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wird das religiöse Band,ex analogia societatis humanae aufgefaßt. Gerade dieses irdisch-soziale Moment verleiht dem naiven Beten seine dramatische Lebendigkeit. Wo, wie bei manchen Mystikern, das religiöse Verhältnis nicht mehr eine Analogie zu den menschlich-sozialen Beziehungen aufweist, geht das Gebet aus einem realen Verkehrsverhältnis in die reine Kontemplation und Anbetung über.

Wie der Anthropomorphismus der Gottesvorstellung nur eine vergröberte Form des Glaubens an Gottes Persönlichkeit ist, so ist auch der Glaube an die reale Einwirkung des Gebets auf Gottes Willen, an das Gewinnen und Umstimmen Gottes, wie er gerade im primitiven und prophetischen Gebet in aller Schärfe hervortritt, nur eine vergröberte Form des unmittelbaren, lebendigen und dramatischen Verkehrs mit Gott. Zum Wesen des Gebets gehört er nicht. Nicht in der Gebetserfüllung, in der Einwirkung des Menschen auf Gott, liegt das Wunder des Gebets, sondern in der geheimnisvollen Berührung, die sich zwischen dem endlichen und unendlichen Geist vollzieht. Eben dadurch, daß das Gebet ein wirklicher Verkehr des Menschen mit Gott ist, ist es keine rein psychologische Größe, sondern eine transzendente, metaphysische Größe, oder, wie Tholuck es ausgedrückt hat,,,keine bloße Kraft auf Erden, sondern eine Kraft, die in den Himmel hineinreicht" 4.,,In der Tiefe unseres Innern findet sich nicht bloß ein Echo von unserer eigenen Stimme, von unserem eigenen Wesen, abprallend von den dunklen Tiefen der Persönlichkeit, sondern eine Wirklichkeit, höher und größer als unsere eigene, die man anbeten, der man sich anvertrauen kann" (Söderblom)4 b.

Das Gebet ist also ein lebendiger Verkehr des Frommen mit dem persönlich gedachten und als gegenwärtig erlebten Gott, ein Verkehr, der die Formen der menschlichen Gesellschaftsbeziehungen widerspiegelt. Dieses Wesen des Gebets ist in den sekundären Gebetstypen nur unvollkommen realisiert. Im rituellen Gebet wie im Kulthymnus, im institutionellen liturgischen Gebet wie im gesetzlichen und verdienstlichen Gebet ist das Erlebnis der göttlichen Präsenz meist nur schwach und schattenhaft vorhanden, das Gebet ist hier ein mehr oder weniger äußerliches Tun, kein innerer Herzensverkehr mit Gott. Aber auch im philosophischen Gebetsideal und in bestimmten Formen des mystischen Gebets ist das Wesen des Gebets nur undeutlich zu erkennen. Um die dem Gebet verwandten religiösen Erlebnisse und Zustände, die in der philosophischen und mystischen Religiosität eine bedeutende Rolle spielen, vom Gebet selbst phänomenologisch abzugrenzen, müssen wir den Begriff der Anbetung und Andacht erläutern. Anbetung und Andacht sind unentbehrliche Momente im religiösen Erleben; beide stehen mit dem Gebet im engsten Zusammenhang, wie schon das Wort ,anbeten' und die geläufige Wortverbindung,andächtiges Gebet' beweisen. Beide sind jedoch viel weitere Begriffe wie der Begriff, Gebet'; beide bezeichnen religiöse Erlebnisse und Zustände, deren Struktur von der des Gebets unverkennbar abweicht; ja sie umfassen in analogem Sinne sogar seelische Zustände und Erlebnisse,

die nicht mehr der religiösen, sondern der,profanen' Sphäre angehören oder auf der Grenzlinie beider Gebiete sich befinden.

Anbetung ist die feierliche Betrachtung der Heiligen als des höchsten Wertes, die völlige Hingabe an ihn, das Aufgehen in ihm. Die Anbetung begegnet uns schon im religiösen Leben des Primitiven. Die Ehrfurcht, welche der naive Mensch einem,heiligen', d. h. mit übernatürlicher, zauberhafter Macht erfüllten Gegenstand in Rede und Geste erweist, ist Anbetung, wenn auch in roher und unvollkommener Form; das heilige Objekt ist ihm ein idealer Wert, und zwar der höchste Wert in dem Augenblicke, in dem er von Schauer und Staunen hingerissen, anbetend vor ihm niedersinkt. In reiner und vollendeter Form treffen wir die Anbetung in dem persönlichen Erleben des Dichters und Mystikers. Die stimmungsgesättigte Kontemplation des summum bonum, wie sie uns auf den Höhepunkten des mystischen Betens begegnet, die enthusiastische Versenkung in die Herrlichkeit der Natur, wie wir sie in der literarischen Hymnenpoesie antiker Völker und in der ästhetischen Mystik moderner Dichter treffen, ist die reine Anbetung, der gegenüber die primitive kultische Anbetung nur eine Vorform darstellt. Das Objekt der Anbetung kann wie das des Gebets ein persönlicher Gott sein der Gott, den der Primitive anbetet, ist ein anthropomorphes Wesen, das summum bonum der personalistischen Gottesmystik trägt die Züge der geistigen Persönlichkeit. Aber der Persönlichkeitscharakter ist dem Gegenstand der Anbetung keineswegs wesentlich. Im primitiven Kultwesen sind es nicht nur anthropomorphe Geistwesen, sondern ebenso leblose Objekte, die als,heiligʻ, d. h. als mana und tabu Anbetung beanspruchen. Auch das Objekt, in das sich das dichterische Gemüt anbetend versenkt, ist nicht persönlich: die lebenspendende Sonne, die gebärende und nährende Mutter Natur, das im Schönen sich offenbarende Alleine und Unendliche. Es ist jedoch ein Überempirisches, Transzendentes, das durch die empirische Naturerscheinung lediglich transparent ist. Wie der Gott, den der Betende anruft, so wird auch das Objekt der Anbetung von dem frommen Gemüt als fühlbar nahe und unmittelbar gegenwärtig erlebt. Wie der Beter zu seinem Gott, so tritt der anbetende Mensch mit dem Gegenstand der Anbetung in die engste Beziehung. Der primitive Mensch berührt ehrfurchtsvoll mit Hand und Mund ein heiliges oder geweihtes Objekt; der schauende und staunende Dichter hebt sich empor zum Unermeßlichen, gibt sich ihm hin, verschmilzt mit ihm zur völligen Einheit. Dieser Höhenflug, diese Hingabe, dieses Einheitsgefühl ist freilich kein dramatischer Verkehr, kein persönlich-sozialer Umgang, wie er im Gebet stattfindet; aber das dem Gebet wesentliche Moment des Verkehrs ist hier wenigstens angedeutet. So lassen sich die drei phänomenologischen Momente des Gebets: die Realität des persönlichen Gottes, seine lebendige Gegenwart und der wechselseitige Verkehr zwischen Gott und Mensch in den drei Momenten der religiösen Anbetung: dem überempirischen Charakter des höchsten Wertes, seiner unmittelbaren Gegenwart und der geheimnisvollen Berührung mit ihm, wiedererkennen.

Neben der religiösen Anbetung steht die,profane'. Wir bezeichnen

im gewöhnlichen Sprachgebrauch mit Anbetung die Ergriffenheit von einem höchsten Wert, die völlige Hinwendung und Hingabe an einen höchsten Wert, gleichgültig, ob dieser Wert ein religiöser (,numinöser') oder profaner, ein natürlicher oder übernatürlicher, ein irdischer oder himmlicher ist. Alles, was der Mensch als höchsten Wert erlebt, was Gegenstand der Liebe ist eine Person, eine Gemeinschaft von Personen, eine abstrakte Idee - kann auch Gegenstand der Anbetung' (im weiteren Sinn des Wortes) werden. Der liebende Jüngling betet seine Geliebte an, der patriotische Bürger sein Vaterland, der sich solidarisch fühlende Arbeiter seine Klasse, der schaffende Künstler seine Muse, der hochsinnige Philosoph die Idee des Wahren und Guten. Bedeutet Liebe den Glauben eines Menschen an seinen höchsten Wert, so ist Anbetung die höchste Steigerung dieses Glaubens, der Gipfelpunkt der Liebe. Der Anbetende beschaut unverwandt sein'ideales Objekt; Staunen und Entzücken, Begeisterung und Sehnsucht erfüllen ihn; alle fremden Gedanken und Wünsche sind entschwunden; er gehört nur dem Einen, verliert sich in ihm, schmilzt in ihm dahin. Anbetung ist die kontemplative Hingabe an einen höchsten Wert.

Die Andacht ist eine notwendige Voraussetzung und Unterlage des Gebets wie der Anbetung. Der Betende, der Zwiesprache hält mit seinem Gott, der Anbetende, der sich in sein höchstes Ideal versenkt, beide sind andächtig, gesammelt, konzentriert. Aber der seelische Zustand der Andacht kann ebensogut jeder Bezogenheit auf Gott oder einen höchsten Wert entraten. Andacht ist zunächst Konzentration des Geistes auf einen Punkt, ein hellwacher Bewußtseinszustand von verengertem Bewußtseinsumfang. Dieselbe Konzentration erlebt aber auch der Mathematiker, der ein geometrisches Problem löst, oder der Techniker, der ein Modell konstruiert. Andacht ist im Unterschied zur bloßen geistigen Konzentration, zur intensiven Aufmerksamkeitsspannung eine feierliche, stille, erhabene, weihevolle Seelenstimmung. Andacht erlebt der Philosoph, wenn ihm das Geheimnis des menschlichen Geistes in seiner Autonomie und Freiheit aufgeht; Andacht erlebt der Gelehrte, wenn er uralte Dokumente enträtselt und längst vergessene Menschen und Völker zum Leben zurückruft; Andacht erlebt der Naturfreund, wenn er vor dem ragenden Hochgebirge steht oder wenn er an einer heimlichen Waldblume sich ergötzt; Andacht erlebt der Künstler, wenn ihm plötzlich eine neue Idee sich aufdrängt; Andacht erlebt der Kunstfreund, wenn er eine Madonna Rafaels bewundert oder den Klängen einer Beethovenschen Symphonie lauscht; Andacht erlebt der sittlich strebende Mensch, wenn er sein Gewissen durchforscht, sich selbst richtet, sich hohe ethische Ziele und Aufgaben stellt; Andacht erlebt der Fromme, wenn er an einer heiligen Kulthandlung teilnimmt oder über ein religiöses Geheimnis sinnt; Andacht erlebt selbst der Unfromme, wenn er das stille Halbdunkel eines majestätischen Domes betritt oder dem festlichen Hochamte in einer katholischen Kirche beiwohnt. Die Andacht kann sich zur völligen Versunkenheit steigern; der Bewußtseinsumfang verengert sich, die Intensität des Erlebens

wächst; die konkreten Wahrnehmungen und Vorstellungen, welche das Andachtserlebnis auslösten, verschwimmen in der tiefen, lustgefärbten Stimmung. Die Zustände der Versunkenheit treten ebenso im religiösen wie im,profanen' Erleben auf. Sie begegnen uns ebenso im mystischen Frömmigkeitsleben wie im wissenschaftlichen Forschen und künstlerischen Schaffen. In der Versunkenheit erlebt der Mystiker die volle Ruhe und Gelassenheit, den heiligen Frieden und Gleichmut - lauter Erlebnisse, die sich von der kontemplativen Anbetung deutlich unterscheiden. Gleichwohl ist in ihnen der Gedanke an ein Letztes und Höchstes, wenn auch nicht mit jener eindringlichen Wucht wie bei der Anbetung, irgendwie lebendig. Selbst in der buddhistischen Versenkung ist die Idee eines Letzten und Höchsten (des Nirvâna) wirksam.

Andacht ist also die stille, feierliche Seelenstimmung, die durch die Betrachtung intellektueller und ethischer, vor allem aber ästhetischer und religiöser (,numinöser') Werte äußerer Gegenstände oder gefühlsbetonter Phantasievorstellungen - erregt wird. erregt wird. Während die Anbetung sich innerlich auf ein ideales Objekt richtet und dieses krampfhaft festhält, bietet die gegenständliche Voraussetzung des Andachtserlebnisses lediglich die Anregung zu demselben; die Andacht selbst hat die Tendenz sich von ihrer objektiven Voraussetzung zu lösen und zur vollen Innenkonzentration und Versunkenheit fortzuschreiten. Die Anbetung trägt objektiven, die Andacht subjektiven Charakter.

Die phänomenologische Untersuchung der Anbetung und Andacht läßt das Wesen des Gebets im schärfsten Lichte hervortreten. Das Gebet ist kein bloßes Erhabenheitsgefühl, keine bloße weihevolle Stimmung, kein bloßes Niedersinken vor einem höchsten Wert; das Gebet ist vielmehr ein wirklicher Umgang des Menschen mit Gott, ein lebendiger Verkehr des endlichen Geistes mit dem unendlichen. Eben deshalb, weil der moderne Mensch keine rechte Vorstellung hat von der Unmittelbarkeit und Innigkeit des Gebetsverhältnisses, in dem der naive Fromme zu Gott steht, verwechselt er beständig die Anbetung und Andacht, diese allgemeineren religiösen Phänomene, die ihre Analogien auch außerhalb der religiösen Erlebnissphäre haben, mit dem echten Gebet. Weil der in den Vorurteilen einer rationalistischen Philosophie befangene neuzeitliche Mensch sich sträubt gegen den urwüchsigen Realismus des naiven Betens, ist er geneigt, in vager Andachtsstimmung und in ästhetischer Kontemplation das Wesen und Ideal alles Betens zu erblicken. Aber einem in die Tiefe dringenden psychologischen Studium enthüllt sich das Wesen des Gebets mit unzweideutiger Klarheit: Beten heißt mit Gottreden und verkehren, wie der Schutzflehende mit dem Richter, wie der Diener mit dem Herrn, wie das Kind mit dem Vater, wie die Braut mit dem Bräutigam. Die harte Irrationalität der Religion offenbart sich nirgends so überwältigend wie im Gebet. Für das moderne von Kopernikus und Kant bestimmte Denken ist das Gebet ebenso ein Stein des Anstoßes wie ehedem für die aufgeklärte griechische Philosophie. Aber

ein Ausgleich, ein Kompromiß zwischen naiver Frömmigkeit und rationaler Weltauffassung läßt die Wesenszüge des Gebets verblassen und die lebendigste Äußerung der Religion zu einer leblosen Abstraktion verkümmern. Es bleibt nur die doppelte Möglichkeit, entweder entschlossen das Gebet,,in seiner ganzen Irrationalität und mit allen ihren Härten" (Ménégoz) 40 zu bejahen oder konsequent auf das echte Gebet zu verzichten und an seine Stelle die gebetähnliche Anbetung und Andacht zu setzen. Jede Vermengung der Begriffe verstößt gegen die psychologische Wahrhaftigkeit.

Religiöse Menschen und Religionsforscher bezeugen übereinstimmend, daß das Gebet der Mittelpunkt der Religion, die Seele aller Frömmigkeit ist (s. o. S. 1 ff.). Den Schlüssel zu diesem Zeugnis gibt die Wesensbestimmung des Gebets: das Gebet ist ein lebendiger Verkehr des Menschen mit Gott. Das Gebet bringt den Menschen in unmittelbare Berührung mit Gott, in ein persönliches Verhältnis zu ihm. Durch das Gebet wird die Religion ein Leben in Gott, eine Gemeinschaft mit dem Ewigen. Ohne das Gebet bleibt der Glaube eine theoretische Überzeugung; ohne das Gebet ist der Kultus nur äußeres Formwerk; ohne das Gebet entbehrt das sittliche Tun der religiösen Tiefe; ohne das Gebet bleibt die Gottesliebe stumm; ohne das Gebet bleibt der Mensch Gott ferne, gähnt ein Abgrund zwischen dem Endlichen und Unendlichen.,,Gott ist im Himmel und du bist auf Erden" (Koh 5,). ,,Wir können nicht zu Gott kommen denn allein durchs Gebet; denn er ist zu hoch droben" (Luther) 5. Im Gebet erhebt sich der Mensch zum Himmel, der Himmel senkt sich auf Erden, der Schleier zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Welt zerreißt, der Mensch tritt vor Gott um mit ihm zu reden über seiner Seele Heil und Seligkeit.,,Das Gebet," sagt eine mittelalterliche Nonne in einem wundervollen Worte, ,,ziehet hernieder den großen Gott in ein klein Herze; es treibet die hungrige Seele hinauf zu dem vollen Gotte" (Mechthild von Magdeburg).,,Im Gebet," sagt ähnlich der größte lutherische Mystiker, ,,kommt zusammen das Höchste und Niedrigste, das demütigste Herz und der größte Gott" (Johann Arndt) 8.

Als die geheimnisvolle Verbindung des Menschen mit dem Ewigen ist das Gebet ein unfaßliches Wunder, das Wunder der Wunder, das sich täglich in der Seele des Frommen vollzieht. In der Erkenntnis dieses Wunders mündet die religionswissenschaftliche Untersuchung des Gebets. Der Religionshistoriker und Religionspsychologe kann nur Zeuge und Dolmetsch jenes tiefen und kraftvollen Lebens sein, das im Gebete sich enthüllt; in sein Geheimnis einzudringen ist dem religiösen Menschen vorbehalten. Aber die wissenschaftliche Forschung steht am Ende unter demselben überwältigenden Eindruck wie die lebendige Frömmigkeit; sie ist genötigt einzustimmen in das Bekenntnis eines der größten Kirchenväter (Chrysostomus): Ovx čotiv ovdèv εv1⁄2ÑS ἔστιν οὐδὲν εὐχῆς δυνατώτερον οὐδὲ ἴσον. Nichts ist gewaltiger als das Gebet und nichts ist ihm zu vergleichen“ ".

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