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gebundene Formeln, die der Willkür des Beters entzogen sind. Nach einem talmudischen Diktum darf beim Schmone 'Esre bei Strafe der Ausrottung nichts hinzugesetzt werden. An einer Stelle des Avesta wird dem Ahura Mazda folgendes Drohwort in den Mund gelegt: „Wer mir in dieser körperlichen Welt diesen Teil des Ahunavairya beim Hersagen verstümmelt - sei es um die Hälfte, um ein Drittel, um ein Viertel oder auch nur um ein Fünftel dessen Seele bringe ich, der ich Ahura Mazda hin, hinweg vom besten Orte". Aber nicht nur die Form der Worte ist geregelt, auch die äußere Körperhaltung und selbst die Zeit des Gebets sind genau bestimmt. Die Rezitation des Schma hat am Morgen zwischen Dämmerung und Sonnenaufgang, am Abend beim Sichtbarwerden der Sterne zu erfolgen. Die islamischen Gebetszeiten sind: unmittelbar nach Sonnenaufgang, Mittags, Nachmittags, zwischen drei und vier Uhr, bei Sonnenuntergang und nach Einbruch der Nacht. Der jüdische Mischnatraktat Berachoth und seine talmudischen Erläuterungen enthalten zahllose minutiöse Detailvorschriften, die bei der Schma-Rezitation zu beachten sind. Die Vorschriften für die muhammedanische salât sind so zahlreich und kompliziert, daß „ein muslimischer Theologe mehrere Monate darauf verwenden muß, ehe er nur die Gebetsbestimmungen inne hat, die Muhammed selbst hinterlassen hatte."

Das private verdienstliche Gebet zeigt die Tendenz zur häufigen Wiederholung einer und derselben Formel.,,Wer sein Gebet lang macht, dem kehrt es nicht leer zurück," lautet ein rabbinischer Ausspruch1. Das Hauptgebet des Mazdadieneres, das Ahuna vairya, wird bis zu 1200 mal herunter gesagt 11. Der katholische Rosenkranz umfaßt fünfzehn Dekaden von je einem Vaterunser und zehn Ave. Weil das Gebet etwas in sich selbst Wertvolles und Wirksames darstellt, darum muß seiner Vervielfachung eine erhöhte Bedeutung zukommen.

4. Inhalt des gesetzlichen Gebets.

Hinsichtlich des Formalismus gleicht das gesetzliche Gebet völlig der rituellen Gebetsformel, wie sie in primitiven und antiken Kulten allgemein üblich ist. Der Inhalt aber verrät deutlich seine Herkunft aus der individuellen Frömmigkeit oder dem Gemeindegottesdienst. Das Vaterunser und die erste Sure des Korân entstammen dem individuellen Gebetsleben; auch die ,,Geheimnisse" des Rosenkranzes, die sein variables Element bilden, entspringen der individuellen Gebetsfrömmigkeit; sie stellen im Grunde nur das Meditationsschema der mittelalterlichen Mystik dar. Andere Gebete, wie das Schmone 'Esre, die Rahmengebete des Schma und das christliche Glaubenssymbol, wurden aus dem Gemeindegottesdienst in das private religiöse Leben übertragen. Ein großer Teil der gesetzlichen Gebete, wie das jüdische Schma, die parsischen Formeln des Ahuna vairya, Aschem vohu und Yenhe hatam, das christliche Credo, sind keine eigentlichen Gebete, sondern Meditations- und Bekenntnisformeln, in denen der Fromme sich die zentralen Wahrheiten seines Glaubens vergegenwärtigt und sein religiöses Heils- und Pflichtbewußtsein immer von neuem weckt und kräftigt. Schma:,,Höre, Israel! Jahwe ist unser Gott, Jahwe allein! Und du sollst Jahwe, deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller deiner Kraft. Diese Worte, die ich dir heute vorlege, sollen dir im Herzen bleiben, auch sollst du sie deinen Kindern einschärfen und von ihnen reden, wenn du in deinem Hause weilst oder dich auf Reisen befindest, wenn du dich niederlegst und wieder aufstehst. Du sollst sie als ein Zeichen auf deine Hand binden und als Stirnbänder zwischen den Augen haben und sollst sie auf die Pfosten deines Hauses und an deine Tore schreiben" (Dt 6,-,). Es folgt Dt 11 13-21; Num 15 37-41 P. Kürzer sind die drei Gebetsformeln der Parsen. Ahuna vairya: Wie der werteste Herr so steht der Prophet in Einklang mit Ascha; er übergibt Mazda die Werke, die in guter Gesinnung in diesem Leben geübt worden sind, und dem Ahura das Reich; der setzte ihn zum Schützer der Armen" (Ys 27 13). Aschem vohu:,,Reinheit ist das höchste Gut; erwünscht ist sie, erwünscht für mich. Für die Reinheit das Paradies" (Ys 27 14). Yenhehatam: Wir verehren die männlichen und weiblichen (Engel), durch deren Anbetung vor allem Mazda Ahura in Einklang mit Ascha das Gute herbeischafft" (Ys 27 15) 12.

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Wie der das Schma rezitierende Jude sich die ausschließliche Anbetung Jahwes tagtäglich einschärft, so vergegenwärtigt sich der Mazdayasna die höchsten Das Gebet

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Ideale und Forderungen seiner Religion, die heilige Ordnung (Aša), das Reich (Kšathra), die Reinheit und die guten Werke. Verwandt und doch von ganz anderer Art ist das apostolische Symbolum, das im katholischen Privatgebet fast so gebräuchlich wurde wie das Vaterunser und Ave; hier betrachtet der Christ die in lapidarer Kürze zusammengefaßten heilsgeschichtlichen Tatsachen von der Schöpfung über die Heilstat Christi zur Vollendung im ewigen Leben.

Neben den Meditations- und Bekenntnisformeln stehen Preisgebete. Das jüdische Achtzehngebet ist in seinem Eingang und Schluß wie im Refrain ein Lobgebet auf Jahwe. Die Rahmengebete des Schma sind zum größten Teile Preisgebete (s. o. S. 446). Das ,,Vaterunser" der Muslimen beginnt mit dem feierlichen Lobpreis:,,Das Lob gebührt Allah, dem Herrn der Welten, dem Allbarmherzigen, Erbarmungsvollen, dem König am Gerichtstage. Nur dir wollen wir dienen, und nur dich rufen wir um Hilfe an" 13. Das Ave Maria ist in seiner ersten Hälfte ein Lobpreis auf die Gottesmutter.

Die Bitte fehlt im gesetzlichen Beten nicht ganz. Ein Teil der Rahmengebete des Schma sind Bittgebete. Das Schmone Esre enthält zum größten Teil Bitten. Die bei der ṣalât gesprochene erste Korânsure schließt mit einer Bitte: ,,Herr, führe uns den Weg, den geraden, den Weg derer, über die du deine Gnade ausgießest, und nicht derer, über die du zürnest, und nicht den Weg der Irrenden!"*18 einer Bitte, die auf rein geistige Werte, die Erfüllung des Willens Gottes im rechten Glaubensbekenntnis und rechten sittlichen Wandel abzielt. Ebenso ist das christliche Zentralgebet, das Vaterunser, ein Bittgebet.

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Zwischen den Bittgebeten und den Bekenntnisformeln stehen gebetähnliche Formeln, in denen der Gläubige seine ,,Zuflucht nimmt". Nach der Eingangssure zum Koran sind die beiden Schlußsuren die häufigsten mohammedanischen Gebete. Sie lauten: .,Sprich: ich nehme meine Zuflucht zum Herrn des Morgenvor dem Übel dessen, was er erschaffen grauens und vor dem Übel der Nacht, wenn sie naht I und vor dem Übel der Zauberinnen und vor dem Übel des Neiders, wenn er neidet." ,,Sprich: ich nehme meine Zuflucht zum Herrn der Menschen dem Könige der Menschen vor dem Übel des Einflüsterers, des Entweichers der da einflüstert in die Brust des Menschen - vor den Dschinnen und den Menschen" 13. Die Anfangsworte dieser Formeln erinnern an die Formel, welche die buddhistischen Mönche und Laien so häufig gebrauchen: „Ich nehme meine Zuflucht zum Buddha, ich nehme meine Zuflucht zum Dhamma (Gesetz), ich nehme meine Zuflucht zum Sangha (Mönchsgemeinde).“ 14

Alle diese als gesetzliche Gebete benützten Formeln von jenen abgesehen, die der persönlichen Gebetsfrömmigkeit oder der Liturgie entstammen - zeigen eine gewisse Allgemeinheit und Nüchternheit; es fehlt jener lebendige Schwung, der dem individuellen Gebet wie dem Gemeindegebet eigen ist. Sie sind nicht einmal Gebete im eigentlichen Sinne des Wortes; denn es fehlt die Gebetsanrede, die unmittelbare Hinwendung des Frommen zu Gott.

5. Die Idee des gesetzlichen und verdienstlichen Gebets.

Das gesetzliche und verdienstliche Gebet ist eine Leistung des Menschen an Gott, die in sich selbst Wert besitzt. Diese Leistung ist von Gott gefordert; wer sie unterläßt, verstrickt sich in Sünde und verfällt dem göttlichen Strafgericht. Das gesetzliche Gebet ist das Bekenntnis des Glaubens, das den Frommen vom Gottlosen, den Gläubigen vom Ungläubigen unterscheidet.,,Wer die Verrichtung der salât unterläßt, ist ein Ungläubiger," sagt ein muhammedanischer Theologe 15. Wer aber über das Minimum des von Gott Gebotenen hinausgehend, freiwillig Gebete verrichtet, sichert sich göttlichen Lohn im Diesseits und Jenseits. Die Idee der Leistung, die dem gesetzlichen und verdienstlichen Beten zugrunde liegt, bedeutet ein Wiederaufleben des primitiven Opfergedankens. Es ist von Wichtigkeit, daß das gesetzliche

und verdienstliche Gebet im Judentum gerade dann aufkam, als durch die Zentralisierung des Kults das allgemeine Opfer verschwunden war, und daß es noch größere Dimensionen annahm, als Tempel und Altar in Schutt und Asche versunken waren. Der Talmud lehrt ausdrücklich (Berach. 26 b), daß die täglich gebotenen Gebete an die Stelle der früheren täglichen Opfer traten 16. Das formelhafte Gebet ist in der Vorstellung des naiven Frommen nichts anderes als ein Opfer, das er seinem Gott darbringt. Das gesetzlich verordnete Gebet ist der regelmäßige Tribut, den der Mensch seinem Gott wie einem König schuldet ein Dienst, zu dem er als Knecht gegenüber seinem Herrn verpflichtet ist. Ein altjüdischer Text sagt bezeichnend:,,Gleichwie der Dienst am Altar eine 'aboda (d. h. Knechtesdienst) genannt wird, so heißt auch das Gebet eine ‘aboda" 17. Während das regelmäßige Pflichtgebet dem primitiven Tributopfer gleichkommt, hat das außerordentliche, als gutes Werk verrichtete Gebet eine ähnliche Funktion wie das freiwillige Gabenopfer; das freiwillig verrichtete Gebet heißt im späten Judentum geradezu Spendegebet' tefillat nedâbâ 18. Der Mensch tut das, was Gott wohlgefällig ist; er hofft, daß ihm Gott dafür die Erfüllung bestimmter Wünsche oder ganz allgemein irdisches Glück und himmlische Seligkeit gewähren wird. Ahura Mazda verheißt:,,Wer mir in dieser mit Körper begabten Welt, o heiliger Zarathustra, den Teil des Ahuna vairya hersagt, dessen Seele bringe ich dreimal über die Brücke zum Paradiese, der ich Ahura Mazda bin, bis zu dem besten Orte, bis zur besten Reinheit, bis zu den besten Lichtern" 19. Der Grundgedanke alles Opferwesens, do ut des, erscheint hier in spiritualisierter Form, Weil das Gebet ein Opfergeschenk, ein gutes Werk' ist, kann es durch andere gute Werke verstärkt werden, vor allem durch Fasten und Almosengeben. Mit diesen beiden verbindet es sich aufs engste zu einer religiösen Trias, die das Christentum aus der jüdischen Mutterreligion übernahm und die auch im Islam unter den,fünf Grundpfeilern' wiederkehrt. Aber nicht nur der Opfergedanke liegt dem gesetzlichen und verdienstlichen Gebet zugrunde, im Hintergrunde steht der primitive Zaubergedanke. Das jüdische Schma, das christliche Vaterunser, die Anfangsund Schlußsuren des Koran, das Ahuna vairya und Aschem vohu des Mazdaismus alle teilen sich in das gleiche Geschick; alle mußten sich gefallen lassen, als Zauberformeln den mannigfachsten selbstsüchtigen Zwecken der Menschen zu dienen. Die religiöse Wertschätzung dieser Formeln, der Glaube an ihren Heiligkeitscharakter zog die Vorstellung ihrer Zauberwirksamkeit nach sich; weil sie als,,heilig" galten, galten sie auch als mit immanenter, übernatürlicher,,Macht" (Mana) ausgestattet. Ihre Worte waren das kräftigste Zaubermittel, die stärkste Beschwörung. So sinkt das gesetzliche und verdienstliche Beten auf die Stufe der primitiven Magie herab, aus einem ehrfürchtigen Tribut an den großen Gott wird es zu einem mechanischen Mittel im Dienste menschlicher Selbstsucht.

6. Schlußcharakteristik 20.

Der Inhalt des gesetzlichen Gebets steht durchaus auf der geistigen

Höhe der Religionen, deren Bekenner diese formelhaften Gebete rezitieren. Da ist kein Bitten um die kleinen Nöte des Alltags, sondern ein feierliches Bekennen der Größe Gottes und seiner Heilstaten; da ist kein eudämonistisches Wünschen und Begehren, sondern ein Sichvergegenwärtigen der großen religiösen Pflichten; da ist kein Einreden auf Gott, sondern ein demütiges Lobpreisen seiner Macht. Während so der Inhalt des gesetzlichen Gebets religiöse Tiefe und Reinheit verrät, bringt sein Formalismus notwendig eine Entgeistigung und Veräußerlichung mit sich. Zwar fordert das religiöse Gesetz ein,andächtiges' Beten, ein Rezitieren der Texte mit voller innerer Anteilnahme; das Gesetzesjudentum verlangt vom Betenden kawwana 21, das Gesetzeschristentum attentio und devotio; allein, wenn es auf den Wortlaut der Formel ankommt, wenn die Formel heilig gesprochen wird, muß der Geist ihr entweichen. Der alltägliche Gebrauch, die zahllose Wiederholung einer und derselben Formel bedingt eine Mechanisierung des Betens; man plappert schließlich gedankenlos die Gebetsworte herunter. Die religiösen Autoritäten machen selbst dem mechanischen Beten Zugeständnisse. Ein talmudischer Lehrer erklärt, wenn man das ganze Schma nicht mit Andacht beten kann, so genüge dies für den ersten Teil, während für den zweiten nur das Aussprechen nötig ist 22. Ein zweites Moment, das zur Veräußerlichung des gesetzlichen Gebets führt, ist der Lohn- und Strafgedanke. Der primitive Eudämonismus, der aus dem Inhalt des Gebets verbannt ist, tritt durch die Motive der Furcht und Hoffnung wieder in das Gebet herein. Der Beter gehorcht nicht einem elementaren inneren Drange, sondern dem äußeren Zwange des Gesetzes; die Furcht vor der Strafe schreckt ihn, die Hoffnung auf Lohn lockt ihn. So wird das gesetzliche und verdienstliche Gebet, das seinem Inhalt nach eine Erhebung der Seele zu Gott und den Gütern des Heils ist, durch das Motivationserlebnis des Beters zu einem Mittel, sich Gottes Gunst zu verdienen oder zu bewahren. Ein solches Beten ist dem Menschen nicht eine befreiende Lust, sondern eine drückende Last, soferne nicht durch die stete Übung das seelische Erleben so sehr mechanisiert ist, daß die Unlustgefühle, die das Pflichtgebet auslöst, nicht mehr auftreten.

Trotz aller Veräußerlichung ist auch das gesetzliche bzw. verdienstliche Beten eine religiöse Größe. Es gibt immer wieder Fromme, die, von einem persönlichen religiösen Drange beseelt, sich in den Sinn der gebotenen Gebetsformel vertiefen, die nicht gedankenlos, sondern betrachtend beten; sie dringen durch die Worte der Formel zum Geist ihrer Schöpfer zurück. So kann auch an den gesetzlichen Gebetsformularen echtes, religiöses Leben sich entzünden, kräftigen und läutern. Aber auch die ohne volles Verständnis rezitierten Gebete entbehren nicht gänzlich des religiösen Charakters. Auch der mechanisch Betende hat, wenn auch nur undeutlich und schattenhaft, das Bewußtsein, daß er es mit etwas Heiligem zu tun hat; die Formel, die er benützt, trägt religiösen Wertcharakter; sie bringt ihn in Beziehung zu Gott; sie begründet und fördert seiner Seele Heil. All diese Gedanken vermischen sich in einem vagen und verschwommenem Andachtserlebnis,

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das aber doch ein echtes religiöses Erlebnis ist. Dieselbe Stimmung ehrfürchtiger Scheu und fester Zuversicht, die den primitiven Menschen beseelt, wenn er geheimnisvolle Zauberworte raunt, durchdringt auch den gesetzeseifrigen Muslim, der seine salât mit peinlicher Genauigkeit verrichtet, oder den thoratreuen Juden, der, die Hand vom Gebetsriemen umwurden, sein Schma rezitiert, oder den reinheitsbeflissenen Mazdayasna, der sein zauberstarkes, teufelvertreibendes Ahuna vairya lispelt, oder den frommen Katholiken, der beim Rosenkranz Perle um Perle durch die Finger gleiten läßt und Ave an Ave reiht. Das,,gedankenlose" Beten, d. h. jenes Beten, das sich nicht auf den Sinn der Gebetsworte konzentriert, ist noch keineswegs ein unfrommes Beten, so lange es noch von wenn auch noch so unbestimmten und dunklen Gefühlen und Stimmungen getragen ist. Auch die kirchliche Theologie unterscheidet beim Gebet mit psychologischer Feinfühligkeit zwischen ,attentio', der Aufmerksamkeitsspannung, und devotio', dem gefühlsmäßigen Andachtserlebnis 23. Nur das jeder emotionellen Unterströmung ermangelnde Gebet ist absolut andachtslos. Freilich ist es immer eine niedere Frömmigkeit, welcher der Gedanken- und Stimmungsgehalt einer Gebets- oder Bekenntnisformel völlig fremd und unverständlich ist, und die so, obgleich nicht stimmungslos, doch stimmungsarm bleibt. Die großen prophetischen Persönlichkeiten, die einen leidenschaftlichen Kampf für das Beten im Geist und in der Wahrheit führen, brandmarken dieses gedankenlose und stimmungsarme Beten als gottlos und sündhaft, während die Mystiker in ihrem feinen psychologischen Verständnis und ihrer Weitherzigkeit auch im verständnislosen Murmeln heiliger Formeln eine rohe und dunkle Ahnung ihres sublimen mystischen Gebetserlebnisses entdecken. Den schärfsten Protest gegen das gesetzliche und verdienstliche Beten erhoben die Reformatoren; die Einzwängung des gottgegebenen Gebetsgeistes in die engen Schranken des gesetzlich Gebotenen und die Verwendung des Gebets im Dienste selbstsüchtiger Werkgerechtigkeit erschien ihnen als schmählicher Mißbrauch, als eine Profanierung des Heiligsten. (S. o. S. 404 ff.) Dieser Protest rückt die Gefahren dieser Form des Gebets ins grellste Licht, wird aber den erziehlichen Werten, die ihr innewohnen, nicht völlig gerecht. Das hehre Ideal des spontanen und freien Betens, wie es im individuellen Gebetsleben sich ausprägt, vermögen nur wenige gottbegnadete Seelen zu erreichen. Die Masse der Durchschnittsfrommen bedarf fester religiöser Formen, an die sie sich in ihrer geistigen Unselbständigkeit klammern kann; sie bedarf des harten Zwanges, der sie aus dem Alltagsleben herausreißt und in eine höhere Welt emportreibt; sie bedarf des Lohn- und Strafmotivs, das sie zur Frömmigkeit und zur sittlichen Pflichterfüllung anspornt. Trotz aller Äußerlichkeit, Gedankenlosigkeit und Selbstsucht ist das gesetzliche und verdienstliche Gebet in den universellen nomistischen Religionen allzeit ein mächtiger Hebel des religiösen Lebens gewesen.

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