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der Seitentriebe jener Grundzüge anerkannt werden. müßte. Die Theologie könnte in diesem Falle feststellen, daß moderne Grundtriebe entweder aus ursprünglich christlichen beziehungsweise reformatorischen entstanden seien oder mit den letzteren beiden einen gemeinsamen Ursprung haben. Es ließe sich dann ermitteln, ob die Weiterbildung jener anfänglichen Richtung der Grundtriebe zur heutigen Moderne eine konsequente oder eine vielfach irre geleitete war, und daraus wäre eine abschließende Beurteilung unserer Moderne herbeizuführen.

Hiermit ist eine Fülle von historischen und geschichtsphilosophischen Problemen gegeben, die nicht in einem Anlauf zu erledigen sind. Die jetzt folgende Betrachtung will denn auch nichts weiter als eine Einleitung zu den hier vorgeschlagenen Erwägungen geben. Sie wird sich dabei freilich soweit ins Detail hinablassen, als es zu einer vorläufigen, approximativen Beantwortung der Fragen dienlich ist, die für den Fortgang unserer Untersuchungen über die moderne Theologie von Bedeutung sind.

2. Die Wurzeln der Grundtriebe des modernen
Geisteslebens.

Suchen wir der Geschichte zu entnehmen, wo die beiden aufgezeigten Grundtriebe der Moderne, die Hochschätzung des Individuums und die empirische Richtung mit ihren Deszendenten empiristischer Art, ihren Ursprung haben, von wann her sie eine ziemlich ununterbrochene Tradition erkennen lassen und wie sie gleichwohl gerade in der Neuzeit diejenige besondere Prägung erfahren haben, die uns berechtigt, sie als spezifisch

Beth, Die Moderne.

moderne Grundzüge in Anspruch zu nehmen: so wird uns der erste der beiden Triebe am längsten beschäf tigen, weil seine kontinuierliche Entwicklungslinie uns weiter als die des anderen zurückführt.

Genauer besagt die moderne Hochschätzung des Individuums ein Doppeltes, das öfters in der Geschichte gemeinsam aufgetreten ist. Nämlich jene Sonderwertung des Individuums bedeutet in der heutigen Moderne sowohl einen Trieb zu einzelpersönlicher Selbständigkeit gegenüber dem Außerindividuellen als auch einen Trieb zu allgemein menschlicher Selbständigkeit gegenüber dem Außermenschlichen. Ohne dies Zweite kann das Erste auf die Dauer nicht bestehen, wenn, wie es in unsrer Moderne der Fall ist, der Naturalismus als ein mächtiger Faktor sich eindrängt, der ja auch dort sich Geltung zu verschaffen weiß, wo seiner These nicht ohne weiteres Recht gegeben wird. Mit dem Vertrauen ins Individuum muß sich dann das Vertrauen in die Vollgenugsamkeit der,,natürlichen“ menschlichen Fähigkeiten vereinen. Der Glaube an die Autonomie der menschlichen Vernunft in Sachen der Staats- und Weltauffassung, der Religion und Sittlichkeit wird die tragende Basis des Individuums.

Es könnte auch anders sein und es ist zu Zeiten anders gewesen wenn nämlich in den Individualismus nicht der Naturalismus bestimmend eingriff. Dann löst sich das Individuum trotz des Vertrauens in seine eigene Autonomie nicht von den supranaturalen Kräften, findet seine Basis in der Gottheit statt in der Menschheit. In der Moderne aber ist die Beeinflussung durch naturalistisches Denken das hervorstechende Charakteristikum. Der Satz, daß der Mensch das Maß der Dinge ist, wird sowohl rein individuell wie auch generell ver

standen. Für die Sphäre der subjektiven Werte ist das Individuum, für das was die Gemeinschaft angeht, ist die Menschheit in ihrer gefühlten und ergriffenen Hoheit das Maß aller Dinge.

Diese Autonomie setzt sich der als veraltet und bloß traditionell empfundenen staatlichen Rechtsautorität sowie der kirchlichen und vielfach auch der biblischen Autorität entgegen. Und im Denken, das dem theoretischen Naturalismus unmittelbar zugänglich ist, geht diese Richtung, eben als naturalistische, bis zur Selbstständigdenkung der Naturwelt und zur Ablehnung irgend welcher außer der Naturwelt vorhandenen Realität. Daher finden wir auf dem Gebiete der Naturbetrachtung und der daran angeschlossenen Spekulation Aufhebung des Supranaturalismus in jeder Form (auch des immanenten); auf dem Gebiet persönlichen Lebens und Empfindens Aufhebung alles Zwangs und darüber hinaus auch aller objektiven Macht, Statuierung des Eigenwerts und der Selbstgenugsamkeit.

Aber von selbst wird ein solches Streben paralysiert durch das Suchen nach neuen Autoritäten seitens des in seiner Höhe unsicher werdenden Individuums. Man erwählt Autoritäten, einigt sich in solcher Wahl und schließt sich um die neuen Größen zusammen, und damit ist dann von selbst, ungewollt, des Individualismus Widerpart auf den Plan getreten, ein wenn auch noch so feiner Autoritätsglaube, und mit ihm die Vorurteile. Dieser Umschwung geht oft rapid schnell von statten, um bald die neuen Herren zu diskreditieren. Dann tritt überreiches Anbieten von Autoritäten und Befragen derselben ein, das unruhvolle Aufdrängen und Hinnehmen von Problemen und Antworten, der Wunsch einer popularisierten Wissenschaft und die Erfüllung solchen Wunsches.

In Erscheinungen dieser Art bekundet sich, daß die Vernunftautonomie, auch wenn sie alle alten Autoritäten verabschiedet hat, nicht schrankenloser Subjektivismus ist. Wenigstens soweit und dadurch ist sie es nicht, daß in den Individuen ein Hang zu heteronomen Stützen unverkennbar ist. Das Individuum, so im Überschwange persönlichsten Selbstbewußtseins keine Autorität zugeben will, wird eben auf diesem Wege, ihm selbst unbewußt, zur praktischen Anerkennung seiner Subjektivität hindurchgeführt, die dann auch durch geeignete Mittel ins Bewußtsein gerückt werden kann.

Man darf wohl sagen, daß das neunzehnte Jahrhundert den Gedanken der Autonomie der Persönlichkeit in dieser Mischung seiner Elemente schon vorgefunden hat. Es hat ihn geformt und gefüllt, aber er war vorher da. Daß die Aufklärung ihn besaß, wennschon in anderer Mischung, und daß er seitdem eine Großmacht geworden, wird keinen Widerspruch finden. Daß die Romantik das Ihre getan, um ihn unklarer zu machen, aber auch um die Schätzung des Individuums als Einzelwesens erst zur Höhe zu heben, das ist ebenfalls sicher. Und das sind die Faktoren, durch welche diese moderne Anschauung wesentlich in Form von Stimmungen in unsre Zeit übergegangen ist.

Dazu sind dann als diejenigen Faktoren, welche das wertvolle Bleibende in diesen Stimmungen durch wissenschaftliche Arbeit unterbaut haben, Kant und Schleiermacher zu nennen, die sich beide gegen den Rationalismus wandten und ihn zu überwinden strebten, von ihm jedoch den Gedanken der Autonomie herübergenommen haben, indem sie ihn einschränkten und neu bildeten. Sie forschten der Bedeutung des sittlichen und religiösen Individuums nach, Kant mehr auf das generelle, Schleiermacher mehr auf das singuläre Indivi

duum reflektierend.

Schleiermacher entdeckte die Bindung, die das echte Individuum erfahren muß, im Universum und in der Aufgabe, die der universelle Sinn dem Menschen stellt, Kant sah diese Bindung im kategorischen Sittengesetz. Die Eigenart des Rationalismus war hier von beiden beseitigt. Der Rationalismus äußerte in dem Gedanken der Autonomie seinen Widerspruch gegen die positive christliche Religion, Sitte und Kultur im Namen der Menschheitswürde. Das war ein Widerspruch gegen die höchste bisher anerkannte Autorität, die wir schlechterdings ohne Beziehung auf Gott nicht denken können, also daß durch solchen Widerspruch heiligste Bande zerrissen wurden. Das rationale Verständnis einer natürlichen Sittlichkeit hat Kant verinnerlicht und dadurch zugleich die Brücke zur göttlichen Sphäre wiederhergestellt. Er hat die Formel von der Autonomie des sittlichen menschlichen Willens im Gegensatz zur Heteronomie des fordernden göttlichen Willens gebildet, nicht um diesen zu leugnen, sondern um jenen auf die Stufe wahrer Sittlichkeit zu erheben. Er ist darin, wenn auch nicht mit einer von Luther scharf gemeißelten Formel, so doch mit einer Grundtendenz der Reformation zusammengetroffen. Als Philosoph der Autonomie in diesem seinem Sinn ist Kant noch immer der Philosoph der Moderne. Als Schöpfer der letzteren könnte er gelten, sofern er die unter Ablehnung des rationalen Verständnisses zur Geltung gekommene sittliche Autonomie als erster mit seiner gewichtigen Stimme philosophisch begründet hat. Aber obschon er an der Schwelle des neunzehnten Jahrhunderts den für dies Jahrhundert charakteristischen Autonomiegedanken ausgesprochen, das Jahrhundert hat doch die Reinheit seiner Idee nicht festgehalten, sondern durch unklaren

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