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keinen Platz, geschweige eine Macht. Was zur bloßen Stimmung gehört, und sei es noch so schöngeistig angehaucht, das verabschiedet die wirkliche Moderne von ihrer Schwelle, um es der Mode zu überlassen. Jeder Effektkitzel bleibt ihr fern, aber an Defekte macht sie sich heran, sie zu beseitigen. Sie kommt daher mit ihren Tendenzen nicht von ungefähr, und dem Zufall vertraut sie sich nicht an. Geisteskräfte läßt sie mit Notwendigkeit hervorbrechen, religiöse, sittliche, wissenschaftliche Strebungen, die sich durch kein Zureden einengen lassen. Sie ist eine Gewalt von großer Unwiderstehlichkeit, und die schädlichen Elemente in ihr, die eben so klar als Bildungsfaktoren von ihren Wortführern gemeint sind wie die förderlichen Elemente von anderen, lassen sich deshalb nur mit größter Anstrengung bekämpfen -denn die Moderne ist zäh. Sie ist der Kampf gegen wirkliche oder vermeintliche Idole, der mit höchstem Interesse und mit Einsetzung der Persönlichkeit geführt wird. Sie ist eine Macht, der es wirklich um eine Sache zu tun ist und zu der sich deshalb alle vom Ernst des Daseins durchglühte Individuen scharen, ihren Heerbann zu verstärken.

Dieser Strom der Moderne nun führt in seinen Wassern, wie angedeutet, nicht nur förderliche Bestandteile, doch darf man im allgemeinen sagen, daß irgend etwas Förderliches in jeder ihrer Strebungen enthalten sein mag. Die einzelnen Wogen sind in der Regel nicht aus ganz klarem Wasser gebildet. Aber so schwierig es ist, aus der mit verschiedenen Lösungen gefüllten Flüssigkeit die einzelnen Stoffe in für die Analyse brauchbarem Zustande auszuscheiden, so schwierig ist die Untersuchung der einzelnen Faktoren der Moderne. Welch ein Gut sind die sozialen Bestrebungen, und welches Unheil sind sie heraufzubeschwören im

stande! Das Chaos moderner Tendenzen zu entwirren, das heischt ein emsiges Studium für sich.

Um so schwieriger wird die Schilderung der Moderne dadurch, daß sie zeitlich kaum begrenzt werden kann. Versucht werden muß diese Begrenzung dennoch. Für sie ist die Erkenntnis bedeutsam, daß keineswegs durchweg das uns zeitlich Nächstliegende auch das Moderne ist. So zehrt die Moderne vom Rationalismus nicht mehr; der Intellektualismus sinkt zurück; der Neurationalismus wagt sich unter den Momenten der Moderne kaum hervor. Hingegen liegt uns das Zeitalter der Renaissance mit seiner Auswertung des Hellenismus innerlich verhältnismäßig nahe, und der Kontakt mit ihm ist ziemlich eng. Eben, das Wesen der Moderne steckt nicht wie die Mode gern in alltäglichen Dingen. Das Kleine, das am Einzelnen klebende, das Bloß-Subjektive wird schnell alt und huscht an der echten Moderne vorüber, selbst wenn es uns,,beim Kragen hätte". Nur das empfinden wir als Moment der Moderne, das einen übergeordneten Standpunkt zum wechselvollen Sein des Tages und des Subjekts einnimmt.

Die Aufgabe, das Wesen der Moderne zu bestimmen, ist eine nicht rein empirische und geschichtliche, wie ja auch betreffs der Wesensbestimmung des Christentums als zugestanden gelten darf, daß sie keine rein. historische Arbeit ist, sondern ihren eigentlichen Abschluß durch systematisches Denken findet. Des Geistes der Moderne bemächtigt man sich nicht durch bloßes Ablesen aus den Rollen der Geschichte. Selbst die rein historische Seite dieser Arbeit erfordert mehr als die Fähigkeit, Geschichte zu lesen. Den Geist der Moderne zu bestimmen, das heißt einmal für die Gegenwart eine feste Grenze nach rückwärts bestimmen.

Wo aber ist sie zu suchen? In welchem Jahrhundert? selbst das ist die Frage! Und dann muß weiter eine Vergleichung der Zeitalter unter dem Gesichtspunkt der treibenden geistigen Kräfte stattfinden; die geistigen Mächte und Tendenzen, die hier wie dort sich herrschend erweisen, sind auf ihr Wesen und auf eventuelle Beziehungen zueinander zu untersuchen. Das hilft dazu, die Genesis der modernen Triebe aufzudecken und die letzteren in ihrer Genesis zu verstehen. Sind Entstehung und Entwicklung der Tendenzen klar aus ihrer eigenen Erscheinung sowie aus ihren Parallelen, dann kann das Wesen der Strömungen und Strebungen zur Anschaulichkeit emporgeführt werden.

Vorausgehen muß jedoch solchen Forschungen die Durchleuchtung des gegenwärtigen Lebens für sich. Durch sie müssen die Regungen im Zeitgeist der Beobachtung zugeführt werden, auf daß sich die historischen Betrachtungen mit ihnen nutzbringend beschäftigen können. Die überaus komplizierte Größe, die wir Zeitgeist nennen, zu analysieren, erheischt eine komplizierte Arbeit. Analyse und Synthese greifen bei ihrer Lösung ineinander. Ein ungeheures Material steht zur Verfügung, welches nicht so durchsichtig ist, daß der Forscher alle Triebkräfte und Strebungen mit offenem Blick ohne Irrung genau zu erfassen vermag. Außer dem Übelstande mangelhafter Durchsichtigkeit bleibt die Gefahr mangelhafter Übersicht immer bestehen. Solcher Mißstände und Bedenklichkeiten müssen wir uns beim Aufzeigen der Einzelheiten bewußt bleiben.

Zudem ist ohne Zweifel eine räumliche Beschränkung geboten. Aus der hier ins Auge gefaßten Abzweckung auf die Theologie ergibt sie sich jedoch nicht zur Genüge. Soll nicht die moderne Theologie in der ganzen modernen Kulturwelt Geltung beanspruchen?

Aber die Moderne ist nicht aller Orten dieselbe, und wir werden gut daran tun, bei ihrer Bestimmung nicht über die Grenzen der mitteleuropäischen Kultur hinauszugehen. Etwaige Sonderbestrebungen geistig kultureller Art in den rein katholischen Ländern des Südens

können für uns nur wenig in Frage kommen. Und

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die amerikanische Kultur wie auch in anderer Weise die russische enthalten sehr abweichende Faktoren und Anschauungen, die sich mit dem Typus der mitteleuropäischen Moderne nicht zu einem ganz einheitlichen Bilde vereinigen lassen. Erst dann würde es möglich sein, die amerikanische Moderne in Rücksicht zu nehmen, wenn was ja nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeiten liegt die beiden Kulturen in direkten Austausch treten und eine Verschmelzung anbahnen sollten. Jedenfalls ist, was uns über die neuesten Strömungen in Amerika gesagt wird, von den bei uns herrschenden gründlich verschieden. Ich will zur Verdeutlichung nur auf eine Äußerung aus den sehr beachtenswerten kritischen Betrachtungen Fergusons über die Grundsätze der amerikanischen Moderne aufmerksam machen: ,,Auf dem Gebiet der institutmäßig bestehenden Religion war das Jahrhundert Zeuge der Wiederherstellung des Romanismus und der Verpriesterungsbewegung in den Episkopalkirchen von England und den Vereinigten Staaten. Der allgemeine Inhalt dieser Erscheinung ist derselbe wie bei dem Vorhergesagten: Die Verzweifelung an der Freiheit --die Rückkehr ins Mittelalter als Folge davon, daß das Prinzip der Moderne verfehlt sei. Das Wiederaufleben der Calvinischen Theologie mit ihrer Mischung von Gesetzlichkeit und Schwärmerei hat eine ähnliche Bedeutung. Die triumphierende Laufbahn der großen Evangelisten der Orthodoxie sagt dasselbe, was die

Auferstehung des Papismus sagt, nämlich daß der Mensch nur als Bestandteil der Masse etwas ist und der Geist nichts ist ohne ein Wunder."")

Was aber die zeitliche Abgrenzung desjenigen geschichtlichen Gebiets, aus dem wir unsere Bestimmungen der Moderne zu entnehmen, in dem wir die Moderne aufzusuchen haben, betrifft, so befinden wir uns in einer äußerst ungünstigen Lage. Handelte es sich etwa um die Charakterisierung der geistigen Strömungen und Strebungen des Zeitalters Karls des Großen, so wären wir in dieser Beziehung jedenfalls in vorteilhafterer Verfassung. Steht uns diese Zeit auch innerlich ferner und fehlt uns infolgedessen die sehr wichtige Möglichkeit direkten Mitempfindens, so ist doch eine Begren zung für das relativ abgeschlossene Zeitalter leichter zu finden. Es ist eine historisch fertige Größe, nach hinten und vorn umgrenzt. Zur Vergleichung stehen zwei andere historische Größen, die vorangegangene und die folgende Periode, zur Verfügung. Das ist bei unsrer Moderne nicht der Fall. Wir entbehren jedes Einblicks in eine folgende Periode und können nicht mit erwünschter Zuversichtlichkeit ausmachen, wie viel Überlebtes in dem noch Lebenden geborgen ist und bis wie weit wir schon in einer Übergangszeit uns befinden. Nur nach rückwärts können wir Vergleichspunkte und Wurzeln suchen.

Sonach gewinnen wir den Wesensbegriff von unserer Moderne in erster Linie durch Herausarbeitung der als charakteristisch empfundenen Gegensätze zwischen jetzt und früher. Gegensätze sind negative Begriffe. Die Züge der Moderne stellen sich zunächst als Antithesen

1) Charles Ferguson, Diesseits-Religion. Eine Denkschrift über die Prinzipien der Moderne. Aus dem Englischen von Cäcilie Mettenius. Leipzig 1903. S. 9.

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