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durch solche Wiederholungen der Auferstehung vor Damaskus bezeichnet. Diese Wiederholungsfähigkeit des geistigen Auferstehungswunders vor Damaskus sichert dem Christentum aber nicht nur seine Stellung als Weltmacht, als der Macht, durch die die Welt überwunden werden soll, sie sichert ihm, und das ist vielleicht die Hauptsache, die auf jeden einzelnen von uns abzielende ewige Heilkraft. Die wunderbare Betehrung des Pharisäers Saulus ist jedem einzelnen vor uns eine Bürgschaft der Hoffnung, daß sich jenes Wunder an jedem einzelnen von uns wiederholen könne. Unfre Blicke auf die Bekehrung des Apostels Paulus gerichtet, können wir in stiller Ergebenheit unsrer eignen Heilung harren.

Das Wunder von Damaskus als christliches Heilwunder, als das christliche Heilwunder aufgefaßt, ist nun freilich der Punkt, wo sich unsre Wege scheiden müssen. Alle müssen wir, wenn wir der gutbeglaubigten Geschichte nicht einen derben Schlag verseßen wollen, in der Bekehrung des eifrigsten Pharisäers ein Heilwunder anerkennen. Eine andre Frage aber ist es mit unsrem eignen Heils bedürfnis. Gar mancher von uns, besonders vor einem gewissen Zeitpunkt geistiger Reife, wird bei der größten Anstrengung nicht einsehen können, was an ihm denn zu heilen sei? Mancher wird auch das Ausspähen nach Krankheitssymptomen im eignen Innern als krankhafte Neigung verurteilen und, wo er sie verspürt, zu unterdrücken suchen. Andre wiederum werden meinen, sie hätten mit dem Jesus der Evangelisten genug, und werden sich mit Widerwillen vom spitfindigen Paulus abwenden. Und dieser lezten Klasse guter Christen muß wohl zunächst geantwortet werden.

Wir werden zugestehen müssen, daß Paulus allerdings nicht für uns alle die gleiche Bedeutung hat, auch

nicht zu haben braucht. Für die gewiß nicht, die infolge günstiger Erziehungs- und Lebensumstände, ohne recht zu wissen wie, in das Christentum hineinwachsen. Ja, wir werden sagen müssen, wohl dem, der ohne den Umweg über Damaskus zu seinem Christus kommt, der sich und andern unmerklich in das Bild des Erlösers hineinwächst, in dem der Heiland, ihm und andern unmerklich, Gestalt gewinnt. Ja gewiß, dies sollte der normale Verlauf des Christenlebens sein, daß wir vom ersten Tage unsres Erdenwallens an einen Lauf nähmen, der ohne merkliche Abirrungen und darum auch ohne merkliche Korrekturen in das uns vorgezeichnete Ziel, in das Ideal des Christenmenschen einmündete. An jedem Punkte dieser Lebensbahn stellten wir dann den uns angemessenen Christenmenschen dar: unser Leben bezeichnete ein einziges unverkümmertes, gesundes christliches Wachstum. Der so wachsende Christ mag sich wie der Gesunde schaudernd vom kranken Paulus und seinen heutigen Mitkranken abwenden.

Und doch dürfte auch er es nicht. Hat in ihm wirklich der galiläische Seelenarzt Gestalt gewonnen, so wird es ihn mit unwiderstehlicher Nächstenliebe gerade zu den Kranken hinziehen, als deren erster vor Damaskus Paulus geheilt wurde. Ja, gerade er wird das Bekehrungswunder, je weniger er es an sich selbst zu erfahren Gelegenheit hatte, am großen Apostel studieren müssen, um die eignen Heilversuche nach diesem größten Muster christlicher Heilung einzurichten.

Für alle andern aber ist der Umweg über Damaskus die unerläßliche Bedingung des eignen Seelenheils, den Stumpfsinnigen ausgenommen, der überhaupt nie in die Verlegenheit kommt, über wichtigere und edlere Lebensfragen

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nachzudenken. Für alle mit Sünde Behafteten, die sich dieses ihres krankhaften Zustandes früher oder später bewußt werden, giebt es von dem Moment an, wo sich das Bewußtsein der uns anhaftenden Schwäche zu regen beginnt, nur einen einzigen Heilsweg, und der führt über Damaskus. Für den schuldbeladenen, sündigen Teil der Menschheit wäre vielleicht, troß aller Anschaulichkeit, mit der das Heil in Jesus von Nazareth zur Welt gekommen, dies Heil umsonst erschienen, wenn Paulus nicht ein für allemal den Weg zeigte, wie sich der sündige Mensch jenes Heil aneignet, wirklich aneignen kann. Und für die Sündigen war doch der Herr vor allem Mensch geworden. Der einzige Trost für den Sündhaften hat sich das Befehrungswunder des Pharisäers ereignet.

Sünde, Schuld wie altväterisch muten uns diese Worte an. Sollten Sünde und Schuld wirklich aus der Welt verschwunden sein, da man diese Worte in ihrem eigentlichen Sinne so selten anwendet? Sollten Sünde und Schuld wirklich zum Kinderspott geworden sein, da diese Ausdrücke, wo sie angewandt werden, meist so gar nicht das bezeichnen, das auszudrücken sie geprägt wurden ? Wenn der Naturforscher von unverbrüchlichen Gesezen spricht, denen sich der Mensch fügen muß, wenn er leiblich und seelisch gesund bleiben will wir hören ihm gläubig zu, ohne selbst nur die geringste Ahnung vom wirklichen Wesen des Naturgesetzes zu haben; der Arzt, der Naturforscher, der Philosoph hat es ja studiert, er muß es wissen; wir glauben ihm gerne, daß unser leibliches wie unser seelisches Mißbehagen von einer Mißachtung der unbarmherzigen Forderungen des Naturgesezes herrührt. Wir wissen zwar nicht, um was es sich eigentlich handelt, aber wir glauben dem Arzt, dem Fachmann.

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Was der moderne Mensch eine Abirrung von der Natur heißt, das empfindet der Christ als Schuld und Sünde gegen seinen Gott. Was der moderne Mensch sich unter unverbrüchlichen Gesetzen der Natur denkt und nicht denkt, das ist dem Christen sein Gott, und dieser Gott ist seit Jesus von Nazareth Liebe. Sünde ist alle Lieblosigkeit, die wir uns zu Schulden kommen lassen, zur Sünde kann auch das gesetzmäßigste Handeln werden, wenn es nicht aus Liebe geschieht. Die Sünde, die Lieblosigkeit empfindet nun, wer sie überhaupt empfindet, als eine fremde Macht, der er gegen seinen Willen unterworfen ist, ähnlich wie Paulus von einem Gesez der Sünde in seinen Gliedern spricht. Als eine solche fremde, tyrannische Macht wird aber die Sünde empfunden, weil ihr regelmäßig bitterer Schmerz und Reue auf dem Fuße folgt. Der Versucher, der Teufel, dem der Reformator Luther so manches derbe Schnippchen geschlagen hat, er ist nichts andres, als die Macht der Sünde, die nicht zuläßt, daß wir das Gute thun, das wir wollen, die uns das Böse treiben heißt, das wir nicht wollen. Vielmehr, nicht das empfinden wir, daß uns eine teuflische Macht das Böse thun heißt, sondern wenn wir das Böse getrieben haben, so lehren uns Schmerz und Reue, daß wir gegen Gott, der Liebe ist, uns aufgelehnt haben. Denn ich stimme mit Freuden dem Geseze Gottes zu nach dem inneren Menschen, ich sehe aber ein andres Gesetz in meinen Gliedern, welches gegen das Geseß meines Denkens kämpft und mich gefangen sezt in dem Geseze der Sünde, das in meinen Gliedern ist. Ich unglücklicher Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Leibe des Todes ?"

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Dieselbe langmütige, gütige Liebe, deren gnadenreiche Wirkung sich eigentlich schon in dem nach

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jeder Lieblosigkeit empfundenen bittern Schmerz und Reue ankündigt. Erkennen, daß diese schmerzhaften Zuchtmittel Äußerungen der über uns waltenden Liebe sind, der Liebe, die uns trop all unsrer Sündhaftigkeit nicht verstoßen, sondern den Arbeiter, den sie um die elfte Stunde gedungen hat, zahlen wird, als hätte er von der dritten Stunde an Last und Hiße des Tages getragen in dieser Erkenntnis wiederholt sich die eine Seite des Wunders von Damaskus. Dies Wunder ist eine Zurechtrichtung unseres Erkenntnisvermögens: wir erkennen, daß nicht wir der Mittelpunkt sind, von dem aus unsre Kraftäußerungen ausgehen, zu dem unsere Kraftäußerungen wieder zurückkehren; wir erkennen, daß ein andrer im Mittelpunkt steht, aber nicht einer, dem wir gleichgültig sind, der uns nach lieblosen Gesehen der Schwere dahintreiben läßt, sondern einer, der trog aller unsrer Abirrungen uns an sich als unsern Mittelpunkt gefesselt hält und uns die köstliche Zuversicht schenkt, dereinst mit ihm zusammenzufallen.

In dieser Erkenntnis besteht der felsenfeste Glaube, als dessen Held der Apostel Paulus ausgezogen ist. Erkennen, daß wir aus eigner Kraft zu unserm Heil nichts vermögen, erkennen, daß all unser Thun, das von uns ausgehend uns zu dienen bestimmt ist, den eignen Herrn schlägt, erkennen, daß eine über alle Vernunft erhabene Liebe uns tro all unsrer Lieblosigkeit an Sohnesstatt annehmen will das lehrt uns die Bekehrung des Heidenapostels. Daß diese Einsicht aber auch bei uns, wie beim Apostel, zum Christenglauben werde, dazu bedarf es freilich derselben besondern Gnadenwirkung, die ihm zuteil geworden: die mittelbare Erkenntnis durch die Bekehrung des Apostels hindurch muß vollendet werden durch dasselbe unmittelbare Schauen, das ihm vergönnt

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