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Paulus.

Die Vorträge der letten Samstagabende haben uns das Ringen des Menschengeistes nach Gotteserkenntnis in großen Zügen vor Augen geführt, sie haben uns leztlich gezeigt, wie es Jesus von Nazareth gelang, des Ewigen nicht nur für seine Person mächtig zu werden, sondern den eifrig gesuchten Gott auch zur deutlichsten Anschauung zu bringen alles dies inmitten eines Volkes, das eben darum mit Recht den Namen des auserwählten Volkes trägt. Irgendwo mußte die Sehnsucht des Menschen, sich mit dem Ewigen, Unendlichen in das rechte Verhältnis zu sehen, zum kräftigsten Ausdruck kommen: es geschah inmitten des kleinen Israel; irgendeinmal mußte jene Sehnsucht gestillt, der Bund zwischen Gott und Mensch geschlossen werden: der Gottmensch Jesus Christus ist zum zweiten Adam geworden. Nun, sollte man meinen, sei das dringendste Begehren des Menschengeschlechtes erfüllt, sein aufregendstes Verlangen zur Ruhe gekommen: Gott hat sich in der faßlichsten Gestalt, in ihrer eignen, als er die Zeit für gekommen hielt, seinen Menschenkindern zur Anschauung gebracht. Was zeigt sich dafür? So wenig alle Juden, geschweige denn alle Völker an jenem rechten Gottverlangen teilgenommen, so wenig konnte der in Knechtsgestalt erschienene Gott mit einem Male von allen begriffen werden. Wie haben sich die

Menschen abgemüht, den Unbegreiflichen begreiflich zu machen; nun, da er sichtbar unter ihnen erschienen ist, sollten sie ihn erst recht nicht schauen; denn Gott bleibt Geist, ob er sich in den Wundern der Schöpfung oder in seinem Sohne offenbart, nur dem begreiflich, dem er von seinem Geiste mitgeteilt.

Und doch, welch unendlicher Gewinn für alle Zeiten, daß Gott sich einmal in seiner Fülle in Menschengestalt offenbart! Welche Erleichterung für die, die Gott begriffen, hinfort auf einen Menschen zeigen zu können, um andre Menschen zu lehren, was Gott sei. Zunächst freilich mußte Gott in Christus begriffen werden. Und da zeigte sich, daß gerade das Anschauliche, Menschliche einem solchen Begreifen hinderlich im Wege stand. Welch erhabene Ironie! Endlich hatte sich Gott dem Menschen in der dem Menschen faßlichsten Form dargestellt, einmal und nicht wieder, wie um ihn so recht zu überzeugen, daß er doch nur von dem begriffen werden kann, der ihn begreifen soll. Christus mußte erst verklärt, alles menschlichen Beiwerks entkleidet werden, ehe er seinen langsamen aber stetigen Siegeszug durch die Welt des Fleisches antreten konnte.

Dieser Verklärungsprozeß findet einen welterschütternden Abschluß in der Bekehrung des Pharisäers Saulus auf seinem Zuge nach Damaskus. Diese Bekehrung soll Ausgangs- und Mittelpunkt des heutigen Vortrages sein.

Stephanus, einer der sieben Almosenpfleger der jungen Christengemeinde in Jerusalem, hatte auf Grund eines auch in unsern Evangelien überlieferten Wortes Jesu die Erwartung ausgesprochen, die Wiederkunft Jesu werde dem jüdischen Tempeldienst und dem Gesetz ein Ende machen. Mehr noch, nicht nur im kommenden Messiasreich sollte für den Tempeldienst kein Plag sein,

der Tempelkult sollte von aller Anfang an gegen Gottes Absicht gewesen sein. Landsleute des Stephanus, griechische Juden, fassen sein Wort auf, das ihnen eine Lästerung Moses und Gottes selbst ist, und führen ihn vor den Hohen Rat. Auf Gotteslästerung steht als jüdische Strafe die Steinigung. In einem großen Tumult wird Stephanus von der aufgeregten Volksmenge gesteinigt und fällt als erster christlicher Blutzeuge, und es beginnt eine allgemeine Verfolgung der christlichen Sekte durch die Juden. Die Leitung der Verfolgung hat der Hohe Rat in der Hand, ein besonders eifriger Verfolger ist der Pharisäer Saul, der vor nicht langer Zeit aus seiner kleinasiatischen Heimat nach Jerusalem gekommen. Die Verfolgung, die es auf gänzliche Ausrottung der Christusgläubigen abgesehen hat, wird in solchem Umfang betrieben, daß sie auch über das eigentliche jüdische Land hinausgreift. Mit Vollmacht des Hohen Rates versehen, macht sich Saul auf den Weg nach Damaskus, um die dortige starke Judengemeinde vom kezerischen Gift zu säubern. Da gefiel es Gott, wie der spätere Apostel Paulus selbst berichtet, seinen Sohn an ihm zu offenbaren, auf daß er ihn unter den Heiden verkünde. Als Christusgläubiger kommt der übertriebene Eiferer für die Überlieferungen seiner Väter in Damaskus an. „Ihr habt ja gehört von meinem einstmaligen Wandel im Judentum", schreibt Paulus an die Galater, wie ich die Gemeinde Gottes ganz besonders verfolgt und sie verstört habe, und habe es im Judentum vielen Kameraden meines Stammes zuvorgethan, als übertriebener Eiferer, der ich war, für die Überlieferungen meiner Väter. Als es aber dem, der mich von Mutterleibe an ausgesondert und durch seine Gnade berufen hat, gefiel, seinen Sohn an mir zu offenbaren,

auf daß ich ihn unter den Heiden verkünde...," mit diesen dürftigen Worten erzählt Paulus ein Ereignis, das in der Weltgeschichte seinesgleichen nicht gehabt hat, ein Ereignis, das die Christianisierung vor allem der europäischen Völker in sich schließt, und ohne das alles, was wir heute mit dem Worte Kultur und Bildung bezeichnen und was wir Macht der Bildung und Kultur heißen, nicht denkbar ist.

Die Bekehrung des Saulus wird wohl seine rechte Beleuchtung erhalten, wenn wir das, was ihr vorausge= gangen, dem, was ihr folgte, gegenüberstellen.

Paulus nennt sich selbst einen übertriebenen Eiferer für die Überlieferungen seiner Väter, und als solchen zeichnet ihn auch die Apostelgeschichte. Nach ihrer Darstellung (7, 58; 8, 1. 3) legen die Zeugen der Steinigung des Stephanus ihre Kleider zu seinen Füßen, Saulus aber hatte Wohlgefallen an seiner Ermordung, er verwüstete die Gemeinde, er drang in die Häuser ein, schleppte Männer und Frauen fort und lieferte sie ab ins Gefängnis, das alles, weil er in Stephanus und dessen Genossen Feinde des Gesezes und damit in der vom ge= freuzigten Galiläer erregten Bewegung eine Gefahr für die Zukunft des jüdischen Volkes im ganzen wie für das Heil jedes einzelnen Juden erkannt zu haben meinte. Und das mußte er als rechter Pharisäer. Als solcher sah er im jüdischen Gesez den einzig denkbaren Weg zum Heil wie für das Volk, so für jeden einzelnen. Der heißersehnte Messias, der die glühenden Zukunftshoffnungen des Gottesvolkes erfüllen sollte, konnte anders nicht erscheinen; er mußte bei seiner Ankunft ein gerechtes, d. h. das Geset pünktlich erfüllendes Volk vorfinden. Jedes Hindernis der Gesezeserfüllung und ein solches hatte sich in der

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galiläischen Bewegung bemerklich gemacht eine Verzögerung der Ankunft des Messias, unter dem Gesetz leben sollte (Gal. 4, 4), der Urheber der gesegesfeindlichen Sekte, den man vor kurzem an das Kreuz geheftet, und dessen Hinrichtung allein schon seine Messiasansprüche nichtig erscheinen ließ. Der Messias mußte einem höheren Lebensgebiet an= gehören, an das der Tod nicht hinanreichte, zumal der schmachvolle Tod am Kreuz.

Durch solche Ansichten unterschied sich Saulus aber nicht von den anderen Pharisäern. Was ihn auszeichnete und zum übertriebenen Eiferer für das Gesetz machte, war etwas anderes: eine Empfindlichkeit des Gewissens, wie sie ein zweiter nicht gekannt hat. „Wissen wir doch", schreibt er in späterer Zeit an die Römer, „daß das Gesetz geistlich ist; ich aber bin von Fleisch, verkauft unter die Sünde; denn was ich vollbringe, weiß ich nicht. Denn nicht was ich will thue ich, sondern das, was ich hasse, das treibe ich. Wenn ich es aber wider Willen thue, so erkenne ich die Güte des Gesetzes an; dann aber bin ich nicht mehr der, der es vollbringt, sondern die Sünde thut es, die in mir wohnt. Ich bin mir ja bewußt, daß in mir, das heißt in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt. Das Wollen ist da, das Vollbringen des Guten aber nicht. Denn ich thue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse treibe ich, das ich nicht will. Wenn ich aber das thue, was ich nicht will, so bin ich es nicht mehr, der es vollbringt, sondern die Sünde thut es, die in mir wohnt. So nehme ich also ein Gesez wahr, unter dem ich stehe: nämlich daß mir, während ich das Gute thun will, das Böse zur Hand ist. Denn ich stimme mit Freuden dem Geseze Gottes zu nach dem inneren Menschen,

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