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Siebentes Kapitel

Die Gefühlsphilosophen und die pietistischen Schwärmer.

Wenn Goethe Diejenigen aufzählte, welche am tiefsten auf sein Jugendleben einwirkten, nannte er jederzeit mit liebevollster Verehrung Hamann. Und unter all seinen Jugendfreunden standen seinem Herzen am nächsten Jung-Stilling, Lavater und Frit Jacobi. Auch Herder fühlte sich von diesen Geistern auf's mächtigste angezogen. Es war ein bitterer Schmerz für Goethe und Herder, als sie in der Mitte der achtziger Jahre, nachdem sie aus ihren ersten ringenden Jugendwirren sich zu fester månnlicher Klarheit herausgearbeitet hatten, erleben mußten, daß ihre Wege von den Wegen der alten Freunde fortan durch eine unüberbrückbare Kluft geschieden seien.

Es ist die religiöse Seite der Sturm- und Drangperiode, die uns hier bedeutsam entgegentritt.

Die Freunde fühlten sich innig eins in ihrem gemeinsamen Gegensatz gegen die Enge und Kahlheit des herrschenden Rationalismus. Und sie wurden Gegner, als sich im Lauf der Zeit immer schårfer herausstellte, wie durchaus verschiedenartig, ja wie einander auf's schroffste entgegengesetzt die Ziele waren, die sie von diesem gemeinsamen Ausgangspunkt aus erstrebten.

Je mehr die Aufklärungsbildung unter den Hånden der Nicolaiten sich vereinseitigte und verflachte, um so weniger konnte die tiefe Gefühlserregung, welche der Ursprung und das Wesen

der Sturm- und Drangperiode war, in ihr Befriedigung finden. Es war derselbe Kampf, welchen drüben in Frankreich Rousseau gegen Voltaire und die Encyklopädisten kämpfte. »>Man will sich«, wie die Frankfurter Gelehrten Anzeigen (1772. S. 658) einmal sagen, »nicht wegraisonniren lassen, was Gefühl geworden ist und Gefühl bleiben wird und muß.« Dies ist die geschichtliche Bedeutung und Berechtigung dieser Bewegungen. Aber während die Größten und Besten, während Goethe und Herder in ernsten und schweren Bildungsmühen nicht ruhten und rasteten, bis sie die ununterdrückbaren Forderungen des Herzens und die nicht minder ununterdrückbaren Forderungen der denkenden Vernunft in reiner und freier Bildung zu klarem und harmonischem Gleichgewicht geläutert und versöhnt hatten, blieben die Meisten in der Halbheit stecken und wußten nur die eine Einseitigkeit an die Stelle der anderen zu sehen. Eitle und weichliche Gefühlsschwelgerei, das liebe Ich mit allen Schrullen und Krånklichkeiten; dumpfe Confusion mit dem hochmüthigen Anspruch ganz besonderen Tiefsinns, oft sogar ganz besonderer göttlicher Erleuchtung.

Als Kant seine befreiende Philosophie schuf, als die klassische Zeit der deutschen Dichtung erblühte, erhob sich eine neue pietistische Literatur, nicht schlicht und einfältig, sondern die Bildung mit den Mitteln der Bildung bekämpfend.

Zwei Richtungen sind in dieser Literatur zu unterscheiden. Die Einen haben die Bedürfnisse und die Gewöhnungen des denkenden Geistes; sie flüchten nur darum aus dem Denken in die Regionen des Gefühlslebens, weil sie die Nothwendigkeit der Ergänzung und Erfüllung des Denkens durch die Kundgebungen des Herzens aus den natürlichen Schranken des Denkens selbst erweisen zu können meinen. Wir nennen die Tråger und Vertreter dieser Richtung Gefühlsphilosophen. Die Anderen kennen das Bedürfniß des denkenden Geistes überhaupt nicht,

sie stüßen sich auf das göttliche Gnadengeschenk der christlichen Offenbarung und fühlen sich dieses göttlichen Gnadengeschenkes noch unmittelbarer und inniger theilhaftig als andere gewöhnliche Menschenkinder. Wir nennen die Tråger und Vertreter dieser Richtung die pietistischen Schwärmer.

An der Spike der ersten Richtung stehen Hamann und Jacobi, an der Spitze der zweiten Richtung stehen Lavater und Jung - Stilling.

1.

Die Gefühlsphilosophen.

Hamann.

Hamann war der Erste, welcher es wagte, die deutsche Aufklärungsbildung zur Umkehr zu rufen.

Johann Georg Hamann, am 27. August 1730 zu Königsberg geboren, wurzelte ganz und gar in jenen pietistischen Einwirkungen, welche, wie auch die Lebensbeschreibungen Kant's und Hippel's bezeugen, damals alle Kreise Königsbergs durchdrangen. In einem wüsten und zerfahrenen Jugendleben hatte er eine Zeitlang diese Stimmungen in sich abgestumpft, dann aber war er reuig und zerknirscht nur um so inbrünstiger wieder zu ihnen zurückgekehrt.

Es ist schwer, sich durch die Schriften Hamann's hindurchzuwinden. Wie er im Leben durch das hochmüthige Bewußtsein seiner frommen Gläubigkeit sich von den einfachsten menschlichen Pflichten entbunden meinte, oft der nichtswürdigsten Verlumptheit anheimfiel und immer nur der Sophist seiner ungezügelten Leidenschaftlichkeit blieb, so hat er es auch niemals vermocht, sein

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Denken zu einheitlicher und folgerichtiger Klarheit herauszubilden. Er bewegt sich immer nur in dåmmernden Empfindungen, in geistreichen und tiefsinnigen, aber durchaus unentwickelten dunklen Ahnungen. Wahrheiten, Grundsätzen, Systemen«, schreibt Ha= mann selbst einmal, (Bd. 1, S. 497) »bin ich nicht gewachsen.; »Brocken, Fragmente, Grillen, Einfålle«. Und zu diesem Abgerissenen und Springenden des Inhalts tritt das Krause und Fraßenhafte der Darstellungsform, welche sich dergestalt in die zufälligsten und willkürlichsten Wendungen, Anspielungen und Råthselsprüche verliert, daß sogar Hamann selbst seinen Stil einen »verfluchten Wurststil« nennt und sich selbst außer Stand erklärt, seine frůheren Schriften zu verstehen. Der Mangel an zwingender Logik versteckt sich hinter die Laune humoristischen Spiels und hinter den Anspruch pythischer Sehergabe.

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Goethe hat Recht, wenn er im zwölften Buch von Wahrheit und Dichtung sagt: »Das Princip, auf welches die såmmtlichen Aeußerungen Hamann's sich zurückführen lassen, ist dieses: Alles, was der Mensch zu leisten unternimmt, muß aus såmmtlichen vereinigten Kräften entspringen; alles Vereinzelte ist verwerflich.« Lediglich aus diesem Grundprincip ist es erklärlich, daß Hamann den Jünglingen der Sturm und Drangperiode als ein fortschreitender und befreiender Geist erscheinen konnte. Nur hätte Goethe hinzusehen sollen, daß sich Hamann das Dringen auf das unverbrüchliche Zusammenwirken aller menschlichen Seelenkräfte und auf die Nothwendigkeit der Erlösung des von der Aufklärungsbildung verkümmerten und unterdrückten Phantasieund Gemüthslebens, nur als Erweckung tieferen religiösen Lebens, nur als engeren Anschluß an die Lehren und Geheimnisse der christlichen Offenbarung zu denken wußte.

Hamann's Denken und Empfinden ist fast ausschließlich verneinend. Es ist das pietistische Poltern gegen die aus der Obmacht des Bibelglaubens herausgetretene Freiheit und Selb

ständigkeit der Wissenschaft und deren vermeintliche UnmaBung.

So genau Hamann nicht blos die deutschen, sondern auch die englischen und französischen Aufklärungsphilosophen kannte und so unablåssig er sich mit ihnen sein ganzes Leben hindurch beschäftigte, so hatte doch einzig Hume wegen seines Zweifels an der Richtigkeit und bindenden Kraft der menschlichen Schlußfolgerungen Gnade vor seinen Augen gefunden. Die Aufklårungsphilosophen sind ihm nur »Lügen-, Schau- und Maulpropheten«, nur »Samariter, Philister und toller Pöbel von Sichem«; selbst gegen Mendelssohn und Kant, mit welchen er freundschaftlich verkehrte, schrieb er heftige Streitschriften. Gegenüber dem Denken wollte er das Glauben und Empfinden, gegenüber der Wissenschaft und Philosophie die Innigkeit und Selbstgewißheit des offenbarungsgläubigen Gemüths und des religiösen Gefühls gewahrt wissen. »Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang und seine evangelische Liebe der Weisheit Ende«. Besonders in den »Sokratischen Denkwürdigkeiten « (1759) und in den Wolken«, einem »Nachspiel der Sokratischen Denkwürdigkeiten hat Hamann seinen Haß gegen die denkende Wissenschaft niedergelegt. Pflegten die Aufklärungsphilosophen in Sokrates das große Vorbild eines åchten Weisen zu erblicken, der die Philosophie vom Himmel auf die Erde und das müßige Schulgeschwätz der Metaphysik zur lebendigen Wirksamkeit volksthümlicher Sittenlehre geläutert und emporgehoben habe, so hielt sich Hamann seinerseits nur an den sogenannten Genius des Sokrates, an dessen Stimme, wie Hamann in den Sokratischen Denkwürdigkeiten (Bd. 2, S. 38) sagt, Sokrates glaubte, auf dessen Wissenschaft er sich verlassen konnte und an dessen Frieden ihm mehr gelegen war als an aller Vernunft der Aegypter und Griechen. Wir belauschen die innersten Absichten Hamann's, wenn es in den Sokratischen Denkwürdigkeiten (Bd. 2, S. 42)

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