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findet, ist ein gottesdienstliches Gemeindegebet ebenso fremd wie dem vedischen Brahmanismus 28 b. Nur die moderne indisch-christliche Mischsekte des Brahmasamáj (Brahmagemeinde), die von dem Brahmanen Rammohun Roy zu Anfang des verflossenen Jahrhunderts gestiftet wurde, hat nach dem Vorbild der abendländischen evangelischen Kirchen einen Gemeindegottesdienst mit Schriftlesung, Gebet und Gesang eingeführt. Der Verfasser der heute gültigen Gottesdienstordnung ist Keschub Chunder Sen 29.

So lassen sich außerhalb des Judentums und Christentums nur kümmerliche Spuren und Keime eines gottesdienstlichen Gemeindegebest aufweisen. Das Christentum (die israelitisch-jüdische Mutterreligion inbegriffen) ist die ,,Religion des Gebetes" schlechthin; dieser oben angeführte Satz (S. 235 f.) bewahrheitet sich ebenso im individuellen Frömmigkeitsleben der großen christlichen Persönlichkeiten wie im gottesdienstlichen Leben der christlichen Kirchen und Sekten. Das Gebet ist im Christentum der Mittelpunkt der persönlichen Frömmigkeit, es ist ebenso der Brennpunkt des Gemeindegottesdienstes.

3. Motiv und Zweck des gottesdienstlichen Gemeindegebets.

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Alles Beten ist ursprünglich der unmittelbare Ausdruck quellender Affekte, aufwühlender religiöser Erlebnisse. Auch das gottesdienstliche Gemeindegebet ist ursprünglich nicht die absichtliche Schöpfung eines oder mehrerer frommer Menschen, sondern der innerlich notwendige Ausdruck der gemeinsamen religiösen Erfahrungen einer enge verbundenen Gruppe. In den Zeiten gewaltiger religiöser Erregung, in denen bestehende religiöse Gemeinschaften sich fester zusammenschließen oder neue sich bilden, bleibt das kraftvolle Frömmigkeitsleben nicht auf einzelne schöpferische Genien beschränkt, sondern strömt über auf alle Glieder der Gemeinde. Die jüdische Exilsgemeinde, die Makkabäergemeinde, das Urchristentum und all jene christlichen Sekten, die aus einer Erneuerung des urchristlichen Enthusiasmus hervorgingen, offenbaren ein erstaunlich kräftiges religiöses Kollektiverleben. ,Ein Leib sind wir viele" (1 Kor 10 27) kein Wort veranschaulicht das innige Gemeinschaftsgefühl, das all diese religiösen Bewegungen durchdringt, plastischer wie dieses paulinische Bekenntnis. Ein einziges großes Erlebnis durchflutet die alte jüdische Gemeinde: das Bewußtsein Jahwes auserwähltes Volk zu sein und die Hoffnung auf Israels Herrschaft über die Heiden. Ein einziges großes Erlebnis durchströmt die urchristliche Kirche: die Gewißheit des in Christus geschenkten Heils und die Sehnsucht nach der baldigen Vollendung des Gottesreiches. Dieses gemeinsame große Erlebnis drängt spontan nach Aussprache im Gebet, genau so wie jedes affektive religiöse Erlebnis eines Einzelnen nach Entladung durch das Gebet verlangt. Die ihres Heils gewisse Gemeinde will,,einmütig mit einem Munde" ihren Gott preisen (ὁμοθυμαδὸν ἐν ἑνὶ στόματι δοξάζητε Roe 15, f.) 30; sie will ihm als großer Chor lobsingen (χόρος γενόμενοι ᾄσητε Ign. ad Rom. 2); die nach dem Heil sich sehnende Gemeinde will in

,,einer gemeinsamen Bitte" zu ihrem Gott flehen (uia dénois čotw zový Ign. ad Magn. 72).

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Das Gemeindegebet ist nicht bloß der Ausdruck des religiösen Kollektiverlebnisses, es dient auch der gegenseitigen Erbauung der Gemeindeglieder. Erbauung" (οἰκοδομή) ein Terminus, den der Völkerapostel in die religiöse Sprache des Christentums eingeführt hat ist die Übertragung religiöser Gefühle bzw. die Weckung, Steigerung und Verlebendigung schon vorhandener religiöser Gefühle, Stimmungen und Willenstendenzen.,,Alles geschehe zur Erbauung!“ ist die Maxime, die Paulus den Korinthern in seiner Erörterung des gemeinsamen Gottesdienstes entgegenhält (1 Kor 14 26). Durch das enthusiastische Gebet eines Geist begabten sollen alle Brüder in dieselbe religiöse Stimmung und Leidenschaft hineingezogen werden, aus welcher dieser betet. Eben deshalb will Paulus die ekstatische Gebetssprache des Zungenredens vom Gemeindegottesdienst möglichst fernhalten, weil von ihr keine erbaulichen Wirkungen auf die Versammelten ausgehen. Die Brüder werden von dem affektiven Gebet, das sich in wirren Wortfragmenten oder unverständlichen sprachlichen Neubildungen äußert (s. o. S. 358), nicht zum Mitbeten angeregt.,,Denn du betest wohl schön, aber der andere wird nicht erbaut" (1 Kor 14 17). Das Gemeindegebet soll also die in den Seelen schlummernden religiösen Gedanken und Gefühle wecken, die schon lebendigen steigern und vertiefen; es soll in allen am Gottesdienst Teilnehmenden eine warme Gebets- und Andachtsstimmung erzeugen. Luther hebt diese eine Seite des gemeinsamen Gebets hervor. „Daheim im Hause bin ich so wacker und lustig nicht; aber in der Kirche unter dem Haufen ist's herzlich und dringet auch durch." Er rühmt das,,Gebet unter dem Haufen und in der Versammlung, da eins das andere reizt, bewegt und erhitzt, daß es stark zu Gott dringt und dadurch erlangt ohne allen Zweifel, was es will" 31

Mit dem erbaulichen Zweck des Gemeindegebets berührt sich enge der pädagogische. Das Gebet der Gemeinde soll den Einzelnen auf eine höhere Stufe des Betens erheben. Die engen selbstsüchtigen Wünsche sollen im Angesicht der Gemeinde verstummen. Der Beter soll sich in das Heilsbewußtsein der Gemeinde einfühlen und die großen Anliegen der Gesamtheit als die eigenen erleben. Die Kleinen und Schwachen, die mit niederen und irdischen Gedanken zur Versammlung kommen, sollen auf die Höhe reiner religiöser Sehnsucht emporgeführt werden, sollen beten, wie die Starken und Schöpferischen der Gemeinde beten; die, welche nicht wissen, was wahres Beten ist, sollen hier beten lernen und sich im Beten üben. Diese pädagogische Abzweckung des Gemeindegebets wurde von den Reformatoren in den Vordergrund gerückt und von der altprotestantischen Orthodoxie wie von der modernen Theologie immer entschiedener betont.,,Die vorgeschriebenen und vom Liturgen verlesenen Gebete sind nicht eigentlich Gebete, sondern eine Anleitung zu gemeinsamem Gebet" (Von der Goltz) 32. ,,Das gemeinsame Beten und Singen im Gottesdienst ist noch nicht das Gebet selber, sondern nur eine Vorbereitung, eine Vor

übung auf das Gebet des Herzens, eine Zubereitung der Seele" (Geyer)33. Dieser erzieherische Zweck des Gemeindege bets ist jedoch nur Neben-, keineswegs aber Hauptzweck. Alles gemeinsame Beten soll vielmehr unmittelbare Äußerung des gemeinsamen religiösen Erlebens sein und der wechselseitigen Erbauung d. h. der Festigung und Erhöhung dieses Erlebens dienen.

Das Gemeindegebet ist der Mittel- und Höhepunkt des Gemeindegottesdienstes. Ihm geht stets die Schriftlesung und -erklärung, die Verkündigung des Gotteswortes voraus. Sie soll die Herzen der Gläubigen zur Andacht stimmen und zum gemeinsamen Gebet vorbereiten. Wie das Gebet der Mystiker sich an der Meditation entzündet und von ihr sich nährt, so entzündet sich das Gemeindegebet an der Vertiefung in das in der Schrift niedergelegte Gotteswort. Zum synagogalen Gottesdienst gehört die Thora- und Prophetenlektion, an die sich ein erbaulicher Vortrag (derášâ) anschließt. Auch im islamischen Freitagsgottesdienst geht der salât eine Predigt (chutba) voraus 34. Im gottesdienstlichen Kapitel des ersten Korintherbriefes nennt Paulus die διδαχή und ἑρμηνεία neben dem ψαλμός als Bestandteile des urchristlichen Gottesdienstes (1426). Nach der gottesdienstlichen Schilderung des Justin werden die Schriften der Propheten und die,,Erinnerungen" der Apostel (d. h. die Evangelien) vorgelesen; an die Lektion schließt sich die Mahnrede des Vorstehers' an 35. Die Schriftlesung mit der darauffolgenden Predigt blieb ein Wesensbestandteil des christlichen Gemeindegottesdienstes bis zum heutigen Tag. Der innere Zusammenhang von Predigt und Gemeindegebet wird sehr treffend von Luther hervorgehoben:

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,Wo das Volk nicht zuerst von Gott unterrichtet ist, da ist es unmöglich zu beten; ja, es wird keiner für sich selbst recht beten können, wo er sich nicht zuvor selbst den Glauben vorprediget; und durch eine solche Predigt, die sich einer selbst tut, wird das Herz beweget und erwecket zum Gebet. Solches geschieht aber alles öffentlich in unseren Kirchen . . .; es schallet darinnen für und für die Stimme des hl. Evangelii, damit die Leute von Gottes Willen unterrichtet werden. Zu solchen Predigten kommt das Gebet oder die Danksagung. So will Paulus in der ersten an die Corinthier (14, 3), daß man die Gemeinde erst lehren und vermahnen soll, darnach kann man recht Gott danken oder anrufen... Daß also die Predigt und das Gebet allezeit beieinander seien!" 36 Nicht selten freilich schon im alexandrinischen Judentum und später in vielen protestantischen Kirchen nimmt die Predigt die herrschende Stelle im Gottesdienst ein und drängt das Gebet zurück. .,Der selbständige Charakter und die gleiche Dignität des Gebets mit der Predigt geht verloren, das liturgische Gemeindegebet sinkt zu einem Appendix der Predigt herab" (Theod. Harnack) 36 b. Ursprünglich jedoch kommt der Schrittlektion und Homilie nur eine dienende und vorbereitende Bedeutung zu. Nicht Rede von Gott, sondern Rede z u Gott, nicht Verkündigung der Offenbarung Gottes, sondern unmittelbarer Verkehr mit Gott ist der eigentliche Gottesdienst.

Neuere um die liturgische Reform verdiente evangelische Theologen haben diesen Gedanken klar erkannt und ausgesprochen. F. Spitta schreibt:,,Das Wesen des evangelischen Kultus sehe ich in der Erhebung des Herzens zu Gott im Gebet. Dazu soll uns die Zeit des Gottesdienstes und das Gotteshaus mit seinem Schmucke, die Vorlesung aus der heiligen Schrift und die Predigt ver

Das Gebet

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helfen" "o. Karl Anton urteilt:,,Die Predigt bestimmt nicht, sie ist vielmehr nur Hilfe, Weg zur Erreichung des Ziels . . . Sie steht nicht in der Mitte des Ganzen als Herrscherin, sondern als Dienerin, die bescheiden erst hervortritt, wenn sie ihren Dienst zu verrichten hat und ebenso darnach wieder zurücktritt“ *d. Das gemeinsame gottesdienstliche Gebet ist ursprünglich der unmittelbare Ausdruck der gemeinsamen religiösen Erfahrungen und dient der gemeinsamen Erbauung. Aber die regelmäßige Wiederkehr der Gebetszusammenkünfte und die dauernde Identität des Gebetsmotivs bedingten eine allmähliche Schwächung der motivierenden Erlebnisse und leiteten so einen fortschreitenden Erstarrungsprozeß ein. Wie bei primitiven Völkern das Gebet aus einer spontanen und unmittelbaren Affektäußerung sich zu einem festen Bestandteil eines komplizierten Rituals verhärtet, so wird auch das jüdisch-christliche Gemeindegebet aus der lebendigen Äußerung des religiösen Kollektivbewußtseins zu einer steifen sakralen Institution, einer überlieferten Gottesdienstordnung, die in sich selbst wertvoll, in der Form unantastbar und deren Vollzug religiöse Pflicht ist. In dem Maße, als die Gemeinde oder Sekte, die enge innerliche und persönliche Gemeinschaft einer Vielheit von frommen Individuen, zur umfassenden Landes- oder Weltkirche sich fortbildete, in der die soziale Beziehung der einzelnen Glieder eine viel losere, äußerlichere und unpersönlichere ist, in demselben Maße erlosch das lebendige Gemeinsamkeitsgefühl, das sich im Gemeindegebet mit innerer Notwendigkeit auslebte; aber seine objektive Schöpfung, die liturgische Gebetsformel, lebte fort und entzündete in den Herzen mancher Frommen immer wieder jenes Gemeinsamkeitsgefühl, aus dem sie ursprünglich geboren war.

4. Die Form des gottesdienstlichen Gemeindegebets.

Das liturgische Gemeindegebet der jüdischen Synagoge und der christlichen Kirche zeigt in der Form gegenüber dem gemeinsamen Beten primitiver Stämme nichts wesentlich Neues. Alle die charakteristischen Formen, in denen die primitive Familien-, Dorf- oder Stammesgemeinschaft ihre gemeinsamen Gebetsanliegen vor ihren Gott bringt, kehren hier wieder.

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Das Bewußtsein der Gegenwart Gottes und das Streben, durch das gemeinsame Gebet sich gegenseitig zu erbauen, erfordert Ordnung in der gottesdienstlichen Feier. Paulus mahnt die Korinther bezüglich der gottesdienstlichen Versammlung: πάντα εὐσχημόνως καὶ κατὰ τάξιν yivέow (1 Kor 14 40). Das Gemeindegebet besteht nicht in einem chaotischen Stimmengewirr vieler Gläubigen, die alle in eigenen Worten mit Gott reden das wären die Einzelgebete von vielen, aber keineswegs ein Gemeindegebet sondern in dem Gebet eines Gemeindegliedes, dem die übrigen mit Aufmerksamkeit und Andacht folgen. Im altsynagogalen Judentum wurde das Gebet nicht von einem ständigen Liturgen, sondern in freiem Wechsel von einem der Anwesenden gesprochen; der jeweils Betende hieß,Bevollmächtigter der Gemeinde' (šeliach sibbûr). Auch im Islam kann jeder Gläubige als imâm bei der gemeinsamen Salât fungieren, wenn er die nötigen Kenntnisse besitzt 37.

In der christlichen Urgemeinde hatte jeder männliche Christ, der vom Geist ergriffen war, das Recht, zur Verkündigung und zum Gebet das Wort zu ergreifen. Die Sitte des allgemeinen freien Betens ist der deutliche Hintergrund zum 14. Kapitel des ersten Korintherbriefes, in dem der Völkerapostel die Probleme des Gemeindegottesdienstes bespricht. ,Wenn ihr zusammenkommt, dann hat jeder seinen eigenen Lobgesang" (14 26). Nicht das Recht des freien Laiengebets bestreitet Paulus, er fordert nur, daß jeder dieses Recht zur Erbauung der Gemeinde verwerte und in allgemein verständlicher Sprache, nicht in der unverständlichen Glossolalie bete.

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Der urchristliche Enthusiasmus begann frühe zu verwehen. Ursprünglich waren alle Glieder der Gemeinde,Geistträger', charismatisch Begabte; aber gar bald wurde ihre Zahl geringer. An die Stelle des persönlichen Geistbesitzes trat das kirchliche Amt: der Episkopat und Presbyterat. Die Bischöfe und Presbyter sind nun die amtsmäßigen Liturgen, welche im Namen der versammelten Gemeinde das gottesdienstliche Gebet sprechen. Ignatius von Antiochien redet in einem Atemzuge vom ,,Gebet des Bischofs und der Gemeinde" (ad Eph. 5) - ein Zeichen dafür, daß bereits um die Wende des 1. Jahrhunderts der Bischof eine hervorragende Rolle beim gottesdienstlichen Gemeindegebet spielte. Zuerst scheint das eucharistische Dankgebet dem,,Vorsteher" vorbehalten worden zu sein. Nach der Didache (10, 7) dürfen noch die Propheten, d. h. die Geistträger das Eucharistiegebet in völlig freier Weise sprechen. Nach der Beschreibung des Gemeindegottesdienstes bei Justin ist es ausschließlich der лoоɛotós, welcher bei der Darbringung von Brot, Wein und Wasser die Bitt- und Dankgebete spricht. Die Gebete der Vormesse' hingegen, die sich zwischen die Schriftlesung mit der Predigt und die eucharistische Mysterienfeier einschieben, scheinen nach der Schilderung Justins freie Gebete einzelner Gemeindeglieder gewesen zu sein 38. Hier stehen also das allgemeine Laiengebet und das priesterliche Amtsgebet nebeneinander. Später gingen dann alle gottesdienstlichen Gebete in die Hände des Amtspriesters (Bischofs oder Diakons) über. Aber neben und nach dem ordentlichen Vorbeter, dem Gemeindevorsteher und seinen Gehilfen, hatten noch lange die Pneumatiker das außer ordentliche Recht, in der gottesdienstlichen Versammlung sich zum eigenen Gebet zu erheben.,,Daß der Besitz des Geistes, nicht das Amt an sich, das Recht zu beten gab, davon behielt man ein Bewußtsein auch da noch, wo die Beamten die geistlichen Funktionen übernahmen. Erst als der Geist erloschen oder auf wunderbare Sonderwirkungen beschränkt war, wurde auch das allgemeine Recht, in der gottesdienstlichen Versammlung beten zu dürfen, ganz vergessen" (Von der Goltz) 39. Die christlichen Sekten, in denen der urchristliche Enthusiasmus stets von neuem aufloderte, haben immer wieder den Versuch gemacht, den urchristlichen Gemeindegottesdienst zu repristinieren; sie haben auch das freie, unbeschränkte Laiengebet in den gottesdienstlichen Versammlungen erneuert. Da aber der Enthusiasmus nur relativ kurze Zeit währt und der Geistbesitz nur das Charisma weniger Frommer ist,

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