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über die hebräische Dichtung, durch Young's Gedanken über Originalwerke, durch Dodd's Schönheiten Shakespeare's, durch Wood's Betrachtungen über Homer, durch Macpherson's Offian und Percy's Sammlung alter Balladen die Unterscheidung zwischen Kunstdichtung und Volksdichtung lebendig geweckt worden. Herder jedoch, mit seiner tief innigen dichterischen Feinfühligkeit und mit seinem durch Rousseau geschårften Sinn für das Elementare und Naturwüchsige, war der Erste, welcher den Begriff der Volkspoesie zur vollen Geltung erhob und die Poesie als die naturnothwendige Muttersprache des menschlichen Geistes, als den Keim und Kern aller Religion, Philosophie und Geschichte erfaßte.

Diese tiefe Erkenntniß, daß, wie Goethe sich im zehnten. Buch von Wahrheit und Dichtung treffend ausdrückt, die Poesie nicht das Privaterbtheil einiger weniger Gebildeter, sondern viel=" mehr eine allgemeine Welt- und Völkergabe sei, hat Herder immer und immer wieder und in den verschiedensten Wendungen ausgesprochen. Am klarsten und vollständigsten in dem 1768 ge= schriebenen Fragment: »Von Entstehung und Fortpflanzung der ersten Religionsbegriffe.« Die denkwürdige Stelle (Lebensbild, Bd. 1, 3, a. S. 390) lautet: »Der Denkart der Nationen bin ich nachgeschlichen, und, was ich ohne System und Grübelei herausgebracht, ist, daß jede sich Urkunden bildete nach der Religion ihres Landes, nach der Tradition ihrer Våter und nach den Begriffen der Nation, daß diese Urkunden in einer dichte= rischen Sprache, in dichterischen Einkleidungen und in dichterischem Rhythmus erschienen: also mythologische Nationalgesånge vom Ursprung ihrer åltesten Merkwürdigkeiten. Und solche Gesånge hat jede Nation des Alterthums gehabt, die sich ohne fremde Beihülfe auf dem Pfad ihrer eigenen Kultur nur etwas über die Barbarei hinaufgebildet. Wo nur Reste oder Nachrichten sind, da sind auch die Ruinen solcher Urkunden; die Edda

der Celten, die Kosmogenieen oder Theogonieen und Heldengesånge der åltesten Griechen, die Nachrichten von Indianern, Spaniern, Galliern, Deutschen und von Allem, was Barbar hieß, Alles ist Eine gesammte Stimme, ein einziger Laut von solchen poetischen Urkunden voriger Zeiten. Wer Iselin's Geschichte der Menschheit in einem so merkwürdigen Zeitpunkt beleben wollte, der bringe alle diese Nationalsagen und mythische Einkleidungen und Fragmente von Urkunden in die nackte dürftige menschliche Seele zurück, die sie auf solchem Wege zu bilden anfing, und mit allgemeinen Aussichten über Völker und Zeiten sammle er so aus der Barbarei einen Geist urkundlicher Tra= ditionen und mythologischer Gesänge, wie Montesquieu einen Geist der Gesetze sammelte. Dort wenigstens sind überall redende Züge zum Bilde des menschlichen Geistes und Herzens, wie wir sie in unserm gebildeten und verkünftelten Zeitalter nicht finden. Alles, was wir vom Menschen in unseren verfeinerten Zeiten nur in schwachen dunklen Zügen sehen, lebt in den Urkunden dieses Weltalters." An einer andern Stelle, in der Abhandlung über Ossian (3ur schönen Literatur und Kunst, Bd. 7. S. 63), nennt Herder die Poesie der Naturvölker das Archiv des Volkslebens, den Schatz ihrer Wissenschaft und Religion, ihrer Theogonie und Kosmogenie, der Thaten ihrer Våter und der Begebenheiten ihrer Geschichte, den Abdruck ihres Herzens, das Bild ihres häuslichen Lebens.

Namentlich Herder's Jugendthätigkeit wurzelt einzig in diesem hohen Grundbegriff. Sie ist die Durchführung desselben in seiner ganzen Tragweite; nicht blos für die Betrachtung der Dichtung und Kunst, sondern ebenso sehr für die Betrachtung der Sprache, der Religion und der Geschichte.

Grade die erste Epoche Herder's ist daher die unbedingt reichste und geschichtlich wirksamste. Die Briefe und Lebensnachrichten Herder's bekunden unzweifelhaft, daß auch alle seine

spåteren Werke, welche geschichtliche Bedeutung gewonnen haben, bereits in diesen ernststrebenden kräftigen Jugendjahren wurzeln. Diese erste Epoche erstreckt sich bis zum Jahr 1778.

Herder's Lebensverhältnisse waren in dieser Zeit bunt und bewegt.

Nachdem er Riga verlassen, hatte er långere Zeit in Nantes und Paris verweilt. Darauf war er über die Niederlande, Hamburg und Kiel nach Eutin gegangen und von dort als Erzieher und Reiseprediger des Prinzen von Holstein-Eutin über Süddeutschland nach Straßburg; Goethe hat in Wahrheit und Dichtung sein Straßburger Zusammenleben mit Herder lebendig geschildert. Von 1771 bis 1776 war Herder Hofprediger in Bückeburg. Im Sommer 1776 wurde er auf Goethe's Anlaß Generalsuperintendent in Weimar. Aber in seinem inneren Leben und Streben blieb Herder von diesem bunten Wechsel unberührt.

Am unmittelbarsten und nachhaltigsten wirkte die neue Anschauung Herder's auf die geschichtliche und kritische Betrachtung der Dichtung selbst.

Erst jest war die Einsicht möglich geworden, daß die Geschichte der Dichtung nicht blos eine äußerliche Erzählung und Aufzählung der Dichter und ihrer Lebensumstånde und Werke sei, sondern die wissenschaftliche Darlegung des engen Zusammenhanges der Dichtung mit den durch Volksglauben und Volksthum bedingten allgemeinen Bildungsverhältnissen, die Ableitung der Literatur aus ihren bindenden weltgeschichtlichen Grundlagen, aus dem Geist und der Empfindung ihres Volks, der Zeit und des Landes. Schon früh war Herder diese geschichtliche Seite klar ins Bewußtsein getreten. Deutliches Zeugniß giebt die bereits 1766 und 1767 in Königsberg und Riga geschriebene »Abhandlung über die Ode« oder, wie Herder mit Recht hätte sagen können, die Abhandlung über die Lyrik; sie ist Bruchstück geblieben und darum erst in Herder's Lebensbild (Bd. 1, 3, a.

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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S. 61 ff.) aus seinem Nachlaß veröffentlicht. »Wenn irgend eine Gedichtgattung," sagt Herder (S. 63), »ein Proteus unter den Nationen geworden ist, so hat die Ode nach der Empfindung, dem Gegenstand und der Sprache ihren Geist und Inhalt und Miene und Gang so verändert, daß vielleicht nur der Zauberspiegel des Aesthetikers dasselbe Lebendige unter so verschiedenen Gestalten erkennt. Die Dithyrambe der Griechen ist etwas durchaus Anderes als die hebräische Hymne, und auch innerhalb Griechenlands selbst scheint jedes besondere Vaterland den griechischen Odendichter wieder besonders zu bestimmen, so daß (S. 66) Theben Pindar, Sparta Alkman, Teos Anakreon, Lesbos Sappho erzeugte; und diese Verschiedenheit zu untersuchen ist ebenso nöthig, als es nöthig ist, zu fragen, warum Sophokles und Euripides nicht Shakespeare und Racine sind. Und noch bestimmter heißt es in dem gleichzeitigen »Versuch einer Geschichte der Dichtkunst« (ebend. S. 102): »Man hat einen Begriff der Ode festseßen wollen; aber was ist die Ode? Die griechische, römische, orientalische, skaldische, neuere, ist nicht völlig dieselbe; welche von ihnen ist die beste, welche sind blos Abweichungen? Ich könnte es leicht beweisen, daß die meisten Untersucher nach ihren Lieblingsgedanken entschieden haben, weil jeder seine Begriffe und Regeln blos von Einer Art Eines Volks abzog und die übrigen für Abweichungen erklärte. Der unparteiische Untersucher nimmt alle Gattungen für gleich würdig seiner Bemerkungen an, und sucht sich also zuerst eine Geschichte im Ganzen zu bilden, um nachher über Alles zu urtheilen.« Und in der Abhandlung »>Von der Verschiedenheit des Geschmacks und der Denkart unter den Menschen« giebt Herder (ebend. S. 188) seiner tiefen Erkenntniß von der nothwendigen Wandelbarkeit des dichterischen Ideals sogar die humoristische Wendung: »Ein guter ehrlicher Mann, der die Welt nur vom Markt, vom Kaffeehause oder höchstens aus dem Hamburgischen Correspondenten kennt,

staunt so sehr, wenn er über eine Geschichte kommt und findet, daß sich mit dem Klima, mit den Erdstrichen und den Låndern Denkart und Geschmack åndern, als Paris sich bei dem Einzuge eines indianischen Prinzen nur immer wundern kann. Seine Verwunderung löst sich endlich in ein Gelächter auf; was doch nicht, ruft er aus, für fabelhaftes Zeug in den Büchern steht; wer wird dies glauben! Oder er hålt alle die Nationen für respective Narren; warum? weil sie eine andere Denkart haben, als ihm seine Frau Mama, seine werthe Umme und seine wohl, weisen Schulkameraden einpflanzten. Machen wir uns nicht oft dieses Fehlers theilhaftig, wenn wir die Denkart der Wilden sogleich für fabelhaft oder thōricht erklären, weil sie von der unsrigen abgeht? Und doch lachen wir über die Chinesen, die ihr Land für das Viereck der Welt hielten und uns arme Bewohner der ganzen übrigen Welt für Fraßengesichter und Ungeheuer in die vier Winkel dieses Vierecks malten. Warum? Uns kannten sie nicht und sich hielten sie für die Monopolisten der Einsicht und des Geschmacks. Wie oft muß man glauben, in China zu sein, wenn man im gemeinen Leben täglich solche chinesische Urtheile hört, die aus Unwissenheit und Stolz alles das verwerfen, was ihrer Denkart und Fassung widerspricht.«

Im Jahr 1773, in der Abhandlung über die »Ursachen des gesunkenen Geschmacks bei den verschiedenen Völkern, da er geblühet« (Zur schönen Literatur und Kunst, Bd. 15, S. 51) hat Herder diese Anschauung in den schlagenden Sah zusammengefaßt: »So verschieden die Zeiten sind, so verschieden muß auch die Sphäre des Geschmacks sein, obgleich immer einerlei Regeln wirken; die Materialien und Zwecke sind zu allen Zeiten anders.«

Und lange Zeit beschäftigte sich Herder mit den Plänen eingehender Literaturgeschichtswerke. Der erste jugendliche »>Versuch einer Geschichte der Dichtkunst« ist weit und tiefsinnig angelegt. Ebenso trug er sich mit einer Geschichte des Liedes, welche die

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