffnete Assurbanipal seine Hände und trat vor Nebo seinen Herrn“ (KB III 2, 138). Die Hände ausstrecken' und die Hände erheben sind bei den Israeliten geläufige Termini für Beten - ein Zeichen für die Häufigkeit und das hohe Alter dieses Gebetsgestus". Wie schon das Wort kappaim (die hohlen Hände, Handflächen) andeutet, richtete man die Handflächen nach dem Wohnsitz der Gottheit, nach dem Himmel oder dem Heiligtum. In dem freien Gebet der Muslime (du'a) ist der alte arabische Gestus des Emporhebens und Ausstreckens der Hände in Geltung geblieben18. Die Griechen hielten beim Beten die Hände empor (¿véxeiv, algeiv xɛìçaç1, Ausdrücke, welche geradezu die Bedeutung,Beten' gewinnen) oder streckten sie aus (avatɛívei, doéyei xɛło̟aç)20. Die Römer streckten beim Gebet ebenfalls die Hände aus oder erhoben sie (manus bzw. palmas tendere, tollere)". Die Hände wurden dabei leicht zurückgebogen, man spricht deshalb von xɛiges Oлtiaι, manus supinae". Die Handflächen wurden

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stets dem Wohnort des Gottes (Himmel, Tempel, Meer) zugekehrt". Aus den Avesta geht hervor, daß die Erhebung der Hände auch der altpersische Gebetsgestus war. In den Katakomben werden die Beter mit ausgebreiteten Armen dargestellt. Das Ausbreiten der Arme, der Gebetsgestus der Israeliten, Griechen und Römer, wurde so zum christlichen Gebetsgestus, von den alten Kirchenschriftstellern als Nachahmung des Gekreuzigten sinnig gedeutet. Im zweiten christlichen Jahrtausend tritt es hinter dem Händefalten immer mehr zurück und erhielt sich als feststehender Gebetsgestus nur in der Liturgie. Als individuelle, durch den Affekt spontan erzeugte Gebetsgebärde lebt es bis heute fort, wie man an Wallfahrtsorten beobachten kann.

Neben dem Emporheben beider Arme ist auch das Hochhalten eines Armes als Gebetsgebärde bezeugt. Auf ägyptischen Tempelbildern erhebt der Beter häufig nur eine Hand, die andere hält eine Opfergabe, ein Kultsymbol oder ein Sistrum 27. Ähnliche Darstellungen treffen wir auch in Babylonien. Häufig finden wir auch einen Schutzgott dargestellt, der vor einer Gottheit steht und mit einer Hand einen menschlichen Adoranten hält. Beide, der Mensch und sein Fürsprecher, wenden die eine erhobene Hand dem Gotte zu28. Auf manchen griechischen Opferdarstellungen streckt der Opfernde seine Schale als das Wichtigere mit der Rechten vor, während er die Linke erhebt. Der gerüstete Krieger hält stets die Rechte allein empor, da die Linke die Waffe trägt 30. In all diesen Fällen ersetzt die Erhebung der einen Hand die regelmäßige Erhebung beider Hände. Es kommt jedoch auch vor, daß nur eine Hand erhoben wird, obgleich die andere Hand frei ist. Auf manchen ägyptischen Bildern erhebt der Beter die eine Hand, die andere läßt er in spannungslosem Zustand nach abwärts fallen". Wenn die Griechen einem Altar oder Götterbild gegenübertraten, erhoben sie häufig nur die rechte Hand mit gespreizten Fingern 32.

Eine seltsame Gebetsgeste ist die Haltung beider Hände über dem Kopfe. Die Einwohner des Reiches Candy und andere Völker des südlichen Asiens halten beim Beten, selbst wenn sie auf der Erde hingestreckt liegen, die Hände über dem Haupte empor33. Auch das Anlegen einer Hand an den Kopf findet sich als Gebetsgestus. Die Tehuelchen von Patagonien legen, wenn sie an bestimmten, von Totengeistern bewohnten Wäldern, Flüssen oder Felsen vorübergehen, die Hand an den Kopf und murmeln ein paar Worte3. Die galatischen Taskodrugiten legten beim Beten den rechten Zeigefinger an die Nase 35; ebenso die in Phrygien entstandene Sekte der Kataphryges oder Quintiliani.

Sehr häufig wird das Gebet eröffnet, begleitet oder geschlossen mit Händeklatschen oder Aneinanderschlagen der Handflächen. Beim Morgengruß an die Gottheit schlagen verschiedene Bantustämme in die Hände37. Mit Händeklatschen empfängt man im Kongo den Neumond3. Bei den Ewe3 ist ähnlich wie in Israel Händeklatschen beim Dankgebet üblich.,,Ihr Völker alle, klatschet in die Hände", ruft noch der Psalmist aus 40. Aber auch beim Bittgebet ist diese Gebetsgeste gebräuchlich. Von den Kiziba wird das Gebet an den Sonnengeist und an den Meergeist mit emporgestreckten Armen und unter Aneinanderschlagen der Handflächen gesprochen"1. Wenn am Nyassa der Häuptling das Gebet spricht, schlagen alle Leute, die ihn umgeben, rhythmisch in die Hände12. Wenn der Häuptling der Flußneger Kameruns sein Opfergebet gesprochen hat, klatscht er in beide Hände 43.

Uralt ist das noch in der heutigen Frömmigkeit übliche Klopfen an die Brust. In Ägypten schlug man sich beim ekstatischen Jauchzen (ḥnw) mit der geballten Faust die Brust". In Israel klopft der um Gnade flehende Sünder demütig an seine Brust (Lk 18, 13). In Rom gehört zum Gelübde, daß man, so oft das Wort ego vorkommt, die Brust berührt45. Walafrid Strabo tadelt noch im 9. Jahrhundert, daß manche sich im Gebet mit Fäusten die Brust schlugen". Noch affektvoller als das Klopfen an die Brust ist das Schlagen des Hauptes od r das Zerraufen der Haare, zu dem die Beter in höchster Not oder Verzweiflung greifen. Wenn in Rom vom Senat eine supplicatio angeordnet rauften sich die Frauen das Haar, zerkratzten die Wangen und schlugen die Schultern". Alle diese leidenschaftlichen Gebärden entstammen den Sepulchralriten.

war,

Beim Gebet an die Mutter Erde und an die chthonischen Mächte richteten Griechen und Römer die Hände abwärts:,,Die Götter der Unterwelt rufen wir mit zur Erde gesenkten Händen an“, sagt der Erklärer der Äneis. Meist aber berühren oder beklopfen sie den Erdboden. Ein römisches Ritual enthält die Anweisung für das Gebet des Diktators:,,Cum Tellurem dicit, manibus terram tangit"." Zumal beim Fluchgebet, das an die Toten und Unterweltsgötter gerichtet wurde, schlug man mit den Händen den Boden oder stampfte mit dem Fuße auf die Erde 50. Noch heute schlagen in Griechenland und Neapel fluchende Weiber mit der flachen Hand auf den Boden"1.

Das Hände falten", der gewöhnliche christliche Gebetsgestus, findet sich schon in alter Zeit bei den Indern (añjali). In der Bhagavadgîtâ faltet Arjuna beim Gebet an Krischna die Hände (XI 14, 35). Nach dem Mahâvagga (I 5, 5) erhebt Brahma bittend seine gefalteten Hände zu Buddha". Auf hinduistischen Reliefs und Statuen halten die Adoranten die Hände zusammengelegt vor. Das Händefalten beim Gebet findet sich bei den Tibetanern und Japanern"". Es begegnet uns auch auf einem sumerischen Tonrelief, auf dem die Göttin Ba’u sich für einen Adoranten bei ihrem Gemahl Ningirsu verwendet. Das Händefalten scheint der altgermanische Gebetsgestus gewesen zu sein; mit dem Sieg des Germanentums drang es in das Christentum ein und wurde allmählich zur Gebetsgebärde des ganzen christlichen Abendlandes. Zuerst ist es in altfränkischen Grabdenkmälern des 7. Jahrhunderts nachweisbar 58.

Mit dem Händefalten berührt sich das Ineinanderlegen der Hände und das Verschlingen der Finger, Gebetsgesten, die noch heute bei uns gebräuchlich sind. Erstere Händehaltung findet sich auf den sumerischen Gudeastatuen; die Fläche der einen Hand ruht auf dem Rücken der anderen". Das Ineinanderschlingen der Hände wird von römischen Schriftstellern als Gebetsgestus bezeugt, doch scheint es hier eine mehr magische Bedeutung zu haben. Das erste monumentale Zeugnis ist ein dem 5. Jahrhundert entstammender Sarkophag in einer Katakombe zu Syrakus, der eine mit verschlungenen Fingern vor Maria hockende Frau zeigt. Das erste literarische Dokument dieses Gestus bietet die bekannte Erzählung von dem Gebet der heiligen Scholastika".

Eine ruhende Gebetsgeste wie das Händefalten ist das Kreuzen der Hände auf der Brust. Es wurde von den Arabern und Türken geübt und drang aus dem Orient in die Ostkirche ein. Auch bei den parsischen Mazdaanbetern ist diese Gebetshaltung gebräuchlich. In der mystischen Frömmigkeit des Abendlandes ist sie beim Beten und Betrachten sehr beliebt.

Seltsamerweise wurde auch das Kreuzen der Hände auf dem Rücken als Adorationshaltung geübt. Hierauf spielt zweifellos die Notiz des Tacitus an, daß die Germanen einen heiligen Hain nicht anders als,gefesselt' beträten. Callimachus erzählt, daß die in Delos landenden Kaufleute, die sich den Segen Gottes für ihr Geschäft erbaten, um den Altar herumliefen und dann mit den Händen auf dem Rücken zu einem nahen Ölbaum gingen, um etwas von dessen Rinde abzubeißen 65.

Bei all den erwähnten Händehaltungen und -bewegungen ist die Distanz des Beters vom Gotte gewahrt. Es gibt aber auch solche Gebetsgesten, die den Beter in unmittelbare Berührung mit der sinnlich gegenwär tigen Gottheit bringen. Bei den semitischen Völkern war die Sitte verbreitet, die Idole zu streicheln; mit der Hand über sie hinzufahren. Die heidnischen Araber nannten diesen Gestus tamassuch, die Hebräer chilla et penê ein Ausdruck, der geradezu die Bedeutung,Gott um Gnade anflehen', ,beten bekam". Die Römer berührten oder umfaßten gerne beim Gebet den Altar. Häufig umfingen die Beter die Hände oder Kniee der Götterstaeine Sitte, die naturgemäß viel jünger ist als die Umarmung des Opferaltars. Ein assyrisches Ritual gibt die Anweisung:,,Du sollst niederfallen und die Hände des Gottes ergreifen.""" Ein assyrischer Hymnensänger fleht:,,Der ich die Göttin Ninua an den Füßen faßte, in der Schar meiner Feinde mögest du mich nicht verlassen."70 Valerius Flaccus singt:,,Haeserat auratae genibus Medea Minervae."" Eine verbreitete Gebetssitte ist das Küssen des Kultobjektes oder Idols. Die Kanaanäer küßten die Idole und Tierbilder ihrer ba'alim", die alten Araber küßten die Bilder ihrer Hausgötter beim Betreten und Verlassen

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der Häuser, die Mekkaner den schwarzen Stein, die Kaäba", die Griechen die heilige Eiche des Zeus zu Ägina". Die Lippen wie das Kinn der Erzstatue des Herakles zu Agrigent waren zu Ciceros Zeiten durch vieles Küssen stumpf geworden". Im Tempel küßte der betende Römer den Statuen Hände und Füße". Altchristliche Fromme, die zu den Martyrern beteten, küßten ihre Gräber"; die Christen der morgenländischen Kirchen küssen noch heute die Heiligenbilder. Ferne am Himmel wohnenden Gottheiten sendet man Ku ß hände. So warf man in Peru der Sonne Küsse zu. Die Semiten verehrten in gleicher Weise Sonne und Mond'. In Griechenland und Italien gebührte die Kußhand allen Gestirngottheiten, dem Helios, der Selene und den Sternen, selbst den Winden 80. Beim Eintritt in den Tempel verehrte man in Rom den Gott nicht selten durch eine Kußhand 81. Sonst erwiesen die Alten mit diesen Gebärden allen heiligen Gegenständen, die sie nicht berührten, Altäre, Steinen, Hainen, Statuen ihre Verehrung, vor allem beim Vorübergehen ". Nichts beweist die Verbreitung der Gebetssitte des Kusses und der Kußhand so sehr wie der Umstand, daß der griechische Terminus für,anbeten‘(лooσxvvɛiv) ursprünglich,küssen“, der lateinische Terminus adorare,Kußhand' (die Hand zum Munde führen) bedeutet. Ebenso bedeutet das sumerische Wort sub (babylonisch suppû),,beten" ursprünglich,Kußhand'; das Ideogramm setzt sich zusammen aus den Zeichen für ‚Mund' und ‚Hand', bedeutet also wie das lateinische adorare,,die Hand zum Munde führen". Die Sitte der Kußhand hat sich in der europäischen Volksreligion zäh erhalten. Sie findet sich bei den Spaniern und Neapolitanern 8. In Schwaben werfen heute noch fromme Bauersleute dem Kruzifix wie den Heiligenstatuen beim Vorübergehen Kußhände zu. In Steiermark zeigt man den kleinen Kindern, sobald sie verstehen gelernt, die Bilder von Christus und Maria und lehrt sie,,ein Busserl hinaufgeben zum Himmelvater und zur Himmelmutter."84 Weit verbreitet ist die Sitte der Entblößung freilich nur bei Völkern, bei denen das Kleidungswesen schon stark entwickelt ist. Man entledigt sich vor allem der Schuhe, wenn man ein Heiligtum zum Gebet betritt oder einen kultischen Akt vollzieht. In Peru zog man bei der Anbetung der Sonne die Schuhe aus 5. Die Israeliten pflegten beim Betreten heiliger Stätten die Sandalen auszuziehen. Die Samaritaner betreten den heiligsten Fleck auf dem Garizim barfuß, ebenso die Araber die heiligste Stätte auf dem Serbel". Die Mohammedaner legen die Schuhe ab, wenn sie feierlich beten oder die Moschee betreten. Die griechischen Tempelinschriften mahnen den Tempelbesucher, unbeschuht das Heiligtum zu betreten. Die Barfüßigkeit ist in Griechenland und Rom bei der Opferdarbringung und sonstigen Kultakten, besonders bei Prozessionen erforderlich " Römische Frauen beteten nudis pedibus zu Jupiter um Regen". Wie man die Füße entblößt, wenn man an heiliger Stätte betet, so entblößt man auch das Haupt, wenn man vor dem Angesichte Gottes steht. Die Griechen" wie die Germanen "beteten entblößten Hauptes. Noch heute pflegen wir die Kopfbedeckung abzunehmen, wenn wir eine Kirche betreten oder beten. Die Entblößung des Oberkörpers bzw. der Schultern ist eine vielgeübte Gebetssitte; sie findet sich ebenso im alten und neuen Indien 93 wie in der antiken Mittelmeerwelt". Auch ein assyrisches Ritual fordert die,,Entblößung der Arme“ bei der Hymnenrezitation". Aber nicht nur die Entblößung bestimmter Körperteile, sondern auch die vollständige Nacktheit bzw. die Entblößung bis auf den Hüftenschurz begegnet uns im Kult der Völker, beim Gebet und Opfer, beim Umlauf und Tanz, bei der Inkubation und Prophetie und besonders beim Totenkult. Als mit dem Fortschritt des ethischen und ästhetischen Gefühls die sakrale Nacktheit aus dem öffentlichen Kult verbannt worden war, blieb sie in dem geheimen Mysterienkult erhalten. Im Folklore und in der Magie's lebt sie bis in die Gegenwart fort. Die erschreckende Rolle, welche Nackheit und Entblößung in der Magie und im volkstümlichen Aberglauben spielen, weist auf eine uralte Kultgewohnheit hin, die nun wie viele andere unter der Decke der Kultur sich fortfristet.

Seltsamerweise treffen wir beim Beten der Völker auch die entgegengesetzte Sitte, die Verhüllung, vor allem die Hauptverhüllung. Der Priester der Katchin trägt beim Gebet eine Kopfbedeckung. Die Perser beteten bedeckten Hauptes 100; ebenso beteten und opferten die Römer stets capite velato101. Die

Frommen des Alten Testamentes verhüllten ihr Haupt bei Theophanien 102. In der nache xilischen Zeit bildete sich die Sitte aus, beim Gebet den Kopf mit dem Gebetsmantel, der Tallith d. i. der Schützenden zu umgeben103. Noch der Apostel Paulus schärft den korinthischen Frauen ein, nur mit verhülltem Haupte zu beten, während ihm die Hauptverhüllung des Mannes als schändlich erscheint (1. Kor. II, 4 f.). Die Muslim bedecken beim Gebet mit dem Turban Scheitel, Ober- und Hinterkopf; desgleichen ist es im Islam Vorschrift, daß der Oberkörper beim Gebet bedeckt ist 104. Die Chinesen halten, wenn sie vor Göttern und Geistern erscheinen, eine Tafel von Jaspissteinen vor den Mund 105. Die Parsen verhüllen beim Kult den Mund mit einem viereckigen Stück Zeug, dem Paitidhâna (neupers. Penom)106. Neben der Haupt- und Mundverhüllung steht die Handverhüllung. Der Göttin Fides opferten die Römer mit verhüllter Hand1o7. In hinduistischen Kulten ist der Gebetshandschuh gebräuchlich 108. Die Perser priester tragen beim Feuerkult Handschuhe. In diesen Zusammenhang gehört auch die jüdische Sitte des Gebetsriemens.

All diese Gebetshaltungen, Gebetsgesten und Gebetssitten sind das Vermächtnis uralter Zeiten. Sie gehören zu jenen Formen der Religion, die sich am treuesten durch Jahrhunderte, ja Jahrtausende hindurch erhalten haben. Eben deshalb, weil sie nicht spontane Ausdrucksformen individuellen religiösen Erlebens sind, sondern festes Traditionsgut von Stämmen, Völkern und Rassen, ist die Deutung ihres Sinnes und die Aufdeckung ihres Ursprunges nicht ganz einfach. Die alten religiösen und religionsgeschichtlichen Interpreten dieser Gebetssitten entdeckten in ihnen eine sinnige Symbolik: in den verschiedenen Gebetsstellungen und Gebetsgesten symbolisiert sich das eigentümliche Verhältnis des Menschen zur Gottheit; in ihnen kommen die elementaren religiösen Gefühle der Ohnmacht, Abhängigkeit und Sehnsucht zum Ausdruck.

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Augustinus schon sagt:,,Die Betenden tun mit ihren leiblichen Gliedern, was Schutzflehenden geziemt, wenn sie die Knie beugen, wenn sie die Hände ausbreiten oder sonst etwas Sichtbares machen."109 Jak. Grimm sagt: Die Gebärden beim Gebet zeigen,,,daß der Mensch dem mächtigen Gotte, seinem Sieger sich als wehrloses Opfer darbietet und unterwirft."110 ,,Man nimmt", urteilt Chantepie de la Saussaye,,,dieselben Stellungen ein, zu welchen man als Schutzflehender mächtigen Herrschern gegenüber verpflichtet ist."111 ,Das Stehen“, sagt der Bibelforscher Delitzsch,,,ist Ausdruck der Ehrfurcht, Untertänigkeit, Dienstbereitschaft, wie der Diener steht vor seinem sitzenden Herrn, wie die Engel stehen vor Gottes Thron."112 Das,, Sichhinwerfen" urteilt Edvard Lehmann, ,,das Berühren der Erde mit der Stirne und das Knien sind alles Stellungen der Unterwerfung und Wehrlosigkeit."113 Im Händeerheben und Händeausstrecken drückt sich nach der Ansicht Westphals das Verlangen aus, die erwünschte Gabe von der Gottheit entgegenzunehmen, da man die innere Hand dahin streckte, wo man sich die Gottheit befindlich dachte. ,,Durch das Ausstrecken der Arme", sagt Meiners,,,suchte man die zögernden Wohltaten und in großen Nöten die schleunige Hilfe der Götter herabzuziehen. Voullième hingegen meint:,,Die Betenden strecken die Hände zum Himmel und zu den Göttern, nicht um die von den Göttern erflehten Geschenke entgegenzunehmen, sondern um die Götter selbst gleichsam zu berühren und ihre Knie schmeichlerisch zu umfangen und sie so zur Erhörung der Bitten geneigt zu machen115"6 Greiff vollends schreibt: ,,Das Ausstrecken der Hände zum Himmel ist aus dem Gefühl des Versinkens zu verstehen. Wie das Kind seine Hände zur Mutter hinaufstreckt, so der Bete zu Gott, damit er ihn aus dem unglücklichen Zustand gleichsam an den Händen heraufziehe."11" ,,Das Händefalten", sagt Matthias Claudius,,,ist eine feine äußerliche Zucht und sieht so aus, als wenn sich einer auf Gnade oder Ungnade übergibt und 's Gewehr streck.",,In sinniger Weise kommt", wie Döller glaubt,,,im Händefalten

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