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rung davon absehen zu müssen, sie aus Gütern abzuleiten, und damit den Gegensatz von Gesetz und Güterethik in sein System einführt. Es wirkt auf den Leser befremdend, wenn er durch die verschiedenen Gegensätze von weltlichen und überweltlichen Gütern, von Verlangen nach Leben und nach vollkommenem Leben, von culturellen und sittlichen Bestrebungen, von religiösem und sittlichem Handeln, von Wissen und höchstem Wissen hindurchgeführt wird, um sich so der Idee des höchsten Gutes zu nähern. Es erweckt den Anschein, als ob durch diese formalen begrifflichen Unterscheidungen der Bestand des höchsten Gutes und die Geltung der sittlichen Idee selbst gesichert werden sollten, während doch aus dem Ganzen, zumal aus dem letzten abschliessenden Capitel des Werks (der Beweis des Christentums) klar hervorgeht, dass die christliche Sittlichkeit ihren Halt und ihre überzeugende Kraft allein von der in Jesus Christus erschienenen höchsten persönlichen Sittlichkeit nimmt. Alle jene formalen Unterscheidungen sind nur das Rüstzeug, mit dessen Hilfe es Kaftan gelungen ist, den Turm seines Systems in seinem Geist aufzubauen. Nachdem derselbe seine Vollendung erreicht hat, müsste das ihn umgebende Gerüst abgebrochen werden, damit es das Bauwerk nicht länger entstellt und seinen reinen Stil dem Auge verdeckt. Wenn es bleibt, so wird der Anschein erweckt, als ob es dem Turm seinen Halt gewähre, während doch umgekehrt dieser selbst es ist, welcher das Gerüst trägt. Das Reich Gottes, wie es zunächst in Jesus Christus als Persönlichkeitsideal erschienen ist, ist um seiner eigenen sittlichen Hoheit willen das höchste Gut und letzte Ziel für jede Persönlichkeit. Die Wege dorthin sind die sittlichen Gesetze, welche sich für einen jeden unbeschadet der gemeinsamen Grundzüge, welche darüber nachträglich aufgestellt werden können, individuell gestalten. Eine Entgegensetzung von Güter und Gesetzesethik ist bei der darstellenden Entwickelung der höchsten sittlichen Aufgabe nicht am Platze.

Natürlich und Sittlich.

Die geläufige Unterscheidung der Begriffe ,,natürlich" und ,,sittlich" lautet: Das natürliche Handeln lässt sich durch den Gedanken an die Lust bestimmen, welche von dem Thun erhofft wird; dagegen ist sittliches Handeln ein solches, zu welchem Lust als Motiv nicht mitwirkt, ja welches auch bei entgegen

wirkender Unlust vollzogen wird. Diese Unterscheidung stammt aus der Kant'schen Philosophie und steht und fällt mit den Voraussetzungen derselben.

Kant verstand unter Lust jeden Eindruck, welchen die wechselvolle empirische Welt auf uns ausübt, und wodurch Empfindungen, Antriebe, Stimmungen, Anschauungen in uns gewirkt werden. Diese Eindrücke sind sittlich unrein, das durch sie bestimmte Thun ist ein natürliches oder unsittliches; nur die reinen Geistesfunktionen, das reine Denken und reine Wollen verdienen das Prädikat des Sittlichen, da sie von der empirischen Welt absehen und auf das reine Sein der Dinge gerichtet sind.

Diese ideale Construktion zeigt ihre Schwäche, sobald der Versuch gemacht wird, sie im praktischen Leben zu erproben. Auf concrete Verhältnisse lässt sie sich nicht anwenden. Was Kant mit dem Worte,,Lust" sittlich verdächtigt, ist der Inbegriff der Elemente, aus denen sich unser gesammtes vernünftiges Thun zusammensetzt. Es sind die aus der empirischen Welt stammenden Eindrücke, aus denen sich die menschlichen Geistesfunktionen erbauen. Und zwar empfangen diese nicht nur ihren Inhalt von daher, während die Form als apriorischer Faktor aus einer rein geistigen Welt stammt, vielmehr bildet sich die geistige Thätigkeit, was Inhalt als Form anbetrifft, nach der gegebenen Welt. Die von Kant vollzogene Scheidung zwischen Inhalt und Form eines Vorstellungsaktes oder einer Willensregung ist eine abstrakte Theorie, welcher in der Wirklichkeit jede Begründung fehlt. Ja es braucht nur der Versuch gemacht zu werden, bei einem bestimmten Akt des Empfindens, Denkens oder Wollens die Scheidung zu vollziehen zwischen dem, was der reinen Form der geistigen Thätigkeit angehört, und dem, was als sinnlich bedingte Einwirkung anzusehen ist, um die Unmöglichkeit der Theorie und damit ihre Unwahrheit zu durchschauen.

Die Voraussetzungen des Kant'schen Denkens haben in der theologischen Ethik der Gegenwart keine Geltung, gleichwohl hat sich die Terminologie des Kant'schen Systems noch vielfach erhalten, nur dass ein anderer Sinn damit verbunden wird. Das Sittengesetz, von welchem die systematische Theologie redet, hat andern Ursprung und Inhalt, als Kant es gewollt hat. Er würde energisch Einspruch erheben, auf diejenigen sittlichen Grundsätze, deren historisches Entstehen, oder deren Offenbarung hervorgekehrt wird, und welche der Erzeugung natürlich-geistiger Güter dienen sollen, den Begriff „Sittengesetz" anzuwenden. Diese Umdeutung der Begriffe erschwert die Möglichkeit der Verständigung und die Selbstständigkeit des eigenen Denkens gleichermassen.

Der die gegenwärtige theologische Ethik beherrschende Gegensatz von Lust und Unlust, welcher seit Kant sich einge

bürgert hat, hat eine völlige Verschiebung seines Inhalts erfahren. Kant fasst alle sinnlichen Empfindungen (freudige und schmerzliche) unter den Begriff Lust zusammen; gegenwärtig sind es die angenehmen Eindrücke des sinnlichen Wohlbehagens, welche als Lust den Schmerzempfindungen als der Unlust entgegengestellt werden. Dabei wird nun dem natürlichen Menschen nachgesagt, dass sein Sinnen und Trachten auf Lust gerichtet sei. Eine „natürliche" Sittenlehre werde daher darin bestehen, ihn anzuweisen, sich ein möglichst grosses Quantum von Lustempfindungen zu verschaffen und die Gelegenheit Unlust zu empfinden nach Möglichkeit zu vermeiden.

Diese Aussagen sind aber offenbar falsch: Die natürliche Anlage treibt den Einen vielleicht zur Bequemlichkeit und zum Wohlleben, so dass es von ihm heissen kann, er jage der Lust nach; der Andere aber fühlt sich getrieben, Abenteuer und Gefahren aufzusuchen, er arbeitet unermüdlich und scheut sich vor keiner Anstrengung. Wird er auch durch den Gedanken an Lusterwerb bestimmt? Man könnte sagen: Er muss doch Befriedigung und Freude bei seinem Thun finden, sonst würde er nicht dabei aushalten. Aber diese Freude hat nichts mit Lust in obigem Sinne gemein. Er plagt sich nicht, um nachher eine von der Anstrengung verschiedene, in gewöhnlichem Wohlleben bestehende Lust zu geniessen, sondern die Arbeit und die Gefahr sind ihm Selbstzweck. Obwohl er die Anstrengung der Arbeit und die aufreibende Spannung eines bewegten Lebens schmerzlich empfindet, ohne dass die Summe dieser Unlust durch einen entsprechenden oder grösseren Betrag gleichartiger Lust aufgehoben wird, beharrt er doch bei der eingeschlagenen Richtung seines Verhaltens, weil er in der Treue gegen das in ihm kräftige Ideal ein höheres Gut findet. Es ist das Verlangen, die Continuität seiner Persönlichkeit zu bewahren, sich selbst treu zu bleiben, welche den Trieb nach sinnlichem Wohlbefinden nicht zur Herrschaft gelangen lässt. Dabei ist aber jenes Streben nach einem höheren Leben keineswegs als ein rein geistiges dem natürlichen Trieb nach Wohlbefinden qualitativ entgegenzusetzen. Da es in unmittelbarer Wert- oder Lustempfindung sich äussert, so ist es ebensogut ein sinnlich bedingtes, wie dieser letztere. Beide sind ihrer Art nach geist-leiblich oder sittlich-natürlich. Ein rein sinnlich natürlicher Trieb, wie wir ihn etwa dem Tier zuschreiben, lässt sich bei dem Menschen in keinem Falle nachweisen. Sein Wesen ist ein sinnlich-geistiges, und darum tragen auch alle seine Wesensäusserungen diesen selben Charakter. Ein Vergleich zwischen 2 verschiedenen Richtungen seines Handelns wird immer nur eine quantitative Verschiedenheit in sittlicher Hinsicht ergeben; wenn wir die eine für höher und wert

voller erklären, als die andere, so kann als Grund dafür jetzt nur im Allgemeinen angeführt werden, dass sie dem eigenthümlichen Wesen dieses Menschen besser entspricht, wofür sich auch sagen lässt, dass sie ihm die natürliche ist.

Noch deutlicher wird es auf einem anderen Gebiet des menschlichen Lebens offenbar, dass sein natürlicher Trieb nicht auf Lusterwerb gerichtet ist, falls man darunter sinnliches Wohlbehagen versteht: bei dem Verhalten, welches aus Liebe zu einer andern Person hervorgeht. Ist es Erwartung einer bestimmten Lust, welche den Liebhaber antreibt, den Gegenstand seiner Liebe in sein Herz zu schliessen? Schwerlich! Er liebt, weil die Neigung in sein Herz eingezogen ist. Er hält, wenn die Liebe echt ist, auch dann an ihr fest, wenn sie hoffnungslos scheint und ihm nur Gram und Kummer einbringt. Er fühlt, dass diese Liebe sein Wesen bereichert und ergänzt, dass er beim Verlust derselben sich selbst verlieren würde, und darum erkennt er es unter Umständen als Pflicht, an dieser Liebe zu Grunde zu gehen, d. h. alle anderen Lebenskräfte in ihrem Dienst aufzehren zu lassen. Man werfe nicht ein: Liebe ist ein auf natürlicher Anlage beruhender, sinnlicher Trieb und hat daher mit sittlichem Handeln nichts zu thun. Jede sittliche That wächst gleicherweise aus einer natürlichen Anlage hervor und verrät ihren sinnlichen Ursprung durch die Lust und Liebe, welche die Ausführung begleiten. Wo in der Menschennatur eine hervorragende sittliche Anlage schlummert, macht sich dieselbe durch den Eifer und die Freudigkeit bemerklich, mit welchen die Bildung und Bethätigung derselben in Angriff genommen werden. Die Liebe zur Sache lässt die Mühseligkeit der Arbeit vergessen. Wird das natürliche Handeln definiert als ein Streben nach Gütern, durch welche Steigerung der subjektiven Lust erhofft wird, so muss das sittliche Handeln nun auch im Gegensatz hierzu beschrieben werden. Es tritt dann aber eine Verlegenheit ein, wie der Inhalt des Sittlichen zu bestimmen ist. So urteilt .Kaftan: (Das Wesen der christl. Religion): „Die natürliche Wertbeurteilung, welche unser allgemeines Erbteil ist, strebt nach Leben und Lebensgenuss, sie erstreckt sich auf alle Dinge, die in der Welt gegeben sind, weil sie alle unter Umständen für unser Leben wertvoll und erstrebenswert sein können. Dagegen hat die moralische Wertschätzung das Ideal eines vollkommenen Lebens vor Augen; sie fragt nicht nach dem, was gefällt, sondern was sein soll" p. 45. Es liegt den moralischen Werturteilen eine Norm zu Grunde, und diese „können wir uns nur mittelst des Intellekts, der Vorstellung angeeignet haben" p. 51. Das nötigt zu der Behauptung, dass dem Menschen von Haus aus eine sittliche Anlage eignet."

Was aber den Inhalt der angeborenen Idee der Vollkommenheit ausmacht, darüber weiss Kaftan nichts zu sagen. Er sieht sich zu der Scheidung von natürlichem und sittlichem Werturteil genötigt durch die Besorgnis, dass ohne dies Postulat das sittliche Leben nur als ein zufälliges Produkt der Erziehung und geschichtlichen Entwickelung anzusehen sei, und dass dadurch der Unterschied zwischen natürlich und sittlich ganz zu schwinden drohe. Wird mit der von Kaftan als Bedingung der Sittlichkeit geforderten ,,sittlichen Anlage" Ernst gemacht, so kann das im Gegensatz zu allen natürlichen Regungen des Lebens nur in der von Kant befolgten Methode geschehen. Dem widerstreitet aber das Kaftan'sche Werk, da nach demselben nicht der Inhalt des Sittlichen, sondern nur die Möglichkeit dazu in der Anlage gegeben ist. Den Inhalt empfängt das Soll in jedem Falle aus der geschichtlichen Situation, in welche der Einzelne hineingesetzt ist, nämlich durch Erziehung und wechselseitige Anregung. Natürliche Güter würden dann solche sein, bei deren Erzeugung die sittliche Anlage nicht thätig gewesen ist, während sie irgendwie in Funktion getreten sein muss, wenn sittliche Güter vom Bewusstsein ergriffen sind. Worin aber die besondere sittliche Anlage besteht, die nur bei der Bildung sittlicher Güter zur Erscheinung kommt, bei natürlichen Gütern aber ruht, lässt sich psychologisch nicht ermitteln. Somit reduciert sich die Kaftan'sche Ausführung auf den Satz: Es muss ein principieller Unterschied zwischen sittlichen und natürlichen Werturteilen bestehen, weil wir eben sittliches und natürliches Handeln einander gegenüberstellen. Dieser Satz ist aber so allgemein, dass er in keiner Weise eine sachliche Erkenntnis bringt. Es bleibt die Frage bestehen: Welches sind die Merkmale, nach denen wir Gutes und Böses, sittliches und natürliches Handeln unterscheiden ?

Eines Kindes Verhalten nennen wir im gewöhnlichen Sprachgebrauch natürlich. Wir sehen nicht eine besondere That sittlicher Freiheit darin, dass es lernt, sich der Sprache zu bedienen, und sich an Wohlanständigkeit und Regelmässigkeit zu gewöhnen. Dabei ist aber dieses sein Thun eben solche Bethätigung seiner sittlichen Anlage, als wenn der gereifte Mann seinen Willen den Geboten Christi unterwirft und durch ihn sich das verborgene Walten Gottes deuten lässt. Es kann im Verlauf eines Menschenlebens nicht ein Abschnitt aufgewiesen werden, bis zu welchem die natürliche Entwickelung dauere, und von dem an die sittliche beginne. Die Bedingung des sittlichen Verhaltens und Handelns ist von Anfang an mit der Fähigkeit gegeben, die Aussenwelt in Erkenntnisse, welche zugleich Urteile enthalten, zusammenzufassen; oder kurz gesagt: die sittliche Anlage besteht Gallwitz, Ethik.

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