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H. Das gottesdienstliche Gemeindegebet'.

1. Zusammenhang mit dem individuellen Gebetsleben der prophetischen Persönlichkeiten.

Die Mystik ist ihrem Wesen nach gemeinschaftslos.,,Gott und die Seele",,,Gott in der Seele"-in diesen Worten ist alle mystische Frömmigkeit beschlossen. Im mystischen Gebet erhebt sich die von der Welt und der Gesellschaft losgelöste Einzelseele zu ihrem Gott, um mit ihm völlig eins zu werden. Das Beten des Mystikers ist nach dem wundervollen Schlußwort von Plotins Enneaden (VI 9, 11),,die Flucht des Einsamen zum Einsamen" (φυγή μόνον πρός μόνον). Ein starkes nnd lebendiges Gemeinschaftsgefühl, wie es die Glieder einer religiösen Genossenschaft, eines Stammes oder Volkes, einer Sekte oder Kirche beherrscht, ist mit der stillen Beschaulichkeit, der innigen Versunkenheit, der ekstatischen Seligkeit des Mystikers unvereinbar. In der Mystik hat darum das Gemeindegebet, der elementare Ausdruck des religiösen Kollektivbewußtseins, keinen Raum. Weder der Neuplatonismus noch der Sufismus, weder die vedântische Frömmigkeit noch der Buddhismus waren imstande, ein gottesdienstliches Gemeindegebet zu schaffen. Das gottesdienstliche Gemeindegebet ist vielmehr eine Schöpfung des prophetischen Frömmigkeitsgeistes. Zwar lebt jener grandiose Individualismus, der das Beten der Mystiker auszeichnet, ebenso im Beten der prophetischen Genien. Gibt es individuellere Gebete als die eines Jeremia oder Jesus? Gibt es ein innigeres und persönlicheres Gebetsverhältnis des Menschen zu Gott als das Gebetsverhältnis des unglücklichen Propheten zu seinem Jahwe, als das des Gottessohnes zu seinem Vater, als das des Völkerapostels zu seinem erhöhten Herrn Jesus Christus? Und doch waren es gerade diese Männer, die den Anstoß zur Entstehung des gottesdienstlichen Gemeindegebets gaben.

Die prophetische Frömmigkeit ist im Gegensatz zur mystischen streng sozial (s. o. S. 272 ff.); nicht um das Heil eines Einzelnen handelt es sich, sondern um das Heil des Volkes, der Kirche, der Menschheit; nicht seliges Einswerden der Einzelseele mit der unendlichen Gottheit, sondern die Verwirklichung der universellen Gottesherrschaft ist das große Ziel der religiösen Sehnsucht. Dieser soziale Charakter der prophetischen Religion äußert sich unverkennbar im Gebetsleben. Mit der Bitte um das eigene Heil paart sich die Fürbitte für das Heil des Bruders; die Bitte in eigener Not und die Fürbitte für den Nächsten vereinen sich im Flehen um das Kommen des Gottesreiches, das den zentralen Gegenstand des Gebets in der prophetischen Frömmigkeit bildet. Mit dem Fürbittegebet verbindet sich bei den prophetischen Geistern der Kampf für das

Gebetsideal: sie wollen und müssen auch die anderen Menschen auf die Höhe ihres eigenen Gebetslebens emporreißen; auch die Kleinen und Schwachen sollen dem äußerlichen, unheiligen und selbstsüchtigen Beten entsagen und lernen, den Vater im Geist und in der Wahrheit anzurufen. So offenbart ebenso das lebendige Fürbittegebet für die Brüder wie die unermüdliche Erziehungsarbeit zum wahren Beten den sozialen Zug, der dem prophetischen Gebetsgeist im Unterschied vom mystischen eigen ist. Dieser soziale Gebetsgeist, der um das fremde Heil bittet wie für das eigene, der alle Menschen teilnehmen lassen will an den eigenen Gebetserfahrungen, kann beim bloßen Fürbittegebet und bei der bloßen Gebetspädagogik nicht stehen bleiben, er drängt vielmehr von selbst zum gemeinsamen Gebet. Die gemeinsame Heilssehnsucht verlangt Ausdruck in gemeinsamer Bitte, der gemeinsame Heilsbesitz Ausdruck in gemeinsamem Lobpreis und Dank. Wo das Bewußtsein lebendig ist, daß,,die vielen ein Leib sind" (1 Kor 1017), muß sich das individuelle Beten zum gemeinsamen Gebet erweitern, ohne jedoch in ihm aufzugehen oder durch dieses Nachaußentreten seine innere Kraft zu verlieren. So ist das gottesdienstliche Gemeindegebet innerlich im prophetischen Frömmigkeitsgeiste verwurzelt, ein unmittelbarer Ausfluß des individuellen prophetischen Gebetslebens.

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2. Geschichtlicher Überblick.

Ehe wir das gemeinsame gottesdienstliche Gebet nach seinem Inhalt, seiner Form und seiner Idee näher untersuchen, ist es nötig, die geschichtlichen Zusammenhänge zu überblicken. Das gottesdienstliche Gemeindegebet des Judentums 2 ist eine der zahlreichen religiösen Früchte, welche die harte Exilszeit in Babylon zeitigte. Der vorexilische Kult der Israeliten war ein nationaler Opferkult, wie wir ihn bei allen primitiven und antiken Völkern treffen, bestehend aus Gabendarbringungen, Schlachtungen, Brandopfern, Weiheakten, Sühne handlungen, Reinigungszeremonien und Taburiten. Gegen dieses komplizierte Opferritual, das wie überall so auch in Israel eine Veräußerlichung und Verflachung des ganzen religiösen Lebens herbeizuführen drohte, erhoben die Propheten, ein Amos (44; 5 21 ff.) und Hosea (6), Micha (6 ff.), Jesaia (111 ff.) und Jeremia (721 f.), Protest und forderten eine reine, sittliche Jahweverehrung. Die deuteronomische Reform entwurzelte alle polytheistischen Neigungen Israels, indem sie den Opferdienst, der von altersher an allen Orten des Landes stattfand, auf das jerusalemische Zentralheiligtum, Jahwes Wohnstätte, beschränkte; aber gerade diese Zentralisierung bedeutete eine gewaltige Stärkung des alten Opferrituals und Kultwesens, gegen das die Propheten angekämpft hatten. Ein gemeinsamer reiner Gebetsgottesdienst, wie er dem prophetischen Frömmigkeitsideal entsprach, wurde erst im Exil möglich. Im Zweiströmeland waren die Söhne Israels ihres Heiligtums beraubt; hier konnten sie darum ihrem Jahwe keine Schlachtopfer und Ganzopfer darbringen; denn Jahwe weilte ferne und der fremde Boden, auf dem sie wohnten, war unrein, tabu, den Dämonen eigen. Aber das Bewußtsein, daß sie Jahwes Volk waren, und der Drang, dem Gott

der Väter zu dienen und ihn anzubeten, blieb in ihren Herzen auch in der Fremde lebendig; ja die Sehnsucht nach der Heimat und dem heimatlichen Gott drängte die Söhne der Verbannung mit erhöhter Gewalt zu gemeinsamer Betrachtung und Anbetung und zu gemeinsamem Flehen. Sie versammelten sich in besonderen Häusern zur Lesung ihrer Geschichts- und Gesetzesbücher wie der Schriften ihrer Propheten; in diesen heiligen Büchern erkannten sie, wie wunderbar Jahwe zu allen Zeiten sein Volk geführt hatte; aus den Drohungen und Strafreden der Propheten ging ihnen die Schuld des Volkes Israel in ihrer ganzen Schwere auf; aber aus ihren Verheißungen schöpften sie Trost und Hoffnung. Vor allem waren es die Bekenntnisse des Jeremia, dieses größten der alttestamentlichen Propheten, die in den Herzen der Verbannten neuen Lebensmut weckten; in seinen schmerzlichen Prophetenschicksalen erkannten sie ihr eigenes Geschick wieder. Die ergreifenden Gebetslieder, in denen einzelne fromme Sänger im Anschluß an die Gebetsfrömmigkeit des Jeremia den Erfahrungen des verbannten Gottesvolkes - seinem tiefen Leid und seiner ungebrochenen Lebenszuversicht dichterischen Ausdruck liehen, ertönten in diesen Versammlungen wieder; der Psalter wurde zum Gebetbuch der Exilsgemeinde; die Kraft und Leidenschaft des jeremianischen Gebetsgeistes ergoß sich durch die Psalmen in die Gebetsfrömmigkeit der jüdische Gemeinde. So war, fern vom Jahweheiligtum auf dem Sion, an den Gestaden des Euphrat ein opferloser, rein geistiger Gemeindegottesdienst, bestehend aus Schriftlesung und Gebet, entstanden; der alte Opferkult war für diese den Geist der Propheten atmende Frömmigkeit abgetan. Die Exilsgemeinde hatte erlebt, daß Jahwe nicht Schlachtopfer begehrt noch an Brandopfern Wohlgefallen hat, daß vielmehr das wahre Opfer in einem demütigen, zerknirschten Geist besteht (Ps. 51 18 f.). Nach der Rückkehr der Verbannten in die Heimat entstand zwar der Tempel in neuer Pracht, der alte Opferdienst wurde im Sinne des Deuteronomiums erneuert, das Tempelritual wurde, wie das priesterliche Gesetzbuch des Leviticus zeigt, ungeheuer kompliziert; aber der vergeistigte Gemeindegottesdienst, der Kultus des Schriftwortes und Gebetes, der aus der Exilfrömmigkeit geboren war, konnte durch den Opferkult nicht mehr verdrängt werden. Allenthalben im Judenlande wie in der Diaspora erhoben sich Gebets- und Versammlungshäuser (ovvaywyai, προσευκτήρια, οἶκοι προσευχῆς), in denen täglich, vor allem aber am Sabbat und an den Festen die Frommen sich zur Schriftlesung und zum gemeinsamen Gebet versammelten 3, und auch im Tempel zu Jerusalem wurden die heiligen Schriften interpretiert und erklangen die hehren Psalmgebete.

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ff.;

Außer den Psalmen besitzen wir verschiedene indirekte Zeugnisse für die gottesdienstliche Gebetsweise des nachexilischen Judentums. Das Gebet des Esra (Neh 9, ff.) und die Priestergebete in den Makkabäerbüchern (2 Makk 1 3 Makk 2, ff.) sind zwar literarische Kompositionen, aber spiegeln das Gemeindegebet im Tempel und in den Synagogen wieder. Die Rahmengebete des Schma, des individuellen jüdischen Pflichtgebets, sind gleichfalls ein Reflex des liturgischen Gebets. Das älteste jüdische Gebetsformular ist das Achtzehngebet, das in seiner heutigen Gestalt nach der Tempelzerstörung abgefaßt ist, aber in seinen Grundlagen in die Zeit vor Christi Geburt zurückreicht.

Die nachexilische Religion zeigt ein Nebeneinander des alten Opferkults und des neuen geistigen Schrift- und Gebetsgottesdienstes. Erst nach der Zerstörung des Jahweheiligtums im Jahre 70, als aller Opferkult und Tempeldienst aufgehört hatte, trat der synagogale Gebetsgottesdienst das Erbe des alten Opferwesens und Altardienstes an und wurde zum Gottesdienst ('aboda) schlechthin:,,Nachdem der sichtbare Mittelpunkt für das Judentum zu existieren aufhörte, schufen sie sich einen neuen unsichtbaren und darum unangreifbaren Mittelpunkt, um den sie sich von neuem scharten. Dieser Mittelpunkt war das gemeinsame Gebet, der gemeinsame Gottesdienst in der heiligen Sprache der Väter. Die Synagoge mit ihrem rein geistigen, nur aus Gebet und Belehrung bestehenden Kultus ist zwar durchaus nicht erst in jener Zeit entstanden, sondern ein halbes Jahrtausend früher ... Aber ihre volle Bedeutung erlangte sie erst nach der Zerstörung des Tempels, an dessen Stelle sie nun als wertvollerer Ersatz trat" (Perles) 4b. Nur dieser geistige Lese- und Gebetsgottesdienst hat es überhaupt „ermöglicht, daß das Judentum den Fall von Tempel und Altar ohne tiefgehende Erschütterung überwinden konnte" 5.

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Jesus, ein treuer Sohn der Religion seiner Väter, durchaus konservativ in der Haltung gegenüber dem religiösen Erbe der Vergangenheit, nimmt selbst eifrig am gemeinsamen Gottesdienste teil; wir treffen ihn am Sabbat in der Synagoge lehrend und die heiligen Schriften erklärend. Die Jünger folgten diesem Beispiel auch nach der Auferstehung des Herrn und der Geistessendung, indem sie den allgemeinen jüdischen Gottesdienst im Tempel besuchten (Ap.-G. 248; 32; 22 17). Aber seit der Geburtsstunde der christlichen Gemeinde am Pfingstfeste vereinten sie sich auch alltäglich zu einem besonderen christlichen Gottesdienst, zur Tischgemeinschaft und zur Danksagung; in der schlichten Gleichnishandlung des Brotbrechens und der Herumreichung des Segenbechers, wie sie Jesus bei seinem Abschiedsmahle vorgenommen hatte (Mk 142 ff.), vergegenwärtigten sie sich seine Todeshingabe für das Heil der vielen' (Mk 10 45); im Essen von dem gleichen Brote und im Trinken aus einem und demselben Kelche traten sie in Blutsgemeinschaft mit dem erhöhten Herrn, der unsichtbar in ihrer Mitte weilte, und mit den Brüdern und Schwestern der Tischrunde; die frohe Stimmung, in der sie mitsammen aßen und tranken (Ap.-G. 2 46), machte für sie dieses gemeinsame Mahl zum Vorspiel und zur Antizipation jener herrlichen Tischgemeinschaft, die ihrer im bald anbrechenden Gottesreich harrte (vgl. Mk 14 25). Psalmengesänge und feierliche Dankgebete, ähnlich dem Tischsegen, den der jüdische Hausvater über Brot und Wein sprach, begleiteten das christliche Herrenmahl (1 Kor 11 20). Die in der Didache enthaltenen Eucharistiegebete geben ein annähernd zutreffendes Bild von der eucharistischen Liturgie der Urgemeinde zu jener Zeit, da die Jüngerschaft Christi noch der jüdischen Kirchengemeinschaft angehörte und an dem allgemeinen jüdischen Gottesdienst im Tempel oder in der Synagoge teilnahm.

So kennt die christliche Urgemeinde einen doppelten Gemeindegottes

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dienst: den allgemeinen jüdischen Sabbat- und Festgottesdienst in dər Synagoge oder im Tempel und den besonderen christlichen Eucharistiegottesdienst, zu dem die Christusjünger sich in ihren Häusern (Ap.-G. 246) zusammenfanden. Während die jerusalemische Urgemeinde die gottesdienstliche Gemeinschaft mit der jüdischen Synagoge aufrecht erhielt, standen die von Paulus gegründeten heidenchristlichen Gemeinden zum gottesdienstlichen Leben des Judentums von Anfang an in keiner Beziehung. Nach dem endgültigen Bruch der palästinischen Gemeinde mit dem synagogalen Judentum hörte auch hier die Teilnahme am jüdischen Gottesdienst auf. Diese Verselbständigung der christlichen Kirche, die sich zuerst in den paulinischen Heidengemeinden und später auch in der judenchristlichen Muttergemeinde vollzog, bedingte die Entstehung einer eigenen christlichen Liturgie. Die Christen übernahmen den aus Schriftlesung und Gebet bestehenden synagogalen Gottesdienst und verbanden ihn mit dem eucharistischen Mahle. der Verschmelzung dieser beiden heterogenen Elemente entstand die christliche Messe; ihre Zweiteilung in die Vormesse oder,Katechumenenmesse' und die eigentliche Mysterienfeier oder,Gläubigenmesse', wie sie noch heute in den orientalischen Meßliturgien hervortritt, zeigt deutlich genug die Spuren ihrer Entstehung. Wie die eucharistischen Dankgebete der Didache sich an den jüdischen Tischsegen anschließen, so berühren sich die Preis- und Bittgebete, welche im christlichen Gottesdienst der Schriftlesung folgen, aufs engste mit den jüdischen Synagogengebeten. Das allgemeine Kirchengebet, das der römische Bischof Klemens seinem Brief an die Korinther einflicht und das als Typus des altchristlichen Kirchengebets gelten darf, zeigt eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem synagogalen Hauptgebet, dem Schemone 'Esre . In ähnlicher Weise zeigt die Grundform der Anaphora in der orientalischen Meßliturgie entscheidende Berührungspunkte mit dem Rahmengebet des Schma und den mannigfachen literarischen Dokumenten des altjüdischen Gemeindegebetes. In allen Dokumenten altchristlicher Liturgie zeigt sich, wie enge die Gebetssprache des jungen Christentums von der synagogalen Gebetsterminologie abhängig ist. Gleichwohl verrät die altchristliche gottesdienstliche Gebetssprache gegenüber der traditionellen jüdischen Gebetsterminologie schöpferische Originalität. Es war Paulus, der die stereotypen Doxologien der synagogalen Liturgie umschuf, der ihnen ein christliches Gepräge aufdrückte und die Kraft seines Christuserlebnisses einhauchte. Es gab fortan kein christliches Gemeindegebet mehr, das nicht in einer feierlichen Doxologie, wie sie Paulus im Munde führte, ausklang.

Das gottesdienstliche Beten der altchristlichen Kirche war noch mehr wie das altsynagogale Gemeindegebet frei von aller konventionellen Gebundenheit, von allem steifen Formalismus und toten Traditionalismus; es war eine ebenso lebendige Größe wie das individuelle Gebetsleben der alten Christen. Nur die allgemeinen Umrisse der gottesdienstlichen Feier, nur der allgemeine Inhalt und Aufbau sowie die religiöse Terminologie der Gebete standen fest. Das alte Christentum kennt im Gegensatz zu den antiken Tempelritualen und zu den synkre

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