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Consequenz, dass dieselbe That für die eine Persönlichkeit als sittlich gelten kann, während sie bei einer andern entgegengesetzt benannt werden muss. Die sittlichen Ideale der verschiedenen Völker, welche ihren individuellen Beanlagungen und Fähigkeiten entsprechen, sind so mannigfach, wie die verschiedenen Arten des Baustils, welche die Kunstgeschichte neben und nacheinander aufführt. So wenig es einen Normalstil gegeben hat noch geben kann, so wenig wird sich auch ein System sittlicher Vorschriften erbauen lassen, welches allerseits als verbindlich anerkannt wird. Das Prädikat „sittlich" kann daher nicht auf eine That angewendet werden, weil ihr Inhalt einer bestimmten allgemeinen Norm entspricht, sondern es ist bei Beurteilung der Qualität einer Handlung stets erforderlich, dass die Individualität des Subjekts ins Auge gefasst wird. Nur diejenige That, welche der Eigenart des letzteren entspricht, hat Anspruch darauf, zum Wettbewerb um die Krone der Sittlichkeit zugelassen zu werden. Danach darf überhaupt nicht eine einzelne That, sondern nur der Gesammtzustand dessen, der sie vollbringt, sittlich genannt werden, da bei einzelnen Thaten nie mit Sicherheit nachzuweisen ist, ob sie ein eigentümlicher Ausdruck des Charakters der Persönlichkeit sind, oder ob sie nicht vielleicht einen Abfall desselben von sich selbst, (von seinem bessern Ich), ihren Ursprung verdanken, mögen sie auch den Anschein sittlicher Correktheit darbieten oder gar als Beweise besonderer Vollkommenheit und sittlichen Fortschritts gepriesen werden. Es ist zuweilen die veränderte Stellung einer Person zu einer bestimmten Glaubensanschauung Bekehrung genannt und hoch gepriesen worden, während damit vielmehr das bessere Ich geschädigt, ja der sittliche Nerv des Charakters ertötet ist. Dagegen ist bei Anderen ganz derselbe Schritt in Wahrheit ein Durchbruch zu neuem Leben und der Ausgangspunkt zu einer fruchtbaren Weiterentwickelung geworden.

Die folgenden Ausführungen werden an Klarheit gewinnen, wenn im Auge behalten wird, dass das Prädikat „,sittlich" einer Handlung nicht um ihrer selbst willen, auch nicht wegen des in diesem Einzelfalle vielleicht löblichen Beweggrundes zuerteilt wird, sondern allein deswegen, weil sie sich folgerechterweise aus dem Charakter des Handelnden unter den gegebenen Bedingungen herausgesetzt hat. Die sittliche Persönlichkeit gleicht in der Mitte ihrer Entwicklung einem Bauwerk, welches in einem bestimmten Stil begonnen ist; wie hoch und prächtig es aufgeführt wird, richtet sich nach der Fülle von Hilfsmitteln, in unserm Falle an Gaben und Anregungen, welche dem Willen zu Gebot stehen; auch die Möglichkeit eines fertigen Abschlusses des Gebäudes ist nicht garantiert, da mancher Lebensbau durch früh

zeitigen Tod sistiert wird, ohne unter Dach gebracht zu sein; was aber bei der Ausführung in allen Stadien verlangt werden muss, ist, dass der anfänglich vorgebildete Baustil streng weitergeführt wird, so dass jedes neu eingefügte Stück Material sich seiner Herrschaft fügen muss.

In dieser Bestimmung des Begriffs,,sittlich" werden wir durch die von Wundt (Ethik 21) hervorgehobene Beobachtung bestärkt, dass die ursprüngliche Anwendung der sittlichen Prädikate gut und böse sich nicht auf alle möglichen unter einander vergleichbaren und hinsichtlich einer bestimmten Qualität messbaren Objekte bezogen habe, sondern auf Personen. Wenn auch den sittliche Bezeichnungen enthaltenden Eigenschaftswerten immer eine sinnliche Färbung als die ursprüngliche beigewohnt hat, wie dies in der doppelten Bedeutung von gut (resp. böse) in natürlichem wie im moralischen Sinne erhalten ist, so ist doch bei der Mehrzahl derselben sehr früh die Anwendung der betr. Worte auf die Sfäre des Sittlichen fixiert worden. Als Erkennungszeichen macht Wundt dafür geltend, dass die Wortbezeichnungen für gut im Griechischen, Lateinischen wie im Deutschen keine Steigerungsformen erhalten haben. Sie waren zur Bezeichnung einer besonderen Qualität der Person bestimmt und trugen daher mehr appellativen als prädikativen Charakter.,,In diesem Sinne lässt sich dann allerdings auch von einem absoluten Werte reden, den die Sprache den Benennungen: der Gute, der Böse, der Grosse, der Kleine beilegte. Diese Bezeichnungen haben hier aber nur in ähnlichem Sinne eine absolute Bedeutung, wie etwa der Eigenname. Indem sie gleich dem letzteren und manchmal vielleicht geradezu in Vertretung desselben zur festen Bezeichnung bestimmter Persönlichkeiten dienten, lag einem solchen Gebrauch der Gedanke an eine 'quantitative Vergleichung so ferne, dass in den davon gänzlich verschiedenen Fällen, wo eine derartige Vergleichung in Frage kam, leicht abweichende Wortbildungen entstehen konnten". Jedenfalls weist der Sprachgebrauch darauf hin, dass die sittlichen Prädikate zunächst zur Bezeichnung des bestimmten Verhaltens einer sittlichen Person gebraucht wurden und erst allmälig von diesem ihrem Substrat sich gelöst und einen eigenen qualitativ bestimmten Inhalt empfangen haben. In diesem ursprünglichen Sprachgebrauch liegt eine tiefe Weisheit, welche vielleicht geeignet sein dürfte, aus dem Labyrinth des wechselnden Gebrauchs der Bedeutung sittlicher Begriffe einen Ausweg zu zeigen.

Es ist hiermit über die ethische Qualität einer jeden That noch kein definitives Urteil gefällt, vielmehr ist die Bezeichnung ,,sittlich" bisher in formalem oder medialem Sinne angewendet. Eine That, welche auf Vollkommenheit Anspruch erhebt, muss

sich innerhalb der bisher beschriebenen Sfäre bewegen, aber sie braucht damit, dass sie ein consequentes stilgerechtes Glied an dem Bauwerk der Charakterbildung darstellt, noch nicht in sich selbst positiv gut zu sein, da die Möglichkeit einer consequenten und in ihrer Art stilgerechten bösen Anlage und verderbten Charakterentwickelung nicht ausgeschlossen werden darf. Der entgegengesetzte Gebrauch des Prädikats,,sittlich" in materialem oder positivem Sinne, welcher von einer Handlung besagt, dass sie absolut gut sei, hat in der vorliegenden Untersuchung zunächst keine Stätte. Die positive Qualität des Sittlichen ist die unbekannte Grösse, welche gesucht wird, ja von welcher es nicht von vorn herein feststeht, ob sie überhaupt von irgend einer einzelnen That, oder einem einzigen menschlichen Charakter ausgesagt werden darf, geschweige dass sich bereits zu Anfang eine Formel für sie finden liesse, wodurch sie inhaltlich bestimmt würde.

Beide

Nur zweimal ist von der Philosophie der ernsthafte Versuch gemacht worden, aus formalen Kennzeichen des Sittlichen den Inhalt der sittlichen Forderung selbst positiv zu bestimmen, von Spinoza und Kant, jedoch ohne dass es beidemal zu einem erkenn- und greif-baren sittlichen Gut gekommen ist. Denker gleichen sich darin, dass sie dem praktischen Leben mit seinen mannigfachen Aufgaben fernstehend im reinen Denken den Höhepunkt menschlicher Empfindung und mithin das Göttliche zu besitzen glaubten. Spinozas an der Mathematik geschulter Geist kannte keine andern Realitäten als die zum Bestehen der mathematischen Wissenschaft unerlässlichen: Denken und Ausdehnung. Sie sind ihm die einzigen Attribute der Substanz. In dem Denken der Welt nach mathematischen Principien wird die absolute Notwendigkeit des Wirklichen erkannt, welches damit in seiner Vollkommenheit und Güte begriffen wird. Weil der Weg des Denkens der einzige ist, welcher zur Erkenntnis der unbedingten, gesetzmässigen Notwendigkeit aller Dinge und damit zur innern Seelenruhe, zum höchsten Gut des amor intellectualis Dei führt, darum ist das Denken als Fähigkeit des menschlichen Geistes eo ipso von positiv sittlicher Qualität.

Ebenso verhält es sich mit den Erkennungszeichen des ethisch Guten bei Kant: Gut ist allein der menschliche Wille, aber nicht in seiner natürlichen, sinnlich bedingten Gestalt, sondern soweit er von dem Sittengesetz bestimmt wird, und dieses ist wieder diejenige Geisteskraft, welche von allen sinnlichen Einzelerscheinungen absehen und von allen sinnlich bedingten. Motiven freibleiben kann. Da die sinnliche Welt uns in den Anschauungsformen der Zeit und des Raumes gegeben ist, und ihre Eindrücke auf den Willen die selbstsüchtige Begierde und

sinnliche Lust, welche für Kant die Kennzeichen des Unsittlichen bilden, zum Leben wecken, so muss die sittliche Bethätigung des Willens unbeeinflusst bleiben von allen Motiven, welche aus der Welt der Erscheinungen auf ihn einstürmen. Er darf sein Gesetz nur aus der Form seines vernünftigen Handelns entnehmen. Besteht dieses in dem Zusammenfassen der Sinneserfahrungen unter allgemeine Gesetze, während jede einzelne Erscheinung der Welt des Scheins angehört, so darf auch die Vernunft nur solchen Maximen des Willens Folge geben, welche ohne inneren Widerspruch allgemein von jedermann angewendet werden können: Sittlich ist nur diejenige Aeusserung des Willens, welche zugleich als Maxime einer allgemeinen Gesetzgebung gelten kann; unsittlich ist jedes Motiv, welches durch den Eindruck einer Anschauung, die immer mit sinnlicher Lust oder Unlust verbunden ist, im Menschengeist gewirkt wird.

Es ist nicht zu verkennen, dass Spinoza und Kant auf demselben Wege, dem der sittlichen Verneinung und Entwertung der empirischen Welt und der dem Menschen zur Auffassung derselben verliehenen Vermögen, dazu gelangen, inhaltliche Bestimmungen über die Qualität des Sittlichen zu treffen. Nur dasjenige Vermögen, welches befähigt ist, sich durch allgemeine Gesetze bestimmen zu lassen, sei es in Anwendung derselben auf die Erkenntnis der Welt oder auf das eigene Handeln, ist das Organ des Sittlichen, während die Attribute resp. der Inhalt desselben aus den Anlagen geschöpft werden, welche dem so definierten Organ eignen. Das höchste Gut ist bei Spinoza Gott oder die Natur, welche ewig nach Gesetzen des logischen Denkens sich bewegt und in mathematischen, regelmässigen Formen sich entfaltet; Kant definiert es als „die Existenz vernünftiger Wesen unter moralischen Gesetzen" und setzt es damit dem allein denkbaren, vernünftigen Princip der Welt gleich, welches von ihm seine Formulierung in dem Satz erhalten hat: ,,Die vernünftige Natur existiert als Zweck an sich selbst" *).

*) Diese Interpretation des Kant'schen Systems hat nach Cohen: ,,Kants Begründung der Ethik" stattgefunden (cf. p. 311 u. 195). Es scheint mir in der Consequenz der Grundgedanken der Kant'schen Erkenntnistheorie zu liegen, wenn seine Lehre vom höchsten Gut, welche eine analytische Verbindung von Tugend und Glückseligkeit nicht anerkennt und deshalb für die Tugend in der übersinnlichen Welt noch eine extra Belohnung fordert, als ein fremdartiger Zusatz abgewiesen wird. Kant gewinnt die Erkennungszeichen des Sittlichen nur aus der Negation der empirischen Welt, ihrer räumlich-zeitlichen Anschauungsformen wie der durch dieselben erregten sinnlichen Empfindung. Wäre von ihm nicht die phänomenale Seite der Welt voll

Die ethischen Systeme des Spinoza und Kant sind um ihres hervorragend sittlichen Charakters, der Umwandelbarkeit ihrer Principien und der Unbedingtheit ihrer Forderungen gepriesen worden, und sie verdienen ein uneingeschränktes Lob wegen der Energie, mit welcher die ethische Idee von ihnen erfasst und an die Spitze der philosophischen Untersuchung gestellt ist, sowie wegen der idealen Begeisterung, welche sie für die Ziele ihres Forschens zu erwecken vermocht haben, aber eben diese gerühmten Vorzüge machen dieselben unfähig, das ganze sittliche Leben zu umspannen und ihm concrete Ziele und Aufgaben und Normen zu stellen. Wird nur das reine Denken, Anschauen und Wollen im Gegensatz zur sinnlichen Wahrnehmung und Motivierung zum Organ des Sittlichen erhoben, so wird die auf dieser Grundlage erbaute Ethik unfähig, in die verworrenen Aufgaben des praktischen Lebens Licht und Leitung zu bringen; die Wissenschaft der Ethik entfremdet sich dem Interesse und Bedürfnis der in lebendiger Wechselwirkung mit der wirklichen Welt stehenden Menschen, und die Beschäftigung mit ihr wird das Privilegium einiger Weniger, welche durch die Schranken ihres Studierzimmers von der natürlichen Welt getrennt die Empfänglichkeit und das Verständnis für das täglich neue und frische wertvolle Leben der Wirklichkeit verloren haben.

Ein System der Ethik unter Voraussetzung der SpinozaKant'schen Negation des empirischen Einzelgeschehens vermag nicht die Fülle der ethischen Einzelgüter und individuellen Berufsaufgaben aus sich zu entwickeln. Es kann principiell nur eine einzige Forderung aufstellen: Sich von der Welt des Scheins zurückzuziehen und mit den Gedanken sich in die Anschauung

ständig entwertet worden, so würde er nicht imstande gewesen sein, das vernünftige Denken der Welt in der Form der durchgehenden Gesetzmässigkeit als die einzige sittliche Vernunftthätigkeit und damit als einzige Realität zu behaupten. Damit ist er aber auch gezwungen, sich mit dieser Vernunftfunktion als höchstem Gut zu begnügen. Es ist ein Widerspruch, wenn das vernünftige Denken sich in sich selbst nicht befriedigt fühlen wollte, sondern nach einem durch die sinnliche Anschauung und Lust bedingten höhern Glück verlangte. Es wäre dann zugestanden, dass die empirische Seite der Welt ebenfalls unvergängliche Bedeutung hat; auch die menschliche Sinnlichkeit muss dann principiell zu ethischer Bethätigung qualificiert sein. Wird dies aber zugegeben, so ist es nicht mehr möglich, das Gebot des kategorischen Imperativs unbedingt geltend zu machen, denn dasselbe empfängt seine allbeherrschende Macht allein von der Voraussetzung, dass die sinnliche Seite der Welt ohne jede sittliche Qualität sei, dass sie das wertlose, wenn auch vielleicht unvermeidliche Substrat sei für das Dasein der vernünftigen Natur, sich der letztern jedoch unbedingt unterzuordnen habe.

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