es später die christlichen Missionare dem germanischen Heidentum gegenüber machten. Dahin gehört vor allem die Wahl des Berges Sinai oder des Mondberges denn Sinai heisst der Mondberg. Gewiss folgten die Israeliten ihrem Führer Mose leichter von den Fleischtöpfen Aegyptens weg, wenn Gott sich ihnen gerade auf demjenigen Berge offenbarte, der von alters her eine besondere Heiligkeit als Wallfahrtsort der nordwestarabischen Beduinen gehabt hatte. Dort hatten sie den Mond als den Herrn der himmlischen Heerscharen verehrt, den Mond, dessen Name Ai oder Ja ihnen von jeher ganz besonders geheimnisvoll und ehrfurchterweckend erschienen war; und gerade diesen Ort wählte sich Gott, um als ewig Existierender (als Jahve), als auch über Mond und Sterne Erhabener, ihnen in seinem Glanze nahezutreten. Auch auf die bekannte Geschichte vom goldenen Kalbe (2. Mose 32) fällt jetzt, da wir die Religion Terach's als noch lange in Israel nachwirkenden Mondkult erkennen können, ein neues Licht. Denn wir haben hier einfach einen Rückfall in den alten, noch von Ur in Chaldäa stammenden Götzendienst vor uns. Das entschuldigt zugleich auch Aaron's Schwäche, der den Bitten des Volkes, ihm ein Gottesbild zu machen, so schnell und willig in Mose's Abwesenheit nachgegeben hatte. Glaubte er doch zwischen dem früheren Mondkult und der neuen Jahvereligion dadurch zu vermitteln, dass er auf die Rede des Volkes ,,dies goldne Kalb sind, o Israel, deine Götter, die dich aus Aegypten führten" ausrufen liess: ,,Morgen (wo ihr vor diesem Idol feierlich opfern werdet) ist Jahve's Fest." Also immerhin Jahve, der einige, bildlose von Mose verkündigte Gott Israels, sollte es sein, der durch jenes Kalb symbolisiert wurde. Macht ja sogar noch nach Salomo's Tode, also längst nach Mose, der nordisraelitische König Jerobeam seinen Unterthanen, um ihnen die Wallfahrten nach Jerusalem zu ersetzen, zwei goldene Kälber, das eine zu Dan und das andere zu Bethel, indem er in direkter Anknüpfung an Aaron's goldenes Kalb dazu proklamierte: ,,siehe das sind deine Götter, o Israel, die dich aus Aegypten geführt haben“. Ob die beiden Kerûbîm oder geflügelten Stiergestalten auf dem Sühndeckel der Bundeslade nicht auch eine alte Erinnerung an den Mond als Stier sind, ist zu erwägen; jedenfalls waren sie kein Gegenstand der Anbetung, sondern hatten nur sinnbildliche Bedeutung. Auch die Hörner des Altars gehören natürlich hieher. Dass im alten Kultus von Ur in Chaldäa wirklich ein junger Stier, also ein männliches Kalb, das Symbol des Mondgottes war, geht zu allem Ueberfluss aus der einzigen Mondhymne von Ur hervor, die uns noch aus altbabylonischer Zeit durch ihre Aufnahme in die religiöse Literatur der Babylonier gerettet wurde. Sie besteht aus sechs kunstvollen achtzeiligen Strophen, feiert in schwungreichen Worten den Mondgott von Ur, und stammt zum mindesten aus der Zeit Abraham's, falls sie nicht noch älteren Ursprungs ist. Dazu ist sie auch in anderer Hinsicht so interessant, besonders ihres fast monotheistischen Grundtons halber, dass ich mir nicht versagen kann, sie in sorgfältig revidierter Uebersetzung vollständig mitzuteilen: Herr, Führer der Götter, der im Himmel und auf Erden I. Vater, Nannar, Herr der himmlischen Heere, Führer Vater, Nannar, Herr, Mond, Führer der Götter, Vater, Nannar, der an Herrschaft gross vollendet ist, Führer der Götter, Vater, Nannar, der im Hoheitsgewand einherschreitet, Führer der Götter! II. Jugendkräftiger Stier, mit gewaltigen Hörnern, vollen- Frucht, die von selbst erzeugt wird, von aufspriessendem Mutterleib, der alles gebiert, der mit den lebenden Wesen Vater, barmherziger, gnädiger, dessen Hand das Leben O Herr, deine Gottheit ist gleich dem fernen Himmel, und Der da erschafft das Land, fest macht die Glieder, ihre Namen verkündet, Vater, Erzeuger der Götter und Menschen, der sie aufschlagen lässt ihren Wohnsitz, der da einsetzt die Getreideopfer, Verkünder der Königsherrschaft, Spender des Scepters, der das Schicksal für die fernen Tage bestimmt. III. Voranschreitender, Gewaltiger, dessen weites Herz kein Gott Mutiger, dessen Kniee nicht ermatten, der da eröffnet der vom Grund des Himmels bis zum Zenith herrlich einher- Vater, der alles erzeugt, der die lebenden Wesen ansieht, Herr, der den Ratschluss des Himmels und der Erde ent- 1) Man beachte dazu die Thatsache, dass die Babylonier (und später die Assyrer) den westsemitischen Mondgott gewöhnlich mit ihrem Wettergott identifizieren. Im Himmel, wer ist erhaben? du allein bist erhaben! IV. Du, wenn dein Wort im Himmel erschallt, so werfen ihr Antlitz nieder die sieben Engel des Himmels, du, wenn dein Wort auf Erden erschallt, so küssen den Boden die sieben Engel des Abgrunds. Du, wenn dein Wort droben gleich dem Wind 1) einherfährt, so macht es üppig gedeihen Speise und Trank, du, wenn dein Wort auf Erden geschieht, so wird das Grüne erzeugt. Du, dein Wort macht fett Stall und Hürde, macht weit die lebenden Wesen, du, dein Wort lässt entstehen Wahrheit und Recht, es beschwört die Völker mit Wahrheit. Du, dein Wort ist der ferne Himmel, die verborgene Tiefe der Erde, die niemand durchschaut, du, dein Wort, wer erlernt es, wer kommt ihm gleich? V. O Herr, im Himmel an Herrschaft, auf Erden an Führung, unter den Göttern, deinen Brüdern, hast du keinen Rivalen. König der Könige, dessen Gebot niemand entscheidet, dessen Gottheit keiner gleicht, Wo dein Auge hinblickt, da ist [Freude und Jubel], wo dein Arm [hinreicht, da vertraut man auf dich]. O Herr, dein [heiliger Name] leitet recht und bringt es heraus. Ur, deine Stadt, sieh gnädig an! VI. Die Gemahlin deiner Liebe, die huldreiche, möge, o Herr, beruhige dich, zu dir sagen! die heldengleiche Sonne, [dein Kind,] möge, o Herr, beruhige dich, zu dir sagen! die sieben Engel des Himmels, mögen, o Herr, beruhige dich, zu dir sagen! die sieben Engel des Abgrunds, mögen, o Herr, beruhige dich, zu dir sagen! 1) Siehe S. 24, Anm. 1. der Gott Nârûdu (Nimrod), der Herr der sieben Engel des die Götter des Himmels und der Erde, mögen, o Herr, be- Ausser dem Beinamen „jugendkräftiger Stier") und der achtmal nacheinander feierlich wiederholten Anrede,,Vater" ist noch der Beiname ,,Herr der himmlischen Heerscharen" ganz besonders hervorzuheben. Dass hier der Mond als König der Sterne gemeint ist, unterliegt keinem Zweifel, und jedermann wird sich sofort an die aus dem Alten Testament bekannte Gottesbezeichnung „Jahve Zebaoth" (Herr der Heere) erinnern. Dieser Ausdruck bezeichnet Gott als Herrn der Sterne oder der auf und über den Sternen wohnenden Engel, was vor allem durch eine Stelle des alten Deboraliedes, Richter Kap. 5, nahegelegt wird, wo es heisst: vom Himmel her kämpften die Sterne, von ihren Bahnen aus kämpften sie mit Sisera also die Sterne in Stellvertretung Jahve's, den als den Helfer in der Kriegsnot ja das ganze Deboralied feiert. Das Merkwürdigste aber ist, dass dieser Ausdruck „Jahve der Heerscharen" im ganzen Pentateuch (oder den fünf Büchern Mose) absichtlich vermieden wird, und ebenso macht es derjenige Prophet, der am meisten von allen Propheten direkt an den Pentateuch anknüpft, Hesekiel. Erst von der Richterzeit ab taucht der nun nicht mehr anstössige Name auf, um fortan im ganzen alten Alten Testament (mit alleiniger Ausnahme Hesekiel's) eine besonders feierliche und heilige 1) Auch bei den syrischen Westsemiten hiess der Mondgott ,,junger Stier", Bûr oder Bîr, dialektisch auch Mûr oder Mîr. Es ist daher ganz ausgeschlossen, dass das goldene Kalb, wie man gewöhnlich gemeint hat, auf aegyptischen Apisdienst zurückgeht. |