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werde. Doch besteht hier keineswegs bei Berücksichtigung des Modernen die Gefahr, die auf dem Boden der Philosophie vorliegt, wo jeder Kopf ganz von einsetzen möchte. Wenn aus diesem Grunde in der Philosophie gerade heute im Gegensatz zum Vordringen individueller Strebungen die Forderung einer philosophia perennis erhoben wird, so hat sie eben dort weit mehr Berechtigung als in der Theologie. Denn die Besorgnis, daß in der letztgenannten Wissenschaft ganz neu mit individueller Spekulation zu Werke gegangen werde, kann eigentlich nicht gegenständlich werden. In der Gegenwart zumal, wo die Spekulation so gänzlich aus der Theologie gebannt wird, daß sie nur nebenbei sehr kümmerlich mittun kann, ist daran gar nicht zu denken. Und auch wenn dem spekulativen Denken wiederum eine wichtige Rolle sollte zuerkannt werden, so bleibt doch immerhin die Theologie als die Wissenschaft von der christlichen Religion, d. i. die Theologie als positive Wissenschaft, in dem Maße durch und an ihr Objekt gebunden, daß nicht jeglicher Willkür die Tür offen steht und die Kontinuität von neuer und alter Theologie dadurch nicht in wirkliche Gefahr kommt. Nur ein Fall scheint für jetzt denkbar, wo diese Gefahr einmal eintreten möchte, wenn nämlich die allgemeine religionshistorische Forschung und die alsdann notgedrungen daran sich anschließende religionsphilosophische Spekulation als die Hauptaufgabe der Theologie erkannt werden sollte. Unabsehbar ist das Eintreten dieser Wandlung nicht, da sie in der holländischen Methode schon vollzogen ist. In diesem Falle des Vordringens der holländischen Religionsbetrachtung würde allerdings auch in der Theologie die Parole der theologia perennis vielleicht von Segen werden können.

Allein diese Gefahr ist für uns Heutige nicht da. In Deutschland vor allem und nicht zum mindesten

in unserer Theologie treffen wir auf zu viel gesundes historisches Bewußtsein, als daß man die Forderung der Kontinuität in der Wissenschaft leichthin preisgeben würde. Vielmehr haben immer weitere Kreise eingesehen, daß in den Zeiten, da die Kontinuität nicht hinreichend gewahrt wurde, wie z. B. in der Zeit des Rationalismus, das Glaubensleben einen beträchtlichen Rückgang und eine Verarmung erfahren mußte, ungeachtet aller bedeutsamen anderweitigen Vorteile, die solche Zeiten und vor allem die des Rationalismus für die Theologie mit sich führten und erarbeiteten. Es ist also an dieser Stelle nur ein flüchtiger Hinweis darauf nötig, daß die Forderung der Modernität nicht zum Aufgeben der Forderung der Kontinuität führen darf, sondern daß es zu den Problemen der neuen theologischen Forderung gehört, diese beiden im Fortschritt menschlichen Geisteslebens miteinander stets rivalisierenden Grundzüge miteinander zu behaupten. Ein volles Verständnis dessen, was wir als die Moderne bezeichnen, wird uns auf eben diese Doppelaufgabe hinweisen.

II.

Das Wesen der Moderne.

1. Die Grundtriebe und Einzelzüge des modernen Geisteslebens.

Die Forderung einer modernen Theologie und die Arbeit an einer solchen Theologie, die in irgend welchem, später näher zu bestimmenden Gegensatz zur vorangegangenen steht, setzt voraus, daß es eine gegen die frühere in scharfen Umrissen abgehobene moderne Geisteskultur gibt, von deren Seite her besondere Anforderungen an die Theologie gestellt werden. Wollen wir uns über diese Anforderungen Klarheit verschaffen, die ja sowohl aus den charakteristischen Bedürfnissen und Tendenzen des modernen Geistes direkt als auch aus der Notwendigkeit einer Abwehr derselben indirekt entspringen können, so ist unerläßlich, in das Wesen der modernen Geisteskultur einen sicheren Einblick zu erwerben.

Seebergs ganzes Buch über die Kirche Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert ist dem Aufzeigen derjenigen Strömungen gewidmet, die in der neuesten Zeit zu besonderer Entfaltung gelangt sind und Berücksichtigung seitens der Theologie gefordert und erlangt haben oder, sei es berechtigter oder unberechtigter Weise, noch fordern. In anderer Art und abge

sehen von der speziellen Rücksichtnahme auf die Theologie hat Rudolf Eucken in seinen ,,Geistigen Strömungen der Gegenwart (der Grundbegriffe der Gegenwart 3. umgearbeitete Auflage, 1904)" die geistigen Höhepunkte und Notstände herausgearbeitet, durch welche die Gegenwart charakterisiert ist. Der eine behandelt in großen geschichtlichen Zügen und Bildern, der andere in gedanklicher Fixierung der Probleme das moderne Geistesleben, insofern es an den Weltanschauungsfragen teilnimmt. Für uns soll es sich jetzt darum handeln, die mancherlei Züge modernen Geisteslebens, so weit tunlich, zu einem Gesamtbilde zu vereinigen, in dem die einzelnen Züge deutlich erkennbar bleiben. Wir wollen nach Grundzügen suchen, um das Bild womöglich zu vereinfachen und einer leichten Übersicht zugänglich zu machen.

Aber es gilt auch eine andere Aufgabe zu lösen. Nämlich wenn das Bild der Moderne vollständig und deutlich sein soll, so muß nicht bloß das Porträt selbst wohl gelungen, sondern auch der Hintergrund richtig gezeichnet sein. Das will sagen, die Erscheinungen, die wir unter der Moderne zu verstehen haben, müssen nach rückwärts zeitlich abgegrenzt sein, wenn und soweit das überhaupt durchführbar ist. Erst diese Arbeit wird uns zur letzten gültigen Richtigstellung des Bildes selbst verhelfen, da die Geschichte oft eine unerwartete Wiederkehr derselben Einzelzüge zeigt, somit durch solche Beobachtungen die gegenwärtigen Interessen und Tendenzen von früheren ähnlichen aus eine angemessene Deutung oder Veranschaulichung erfahren und auch die Wurzeln moderner Strebungen und damit ihr Werden. und die Eigenart ihres Grundtriebes zuweilen verständlicher werden als bei der bloßen Betrachtung der letztvergangenen Tage. Der durch die Überfülle der sich

kreuzenden Erscheinungen getrübte Blick dessen, der mitten in diesem Gewirr steht, kann vielleicht durch Beobachtung ähnlicher Züge in einer historisch abgeschlossenen Zeit erhellt werden und zugleich diejenigen Richtungslinien sehen, die in einigen Fällen von früheren Geistesströmungen auf mancherlei verschlungenen Wegen zu unserer Moderne geführt haben. Es könnte ja auch sein, daß einige von den Zügen, die sich in unserer Zeit ganz besonders deutlich und allgemein zeigen, stets oder doch sehr häufig, nur mit geringem Unterschied in ihrer Ausprägung und allgemeinen Schätzung, vorhanden waren und daß sie aus diesem Grunde gar nicht so sehr als Charakteristika der Moderne angesprochen werden dürfen, wie es bei alleiniger Untersuchung der Neuzeit scheint. Und ferner, erst wenn sich die Zeitgrenze aufzeigen läßt, vor welcher das nicht so war, wird man sagen können, ob ein einzelner Zug spezifisch modern ist.

Vorerst jedoch kommt es darauf an, den Allgemeinbegriff der Moderne dadurch vor Fälschungen zu sichern, daß eine Grenze zwischen der Mode und der Moderne gezogen wird. Nicht alles was an geistigen Regungen in die Mode kommt, gehört zur Moderne. Die Moderne ist ein weltgeschichtlicher Faktor, und ihre Bestandteile sind treibende Kräfte von geistigem Inhalt, der auch dann historisch wertvoll ist, wenn die Tendenz destruktiv ist. Sie entstehen durch eine Richtung des Geistes auf Begreifen von Welt und Leben, und sie entspringen nicht aus Launen oder Liebhaberei. Sie haben ein festes und hohes Ziel im Auge, dem sie sich unterordnen auch wenn das nicht zum Bewußtsein kommt. Weltbildungsfaktoren setzen die Moderne zusammen. Dadurch ist sie weit entfernt von allem oberflächlichen Haschen und Naschen. Die Sucht nach Neuerung und Veränderung hat in ihr

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