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gerichtet (vgl. o. S. 273). Typische Beispiele sind das,goldene Büchlein über die Betrachtung von Petrus von Alcantara und das Moyen court et très facile de faire oraison' der Madame Guyon. Die mystische Gebetsanweisung ist ein psychologisches Rezept; sie besteht in der psychologischen Deskription und Analyse der Erlebnisse, die dem betenden Mystiker auf den verschiedenen Stufen des geistlichen Lebens zuteil werden. Sie gibt detaillierte - bisweilen raffiniert-künstliche - Regeln und Methoden an, nach denen die Konzentration und Meditation durchgeführt und durch deren Anwendung die Disposition für die höheren Gebetszustände geschaffen werden soll. Die mystische Gebetsanweisung enthält aber nicht nur formale, sondern auch inhaltliche Gesichtspunkte für die Meditation, sie bietet dem Betrachtenden die materia meditandi dar (s. o. S. 287). Solche methodische Gebets- und Betrachtungsanleitungen haben die meisten christlichen Mystiker gegeben, Bonaventura, Petrus von Alcantara, Teresa usw. Die straffste Gliederung und konsequenteste Durchführung im Detail zeigen die exercitia spiritualia des Ignatius von Loyola. Aus den knappen und schematischen Meditationsrezepten der großen Heiligen ist die Flut religiöser Betrachtungsbücher hervorgegangen, die dem Durchschnittsfrommen vollständige Meditations- und Gebetstexte an die Hand geben. Die methodologische Gebetseinführung der Mystiker beschränkt sich jedoch nicht auf die bewußte und willkürliche Meditationsübung, sondern gibt dem Beter auch Winke, wie er sich bei den passiv erlebten und als übernatürliche Gnadeneingie Bung gedeuteten Gebetszuständen zu verhalten habe, um sie nicht aufzulösen und um ihre Intensität zu steigern.

Die mystische Gebetsanweisung entbehrt des normativ-gültigen, kritisch-ethischen Akzentes, der dem philosophischen und prophetischen Gebetsideal eigen ist: der Mystiker fällt wohl Werturteile über die verschiedenen Gebetsarten, aber er verurteilt und bekämpft nicht die unter dem Niveau des mystischen Ideals liegenden Gebetsformen. Die mystische Gebetspädagogik wird nie zur Gebetspolemik. Das pflichtmäßige, formelhafte Beten in Worten betrachtet sie als Vorstufe des ,inneren Gebets, nicht als Widerspruch gegen dieses.

Dae Gebet

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Die Varianten des mystischen Gebets.

Das mystische Beten stellt einen einheitlichen Gebetstypus dar; es variiert jedoch je nach dem Hervortreten bestimmter Elemente, die irgendwie in allem mystischen Beten stecken. Die verschiedenen Varianten kombinieren sich häufig. So vereint z. B. die Mystik der Nachfolge Christi in harmonischer Weise das Kultmotiv mit dem Brautmotiv und dem quietistischen. Bisweilen aber dominiert eines dieser Motive, so daß ganz selbständige Ausprägungen des mystischen Gedankens entstehen, die sich scharf voneinander abheben. Die Mystik der synkretistischen Mysterienreligionen ist reine Kultmystik, die Mystik Laotses und der indischen Atman-Seher ist reine Unendlichkeitsmystik, die Mystik des Molinos und der Madame Guyon rein quietistisch, die Mystik der Schwester Mechthild von Magdeburg und vieler Nonnen reine Brautmystik.

a) Die kultisch-sakramentale Mystik.

Der Wurzelboden, aus dem alles mystische Beten und Sichversenken seine Nahrung und Kraft saugt, ist die Meditation. Diese nimmt ihren Ausgangspunkt stets bei einem Konkretum, meist bei einer anschaulichen Phantasie vorstellung, häufig auch bei einem wahrnehmbaren äußeren Objekt. So knüpfen die buddhistischen Bettelmönche ihre Betrachtung über die Vergänglichkeit alles Irdischen bisweilen an den Anblick eines dahineilenden Stromes oder gar eines verwesenden Leichnams. Wenn die christlichen Mystiker über die Nichtigkeit des Lebens sinnen, schauen sie nicht selten auf einen grinsenden Totenschädel, wenn sie ihr Sündenelend beweinen und das große Erlösungsgeheimnis erwägen, versenken sie sich in das Bild des gekreuzigten Heilands.

Neben profanen Objekten und Darstellungen der religiösen Kunst bilden in der außerchristlichen und christlichen Mystik spezifische Kultobjekte, heilige' Gegenstände den Stützpunkt des Meditierens und Betens. Aber das heilige Objekt ist dem Mystiker mehr als eine bloße Anregung zu frommen Gedanken und Gefühlen; an seinem Anblick entzündet sich vielmehr das Erlebnis der realen Gegenwart Gottes. Gott weilt in geheimnisvoller sinnlich-übersinnlicher Weise in dem Kultgegenstand. Wohl ist der Gott der Mystiker unsinnlich, geistig, unendlich, Himmel und Erde können ihn nicht fassen, wieviel weniger vermag ein kleines, materielles Objekt ihn zu umschließen. Und dennoch ist für den Mystiker Gottes Präsenz im heiligen Objekt eine ebenso unzweifelhafte Gewißheit wie für den primitiven Menschen. Freilich ist für ihn das Sinnlich-Dingliche nicht identisch mit dem ÜbersinnlichGeistigen, das Sichtbar-Greifbare ist nur Zeichen und Unterpfand des Unsichtbar-Göttlichen, aber doch kein bloßer Schatten einer höheren

Realität, sondern selbst Realität. Symbolismus und Realismus, Sinnlichkeit und Geistigkeit, Natur und Übernatur vermählen sich in voller Harmonie.

Irgendwelche Beziehungen zum Kult weist fast jede Mystik auf. Selbst bei Plotin, einem der grandiosesten Unendlichkeitsmystiker, lassen sich Spuren der sakramentalen Mystik aufweisen; die seltsamen Riten der Mysterienkulte sind ihm anschauliche Bilder und Symbole der sublimen mystischen Erlebnisse 1. Die Upanischaden des Veda sind unmittelbar aus dem komplizierten vedischen Ritualwesen herausgewachsen. Nach einer neueren Deutung bedeutete upanishad ursprünglich nichts anderes als die kontemplative Adoration eines heiligen Gegenstandes 2. Nur der alte Buddhismus, der in seinem eigenartigen Radikalismus den mystischen Gedanken bis in seine letzte Konsequenzen fortgebildet hat, verwirft jeden Zusammenhang der mystischen Versenkung mit dem Kultischen. Eine bedeutsame Rolle spielt das Kultmotiv in der hinduistischen Bhakti-Mystik, in der eine zarte mystische Frömmigkeit mit den volkstümlichen Götterkulten verschmilzt. Die mystische Anbetung des göttlichen, Herrn' (îšvara) und Heilands, des Vischnu oder Schiva, entzündet sich beim Anblick seines Gottesbildes, der arcâ. Der Gott ist in der Statue, die durch eine bestimmte Zeremonie (avâhanam) konsekriert ist, wirklich und wesentlich gegenwärtig, das Götterbild ist ein avatâra, d. h. eine Inkarnation, Verkörperung des über Raum und Zeit erhabenen Gottes 3. Wenn der Fromme die vom matten Glanz flimmernder Lampen erleuchtete und von den Wolkenschleiern des aufsteigenden Weihrauchs verhüllte Statue seines Gottes schaut, dann sinkt er, von Staunen und Entzücken ergriffen, nieder und versenkt sich anbetend in die Größe, Schönheit und Liebe des ihm so nahen Gottes. Die innigen und leidenschaftlichen Gebetslieder des großen Tamilmystikers Mânikka-Vâšagar sind alle in den Schiva-Tempeln gedichtet oder doch konzipiert worden, sie sind geboren aus der Kontemplation des heiligen Gottesbildes; im Tempel, im Anblick der Statue werden sie noch jetzt Tag für Tag von den frommen Gläubigen rezitiert.

Die Mysterienkulte des orientalisch-hellenistischen Synkretismus zeigen alle die mystische Grundtendenz nicht umsonst hat die Mystik ihren Namen von demselben Stammwort, von dem die Mysterien ihre Bezeichnung haben (uvɛiv). Uralte barbarische Riten, prunkvolle Zeremonien, geheimnisvolle Weihehandlungen treten in den Dienst des mystischen Heilsstrebens; sie sollen auf sinnlich-übersinnliche, zauberhafte Weise den Mysten zum Heilsziel, zur beseligenden vwois führen. Dieterich sagt von der bekannten Mithrasliturgie:,,Die Vereinigung mit dem Gotte ist das Ziel der ganzen Aktion, darauf ist alles gerichtet." 4 Am unmittelbarsten und innigsten wird diese Vereinigung mit der Gottheit durch das Essen von der heiligen Speise und das Trinken vom göttlichen Tranke hergestellt. Ein anderer Weg zur ekstatischen Einigung, wie wir ihn vor allem im ägyptisch-hellenistischen Mysterienkult treffen, ist die kontemplative Adoration der Götterbilder. Nach dem Zeugnisse des Porphyr brachten die ägyptischen Priester ihr ganzes Leben in der Betrachtung und Kontemplation der Götter (τῇ τῶν θεῶν θεωρία

xai Jɛάσɛi) zu 5.,,Ägypten ist das Land, aus dem die kontemplative Frömmigkeit nach Europa gelangt ist." Im römischen Isiskult waren die Bilder der Götter vom frühen Morgen bis zum späten Nachmittag der stillen Adoration durch die Eingeweihten ausgesetzt (um in der Sprache der katholischen Liturgie zu reden). Apulejus erzählt von der unsagbaren Wonne (inexplicabiliis voluptas), die ihn beim Anblick des Götterbildes überkam. Ein im Papyrus Mimaut erhaltenes mystisches Gebet enthält die Dankes- und Bittworte eines Mysten, dem der beglückende Anblick des Gottesbildes zuteil geworden.

,,Wir freuen uns, daß du dich uns gezeigt hast, wir freuen uns, daß du uns, da wir noch im Leibe sind, vergottet hast durch deinen Anblick (ἀπεθέωσας τῇ σεαυτοῦ θέα). Der Mensch dankt dir dafür, daß er deine Größe erkannt hat. Wir haben dich erkannt, du Leben des menschlichen Lebens, dich erkannt, du Licht aller Erkenntnis, dich erkannt, o Mutter, schwanger vom Samen des Vaters, du ewige Stätte des Lebenskeimes. Indem wir dich so anbeten, richten wir an dich keine andere Bitte, als daß du uns gnädig bewahrest in deiner Erkenntnis" 8.

Die Kultmystik der hinduistischen Sekten und der synkretistischen Mysterien liegt bei aller Innigkeit und allen ästhetischen Reizen ganz in den Fesseln primitiver Idololatrie. Die christliche Mystik hingegen hat sich mit dem Kult vermählt, ohne daß ihre Geistigkeit und Reinheit durch niedere Vorstellungen getrübt wurde. Nicht ein Fetisch oder Götterbild, sondern das eucharistische Mysterium, der in der sinnlichen Hülle des Brotes sich bergende Leib des Herrn ist für die christlichen Mystiker die äußere Stütze des Erlebnisses von Gottes unmittelbarer Präsenz. Die Eucharistie hatte seit urchristlichen Zeiten mystischen Charakter und mystische Bedeutung genau so wie die Riten und Sakramente der synkretistischen Heilsgenossenschaften. Durch den Genuß der heiligen Elemente trat die christliche Gemeinde in die innigste Gemeinschaft (xowwvia) mit dem erhöhten Herrn (1 Kor. 10, 16) und nahm göttliches Leben, himmlische Kräfte in sich auf. Mit dem fortschreitenden Eindringen spätantiker mystischer Motive in die christliche Kirche verbanden sich die Grundgedanken der mystischen Evwois und ȧлovéwσis immer enger mit der altchristlichen Eucharistieauffassung. Von einer eucharistischen Mystik im eigentlichen Sinne des Wortes können wir aber erst in der Blütezeit der christlichen Mystik, in der mittelalterlichen Mystik der Ost- und Westkirche reden. Thomas von Aquin, der Verfasser der Imitatio und Symeon der Neue Theologe sind die klassischen Vertreter der christlichen Sakramentsmystik. Die mittelalterliche Mystik hat die altchristliche Auffassung von dem Sakrament der Sakramente in erstaunlicher Weise individualisiert und eben dadurch vertieft und verinnerlicht. Im alten Christentuum ist die Eucharistie ein Gemeinschaftsmahl das Herrenmahl' nennt sie der Apostel (1 Kor. 11, 20) eine Tischgemeinschaft der versammelten christlichen Gläubigen mit dem erhöhten Herrn; für die Mystik ist der Empfang der Eucharistie die Vereinigung der Einzelseele mit ihrem himmlischen Herrn und Heiland. Für die alte Kirche bedeutete der Genuß vom Segensbrot und Segenskelch eine Gemeinschaft (xovwvia, communio) mit Christus, für die Mystiker ist der Emp

fang der Eucharistie eine geheimnisvolle Vereinigung (Evwois, unio) mit ihrem himmlischen Heiland und Geliebten 10. Unzähligemale ist ihnen an der Kommunionbank die Ekstase oder ein der Ekstase nahekommendes Erlebnis zuteil geworden. Mechthild von Magdeburg sagt:,,Wenn wir Gottes Leichnam empfahen, se vereinet sich die Gottheit mit unserer unschuldigen Seele und mischet sich Gottes Menschheit mit unserem Leibe." 11 In dieser Erfahrung wurzelt die Hochschätzung des häufigen Sakramentsempfanges durch die mystische Frömmigkeit. 12 Die Entfaltung des latreutischen Eucharistiekultes, die in der abendländischen Christenheit im 13. Jahrhundert einsetzte, bedingte eine Erweiterung der sakramentalen Mystik über den Rahmen der altchristlichen Eucharistieliturgie hinaus. Nicht nur in der Messe und Kommunion, sondern auch außerhalb derselben konzentrierte sich die mystische Gebetsfrömmigkeit immer mehr auf den eucharistischen Heiland. Auf dem lichterumstrahlten Altar oder in der Hand des Priesters durfte die Schar anbetender Gläubigen den in Brotsgestalt gegenwärtigen Heiland schauen, unverhüllt, in der kunstvollen,Monstranz' geborgen. Bei minder feierlichen Anlässen durfte sie ihn verhüllt kontemplieren, verborgen im heiligen Speisekelch (Pyxis oder Ciborium). Aber auch außerhalb des allgemeinen Gottesdienstes eilten die Frommen an die Stätte, wo der sakramentale Heiland weilte, zum Sakramentshäuschen oder zum Tabernakel. Für die ältere christliche Mystik war die abgeschlossene Klosterzelle der vornehmliche Ort des stillen Betens und Betrachtens, in der neueren katholischen Mystik des Abendlandes wird die Kirche oder Kapelle mit dem Tabernakel die vorzüglichste Stätte des mystischen Gebets. Magdalena von Pazzi sagt:,,Übe das Gebet lieber vor dem heiligen Sakrament als an jedem anderen Orte; denn wie Gott im Himmel weilt, so ist hier auf Erden der Tabernakel seine Wohnung." "13 Man kann geradezu von einer Tabernakelmystik' sprechen. Mit dem wuchtigen Glaubensgedanken, daß Gott im Altarsakramente ,,wahrhaft, wirklich und wesentlich" gegenwärtig ist, verschmelzen noch starke ästhetische Reize: die lautlose Stille, das durch die buntbemalten Glasfenster abgedämpfte Sonnenlicht oder das nächtliche Dunkel, das ruhelos flimmernde und zitternde ewige Licht vor dem Tabernakel, der das Gotteshaus durchströmende süßliche Duft. All diese ästhetischen Erlebnisse vereinigen sich in einer eigenartigen, weichen, wonnigen Stimmung, die dem Glauben an Gottes sinnenfällige Präsenz gefühlsmäßige Tiefe und Wärme verleiht. Die Tabernakelmystik gehört zu den wundervollsten Phänomenen, welche die Religionsgeschichte kennt; sie ist eine der verborgenen, unversiegbaren Quelladern der katholischen Frömmigkeit.

Die alte und frühmittelalterliche Kirche kennt keine private Adoration der Eucharistie außerhalb des liturgischen Gottesdienstes oder des Kommunionempfanges. Die konsekrierten Elemente wurden nur zum Zwecke des Viatikums (der Kommunion der Sterbenden) aufbewahrt, und zwar von den Priestern in ihren Häusern, später in den Kirchen bzw. ihren Nebenräumen (Diaconarium, Secretarium, Sakristei). In den ersten Jahrhunderten kam es auch häufig vor, daß Laien die Eucharistie nach Hause nahmen und in Schränkchen verwahrten um sie dann zu empfangen, wenn ihnen die Teilnahme an der gottesdienstlichen

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