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sakralen Handlung nötige mündliche Erklärung, die das sakrale Rechtsgeschäft von seiten des Sterblichen perfekt macht und, wenn in richtiger Form abgegeben, zugleich die Gottheit in dieses einzutreten zwingt." ,,Da so eine Bindung der Gottheit durch den Sterblichen erfolgt, kann man geradezu von einer ,legum dictio' auf seiten des letzteren reden." 43 Dieses durch zeremonielle Steifheit oder juristischen Formalismus gebundene Gebet ist noch ein wirkliches Gebet; es spiegelt noch irdischsoziale Verkehrsformen wieder. Der Mensch sucht irdischen Analogien gemäß durch Einhaltung des Höflichkeitszeremoniells oder durch einen rechtlichen Vertrag die höheren Wesen zu bewegen und zu zwingen, seinen Wünschen zu willfahren. Aber die Erfüllung der Bitte liegt selbst nach der römischen Auffassung noch im freien Willen der Gottheit. ,,Vorausgesetzt, daß der die Handlung vornehmende Augur die richtige Formel anwendet und bei ihrem Vortrag keinerlei Verstoß begeht, ist die Gottheit gehalten, ihre Zustimmung - falls sie sie überhaupt erteilen will-eben in der erbetenen und nicht in einer anderen Form kundzugeben" (Wissowa). 43 Die durch die Gebetsformel bewirkte Bindung der Gottheit ist eine relative, keine absolute. Aber hier vollzieht sich bereits der Übergang der Gebetsformel in die echte Zauberformel. Die Gebetsformel verliert völlig den Gebetscharakter und sinkt zum Zauberspruch herab, wenn den Gebetsworten eine unfehlbare, immanent-magische Kraft zugeschrieben wird, durch die entweder ein absoluter Zwang auf die höheren Wesen ausgeübt wird oder gar unter Ausschaltung jeder Tätigkeit der höheren Wesen der Wunsch des Rezitierenden direkt und automatisch realisiert wird.

Wo das Riten- und Formelwesen um sich greift, wird das spontane und freie Beten des Einzelnen immer mehr zurückgedrängt. Der Mensch glaubt, genug getan zu haben, wenn er die traditionellen Riten vollzieht, die Tabuvorschriften beachtet und die heiligen Formeln fleißig rezitiert. Befindet sich jemand in einer konkreten Notlage oder hat jemand ein besonderes Anliegen auf dem Herzen, so geht er zum Priester oder Zauberer, daß er aus seinem reichen Formelschatze eine passende, kräftige Formel auswähle und an seiner Statt unter Opferdarbringung rezitiere. Das religiöse Leben in seiner unmittelbaren Kraft und Ungebundenheit wird so unterdrückt und erstickt. Die spontanen Äußerungen des religiösen Bewußtseins werden auf ein Minimum reduziert. Aber sterben kann das freie Gebet nie, weil die religiöse Urgefühle nicht sterben können. Tiefe Nöte und heiße Wünsche geben dem Individuum immer wieder die Kraft, den ganzen Wust von Riten und Formeln zu vergessen und durch einen leidenschaftlichen Gebetsruf sich den unmittelbaren Weg zu Gott zu bahnen.

C. Der Hymnus.

In der religiösen Literatur der meisten antiken Völker, der Inder, Sumerer, Babylonier, Ägypter, der alten Mexikaner und Peruaner nimmt der Hymnus einen wichtigen Platz ein. Er ist jedoch keine literarische, sondern eine kultische Größe, ein Stück des komplizierten Rituals, das den antiken Kulturreligionen eigen ist. Seinem Zweck und seiner Form nach ist der Hymnus ein Gebet; man redet in ihm eine Gottheit an, man wendet sich an ein höheres Wesen, dessen Gunst man gewinnen will. Und doch ist der Hymnus etwas anderes als das schlichte Bitt- oder Dankgebet des naiven Frommen, ja selbst etwas anderes als die feierliche Gebetsformel, die der Priester bei einer Ritualhandlung spricht. Wie schon die Bedeutung des Wortes Hymnus zeigt, unterscheidet sich der Hymnus vom Gebet durch seine Form wie seinen Inhalt. Er ist ein Gesang, ein Lied, also ein poetisches Gebilde, ein Gedicht, ein Kunstwerk. Er ist weiterhin ein Lo b- oder Preis lied; Klage, Bitte, Überredung und Dank treten zurück hinter dem Lobpreis der Größe und Macht des Gottes, bisweilen fehlen sie völlig. In seiner vollentwickelten Form ist der Hymnus ein Charakteristikum der großen antiken Ritualreligionen; die Ansätze zum Hymnus finden wir aber bereits bei den Naturvölkern wie bei jenen antiken Völkern, welche nicht zur Bildung eines komplizierten Sakralsystems fortgeschritten sind

I. Das primitive Gebetslied.

1. Die formalen Elemente des Hymnus, Rhythmus und Gleichklang, Parallelismus membrorum, Stichenbau und Strophengliederung begegnen uns bereits in manchen primitiven Gebeten.

Ein natürlicher Rhythmus schwingt schon in den kurzen, mehrmals wiederholten Gebetsrufen, die wir als die ursprüngliche Form des Gebetes bezeichneten. ,,Guter Geist, gib Büffel, Büffel, Büffel, dicke Büffel gib uns, guter Geist!" 1 lautet ein Indianergebet. Uralt sind die beiden früher schon erwähnten Gebete der Athener an Zeus und Demeter, welche die Rhythmik primitiven Betens gut veranschaulichen:

ὖσον, όσον, ὦ φίλε Ζεῦ, κατὰ τὰς ἀρούρας τὰς τῶν 'Αθηναίων.

(,,Regne, regne, o lieber Zeus, herab auf die Fluren der Athener!") '

πλεῖστον οὖλον οὖλον ἵει ἴουλον ἵει.

(Große Garben, Garben schicke, Garben schicke!") 3

In vorhistorische Zeit reicht wohl das Lied der römischen Arvalbrüder zurück: ,,Enos, Lases, iuvate

Neve lueruem, Mars, sins incurrere in pleoris.

Satur furere, Mars, limen sali, sta, Berber.

Semunis alternei advocapit cunctos,

Enos, Marmar, iuvate!

Triumpe, triumpe, triumpe!"

(,,Wohlan, Laren, helfet!

Laß nicht Seuche und Ruin befallen die Menge!

Sei satt (= habe genug), Mars, spring über die Grenze, bleib stehen, Berber (= Mars)!

Alle Geister wird er im Wechselgesang anrufen.
Wohlan, Marmar (= Mars), hilf!

Triumph! Triumph! Triumph!")

Derselbe kräftige Rhythmus zeichnet das altgriechische Dionysoslied aus, in dem der wilde bacchantische Gott zum Kommen aufgefordert wird:

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Der Gleichklang kommt zur Geltung in dem althebräischen Kultliede, das man sang, wenn man die heilige Lade Jahwes mit in die Schlacht nahm (Num 10, 35): qûma, Jahwe, wejâphusû 'ojebekha wejânusû mesan'ekha mippânekhâ.

(,,Steh auf, Jahwe, daß zerstieben deine Feinde und daß fliehen deine Hasser, vor deinem Angesicht!")

Während in den kurzen Gebetsformeln und Kultliedern Rhythmus und Gleichklang hervortreten, zeigen längere Gebete den Parallelismus membrorum und Strophen. Als erstes Beispiel diene das Gebet der Kekchiindianer vor der Maisernte ,,Du o Gott, du mein Herr,

du meine Mutter, du mein Vater,

du Herr von Berg und Tal.

Jetzt und ebenso in drei Sonnen, in drei Tagen

werde ich beginnen mit dem Zusammenlesen meines Maises

vor deinem Mund, vor deinem Angesicht,

du Herr der Berge und Täler,

zeig ihn mir also vor meinem Leib, vor meiner Seele.

Ein klein wenig deines Essens, deines Trinkens gebe ich dir;

es ist (fast) nichts, was ich dir gebe;

aber ich habe Vieles und Gutes

von meinem Essen, meinem Trinken;

du hast es gezeigt meiner Seele, meinem Leibe,

du meine Mutter, du mein Vater.

Ich fange also mit dem Ernten an,

ich werde aber heute nicht mit dem Ernten fertig

vor deinem Munde, vor deinem Angesichte.

Wer weiß, wie viele Sonnen, wie viele Tage ich ernte;
es geht nicht schnell im Unkraute zusammenzusuchen,
ich vollbringe es wohl nur langsam.

Wer weiß, bis wann ich zu dir sprechen kann,

du meine Mutter, du mein Vater,

du Engel, Herr der Berge und Täler.

Ich werde wieder zu dir beten,
warum denn nicht, du mein Gott." 666

Noch schärfer ist der Parallelismus der Glieder in manchen Opfergebeten der Batak durchgeführt.

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Religiöse Innigkeit und poetische Schönheit vereint das folgende Khoikhoigebet, das an den Urvater und Himmelsgott Tsuigoa gerichtet ist. Mit Recht bemerkt Max Müller, daß es,,kaum tiefer steht als manche Hymnen des Veda und Avesta".

,,Du, o Tsuigoa,

du Vater der Väter,

du bist unser Vater.

Laß die Donnerwolke strömen,

Laß unsere Herden leben,

laß uns leben!

Fürwahr, ich bin gar schwach

vor Durst, vor Hunger.

O daß ich doch die Früchte des Feldes essen möchte!

Bist du nicht unser Vater,

der Vater der Väter,

du Tsuigoa?

O daß wir dich preisen mögen!

O daß wir dir wieder zurückgeben mögen!

Du Vater der Väter,

du, o Herr,

du Tsuigoa." 468

Dem poetischen Charakter entsprechend, werden diese hymnenartigen Gebete vielfach gesungen. So tragen die Khoikhoi ihre Gebetslieder zu Ehren der Urväter Tsuigoa und Heitsieibib wie des Neumondes singend und tanzend unter Begleitung einer primitiven Schilfrohrmusik vor. Auch von anderen Bantustämmen ist dies bezeugt. So schreibt Bischof Le Roy:,,Die Bantu haben Hymnen und Gesänge, die von Tanz und Musik begleitet werden. Diese Tänze werden meist nachts bei Mondschein aufgeführt, bei Tag in großen Hütten. Die Hymnen müssen sehr alt sein, ihr Sinn ist uns heute bisweilen unverständlich; übrigens geben sich die Neger, die die Tänze aufführen, offensichtlich selbst wenig Mühe, sie zu verstehen. In der außerordentlichen Exaltation, in der sie sich befinden, sind sie vor allem bestrebt, den Rhythmus einzuhalten und die Melodie zu beachten. Die meisten dieser mit Leidenschaft und Überzeugung wiederholten Gesten sind in ihrer Einfachheit and wilden Energie äußerst eindrucksvoll und bilden unvergeßliche Szenen für den, der ihr Zeuge war." 10

2. Aber nicht nur die poetische Form und die Art des Vortrags zeigen die Annäherung dieser Gebete und Lieder an die antiken Kulthymnen, auch der Inhalt weist häufig hymnische Elemente auf. Der Lobpreis, der in den primitiven Gebeten nur zur Unterstützung der Bitte dient, tritt stärker hervor. Enthusiastische Jubelrufe bilden den wirkungvollen Abschluß des griechischen Dionysosliedes wie des altitalischen Liedes der Arvalbrüder. Zahlreiche Batakgebete häufen die ehrenden Epitheta des Gottes, in welchen seine Macht und sein Wirken geschildert wird, genau so wie es in den antiken Kulthymnen geschieht. ,,Beschütze uns, Großvater, uns zu schirmen.

Muladjadi, der Große, Ursprung der Macht, Ursprung der Schöpfung, der da breitschlägt den Schädel, aushöhlt das Ohr, rund macht das Herz, ausbreitet die Leber, auseinanderspaltet die Finger."

Ein anderes Opfergebet beginnt mit dem schwulstigen Lobpreis:

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Steine als Knochen, Lehm als Fleisch hat.

Du bist also der Ursprung des Grases,

Ursprung des Rotang, Ursprung der Schlingpflanze." 11

Hier treffen wir bereits die breite, schwerfällige und dunkle Ausdrucksweise, die unlebendige und langweilige,Poesie', die uns in dem größten Teil der vedischen, assyrischen und ägyptischen Hymnen entgegenstarrt. Die wesentlichen formalen und materiellen Elemente des Hymnus lassen sich schon in den Gebeten und Gebetsformeln primitiver Völker herausstellen. Gleichwohl können wir hier nur von Ansätzen zum eigentlichen Hymnus reden. Alle angeführten Beispiele die letzten abgesehen sind echte Gebete, in ihrem Zentrum steht die Bitte, der Lobpreis ist nicht der Hauptinhalt, sondern bildet nur Umrahmung der Bitte. Auch ist der formale Unterschied dieser Gebete von der freien Sprechsprache des Alltags zu gering, als daß wir sie als Gebetspoesie scharf von der Gebetsprosa trennen können. Was uns in den Gebeten von Naturvölkern als poetisch erscheint, findet sich auch in der gewöhnlichen Umgangssprache dieser Stämme. Die Eigentümlichkeit der Kekchigebete, einen bestimmten Gedanken in einem zweiten erklärenden Sätzchen mit anderen Worten zu wiederholen, bemerkt man auch in der Umgangssprache dieses Indianerstammes 12. Aus den Batakgebeten,,klingt die ganze angeborene Redegewandtheit des Batak und seine Vorliebe für wohlklingende Wendungen, Parallelismen, Alliterationen, Häufung von Synonymen und Wortspielen." 13 Dieser Umstand weist darauf hin, daß die hymnenartigen Gebete primitiver Völker im Gegensatz zu den antiken Hymnen nicht das Werk bewußt schaffender Dichter-Priester sind, sie sind vielmehr teils Gelegenheitsgedichte, von dichterisch begabten Individuen improvisierte Rezitative, wie die Batakgebete; teils sind sie überhaupt nicht das Produkt dichtender Individuen, sondern nur eine Erweiterung und poetische Gestaltung überlieferter Gebetsworte. Der Kern des angeführten Dionysosliedes ist der kurze

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