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mus nie das Wort reden. Denn es handelt sich in diesen religionsphilosophischen Fragen um nichts Geringeres als um das philosophische Recht der Religion, um ihren Sinn und Wert im Ganzen unseres Lebens.

Die vorliegende Studie beschränkt sich auf die Klassifikation, Deskription und Analyse der einzelnen Typen des Gebets und schließt mit der Phänomenologie d. h. der Wesensbestimmung des Gebets ab. Die kausalpsychologische Untersuchung des Gebets d. h. die Erforschung der die Gebetserlebnisse (Motiv, Verlauf und Wirkung des Gebets) beherrschenden allgemeinen Gesetzmäßigkeit wurde aus äußeren und inneren Gründen ausgeschieden und einer selbständigen Behandlung vorbehalten. Es handelt sich hierbei um einen neuen Problemkreis, der eine andere methodologische Einstellung fordert. Auch bestünde die Gefahr, daß durch die Anfügung einer gesetzes psychologischen Untersuchung der lebendige Eindruck von der irrationalen Eigenart des Gebets, den die Typik und Phänomenologie vermittelt, verwischt würde. Auch die gesamte religionsphilosophische Problemgruppe gelangt hier nicht zur Besprechung. Ihre Behandlung würde eine stete Anknüpfung und Auseinandersetzung mit der allgemeinen Philosophie (Erkenntnistheorie, Ethik und Metaphysik) verlangen. Es war jedoch nötig, einen methodologischen Aufriß der gesamten Religionswissenschaft zu geben, um deutlich hervortreten zu lassen, wie sich die vorliegende Untersuchung des Gebets in den Gesamtplan der Religionswissenschaft eingliedert.

IV. Die Quellen für eine Untersuchung des Gebets. Das Gebet ist jene Äußerung religiösen Erlebens,,,wo sich das Leben und Weben echter Frömmigkeit am deutlichsten offenbart und zugleich am scheuesten verhüllt" (Deißmann) 58. Echtes, persönliches Beten verbirgt sich in zarter Keuschheit vor profanen Augen und Ohren. Schon primitive Menschen sind äußerst spröde und zurückhaltend in Mitteilungen über ihr religiöses Leben. Manche Forscher und Missionare weilten jahrelang unter Naturvölkern, bis es ihnen gelang, etwas über ihr religiöses Denken und Tun zu erfahren oder gar ihre Gebete zu belauschen 59. Was vom primitiven Menschen gilt, gilt noch mehr von den individuellen Frommen. Das persönliche Gebetsleben der religiösen Genien spielt sich in der Verborgenheit ab.,,Das Religiöse", sagt Kierkegaard,,,ist etwas so Heimliches, daß man wie ein junges Mädchen erröten könnte, wenn uns einer beim Beten überraschte." 60 Μόνος πρὸς μόνον (als Einsamer vor dem Einsamen) steht nach einem Worte Plotins 61 der Beter vor seinem Gott. Wenn darum die großen Frommen beten wollen, fliehen sie in die Einsamkeit, ins stille Kämmerlein oder in die freie Natur. Was sie in solchen einsamen Stunden betend vor ihrem Gott ausgeschüttet haben, hat fast nie eines Menschen Ohr belauscht und eines Menschen Griffel festgehalten. Wohl haben sie im Kreise ihrer Jüngergemeinde von den Geheimnissen ihres Gebetslebens geredet, haben ihre Schüler gelehrt, wie und was man beten solle; aber fast nie hat in Gegenwart anderer ihr Mund sich geöffnet, um

traute Zwiesprache zu halten mit ihrem Gott. Paulus mahnt in seinen Briefen oft zum Gebet, bisweilen enthüllt er etwas von der Art seines Betens und von seinen geheimnisvollen und wunderbaren Gebetserfahrungen aber er,,ist zu keusch gewesen, selbst in vertrauten Briefen seinen Gemeinden schriftlich etwas im eigentlichen Sinne vorzubeten" (Weinel) 62. Wohl kennen wir Tausende und Abertausende von Gebeten, die in Stein gemeißelt oder in Lettern gedruckt uns überliefert sind, Gebete aus uralten Tempelbibliotheken und Gebete in modernen Erb uungsbüchern, wohl hören wir von den Altären und Kanzeln feierliche Gebetsworte, das liturgische Erbgut der christlichen Kirche. Aber das alles sind nicht echte, spontane Gebete, wie sie aus der tiefsten Not und der innigsten Sehnsucht eines Menschenherzens hervorbrechen; denn diese aus dem geschichtslosen Augenblick geborenen Gebete reden eine andere Sprache; ja bisweilen reden sie überhaupt nicht, denn sie sind gar nur ein schweigendes Anbeten und Schauen oder ein stummes Seufzen und Sehnen. Jene formelhaften und literarischen Gebete sind nur der schwache Widerschein des ursprünglichen, reinen Herzensgebetes. Die meisten Quellen über das Gebet sind also nur indirekte mittelbare Zeugnisse: Andeutungen über Gebetserlebnisse und Anleitungen zum Gebet einerseits, Gebetsformeln und Gebetsdichtungen andererseits. Es ist darum kein Leichtes, ein genaues Bild über das wirkliche Beten zu erhalten. Und doch glückt uns das, wenn wir die mannigfachen Gebetsdokumente sorgfältig zusammenlesen und nach ihrem psychologischen Werte abstufen und wenn wir sie zudem ergänzen durch die individuellen und generellen Äußerungen über das Beten, die wir aus dem Munde großer Beter besitzen.

1. Gebete.

Die aus gewaltigen seelischen Erschütterungen geborenen Gebete sind beim primitiven Menschen stets, bei den großen Frommen sehr häufig laute Rufe zu Gott. Bisweilen gelingt es zufällig oder absichtlich anderen Menschen, den Beter, der sich allein mit seinem Gott glaubt, zu belauschen und seine Gebetsworte nachher schriftlich zu fixieren. Oder die Not und der Jubel des Herzens sind so groß, daß der Mensch vor anderen, ja sogar vor breiter Öffentlichkeit unwillkürlich in einen Gebetsruf ausbricht. Der Eindruck solcher leidenschaftlichen und innigen Gebete auf die Hörer ist so tief und nachhaltig, die Worte selbst sind so knapp und prägnant formuliert, daß sie sich dem Gedächtnis unauslöschlich einprägen und so eine genaue, unveränderte Wiedergabe ermöglichen. Missionare und Ethnographen haben nicht selten Wilde bei spontanen Gebeten heimlich oder offen beobachtet und die Worte nachträglich aufgezeichnet 63. Auch von den größten Betern sind solche laute Gebetsrufe überliefert. Von Jesus besitzen wir vier Gebete, die gerade den Höhepunkten seines Erlebens entstammen; sie wurden von seinen Jüngern gehört und von Mund zu Mund fortgepflanzt, bis sie schließlich in den Evangelien niedergeschrieben wurden. (Trotzdem sie erst nach Jahren aufgezeichnet wurden, ist ihre Echtheit doch voll verbürgt. Jesus Gebetsanrede in Gethsemane,,Abba" und sein

Angstschrei am Kreuze,,Eloi" wurde von der Urgemeinde in so sklavischer Treue überliefert, daß sie selbst der griechische Evangelienübersetzer im semitischen Wortlaut wiedergibt.) Ein Reicher von Assisi lud den heiligen Franz ein, in seinem Hause zu nächtigen, in der Absicht, ihn bei seinem Beten zu behorchen; und er hörte, wie er die ganze Nacht hindurch die inbrünstigen Worte:,,Mein Gott und mein alles!" wiederholte. Durch diese Gebetsinnigkeit wurde er so tief ergriffen, daß er sogleich ein Jünger des Heiligen wurde 64. Auch der Lieblingsjünger des Armen von Assisi, Bruder Leo, konnte ihn einmal in der nächtlichen Waldeinsamkeit des Alvernergebirges beim Beten belauschen 65. Marabotto, der Beichtvater der heiligen Katharina von Genua, versteckte sich einmal in deren Kammer; sie betrat dieselbe, verschloß sie, wie gewohnt, und begann dann mit kläglicher Stimme und unter Tränen zu beten. Marabotto gibt dieses Gebet in der Biographie der Heiligen wieder G. Katharina von Siena wurde oft plötzlich von einem ekstatischen Zustand überfallen und sprach dann mit lauter Stimme glühende Gebete, welche die Anwesenden zu Tränen rührten. Die Gebete wurden von diesen nachträglich aufgezeichnet 67. Dietrich schreibt an Melanchthon von Luther: ,,Es hat mir einmal geglückt, daß ich ihn von Herzen mit heller Stimme beten hörte." Dann schildert er Luthers Gebetsweise und den gewaltigen Eindruck, den er vom Gebet dieses Mannes empfing 68. Oliver Cromwell sprach zwei Tage vor seinem Tode mit lauter Stimme ein inniges Gebet, das von seinen Angehörigen vernommen und dessen ungefährer Wortlaut von seinem Kammerdiener Harvey behalten wurde 69. Diese dem Zufall zu verdankenden Fremdzeugnisse sind die wertvollsten Selbstzeugnisse, weil sie,,das formlos Tatsächliche in momentaner Gegenwart festhalten" 70; sie sind freilich auch die spärlichsten.

Veit

Daneben stehen solche spontane Gebete, die vom Beter selbst aufgezeichnet wurden. Die schriftlich fixierten Worte decken sich aber nicht vollständig mit den im Gebet gesprochenen. Die Aufzeichnung bringt bereits eine Stilisierung der echten Gebetsworte mit sich; was im wirklichen Gebet wortloses Fühlen, Sehnen und Vorstellen ist, wird in Worte gekleidet, das stimmungsgemäß Erlebte in die allen verständliche Sprache übersetzt, alles Verworrene und Unausgeglichene harmonisiert, die sprunghaft sich aneinander reihenden Gedankenfragmente verknüpft. Es liegt etwas Wahres in dem übertriebenen Diktum Bunyans:,,Ein Mensch, der wirklich betet, wird nachher nie imstande sein, mit dem Munde oder mit der Feder die unaussprechlichen Wünsche, Gefühle, Regungen und Begierden auszudrücken, die im Gebet zu Gott aufstiegen 71." Wo ein Beter sein innigstes Beten in Worte hüllt und niederschreibt, da fühlt er nur zu tief, daß die geschriebenen Gebetsworte nur ein matter Widerschein des flammenden Herzensgebetes sind. Mechthild von Magdeburg fügte an den Schluß ihres feurigsten Liebesgebetes die Bemerkung: „Das sind die Worte des Sanges der Minnestimme; aber der süße Herzensklang mußte wegbleiben, denn den vermag keine irdische Hand zu schreiben." 72

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Manche Gebete sind unmittelbar nach dem gesprochenen Gebet, noch im Ausklang und Nachhall der Gebetsstimmung niedergeschrieben. So ist das Preisgebet, das Franz von Assisi nach der Stigmatisierung sprach, von ihm selbst in einer an Bruder Leo bestimmten Karte unmittelbar darnach aufgezeichnet worden 73. Hierher gehören auch die kurzen Gebetsrufe im Mémorial Pascals, das er in einem Augenblick höchster enthusiastischer Erregung flüchtig niederschrieb. Ungleich häufiger ist die gedächtnismäßige Aufzeichnung echter Gebete in Autobiographien und Selbstbekenntnissen; der Wortlaut solcher Gebete dürfte nur dann, wenn es sich um ganz kurze Rufe handelt, völlig unverändert erhalten sein. Solche Gebete sind in den Bekenntnissen und Verkündigungen alttestamentlicher Propheten (Amos, Jeremia) 74 und in den Briefen und Selbstbiographien religiöser Menschen der neueren Zeit (Ignatius v. Loyola, George Fox, John Bunyan, Johann Heinrich Wichern) enthalten.

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In religiösen Schriften findet sich noch eine andere Art selbstaufgezeichneter Gebete, deren Quellenwert gleichfalls ein hoher ist; es sind dies jene Gebete, die in einem Zustande der Inspiration niedergeschrieben werden, die dem frommen Schriftsteller, wenn er bei der Erinnerung an Gottes Gnade oder an die eigene Sündigkeit und Ohnmacht in Gebetsstimmung gerät, spontan in die Feder fließen. Solche Gebete sind literarische Gebete, aber gleichwohl echte Gebete, nicht absichtlich komponierte Formulare, wenn sie auch nicht mit redendem Munde, sondern mit schreibendem Griffel gebetet worden sind. Bei Jeremia geht die Erzählung von den bewegten Schicksalen seines Propheten berufes oft unvermittelt in die spontane Anrede an Jahwe über 75. Die bangen Zweifel und Fragen, die den Urheber des Hiobbuches martern, entladen sich oft in leidenschaftlichen Gebetsrufen zu Gott 76. Bischof Clemens von Rom gleitet in seinem ersten Briefe an die Korinther (c. 59 f.) aus der ernsten Paränese in die Gebetsanrede an Gott hinüber mitten im Satz erfolgt der Übergang - und richtet ein feierliches Dank- und Bittgebet an Gott, wie er es ähnlich in der gottesdienstlichen Versammlung seiner Gemeinde zu sprechen pflegte. Augustinus schickt den tiefsinnigen philosophischen Erörterungen seiner Soliloquien (I, 1) ein enthusiastisches Gebet zu Gott, der Quelle aller Wahrheit, Güte und Schönheit, voraus. Symeon, der Neue Theologe, eröffnet seine wundervollen ἔρωτες τῶν θείων ὕμνων mit einem kraftvollen Gebet zum heiligen Geist 77. Luthers Vorrede zu seinem Genesis-Kommentar klingt in einem Gebet um das baldige Kommen des Gottesreiches aus. Tersteegen leitet seine Briefsammlung mit einem Gebet ein, in dem er seine restlose Willenshingabe an Gott bekundet. Der Verfasser der neutestamentlichen Apokalypse schließt seine flammenden Zukunftsbilder mit einem inbrünstigen Seufzer an den erhöhten Herrn (21 20; vgl. 1. Kor. 16 23). Bonaventura endet sein Breviloquium mit einem sehnsüchtigen Gebet um Vollendung der Gottesliebe (7, 7), Franz von Assisi beschließt seinen Brief an das Generalkapitel mit einem Gebet 78. Selbstaufgezeichnete Gebete enthalten vor allem die religiösen Selbstbekenntnisse, die Konfessionen Augustins und die Autobiographien der

heiligen Gertrud von Helftä, Theresa di Jesu und Madame Guyon. Sie sind im Grunde nur große Gebete; denn sie sind nicht an Menschen, sondern an Gott gerichtet. Der augustinische Ausdruck confessio bedeutet nicht so sehr eine Selbstenthüllung vor den Menschen als vielmehr ein an Gott gerichtetes Lob-, Dank- und Bußgebet:,,et nunc, Domine, confiteor tibi in litteris" (Conf. IX 13). Das Motiv, das Augustinus wie Theresa zur Abfassung ihrer Selbstbekenntnisse drängte, war zweifellos ein echtes Gebetsmotiv: das Streben nach Aussprache, Selbstoffenbarung vor dem Allerhöchsten. Die zahllosen reinen Gebete, in welche immer wieder die im Gebetsstil verfaßte Erzählung und Selbstanalyse hinübergleitet, geben uns eine anschauliche Vorstellung von dem wirklichen Gebetsleben, das sie als Einsame mit Gott lebten. Noch stärker tritt der literarisch-dichterische Charakter in jenen Gebeten hervor, die in den mystischen Dialogen, vor allem in den Offenbarungen der Mechthild von Magdeburg und in der Nachfolge Christi' des Thomas von Kempen enthalten sind. Der mystische Gebetsverkehr mit Gott wird hier als Wechselgespräch der Seele mit Christus dargestellt. Aber durch diese poetische Hülle hindurch schauen wir das leidenschaftliche und sehnsüchtige Beten dieser liebessiechen Nonne und dieses gottinnigen Mönchs und die wunderbaren Erfahrungen, die ihnen im Gebet aufgingen. Typische Beispiele literarischer Gebete, welche aber doch getreu das persönliche Herzensgebet widerspiegeln, sind das Paternoster' der Margaretha Ebner und die,Exercitia spiritualia' der Gertrud von Helftä; auf höchst originelle Weise hat die letztgenannte Heilige in Anlehnung an das kirchliche Ritual (Taufritual, Ritual der klösterlichen Einkleidung, der Profeßablegung und Profeßerneuerung) und an die kirchlichen Tagzeiten ein mystisches Idealritual für Nonnen gedichtet und in ihm ihr persönlichstes Gebetsleben literarisch ausgehaucht. In diesen Zusammenhang gehört auch das berühmte Pasca sche Gebet um rechten Gebrauch der Leiden 79, das zweifellos eine literarische Schöpfung ist, aber gleichwohl zu den echten Gebeten und nicht zu den Gebetskompositionen gezählt werden muß; denn es entspringt einem wirklichen Gebetsmotiv: durch die Abfassung dieses Gebets sucht er sich innerlich mit seinen schweren körperlichen Leiden auseinanderzusetzen. Es ist kein Zweifel, daß in diesem literarischen Gebet seine wirklichen Gebete in eine abgerundete und ästhetische Form gebracht sind. Aber schon innerhalb der antiken Welt ist eine solche Selbstaufzeichnung von Gebeten etwas häufiges: es sind jene Gelübde, Dank- und Fluchgebete, die der Beter an die Tempelwände geritzt oder auf Papyrus, Erz oder Blei niedergelegt hat und die trotz aller Schematik uns in die konkreten Wünsche und Anliegen des antiken Menschen blicken lassen.

Zu den von anderen gehörten und den selbst niedergeschriebenen Gebeten treten solche, die von dem Beter spontan oder auf ausdrückliche Befragung hin mitgeteilt und dann von fremder Hand aufgezeichnet werden. Auf diesem Wege ist die Mehrzahl der Gebete gewonnen worden, die wir von primitiven Stämmen besitzen. Bisweilen ließen auch Forscher, die dem Gebet eines Wilden zugehört hatten, hernach

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