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gebracht, die in dieser Tragödie den künstlerischen Sinn beleidigen. Wir stehen durchaus im Gebiet des Gråßlichen; das Mitleid, das im Zuschauer erweckt werden soll, hört auf Mitleid zu sein, es wird eine folternd schmerzhafte Empfindung., Um so peinigender, da die Leidenden unschuldig leiden, nur der grausamen Rachsucht des überlegenen Feindes unterliegend. Dante durfte diese Erzählung wagen, der Tragödiendichter durfte es nicht; der Unterschied der Gattung macht hier Alles. Bei Dante hören wir die Geschichte als geschehen, in der Tragödie sehen wir sie als geschehend; es ist ganz etwas Anderes, ob ich das Schreckliche hinter mir oder vor mir erblicke, ob ich höre, dieses Elend überstand der Held, oder ob ich sehe, dieses soll er überstehen. Gleichwohl ist Gerstenberg's Ugolino ein Werk von höchst bedeutender schöpferischer Kraft, von ergreifender Plastik der Schilderung. Es ist wahrlich nicht blos besånftigende Schmeichelei, wenn Leffing in jenem Briefe troß aller scharfen Hervorhebung des Grundgebrechens nur im Con wärmster Bewunderung spricht. Denselben Tadel und dieselbe Bewunderung finden wir auch bei Herder, der diese Tragödie in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek (Bd. 11, 1. S. 8. vgl. Herder's Lebensbild, Bd. 1. Abth. 3, 2. S. 128 ff.) zur Anzeige brachte. Und noch am 13. Mårz 1801 fagt Schiller auf der Höhe seiner reifsten künstlerischen Durchbildung in einem Briefe an Goethe, daß Gerstenberg's Ugolino zwar kein Werk des guten Geschmacks sei, aber sehr schöne Motive, viel wahres Pathos und wirklich Genialisches habe.

Jeht wird Gerstenberg's Ugolino nicht mehr gelesen; und doch ist der Name dieser Dichtung noch immer in Aller Gedächtniß. Diese Thatsache ist überaus bedeutsam. Es wird damit ausgesprochen, daß diese Tragödie zwar künstlerisch nicht haltbar, daß sie aber geschichtlich in dem Gang der deutschen Literatur ein unvergeßlicher Einschnitt ist.

Gerstenberg's Ugolino war die erste Dichtung jenes ungebun

denen ungestümen dramatischen Stils, der fortan immer mehr und mehr in die Mode kam, und den die Stürmer und Drånger mit prahlerischer Selbstgefälligkeit Shakespearisiren nannten. Nicht in der Weise von Lessing's Emilia Galotti, die sich mit bewußter Gegensätzlichkeit dem neuen Stil Gerstenberg's scharf entgegenstellte, straffe gemessene Führung einer stetig fortschreitenden, folgerichtig einheitlichen dramatischen Handlung, sondern einzig und allein oft bis zur Roheit drastisch natürliche Ausmalung der fessellos hervorstürmenden menschlichen Leidenschaft.

Der Dichter war dreißig Jahre alt, als er mit dem Ugolino hervortrat. Seitdem verstummte er. Und dies in der bewegten gewaltigen Zeit, in welcher Lessing seine Emilia Galotti und seinen Nathan schrieb, und in welcher Goethe und die Stürmer und Drånger und Schiller mit ihren ersten Werken die gesammte deutsche Bildungswelt aufs tiefste erregten und erschütterten! Erst 1785 erschien wieder ein neues größeres Werk von Gerstenberg »Minona oder die Angelsachsen«; ein verunglücktes tragisches Melodrama, das höchst unerfreulich an Klopstock's Bardiete erinnert.

Es ist ein Räthsel, zu dessen Lösung uns der nöthige Einblick in die inneren Erlebnisse des Dichters fehlt, wie es kommen konnte, daß eine so bedeutende Schöpferkraft, von deren rústiger Fortentwicklung selbst ein Herder das Außerordentlichste verheißen hatte, so früh ermattete.

Seit 1768 lebte Gerstenberg in ansehnlichen Verwaltungsåmtern; zuerst in Kopenhagen, seit 1775 als dänischer Resident in Lübeck, seit 1784 in Eutin und, nach dem Tode seiner Frau, seit 1786 in Altona. Musik und das Studium der Kantischen Philosophie beschäftigten sein Alter. Er starb zu Altona am 1. November 1823, hochbetagt und allverehrt.

Drittes Kapitel.

Goethe.

Bis zur italienischen Reise.

1.

Leipzig, Straßburg, Wehlar.

Nicht ohne Behagen erzählt Goethe in Wahrheit und Dichtung, daß bei seiner Geburt der Stand der Gestirne günstig gewesen. Schon in Straßburg hatte er sich, wie aus den von A. Schöll herausgegebenen »Briefen und Aufsåßen« (S. 69) zu ersehen ist, in eines seiner Studienhefte angemerkt, daß ein altes astronomisches Lehrgedicht den unter dem Zeichen der Venus Geborenen eine glückliche Schriftstellerlaufbahn verheiße.

Es muß etwas wahrhaft Damonisches in der strahlenden Jugenderscheinung Goethe's gelegen haben. Von Anbeginn macht er überall, wo er auftritt, sogleich den Eindruck eines »ganz fingularen Menschen«. Unter seinen Knabengespielen ist er immer der Erste. Jeht, da wir durch erhaltene Briefe in sein Leipziger Leben einen genaueren Einblick haben als der eigene Bericht Goethe's gestattet, wissen wir, daß auch seine Leipziger Freunde schon seine künftige Größe ahnten. Jung-Stilling hat aus der Straßburger Zeit lebhaft geschildert, wie der lebensfrohe, liebenswürdig gutmüthige Jüngling, mit seinen frischen großen Augen und der prachtvollen Stirn und dem schönen Wuchs,

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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einem Gott gleich den unwiderstehlichsten Zauber übte und in seinem gesellschaftlichen Kreise unbestritten die Regierung führte, obgleich er sie niemals suchte. Kestner, der Albert im Werther, kann in seinem Wehlarer Tagebuch aus der Zeit der ersten Bekanntschaft mit Goethe nicht müde werden, sich über die überraschenden Eigenthümlichkeiten des dreiundzwanzigjährigen jungen Mannes Rechenschaft abzulegen; zuleht bricht er mit den Worten ab: »Ich wollte ihn schildern, aber es würde zu weitläufig werden, denn es läßt sich gar viel von ihm sagen; er ist mit einem Wort ein sehr merkwürdiger Mensch; ich würde nicht fertig werden, wenn ich ihn ganz schildern wollte.« Und mit jedem Jahr wächst die Bewunderung Aller, die das Glück haben, in seine Nähe zu treten. Am 13. September 1774 schreibt Wilhelm Heinse (Bd. 8, S. 118) an Gleim: »Goethe war bei uns, ein schöner Junge von fünfundzwanzig Jahren, der vom Wirbel bis zur Zehe Genie und Kraft und Stärke ist, ein Herz voll Gefühl, ein Geist voll Feuer mit Adlerflügeln; ich kenne keinen Menschen in der ganzen gelehrten Geschichte, der in solcher Jugend so rund und voll von eigenem Genie gewesen wåre wie er; da ist kein Widerstand, er reißt Alles mit sich fort.« Und Jacobi (Auserles. Briefwechsel, Bd. 1, S. 179) schreibt an Sophie La Roche: »Goethe ist nach Heinse's Ausdruck Genie vom Scheitel bis zur Fußsohle; ein Besessener füge ich hinzu, dem fast in keinem Fail gestattet ist, willkürlich zu handeln. Man braucht nur eine Stunde bei ihm zu sein, um es im höchsten Grad lächerlich zu finden, von ihm zu begehren, daß er anders denken und handeln solle als er wirklich denkt und handelt. Hiermit will ich nicht andeuten, daß keine Verånderung zum Schöneren und Besseren in ihm möglich sei; aber nicht anders ist sie ihm möglich als so wie die Blume sich entfaltet, wie die Saat reift, wie der Baum in die Höhe wächst und sich krönt.« Auf Goethe geht es, wenn Klinger in seinem

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Trauerspiel »Das leidende Weib« eine der handelnden Personen sagen läßt: »Ein wunderbarer Mensch, der Doctor! der Erste von den Menschen, die ich je gesehen, der alleinige, mit dem ich sein kann. Der trågt Sachen in seinem Busen! Die Nachkommen werden staunen, daß je so ein Mensch war!« Selbst Wieland, den der junge Dichter durch seine humoristische Satire Götter, Helden und Wieland«< in jugendlichem Uebermuth herausgefordert und tief verlegt hatte, war, wie sein eigener Ausdruck lautet, nach der ersten persönlichen Berührung mit Goethe so voll von ihm wie ein Thautropfen von der Morgen= sonne; er nennt ihn einen Zauberer, einen schönen Herenmeister mit schwarzem Augenpaar und Götterblick; nie habe in Gottes Welt sich ein Menschensohn gezeigt, der alle Güte und alle Gewalt der Menschheit so in sich vereinige, so mächtig alle Natur umfasse, so tief sich in jedes Wesen grabe und doch so innig im Ganzen lebe.

Von Kindheit auf war der Grundzug seines Wesens unbeirrbar in ihm ausgesprochen. Wie Goethe in seinem Alter eine volle und in sich abgeschlossene Persönlichkeit vorzugsweise eine Natur zu nennen liebte, so geht auch bereits durch das vielthatige, oft scheinbar ziellos umherschweifende Lernen und Treiben. des Knaben der dunkle, aber nichtsdestoweniger sich des rechten Weges bewußte Drang, den vollen und ganzen Menschen in sich herauszubilden und dieses freie Menschenthum unbedingt und rückhaltslos auf die ungestörte Gesundheit und Entfaltung der reinen Natur zu stellen. Und wie Goethe sein ganzes reiches Leben hindurch die Gewohnheit und das unabweisbare Bedürf niß hatte, Alles, was seine tiefe und leicht erregliche Seele erfreute, quålte und beschäftigte, zu eigener Selbstbefreiung in die verklärende Höhe dichterischer Gestaltung emporzuheben, so daß er eben dadurch der Dichter des tiefsten Seelenlebes reiner und gebildeter Menschlichkeit wurde wie kein anderer Dichter vor ihm

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