ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

mächtigen Ausbildung der ,,weltlichen" Wissenschaften hätte führen können; er fühlte sich fast in allen seinen großen Vertretern zum Studium der Theologie zurückgetrieben und suchte die neuen Einsichten für diese Wissenschaft nutzbar zu machen. Wir wissen ihm deß Dank, denn das kam der Reformation zugut. Aber er bekundet eben damit, daß er mit seinem mütterlichen Organismus in innigem Zusammenhange sich erhielt

er blieb Scholastik. Die italienische Renaissance hingegen wandte sich mit reiner Freude der allgemeinen Wissenschaft zu und blieb bei ihr, sie löste sich viel weiter vom Boden der mittelalterlichen Kirche und erblickte in der Weiterbildung der ,,modernen" Wissenschaft den Selbstzweck ihrer Arbeit und war überzeugt, aus dieser neuen Arbeit die wichtigsten Motive für die Lebensweisheit und Lebensführung nehmen zu sollen.

Hieraus aber ergibt sich, daß der deutsche Humanismus, gerade was seine Eigenart anlangt, nur nebenbei und als sekundär wirkende Macht beim Aufsuchen des Quellorts der heutigen modernen Strebungen in Frage kommen kann. Sofern er freilich der Reformation direkt vorarbeitet, ist er für die aus der Reformation resultierende hernach zu beleuchtende

-

eigentümliche Bestimmtheit unsrer Moderne von besonderem Wert. Aber die Grundtriebe, um die sichs uns hier zunächst handelt, finden wir in ihm nicht so klar und nicht so originell ausgeprägt wie im Süden. Zwar ist auch in ihm von Anfang an der religiös-sittliche Individualismus eine achtungswerte Macht, sein Streben ist auch auf die Hervorbringung einer Persönlichkeitsreligion gerichtet, und zwar speziell auf ausgesprochen christlicher Grundlage. Aber ich vermag Hermelink nicht voll beizupflichten, wenn er auch

[ocr errors]

diese vom Vater Dürers bis Erasmus beobachtete Tatsache für die Behauptung des durchweg selbständigen Ursprungs der humanistischen Bewegung auswertet. Sein Zugeständnis eines nachfolgenden Einflusses aus Italien her scheint mir nicht zu genügen, um das gegenseitige Verhältnis der beiden Richtungen zu beschreiben. Er will den Verkehr mit Italien in keiner Weise unterschätzen", weist darauf hin, daß die humanistischen Schüler alle nacheinander über die Alpen wanderten und nach der Rückkehr ,,noch lauter, als bisher geschehen ist, das Evangelium einer neuen, selbständigen Religionsauffassung" verkündigten.') Aber er will nicht auf den Ursprung des Humanismus eine wirkliche Einwirkung seitens der Renaissance annehmen. Lehnt man aber eine solche ab, so bleibt, scheint mir, trotz des selbständigen nordischen Gegensatzes gegen den kirchlichen Zwang ein beträchtlicher Teil der humanistischen Anfänge in der Schwebe. Woher kommt jene Laienkultur, die nicht nur religiöser Art war, sondern auch von Anfang der Bestrebungen an auf die humanistische Bildung ging? Woher gerade seit Mitte des 15. Jahrhunderts in deutschen Klöstern hin und her die Beschäftigung mit den Humaniora? Woher der Ruf nach den alten Quellen, der in der Wissenschaft laut wurde? Man kann sich ersteres ohne einen Anstoß von Süden her kaum erklären; letzteres zur Not aus einer realistischen Reaktion gegen den übertriebenen Nominalismus. Aber nun liegt eben die Tatsache vor, daß in Italien all dies Neue schon seit mehr als einem Jahrhundert allmählich vorgedrängt hatte und daß Schriften wie die von Petrarca in Frankreich und Deutschland Verbreitung gefunden hatten. Demnach

1) a. a. O. S. 14 und 15.

liegt ein Grund nicht vor, die Fäden, welche zwischen Süd und Nord gesponnen gewesen zu sein scheinen, ehe der Humanismus zur selbständigen Macht wurde, durchzuschneiden.

[ocr errors]

Und nun sehen wir hinein in die Zelle, wo das aufgeregte Herz eines sittlich und religiös ernst empfindenden Mönches pocht. Dieses großen deutschen Mannes Seele ist auf den Sinn des Lebens und auf den Frieden mit Gott gerichtet. Das Leben erhält seinen Wert von dem alles bedingenden und alles tragenden Gott zugesprochen. Aber wie wird es erreicht, daß er auch meinem Leben wirklich zuerteilt wird? Wie ists anzufangen, daß mein Leben nicht vergeblich ist? Zwei Wege sind in jener Zeit gegeben. Der eine durch die Kirche: kasteie dich ab, büße, tue genug! Der andre vom autonomen Ich: sei du selbst, sei tugendhaft, leiste und schaffe! Imperativisch waren beide. Der erste Weg hatte sich bereits als nichtig erwiesen. Der zweite hatte auch in Deutschland schon einen besseren Klang. Namentlich in gebildeten Kreisen hallte [das Thema wieder von der selbsttätig wirkenden Persönlichkeit. Das war ein emanzipierter Katholizismus. Vielfach erschien er in der einfachsten Formel vom Glauben an Gott und von der Nächstenliebe. Die Renaissance hatte diese Umgestaltung vollbracht. Aber bei ihrem Ergebnis konnte es kein Bewenden haben. Ja freilich schafft die Persönlichkeit sich ihren Wert. Aber der Wert, den sie in sich erstarken fühlt, entbehrt der eigenen Sicherheit sowie des zulänglichen Wertmessers, und darum bleibt dieser Wert für die Persönlichkeit unvollkommen, solange sie nicht innerlich frei ist von allem Unwert. Denn dieser stört immerfort jenen. Das Christentum hat doch Recht: die Sünde sitzt im Menschen fest und

gibt ihm ein Bewußtsein, das sein Gefühl vom Eigenwert hemmt. Frei davon wird die Persönlichkeit nur, wenn sie in sich eine feste Norm und einen absoluten Maßstab besitzt, und das ist möglich nur in Gott.

So führte Luthers Erkenntnis weit über Renaissance und auch über Humanismus hinaus. Einsam rang der germanische Bergmannssohn aus dem Mansfelder Gau mit dem Unsichtbaren und fand die Befreiung mit dem Apostel Paulus in Jesu blutigem Tod. Mit der religiösen Erkenntnis verband sich die evangelische Mystik, und diese Verbindung führte zum vollen Erleben von Sündenangst und Versöhnungsgnade, von Gott und Menschenwert.

[ocr errors]

Eben der Mystik kommt hier eine große Bedeutung im Unterschiede zur italienischen Emanzipationsströmung zu. Auch dort wurde von zahlreichen Männern, die zunächst ohne kirchliche Subvention auftraten, das christlich-religiöse Element mit der freien Weltanschauung zu vereinigen gesucht. Aber diese Leute waren bestrebt, als Bußprediger plötzliche Massenerschütterungen hervorzurufen, waren aufs praktisch Wirksame gerichtet und haschten nach gewaltigem Eindruck des Augenblicks, indem sie mit Wundern, Heilungen, Gebeten über Kranken Aufsehen erregter (Capistrano) oder in anmaßenden Leichenreden oder mit Scheiterhaufen von Luxus- und Kunstgegenständen, wie Hieronymus Savonarola sie inszenierte, die Gemüter packten. Das war unmodern und konnte nicht nachhaltig wirken. Im Norden, wo eine,,Imitatio Christi" entstand, fiel das Äußerliche fort. Nur wer intuitiv seinen Gott erfaßt und das Heil erlebt, wird der Reformator sein.

Gerade das mystische Moment war der eine wichtige Faktor, durch den für die geistig-religiöse Entwicklung des Nordens die moderne Richtung ermöglicht wurde,

die in der italienischen Renaissance zum Durchbruch gekommen. Durch die evangelische Mystik wurde es möglich, daß der christliche Glaubensheld ein moderner Mensch war, der im Bunde mit dem Geist der Moderne die neue Menschheit religiös bilden konnte. Denn eben in dem mystischen Moment betätigt sich der Personalismus und Individualismus bei Luther. Dazu kam die Proklamation des vermöge seines Kindesverhältnisses zu Gott sittlich autonomen Individuums. Alles war selbsterrungen und selbsterlebt, nichts einfach übernommen das war es, was die Zeit vom Geistesbesitz verlangte. Man muß sich den gleichen Zug der Emanzipation vergegenwärtigen, der bei den Geistern der Renaissance, bei den Humanisten und bei Luther wirkte, um die Ähnlichkeit in all diesen Gärungen nicht zu übersehen, sondern zu verstehen.

In der Tat ist Luthers Reformation solange immer noch etwas Problematisches, bis man den Zusammenhang mit der Renaissance eingesehen hat. Woher plötzlich dieser gewaltige Protest und dieser selbstbewußte Mut gegen das Papsttum, wenn nicht irgendwie die Gewähr dafür vorhanden war, daß der Ruf nicht verhallt, sondern auf Resonanz rechnen darf! Daher sagt Dilthey sehr richtig:,,Nur indem dem echten religiösen Menschen eben aus dem innigsten, tiefsten, religiös-sittlichen Erfahren im vorhandenen Verbande auf Grund der veränderten Bewußtseinslage ein Ungenüge entsteht, ist Anstoß und Richtung für das Neue gegeben. So ist es auch in Luther gewesen." 1) Die veränderte Bewußtseinslage war von der Renaissance ausgebildet und im Humanismus teilweis fortgesetzt. Sie bestand vor allem in der Ein

1) Dilthey a. a. O., Archiv V, 368.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »