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dieses von dem Beter wiederholen und diktieren 80. (Bei bloß mitgeteilten Gebeten primitiver Stammesangehöriger besteht stets die Möglichkeit, daß es sich um formelhafte Gebete handelt.) Auf dieselbe Weise sind auch von großen religiösen Persönlichkeiten Gebete überliefert. So beruhen die Gebete, die Elsbeth Stagel in ihrer Seusebiographie berichtet, auf den persönlichen Mitteilungen, die Seuse seiner geistlichen Tochter gemacht hat. Von Wert sind schließlich, bei dem Mangel genauer Angaben, auch jene Dokumente, in denen der Inhalt eines Gebets nur referiert oder angedeutet ist. Hierher gehört Jesu Gebet für Petrus, Pauli Gebet um Befreiung vom Fleischesstachel, seine Fürbitten für die jungen Christengemeinden 81 sowie die summarischen Inhaltsangaben der liturgischen Gebete, wie sie sich bei altchristlichen Schriftstellern finden.

Neben den,,gebeteten" Gebeten steht eine zweite größere Gruppe von Gebetsquellen: die verfaßten, komponierten, gedichteten Gebete, die fast ausnahmslos literarischer Natur sind. Obenan stehen die teils individuellen, häufiger generellen Gebetsbeispiele, die den Zweck haben, anderen eine seelsorgerliche Anleitung zum Gebet zu geben. Die wichtigste solche Gebetsanweisung ist diejenige, die Jesus nach dem Brauch jüdischer Rabbinen seinen Jüngern gab: das Vaterunser. Es ist keineswegs bestimmt als,,Grundlage einer unpersönlichen Liturgie für einen neuen Kultus; vielmehr hat Jesus als Beter die Seinen durch dieses Paradigma beten gelehrt" (Deißmann) 82. Wir hören zwar in den Vaterunserbitten nicht ihn selbst, wie er Zwiesprache hält mit seinem Vater; und doch sind sie ein unschätzbares Zeugnis von seinem Beten. Denn Jesus hat hier,,sein Bestes gegeben, die reichen Früchte seiner eigenen Gebetserfahrung" 82. Auch Muhammed gab seinen Anhängern Gebetsbeispiele. So kam einst Abu Bekr zum Gesandten Gottes und sprach:,,Lehre mich eine du'a (ein freies Gebet), das ich bei der salât (dem täglichen Pflichtgebet) beten soll." Da lehrte ihn der Prophet ein Gebet um Sündenvergebung 83. Auch von Luther besitzen wir solche Gebetsparadigmen für individuelle, konkrete wie für generelle Fälle. So wenn er in einem Trostbrief,,an die Christen aus Öschatz, die von Herzog Georgen um des Evangelii willen verjagt worden waren" sie zu demütigem Beten anweist 84 oder wenn er in seinen Schriften ganz schlicht und spontan angibt, wie ein frommer Regent, ein Hausvater, ein Ackersmann, eine Magd oder junge Leute, die sich in den Ehestand begeben wollen 85, zu Gott in ihren Anliegen beten sollen. Auch diese Gebete sind, obgleich sie,verfaßt sind, von seinen echten,gebeteten Gebeten in keiner Weise unterschieden; sie beruhen auf der Fähigkeit, fremde Bedürfnisse, Anliegen und Nöte wie die eigenen zu erleben und aus diesem Sicheinfühlen heraus mit derselben Natürlichkeit und Herzlichkeit, die das eigene Beten zeigt, eine hypothetische Bitte zu formulieren.

Der Charakter der absichtlichen Komposition tritt viel stärker als in den Gebetsparadigmen in den zu rituellen und liturgischen oder privater baulichen Zwecken geschaffenen Gebetsformularen hervor. Hierher gehören die von den Priestern

der antiken Religionen verfaßten Opfer- und Ritualgebete, die überwiegende Mehrheit der in der jüdischen Synagoge wie in den christlichen Kirchen gebrauchten liturgischen Gebete und die zahllosen Gebete, die in den Gebet- und Erbauungsbüchern der christlichen Konfessionen zu lesen sind. Der Quellenwert dieser Gebetsformulare für die Kenntnis des individuellen Gebetslebens ist ein sehr abgestufter. Unter ihnen befinden sich solche, in denen ein spontanes, schöpferisches und tiefes Beten individueller Persönlichkeiten sich unverkennbar verrät. Dies trifft auf manche altchristliche Gebete zu, einen Teil der orationes des Anselm von Canterbury, auf die liturgischen Gebete, die von Calvin verfaßt sind, auch auf die Gebetbücher der ersten Hälfte des Reformationsjahrhunderts. (Freilich sind auch diese persönlich gefärbten literarischen Gebete nicht immer der reine Reflex des wirklichen Betens ihrer Verfasser; sie sind oft nur die reife Frucht ihres Gebetslebens, aber sie enthüllen uns nicht die verborgenen Kämpfe und Auseinandersetzungen, die inneren Spannungen, das Auf- und Abwogen der Affekte und Stimmungen, das dem echten Beten eigen ist; sie sind der Ausklang ihres Betens, aber nicht ihr Beten selbst.) Daneben stehen die vielen Gebete, deren Charakter als bewußte, absichtliche Elaborate und Kunstprodukte auf den ersten Blick ersichtlich sind. Sie sind in der Form, wie sie niedergeschrieben wurden, nie vorher gebetet worden, sondern erdacht, ersonnen, zum Gebrauch für viele verfaßt,,,verfertigt", wie ein Gebetbuchverfasser des 16. Jahrhunderts in der Vorrede sagt 86, oder wie Luther sich drastisch ausdrückte,,,hinter dem Ofen erdichtet" 87. Während die echten Gebete durch eine kraftvolle Knappheit sich auszeichnen, zeigen die verfaßten Gebete eine Weitschweifigkeit und Breite des Ausdrucks, die bisweilen ermüdet. Während das spontane improvisierte Beten eine gewisse Sprunghaftigkeit und Abgerissenheit der Gedankenfolge offenbart, weisen die verfaßten Gebete klare und durchsichtige Disposition, logischen Gedankenaufbau und innere Gliederung auf. Spontanes Beten verrät sich in einer schlichten und freien Natürlichkeit des Ausdrucks, die literarischen Gebetselaborate sind kenntlich an dem kunstvollen Periodenbau, der Bilderfülle, dem rhetorischen Prunk 88. Naives Beten ist ungetrübt durch alle Reflexion, wirkliches Bitten und Danken, die erdachten Gebete sind reflektierend, betrachtend, dozierend, predigend. Echtes Beten ist spontaner Ausdruck des eigenen Erlebens oder doch die Frucht des Selbsterlebten und Selbsterrungenen, die künstlich komponierten Gebete sind für die anderen Menschen bestimmt, die sie erbauen, belehren, religiös-ethisch beeinflussen sollen, sie sind mehr dogmatische Katechesen, Sittenpredigten, Homilien. Ja, die meisten dieser künstlich gemachten Gebete sind nicht einmal das selbständige Werk der Gebetbuchautoren. Die Untersuchung von Althaus hat ganz überraschendes Licht auf die kompilatorische, bisweilen sogar plagiathafte Abfassung von Gebetbüchern geworfen. Die Gebetsformulare werden aus älteren Gebetssammlungen entnommen, abgeschrieben, kombiniert oder flüchtig überarbeitet. Verbreitete Gebetbücher aus der vor- und nachreformatorischen Zeit sind wenig produktiv, so die Werke des Prager Kanzlers

Joh. v. Neumarkt, des Erasmus v. Rotterdam, des Petrus Canisius, die anonymen Erbauungsbücher des Hortulus animae, der Meditationes Augustini usw., die evangelischen Gebetbücher von Habermann, Kegel, Musculus 89 Als Dokumente naiver Gebetsfrömmigkeit kommen diese komponierten, geschweige denn die kompilierten Gebete nicht in Betracht; aber sie sind doch der deutliche Reflex des jeweiligen Frömmigkeitslebens, wie ein Vergleich der mittelalterlichen, reformatorischen, pietistischen und rationalistischen Gebetbücher beweist. Die literarischen Gebetskompositionen sind darum die Hauptquelle zur Feststellung des Betens innerhalb der verschiedenen Epochen, Kulturen and religiösen Gemeinschaften. In ihnen erfassen wir gerade die festen Frömmigkeitstraditionen und werden so einerseits in das Gebetsleben der großen Persönlichkeiten eingeführt, welche den Anstoß zur Bildung solcher Überlieferungen gaben, und andererseits in die an die formelhaften Gebetsmuster sich klammernde Frömmigkeit der Durchschnittsmenschen.

Zu den Gebetsparadigmen und Gebetsformularen tritt als dritte Gruppe der verfaßten Gebete die Gebets dichtung, in welcher das liturgische oder erbauliche Gebet sich in ein künstlerisches Gewand hüllt. Den schematischen, nach festen Mustern geschaffenen antiken Kulthymnen kommt als Gebetsdokument eine ähnliche Bedeutung zu wie dem rituellen prosaischen Gebetsformular. Als Zeugnis echten, individuellen Betens ist zum Teil die aus persönlichen Gebetserlebnissen geborene künstlerische Gebetspoesie zu betrachten: die Hymnen der individualisierten Endphase der antiken Religionen, die Psalmen des Alten Testaments, die lateinischen Hymnen des christlichen Altertums und Mittelalters, die Kirchenlieder der verschiedenen Landessprachen. Aber nur ein Teil dieser geistlichen Lieder ist der selbständige Ausdruck einer persönlich erlebten Gebetsstimmung, viele sind nur Umdichtungen von Prosagebeten. So schöpfen nicht wenige Dichtungen eines Johann Heermann und Gerhard Tersteegen, ja sogar manche Lieder eines Paul Gerhardt aus der zeitgenössischen Gebetsliteratur ihren Inhalt 90. Aber darüber besteht kein Zweifel, daß der Sonnenhymnus des Ichenaton und der Psalm Miserere, das ,,Veni Sancte Spiritus" des französischen Königs Robert und das ,,Salve caput cruentatum" des hl. Bernhard, das,,Dies irae" des Thomas von Celano und das,,Adoro te devote" des Thomas von Aquin, die ἔρωτες τῶν θείων ὕμνων Symeons des Neuen Theologen und die Gebetslieder Luthers oder die in allen Tempeln Südindiens rezitierten feurigen Hymnen des Tamilmystikers Mânikka Vâschagar zu den wirklichen, nicht zu den gemachten Gebeten zu zählen sind. Hier reden nicht Literaten und Buchschreiber, sondern große Beter. Wir brauchen nur die dichterische Form und den künstlerischen Rhythmus zu abstrahieren und wir lauschen auf die vollen Klänge eines frischen und kraftvollen Herzensgebetes.

Eine vierte Variante des literarischen Gebets bildet das nachgeahmte Gebet, das sich in den Epen und Dramen der großen Dichter findet. Der Dichter ist wie der bildende Künstler der feinsinnige Psychologe, der die zartesten und heimlichsten Regungen des

Das Gebet.

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Herzens kennt und verdolmetscht. Die Gebetc, die er seinen Helden in den Mund legt, sind zwar niemals in dieser Form von eines Menschen Lippen gekommen; und doch sind sie der lebendigen Wirklichkeit abgelauscht,,,gebetete" Gebete, nicht,,gedichtete" Gebete. Sind die Gebetsformulare der Priester, Theologen und Erbauungsschriftsteller mehr das Spiegelbild des Gebetsgeistes einer bestimmten Kulturschicht, Frömmigkeitsepoche oder religiösen Gemeinschaft, so sind die Gebete der genialen Dichter mehr die unmittelbaren Dokumente der schlichten Herzensfrömmigkeit des naiven Menschen. Wenn man an die urwüchsigen Gebete bei Homer und den hellenischen Tragikern denkt oder an das ,,Neige, du Schmerzensreiche" des Gretchens in Goethes Faust oder an den Hymnus,,Vergine madre" in Dantes Paradiso, so wird man die Gebete in den Schöpfungen der großen Dichter zu den erstklassigen Gebetszeugnissen stellen.

2. Selbstzeugnisse über das Gebet.

,,Wie von Angesicht zu Angesicht konnten wir den Beter in seinen eigenen Gebeten sehen. In den Worten an die Jünger, die vom Beten handeln, sehen wir ihn noch einmal wie im Spiegel" (Deißmann) 91. Die wichtigsten Gebetsdokumente sind stets die Gebetsworte selbst: aber sie bedürfen zur richtigen Interpretierung einer Ergänzung durch die Äußerungen großer Beter über das Gebet; diese enthüllen dem Psychologen noch deutlicher die beim Gebet sich abspielenden seelischen Vorgänge: Motiv, Gefühlsverlauf und Wirkung. Freilich haben die großen Genien nicht allzu häufig in der ersten Person von ihren Gebetserlebnissen erzählt: Demut und religiöser Zartsinn hält sie zumeist davon ab, im Ichstil eine detaillierte Schilderung von den intimsten seelischen Regungen zu geben; ja sie wagen es oft gar nicht, in die geheimnisvolle Dämmerung, in die das Allerheiligste ihres Gottesumganges gehüllt ist, mit dem grellen Lichte der beobachtenden Analyse hineinzuleuchten; sie verbergen nicht selten ihr heimlichstes Gebetsleben vor der eigenen Reflexion ebenso wie vor den Fragen anderer Menschen. Ihre kostbaren Selbstzeugnisse verstecken sich hinter ihren generellen und normativen Äußerungen über das wahre Beten. In dem Gebetsideal, das die großen Beter verkündet haben, haben sie uns ein Bild ihres Betens gezeichnet. Wenn wir die Hülle des Normativen und Polemischen abstreifen, haben wir ein echtes Selbstzeugnis in Händen. Der Begriff des Selbstzeugnisses darf nicht, wie es die heutigen Religionspsychologen zumeist tun, auf die direkte, schon psychologisch gefärbte Beschreibung und Analyse von religiösen Zuständen und Erfahrungen beschränkt werden. Verwertet doch auch die Psychologie des künstlerischen Schaffens die Meisteranweisungen der großen Künstler als eine erstklassige Quelle.

Obenan stehen die möglichst untheologischen, unproblematischen und unsystematischen Gebetsanweisungen großer Beter, die der psychologischen Absichtlichkeit entbehren. Jesus hat in den kurzen und zerstreuten Worten über das wahre und falsche Beten sein Selbst

gezeichnet. Seine schroffe Kritik an der Gebetspraxis der Scheinheiligen und Heiden öffnet den Ausblick auf die Arts eines Betens. An den Ecken und Straßen beten die Heuchler, er betet im Kämmerlein. Wortreiche Liturgien plappern die Heiden und Pharisäer; seine Gebete sind knapp. Durch seine Worte:,,Du aber, wenn du betest". . . hindurchblickend, sehen wir ihn selbst an jenen einsamen, wüsten Stätten während der Nacht auf den Knien liegen. Seine Forderung für die Feinde zu beten, entstammt seinem eigenen Gebetsleben: noch am Kreuze bittet er für seine Mörder 92. Aus seiner energischen Mahnung zum stürmischen Beten und aus den Worten der Verheißung, die er den gläubigen Betern gibt, redet seine eigene kindliche Zuversicht und unerschütterliche Erhörungsgewißheit. Wenn Augustinus im Brief an die Witwe Proba (ep. 130) ein spiritualistisches Gebetsideal entwirft, so enthüllt er sein eigenes rein geistiges Beten. Wenn Nilus Sinaita in seinen Apothegmen den Wüstenmönchen Weisungen für ihr Beten gibt 93, so läßt er uns in sein eigenes Gebetsleben einen Blick tun. Wenn Luther,,die Weise, wie man beten soll" angibt oder die ,,Stücke, die zum rechten Gebet not sind" 94, aufzählt, so erfahren wir im Grunde nur von seinem eigenen Beten und Glauben. In dem,,Discours touching prayer" des englischen Baptisten John Bunyan offenbart sich, obgleich er schon eine bei Luther fehlende Systematik zeigt, die wundervolle Affektivität und Spontaneität, die das Gebetsleben dieses Kesselflickers auszeichnet. Reflektierter und absichtlicher als diese völlig naiven Selbstzeugnisse sind die generellen und normativen Äußerungen der großen neueren Theologen und Prediger, die sich in ihren Predigten oder religiösen Schriften finden (Schleiermacher, Tholuck, Monod, Robertson). Doch bedingt der individualistische Geist der Neuzeit eine vertiefte und verfeinerte psychologische Beobachtung und Schilderung religiöser Erlebnisse. Eine Perle in der neueren religiösen Literatur ist das Büchlein des dänischen Bischofs Monrad: ,,Aus der Welt des Gebets", das ebenso das Dokument einer schlichten Herzensfrömmigkeit wie einer treffsicheren religiösen Psychologie ist.

Die Selbstzeugnisse der Mystiker über das Gebet, seien sie nun individuelle Berichte oder kollektive Gebetsanleitungen, nehmen eine Sonderstellung ein. Die Mystik führt den Menschen in sein Inneres zurück, die stete Innenkonzentration und Selbstversenkung, die Beschäftigung mit sich selbst führt von selbst zu echter, psychologischer Selbstbeobachtung. So kommt es, daß die Äußerungen mystischer Persönlichkeiten - soweit sie nicht an den naiven Phantasievorstellungen der Brautsymbolik hängen bleiben vielfach einen psychologisierenden Charakter haben. Gerade die buddhistischen Mönche und die christlichen quietistischen Mystiker haben die psychologische Selbstbesinnung bis zur Virtuosität ausgebildet. Die heilige Theresa steht mit ihren meisterhaften Analysen, von denen jeder moderne Psychologe lernen kann, unter allen Mystikern unübertroffen da, man könnte sie als die Psychologin unter den Heiligen bezeichnen; gleichwohl wird bei ihr durch die psychologische Selbstbeobachtung die Naivität und Intensität des Erlebens nicht beeinträchtigt. Sie hat es fertig gebracht zu

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